L 3 U 37/13

Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 40 U 197/09
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 3 U 37/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens über die Höhe der Verletztenrente, die die Beklagte dem Kläger auf¬grund eines Arbeitsunfalls ab 30. Juli 2001 gewährte, sowie über die Weitergewäh¬rung der Rente über den 31. März 2004 hinaus.

Der am xxxxx 1959 geborene Kläger war als gelernter Hafenfacharbeiter seit 1986 im H. tätig. Am 4. August 1999 gegen 9.00 Uhr erlitt er einen Arbeitsunfall beim Entladen eines Schiffes. In der Unfallanzeige vom 3. September 1999 heißt es, der Kläger sei mit einem M. (Zugmaschine) und einem beladenen Trailer von Deck 2 zu Deck 3 gefahren. Die Steigung habe 12 % betragen. Die vorderen Räder des M. hätten die Boden¬haftung verloren, der M. sei die Rampe herunter gerutscht, habe den Trailer verloren und sei am Schott zum Stehen gekommen. Aus dem technischen Gutachten des Dipl.-Ing. A. vom 15. Oktober 2003, das für die Staatsanwaltschaft Hamburg erstellt wurde, ergibt sich, dass der vom Kläger geführte M. eine Zugleistung von ca. 30 t hatte, der angehängte Trailer ein Gewicht von ca. 60 t aufwies und die schräge Ebene, die der Kläger von Deck 2 zu Deck 3 befahren musste, rund 52 m lang war. In dem Gutachten wird weiter ausgeführt, dass der M. des Klägers kurz vor Errei-chen des Decks 3 gestoppt und langsam die Rampe zurückgerutscht sei. Hierbei habe sich das Fahrzeug ca. 1 Meter hochge¬hoben und sei auch gegen das Deck geschlagen, so dass der Kläger im Führerhaus hin und her geschleudert worden sei. Der Kläger sei von zwei Arbeitskollegen aus seinem Fahrzeug herausgeholt worden.

Nach dem Durchgangsarztbericht des A3 Krankenhauses (A1) H1 vom Unfalltage zog sich der Kläger eine Rückenprellung mit instabiler Lendenwirbelkör¬per (LWK)-3-Fraktur, eine Platzwunde sowie diverse Prellungen und Schürfungen zu. Er wurde stationär wegen der instabilen Fraktur des 3. LWK bis zum 28. September 1999 mit einer konservativen Therapie behandelt. In den ärztli¬chen Berichten über die stationäre Behandlung im A1 H1 vom 4. August 1999 bis zum 28. September 1999 finden sich (nur) Aussagen über die durchgeführten chirurgi¬schen Behandlungsmaßnahmen mit dem Ergebnis, dass der Kläger gut und sicher mobi¬lisiert werden konnte.

Vom 15. Oktober 1999 bis 5. November 1999 befand sich der Kläger in der Rehabilitati-onsklinik A2. Im Abschlussbericht vom 22. November 1999 führte der Chefarzt Dr. S3 unter anderem aus, der Kläger sei weiterhin arbeitsunfähig und es werde die Fortsetzung von krankengymnastischen Übungsbehandlungen zur Kräftigung der Rumpf¬muskulatur empfohlen. Ebenfalls empfohlen wurde eine ambulante psychologische Weiter¬be¬handlung des Klägers, da eine Verarbeitung des Unfallgeschehens und der Unfallfolgen noch sinnvoll und notwendig sei.

In seinem Befundbericht vom 8. Dezember 1999 stellte der den Kläger behandelnde Fach¬arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. D2 die Diagnose Commotio cerebri und LWK-Fraktur 3. In diesem Befundbericht wurde weder eine psy¬chiatrische Diagnose noch ein entsprechender Befund beschrieben.

Der Zwil¬lingsbruder des Klägers verstarb am 29. Dezember 1999 an Bauchspeicheldrü-senkrebs. In einem Nachschaubericht des den Kläger behandelnden Chirurgen Dr. S. vom 30. Dezember 1999 wurde ausgeführt, dass es beim Kläger durch den Tod seines Zwil-lingsbruders zu einer schweren seelischen Verstimmung gekommen sei. Der Kläger habe die letzten 3 Tage vor dem Ableben seines Zwillingsbruders bei ihm im Kran¬kenhaus ver¬bracht, weshalb die orthopädische Rehabilitation unterbrochen worden sei.

Vom 20. April bis 25. Mai 2000 befand sich der Kläger in einer stationären Anschlussheilbehandlung in der Klinik J., Therapiezentrum für Neurologie, Neurotrauma-tologie und Orthopädie. Im Entlassungsbericht vom 4. Juli 2000 diagnostizierte der Chef¬arzt Dr. N. eine LWK-3-Fraktur sowie eine Anpassungsstörung mit längerer depres¬siver Reaktion. Zur Behandlung der Anpassungsstörung seien verhaltensorientierte Ge¬spräche zur Krankheitsverar¬bei¬tung durchgeführt worden. Der Kläger habe die stationäre Heilbehandlung mit der Begründung abgebrochen, seine Frau leide an M4, so dass er sich um sie kümmern müsse und die Therapie ambulant fortsetzen wolle. Im psycho¬logischen Abschlussbericht über die durchgeführte Einzeltherapie hieß es, der Unfall und der Tod des Bruders stellten seelische Belastungen dar. Der Kläger habe den Tod seines Bruders nicht verarbeitet.

Vom 20. September 2000 bis 18. Oktober 2000 befand sich der Kläger in stationärer Be-handlung in der Rehabilitationsklinik D1. Im Entlassungsbericht vom 19. Dezember 2000 wurden eine LWK-3-Fraktur, wiederkehrende Lumbalgien und eine posttraumatische Belastungsstörung diagnostiziert.

Im psychologischen Bericht der Klinik vom 9. Oktober 2000 führte der behandelnde Dipl.-Psychologe T. unter anderen aus, der Kläger habe beim Unfallereignis mehrere Minuten Todesangst gehabt. Auch während der nachfolgenden Behandlungen im Kran¬kenhaus habe er sich subjektiv stark bedroht gefühlt, weil eine Querschnittslähmung bei seinen Verletzungen nicht habe ausgeschlossen werden können. Noch nach über einem Jahr leide er unter Intrusionen, Schlafstörungen, chronischer Übererregung und Antriebs¬problemen. Er bekomme aus seiner Umwelt die Rückmeldung, sich verändert zu haben. Sorgen mache ihm die berufliche Zukunft. Er fühle sich zu jung für die Rente und wolle auf jeden Fall wieder arbeiten.

Im Mai bzw. im Juni 2001 scheiterten zwei Arbeits- und Belastungserprobungen zur Wie-dereingliederung des Klägers in Tätigkeiten im Hafen. Bei dem ersten Versuch wurde der Kläger in unmittelbarer Nähe zum Unfallort eingesetzt, und er gab an, er habe die Arbeit dort nicht ver¬richten können. Nach dem zweiten Versuch legte er dar, man habe ihm "zu schwere" Tätigkeiten bzw. keine angemessenen Arbeiten zugewiesen, so dass die Erpro¬bung habe scheitern müssen.

Die weiteren Ermittlungen der Beklagten ergaben unter anderen, dass der Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. L2 bereits in seinem lange vor dem Unfall erstellten ärztlichen Attest vom 10. Mai 1995 zur Vorlage beim Rentenversicherungsträger für die Begründung eines stationären Heilverfahrens, das der Kläger damals beantragt hatte, unter anderem ein chronisches Lendenwirbelsäulensyndrom und einen vegetativen Erschöpfungszustand diagnostiziert hatte. Im ärztlichen Gutachten für den Rentenversicherungsträger vom 16. Januar 1996 war ausgeführt worden, dass beim Kläger seit Jahren rezidivierende Wirbelsäulenbeschwerden be¬stünden. Aktuell habe er Rückenschmerzen, deswegen wolle er auch zur Kur. Der Gut¬achter, Dr. F2, hatte unter dem Stichwort "Psyche" ausgeführt, "wortreiche und umfangreiche Beschwerdeschilderung, psychovegetative Minder-belastbarkeit".

Ausweislich von Röntgenaufnahmen vom 11. Januar 1996 war beim Kläger eine diffuse grobsträhnige Osteoporose diag¬nosti¬ziert worden. Auch im U.-krankenhaus E. wurde die Diagnose im Jahre 1998 bestätigt (Bericht Dr. F4 vom 5. August 1998). In der Röntgenpraxis S1 fanden regelmäßig Bestim¬mungen des Knochenmineralgehaltes statt. Im Bericht vom 11. Februar 2002 wird u. a. ausgeführt, es habe sich keine Änderung der Osteoporose nach dem Unfall ergeben. Dres. M2 u. a. gingen hingegen davon aus, dass die Osteoporose durch Immobilisation wegen des Unfalls fortgeschritten sei (Bericht der Klinik "Der F1" vom 7. September 2001). Auch die Radiologin Dr. M3 nahm eine vorübergehende Verschlimmerung der Osteoporose durch den Unfall an, eine Verlaufsbeurteilung sei je¬doch mangels aussagekräftiger Daten nicht möglich (Bericht vom 4. Dezember 2001). Im Gutachten des Chirurgen Dr. S4 vom 4. März bzw. 11. April 2002 wurde dargelegt, dass durch den Unfall allenfalls eine vorübergehende Verschlech¬terung der Osteoporose ohne eine unfallbedingte Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) erfolgt sei.

Die Neurologin/Psychiaterin Dr. M1 behandelte den Kläger seit dem 22. November 1999 und führte im Bericht vom 18. Mai 2000 aus, der Kläger leide seit dem Unfall an ei¬ner posttraumatischen Belastungsreaktion mit Panikattacken. Die Erkrankung habe sich zwischenzeitlich durch den Tod des Bruders verschlimmert.

Aufgrund eines Antrages auf die Gewährung von Rente wegen verminderter Erwerbsfähig-keit wurde der Kläger am 9. April 2002 vom Facharzt für Nervenheilkunde A5 des zuständigen Rentenversicherungsträgers begutachtet. Dieser diag¬nostizierte ein subdepressives Syndrom, reaktiv mit partiellem Rückzugsverhalten, auf dem Boden einer posttraumatischen Belastungsstörung nach einem Arbeitsunfall im Au¬gust 1999 mit aktuell leichtgradig reduzierter psychischer Be¬lastbarkeit (nach dem Diag¬noseschlüssel des "International Classification of Diseases and Related Health Problems (ICD-10)", ICD-10 F33).

Am 29. Juni 2002 stürzte der Kläger. Auf dem Heimweg von einem Schwimmbad sei er gestol¬pert und habe sich nur mit den Händen abstützen können. Hierbei habe es im Rü¬cken geknackt und der 7. Brustwirbelkörper sei gebrochen. Ausweislich des Berichts des A1 H1 vom 30. Juni 2002 wurden bei der anschließenden Untersuchung keine Sinte¬rung und kein Anhalt für eine frische Fraktur im Bereich des 7. Brustwirbelkörpers festge¬stellt.

Im Auftrag der Beklagten erstellte der Chirurg/Unfallchirurg Dr. G. ein Zusammen¬hangs-gutachten und Dr. H2 ein neurologisch-psychiatrisches Zusatzgutachten. Dr. H2 führte in seinem Gutachten vom 26. Juli 2002 aus, dass bei der während ei¬nes Aufent¬haltes in der Reha-Klinik D1 im Oktober 2000 gestellten Diagnose einer posttraumatischen Belastungsstörung zu unterstellen sei, dass beim Kläger seelische Symptome relativ zeitnah zum Ereignis aufgetreten seien. Die posttraumatische Belas¬tungsstörung (ICD-10 F43.1) sei Unfallfolge, die mit einer MdE von 20 vom Hundert (v.H.) zu bewerten sei. Im Gutach¬ten vom 5. August 2002 führte Dr. G. zusammenfassend aus, dass der Kompressi¬onsbruch des 3. LWK eine wesentliche Un¬fallfolge darstelle. Die ebenfalls vorliegende ausgeprägte Osteoporose der Wirbelsäule sei hingegen keine Unfallfolge. Eine Fraktur des 7. Brustwirbelkörpers sei ebenfalls nicht un¬fallbedingt. Nachdem bis zum 29. Juli 2001 eine unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit bestan¬den habe, sei die MdE für die Unfallfolgen auf orthopädischem Fachgebiet anschließend mit 20 v.H. und ab 17. Juli 2002 mit 10 v.H. auf Dauer einzuschätzen. Die Gesamt-MdE wurde für den Zeit¬raum vom 30. Juli 2001 bis 16. Juli 2002 mit 40 v.H. und ab diesem Zeitpunkt mit 30 v.H. bewer¬tet.

Mit Bescheid vom 24. September 2002 gewährte die Beklagte dem Kläger eine Verletz-tenrente auf unbestimmte Zeit, und zwar vom 30. Juli 2001 bis 31. Juli 2002 nach einer MdE von 40 v.H. und ab 1. August 2002 nach einer MdE von 30 v.H. Als Unfallfolgen erkannte sie ei¬nen verheilten Kompressionsbruch des 3. LWK mit leichter vorde¬rer und deutlich rechtseitiger Höhenminderung, eine Formänderung nach der Fraktur des 3. LWK mit daraus re¬sultierender Fehlstatik im Sinne einer kurzstreckigen linkskonvexen seitwärtigen Verbie-gung der mittleren Lendenwirbelsäule mit anteiligen Ver¬spannungen der Streckmuskulatur der Lendenwirbelsäule und Belastungsbeschwerden an. Weiter erkannte sie eine post-traumatische Belastungsstörung, d.h. Vermeidung von Aktivitäten und Situationen, die Erinnerungen an den Unfall vom 4. August 1999 wachru¬fen können, emotionale Stumpf¬heit und Gleichgültigkeit gegenüber der Umgebung sowie das wiederholte Erleben des Unfalles vom 4. August 1999 in sich aufdrängender Erinne¬rung oder in Träumen vor dem Hintergrund eines andauernden Gefühls von Betäubtsein an. Ausdrücklich nicht aner¬kannt wurde eine ausgeprägte Osteoporose, ein Zustand nach einer Fraktur des 7. Brustwirbelkörpers (Unfall vom 29. Juni 2002), ein Morbus Scheuer¬mann, ein Band¬scheibenschaden im Bewegungssegment LWK5/SWK1 und Verspannun¬gen der Streck¬muskulatur im Bereich der Wirbelsäule. Der Widerspruch des Klägers, mit welchem dieser eine höhere MdE begehrte, blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 15. Mai 2003)

Im sich anschließenden Klageverfahren wurde ein medi¬zinisches Sachverständigen¬gut¬achten des Facharztes für Chirurgie/Unfallchirurgie Dr. E1 vom 18. Februar 2004 eingeholt, welches zusammenfassend zu dem Ergebnis kommt, dass lediglich der Bruch des 3. LWK und seine Folgen auf den Arbeitsunfall vom 4. August 1999 zurückzuführen seien. Die Osteoporose habe bereits vor dem Unfall vorge¬legen. Die Fraktur im 7. Brustwirbelkörper habe keinen Zu-sammenhang mit dem Arbeitsunfall und stelle daher keine Unfallfolge dar. Die MdE sei (auf chirurgischem Fachgebiet) bis zum 16. Juni 2002 mit 20 v.H. nachvoll¬ziehbar. Danach sei die MdE auf dem Boden der arbeits¬unfallbedingten Wirbelkörper¬fraktur mit 10 v.H. einzuschätzen.

Der ebenfalls gerichtlich beauftragte Facharzt für Neurologie und Psychiatrie sowie Psy-chotherapie Dr. F. kam in seinem Gut¬achten vom 18. Februar 2004 zusammenfassend zu dem Ergebnis, dass die Kriterien einer posttraumatischen Belastungsstö¬rung nach den Diagnoseschlüsseln ICD-10 bzw. des "Diktion der Diagnosemanuale" (DSM-IV) nicht vorgelegen hätten. Der Kläger habe bei der Begutachtung gar nicht schnell genug über das Unfallereignis vom 4. August 1999 berichten können, so dass bereits das Kriterium der Vermeidungshaltung nicht erfüllt sei und damit die Vorausset¬zungen nach den Diagnoseschlüsseln des ICD-10 bzw. des DSM-IV nicht vorlägen. Er diagnosti¬ziert eine mit Angst und depressiver Reaktion ge¬mischte Anpassungsstörung (ICD-10:F43.22). Weiter führte der Gutachter aus, dass bei dem Kläger gegenwärtig ein seelisches Leiden in Form einer Anpassungsstörung be¬stehe. Sie komme im Zusam¬menwirken etlicher Stressoren zustande, wozu die laufenden Rechtsstreitigkeiten, die schwierige Lebenssituation, die Tatsache der Arbeitslosigkeit nach Kündigung durch den Arbeitge¬ber, die unfallfremden Schmerzen und vieles andere mehr zählten. Initial sei die seelische Beeindruckung durch das Unfallerleben eine ma߬geblich mitwirkende Teilursa¬che gewesen, heute sei dies aber nicht mehr der Fall. Es sei ein Wechsel der Wesens¬grund¬lage eingetreten. Ob dies bereits zum Zeitpunkt der Unter¬suchung durch Dr. H2 der Fall gewesen sei, sei fraglich. Es bestünden durchaus Zweifel daran, ob ein ereignisgebundenes Krankheitsbild zu diesem Zeitpunkt noch be¬standen habe – es werde auf die in den Diagnosemanua¬len (ICD-10 und DSM-IV) fest-gelegte zeitliche Limitierung von Anpassungsstörungen nach einmalig einwirkenden Stressoren verwiesen. Er em¬pfehle aber, von dem Wechsel der Wesens¬grundlage erst mit dem Datum seiner Untersu¬chung auszugehen. Hier habe sich der Wechsel der We-sensgrundlage anhand der aus¬führlich dargestellten Argumentation nachweisen lassen. Eine unfallbedingte MdE auf¬grund psychogener Unfallfolgen liege daher nicht mehr vor.

Mit Bescheid vom 25. März 2004 entzog die Beklagte daraufhin die Verletztenrente ab Ende März und führte zur Begründung aus, die Folgen einer posttraumatischen Belastungsstörung lägen nicht mehr vor. Es sei ein Wechsel der Wesensgrundlage einge¬treten. Das zurzeit bestehende seelische Leiden im Sinne einer Anpassungsstörung werde nicht mehr wesentlich durch die seelische Beeindruckung durch das Unfallerle¬ben verursacht.

Hiergegen wendete der Kläger ein, er leide ausweislich diverser vorliegender medizi¬nischer Unterlagen an einer posttraumatischen Belastungsstörung und nicht nur, wie Dr. F. behaupte, an einer Anpassungsstörung. Er verweise auf die nerven¬ärztliche Stellungnahme der Dr. M1 vom 1. April 2004, in welcher die behandelnde Ärztin ausführe, es handele sich diagnostisch eindeutig um eine posttrau¬matische Belastungsstörung. Der Kläger habe den Unfall als ein eindeu¬tiges Trauma erlebt, es komme immer wieder zu Intrusionen. Es liege ein Vermeidungs¬verhal¬ten vor, emotional bestehe ein Zustand der Starre.

In den Klageverfahren gegen die gesetzliche Rentenversicherung (Klage auf Gewährung medizinischer Rehabilitation und Klage auf Gewährung einer Erwerbsminderungsrente) unter den Aktenzeichen des Sozialgerichts S 16 RJ 1147/03 und S 16 RJ 407/04 hat der Fach¬arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. Laumayer am 31. März 2005 ein nervenärztli¬ches Fachgutachten erstattet. Die Leistungsfähigkeit des Klägers werde erheblich durch eine ängstlich-depressive Störung beeinträchtigt, im Wesentlichen wohl als psycho-reak¬tive Folge eines 1999 stattgehabten schweren Unfalles.

In seiner ergänzenden nervenärztlichen Stellungnahme vom 10. Juni 2005 kommt Dr. F. zu dem Ergebnis, dass auch das so genannte A-Kriterium der post¬traumati¬schen Belastungsstörung nicht vorliege. Dieses ergebe sich aus dem nunmehr vorgeleg¬ten Gutachten des Dipl.-Ing. A ... Es komme vor, dass die Diagnose der posttraumati¬schen Belastungsstörung bei einem verunfallten Menschen auf der Symptomebene, d.h. auf der Ebene der Kriterien B-D nach dem DSM-IV, durchaus festgestellt werden könne, ohne das ein Ereigniszusammenhang bestehe. So verhalte es sich auch bei dem Kläger hinsichtlich einzelner Merkmale der Symptomebene: Es sei richtig, dass sich der Kläger, wenn er über den Unfall spreche, in erheblicher Weise echauffiere, was allerdings auch bei ganz anderen, nicht unfallverbundenen Gelegenheiten der Fall sei. Hierauf sei in sei¬nem Gutachten ausführlich eingegangen worden. Der Grund dafür sei nicht ein unfallbe¬dingt gesetzter seelischer Erstschaden im Sinne der nachhaltigen seelischen Beeindru¬ckung mit einer daraus folgenden anhaltenden Ver¬schiebung des seelischen Gleichge¬wichtes, sondern Gegebenheiten, die der Kläger vielleicht unfallassoziiert erlebe, die dies aber nicht seien. Hierzu gehörten etwa die Kündigung durch den Arbeitgeber, sowie der Umstand, dass dieser den Kläger für den Unfall verantwortlich gemacht habe, weil er an¬geblich unerlaubt in den dritten Gang geschaltet habe, und das D.-Gutachten, wel¬ches nach Einschätzung des Klägers zu falschen Schlüssen komme.

Der Facharzt für Neurologie und Psychiatrie sowie Sozialmedizin Dr. N1 erstattete unter dem 30. September 2005 ein weiteres nervenärztliches Gutachten. Er diagnostizierte bei dem Kläger eine anhaltende depressive Anpassungsstörung mit leicht ängstlicher Tönung (ICD-10 F43.2) vor dem Hintergrund zahlreicher psychosozialer Belastungsfaktoren, eine abgeklungene posttraumatische Belastungsstörung, einen Zustand nach LWK-3-Fraktur ohne Anhalt für medulläre oder radikuläre neurologische Ausfälle und eine Osteoporose. Dr. N1 weist unter anderen darauf hin, dass der den Kläger behan¬delnde Neurologe und Psychiater Dr. D2 in dem Befundbericht vom 8. Dezember 1999 keine psychischen Veränderungen beschrieben habe. Dort würden nur eine Com¬mo¬tio cerebri und eine LWK-3-Fraktur diagnostiziert. Neurologische Ausfälle oder psychi¬sche Beeinträchtigungen würden nicht beschrieben, und der Kläger habe sie offenbar auch nicht gegenüber Dr. D2 geschildert. Allerdings sei der Kläger laut Entlas¬sungsbericht der Rehabilitationsklinik A2 dort auch psychologisch betreut wor¬den, und es werde eine ambulante psychologische Weiterbehandlung des Patienten empfohlen, da die Verarbeitung des Unfallgeschehens und der Unfallfol¬gen noch sinnvoll und notwendig sei. Mehr werde jedoch auf die psychischen Veränderun¬gen nicht einge¬gangen. Folge man nun diesen Berichten und Angaben, welche auch von einer Reihe von Vorgutachtern gewürdigt worden seien, so müsse man feststellen, dass konkurrierende Konflikte und Belastungen zur Aufrechterhaltung der psychischen Symptomatik derzeit nicht nur ihr beitrügen, sondern sie mittlerweile bedingten. Eine post-traumatische Belas¬tungsstörung mit typischen Symptomen bestehe nicht mehr. Die vor-liegenden psychi¬schen Beeinträchtigungen seien vielmehr als Reaktion auf die gegen¬wärtige Lebenssitua¬tion und deren Entwicklung zurückzuführen. Zudem ergebe es sich aus den Akten, dass der Kläger bereits lange vor dem Unfall unter krankheitswertigen psychi¬schen Beeinträch¬tigungen gelitten habe. So würden eine depressive Episode im Frühjahr 1999 soweit be¬reits in den Jahren 1995 und 1996 eine so genannte "psychove¬getative Minderbelastbar¬keit" beschrieben. Dr. F. sei darin zuzustimmen, dass die Annahme einer MdE von 20 v.H. für psychogene Unfallfolgen durch Dr. H2 zu hoch gelegen habe, weil der psy¬chische Vorschaden, insbesondere die depressive Epi¬sode aus dem Frühjahr 1999, unbe-rücksichtigt geblieben sei. Gleichwohl sei festzustellen, dass unabhängig davon eine Ad¬dition der psychischen und unfallchirurgischen Folgen nicht begründet sei. Auf nerven¬ärztlichem Fachgebiet bestehe spätestens seit der Begut¬ach¬tung durch Dr. F. keine unfallbedingte messbare MdE mehr, davor sei sie auf nerven¬ärztlichem Fachgebiet mit 20 v.H. einzuschätzen.

Auf Antrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) erstattete der Facharzt für Psy¬chiatrie Dr. L1 unter dem 8. Januar 2007 ein psychiatrisches Gutachten. Er diagnostizierte eine andauernde Persönlichkeitsänderung nach Extrembelastung (ICD-10 F62.0) auf dem Boden einer posttraumatischen Belastungsstörung (ICD-10 F43.1) und führte aus, die Diagnose einer Anpassungsstörung könne nach einem solch langen Zeitraum bereits aus formalen Gründen nicht mehr gestellt werden. In seiner Anamnese und Dia¬gnostik habe sich das Vorliegen einer Depression vor 1999 nicht bestätigen lassen. Der Unfall im Jahre 1999 sei unzweifelhaft Auslöser der aktuellen seelischen Befindlich¬keit gewesen. Es habe ohne Zweifel auch andere Einflüsse wie eine prämorbide Hal¬tung, der Tod des Bruders und die langjährige gerichtliche Auseinandersetzung gegeben. Einen ursächlichen Charakter hätten diese Dinge jedoch nicht. Heute sehe man das Vollbild einer Persönlichkeitsänderung, für die sämtliche Kriterien erfüllt seien. Der Kläger lege eine feindliche und misstrauische Haltung der Welt gegenüber an den Tag. Er habe sich sozial zurückgezogen, sei hoffnungslos und innerlich leer, habe ein chronisches Gefühl der Nervosität und des ständigen Bedrohtseins und fühle sich entfremdet von sich und der Welt. Bei der Untersuchung seien eindeutige Reaktionen beobachtet worden, welche die Diagnose einer posttraumatischen Belastungsstörung rechtfertigten. Dies er¬gebe sich auch aus dem aktuellen Querschnittsbefund. Der Kläger vermeide von sich aus durchaus die Schilderung des Ereignisses, sei aber in der Gutachtersituation gerade ge¬zwungen, über den Unfall zu berichten, und man könne das Bild einer entkork¬ten Flasche nehmen, aus der es nur so heraus sprudele. Letztlich hätten die Erlebnisse und die immer wieder¬kehrenden Erinnerungen zu dem Endzustand einer Persönlichkeitsveränderung ge¬führt, die wesentliche Elemente auch einer Depression beinhalte, aber eben tiefgreifen¬der in der Persönlichkeit verwurzelt sei. Dies beschreibe auch die behandelnde Ärztin Dr. M1, die als einzige den Patienten über sieben Jahre kontinuierlich betreut und immer wieder ge¬sehen habe. Dr. L1 hat die MdE beim Kläger auf psychiatrischem Fachgebiet mit 50 v.H. einge¬schätzt.

Mit Urteil vom 21. September 2007 wies das Sozialgericht die Klage ab. Die Berufung des Klägers blieb erfolglos. In seinem Urteil vom 17. Juni 2008 (L 3 U 52/07) führte der erkennende Senat im Wesentlichen aus, es sei eine wesentliche Änderung der Sachlage dadurch eingetreten, dass die posttraumatische Belastungsstörung keine MdE mehr bedinge. Der Senat folge den überzeugenden Ausführungen von Dr. N1 im Gutachten vom 30. September 2005, welches von Dr. F. insoweit bestätigt werde, als dieser zum Zeitpunkt seiner Untersuchung eine posttraumatische Belastungsstörung nicht mehr habe feststellen können. Dr. N1 lege überzeugend dar, dass – obwohl ursprünglich alle Kriterien für eine posttraumatische Belastungsstörung vorgelegen hätten – diese Erkrankung in der Gesamtschau eine Episode in Reaktion auf den Unfall darstelle. Der Kläger, der bereits vor dem Unfall zu depressiven bzw. psychovegetativen Fehlregulationen geneigt habe und im ersten Halbjahr 1999 über einen Monat wegen einer depressiven Entwicklung arbeitsunfähig gewesen sei, leide unter einer Vielzahl von Belastungsfaktoren. In diesem Rahmen habe die durch den Unfall verursachte posttraumatische Belastungsstörung eine Zeit lang im Vordergrund gestanden. Danach aber seien die Folgen der posttraumatischen Belastungsstörung soweit abgeklungen, dass für die psychischen Erkrankungen des Klägers, wie sie sich zumindest seit der Untersuchung durch Dr. F. darstellten, (wieder) unfallunabhängige Faktoren lebensbiographischer Veränderungen überwiegend verant-wortlich seien. Die damit lediglich aufgrund der auf orthopädischem Gebiet bestehenden Unfallfolgen verbleibende MdE von 10 v. H. könne keinen Rentenanspruch begründen. Die gegen das Urteil gerichtete Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers wurde vom Bundessozialgericht (BSG) als unzulässig verworfen (Beschluss vom 17. Dezember 2008, B 2 U 231/08 B).

Mit Schreiben vom 16. April 2009 begehrte der Kläger von der Beklagten "eine rechtsmittelfähige Entscheidung" zur Überprüfung ihrer Bescheide nach § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – (SGB X) "mit dem Ziel, seit 30. Juli 2001 eine MdE in rentenberechtigender Höhe mit entsprechender Rentenzahlung zu erhalten". Hierzu – so führte er in seinem Antrag aus – stütze er sich "voll auf die Gutachten von Dr. H2, Dr. L1, die Ausführungen seiner Ärztin M1, das A1-H1, Dr. S., Prof. Dr. M2 und die Entlassungsberichte diverser Rehabilitationskliniken und andere ärztliche Untersuchungsberichte." Die Beklagte lehnte die Rücknahme der Ausgangsbescheide mit Bescheid vom 14. Mai 2009 ohne weitere medizinische Ermittlungen mit der Begründung ab, die nochmalige Überprüfung habe ergeben, dass kein Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Bescheide bestehe. Den ohne nähere Begründung hiergegen erhobenen Widerspruch wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 22. Juli 2009 zurück. Der Kläger habe keine neuen Fakten oder rechtlichen Erwägungen vorgetragen, die eine andere Beurteilung rechtfertigen könnten.

Auf die hiergegen mit der Behauptung, die bei dem Unfall erlittene posttraumatische Belastungsstörung sei auch weiterhin Ursache der vorliegenden gesundheitlichen Beschwerden, was das Landessozialgericht verkannt habe, erhobene Klage hat das Sozialgericht auf Veranlassung des Klägers nach § 109 SGG diesen zunächst durch den Facharzt für Chirurgie Dr. A4 begutachten lassen. Der Sachverständige hat in seinem Gutachten vom 8. November 2010 ausgeführt, die Frakturen im Bereich der Wirbelsäule ohne neurologische Ausfälle seien stabil und ohne wesentliche Deformität verheilt, es werde eine Bewertung von 10 v.H. nach Ablauf des zweiten Unfalljahres vorgeschlagen. Bestehende Instabilitäten oder größere Fehlstellungen seien mit einer MdE von 20-30 v.H. nach Ablauf des zweiten Unfalljahres zu bewerten, beides liege indes beim Kläger nicht vor. Zusätzliche liege jedoch eine posttraumatische Kyphose vor, wobei posttraumatische Instabilitäten nach der Literatur bis zum heutigen Tag kontrovers diskutiert würden und nicht klar definiert seien. Er, der Sachverständige, leite diese von der Relation der Beweglichkeit des verletzten Segments zu den übrigen Segmenten ab. Bei Überlastungsschäden im Bereich der Anschlusssegmente sei die MdE um jeweils 10 v.H. höher zu bewerten. Beim Kläger befänden sich Überlastungsschäden im Bereich der Hinterkante der angrenzenden Wirbelkörper (LWK 3/LWK 4) außerdem finde sich eine ausgeprägte Spondylarthrose im Bereich der Zwischenwirbelkörper der Segmente der LWK 4 und LWK 5. Dies werde als ein eindeutiger Belastungsschaden der angrenzenden Segmente angesehen. Er schlage daher einer MdE von insgesamt 20 v.H. vor. Der Fall spiele sich im Bereich des Ermessens zwischen einer MdE von 10 v.H. und einer MdE von 20 v.H. ab, wobei seines Erachtens wegen der vorhandenen Schmerzen eine MdE von 20 v.H. zu bevorzugen sei.

In einem von Amts wegen eingeholten weiteren fachchirurgischen Gutachten hat Dr. S2 am 24. Januar 2012 ausgeführt, es handele sich um eine Wirbelkörperfraktur mit einer Fehlstellung in der Saggital- und Frontalebene. Eine Ankylose oder Instabilität des betroffenen Bewegungssegmentes liege nicht vor. Eine Beteiligung der Bandscheiben habe durch die Kernspintomographie 2002 nicht nachgewiesen werden können. Hier habe sich lediglich eine bereits vor dem Unfall vorliegende Bandscheibenveränderung gefunden. Es handele sich danach um eine stabile isolierte LWK 3-Fraktur mit einem wirksamen Achsknick in der Frontalebene ohne radiologische Instabilitätszeichen, welche nach allen Klassifikationen mit einer MdE von 10 v.H. zu bewerten sei. Die Veränderungen in den Nachbarsegmenten und z.B. die Veränderung im Segment L5/S1 hätten bereits vor dem Unfall 1999 vorgelegen. Das abweichende Ergebnis des Dr. A4 gehe von einer Instabilität aus, welche sich in der im Rahmen der Begutachtung erfolgten Untersuchung und in den durchgeführten Röntgenaufnahmen nicht bestätigt habe.

Auf Veranlassung des Klägers ist des Weiteren nach § 109 SGG ein Gutachten des Neurologen und Psychiaters Dr. R. eingeholt worden, welcher am 15. August 2012 ausgeführt hat, der Kläger sei in einer nicht alltäglichen Situationen im Halbdunkel eines Schiffsleibes, in einer technisch mechanischen Umgebung ohne direkte Kontaktmöglichkeit zu anderen Personen und damit in entscheidenden Momenten auf sich allein gestellt mit einem massiven technischen folgenreichen Problem konfrontiert worden, welches er nicht mehr in der Lage gewesen sei zu beherrschen. Er sei dabei seelisch aufs äußerste beansprucht worden und habe darüber hinaus schwere körperliche Verletzungen erlitten, sei minutenlang in der auf einer Steigung bockenden Zugmaschine machtlos hin und her geworfen und schließlich durch die sich öffnende Hintertüre hinausgeworfen worden. Er habe sich in der Folgezeit einer ständigen Gewissensprüfung unterzogen, ob er alles richtig gemacht habe und ihm sei offenbar auch von verschiedenen Seiten eine Mitschuld zugewiesen worden. Dies sei für ihn auch als körperlich schwer Verletzten seelisch kaum auszuhalten gewesen und so sei es durch die massive Überflutung von Stresshormonen zu einer erheblichen Schwächung der Persönlichkeit gekommen. Es könne dabei dahingestellt bleiben, dass vorher schon gewisse Anzeichen einer seelischen Schadensanlage bestanden hätten, durch die dann das Unfallereignis die Entstehung der zweifelsfrei erlittenen posttraumatischen Belastungsstörung begünstigt habe. In engerem Zeitraum vor dem Unfall seien entsprechende seelische Befindensstörungen jedenfalls nicht durch klinische Symptome manifest geworden. Der erforderliche Vollbeweis eines Vorschadens sei damit nicht erbracht. Eine weitere Belastung für den Kläger stelle die aufgrund der zahlreichen Gerichtsverfahren aus seiner Sicht zumindest offenbar subjektiv nicht vermeidbare Auseinandersetzung mit dem Unfallgeschehen dar. Dieser habe dadurch auch innerlich nicht zur Ruhe gelangen können, wie das eigentlich bei einer posttraumatischen Belastungs¬störung nach zwei Jahren zu erwarten wäre. Die Symptomatik sei durch eine nicht vom Kläger zu vertretende Verbitterungsstörung überlagert, die aber nicht als Verschiebung der Wesensgrundlage aufzufassen sei. Wolle man eine angebliche seelische Vorerkrankung und die Reaktion auf den Tod des Zwillingsbruders zulasten des Klägers verwenden, so drehe man die Beweislast gewissermaßen gegen den Kläger um trotz unverkennbarer Anhaltspunkte für eine posttraumatische Belastungsstörung. Der Kläger erfülle unzweifelhaft die Kriterien im Sinne des DSM IV und ICD 10 und leide zudem unter einer andauernden Persönlichkeitsstörung wegen Extrembelastung. Der Unfall sei mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit durch seinen eindeutig belegten schwer belastenden Unfallhergang als auch durch die körperliche monate- bis jahrelange nachgewiesene schwere Beeinträchtigung des Klägers als alleinige Ursache der bestehenden seelischen Störung im Sinne einer posttraumatischen Belastungsstörung und einer anhaltenden Persönlichkeitsstörung anzusehen. Der Grad der MdE sei mit 50 v.H. für eine schwere posttraumatische Belastungsstörung zu bemessen. Das Abweichen zu den Gutachten der Sachverständigen N1 und F. ergebe sich daraus, dass beide keinerlei Intentionen zeigten, sich auch nur im Ansatz in die Situation des Klägers hinein zu versetzen.

Für die Beklagte hat hierzu Dr. F3 Stellung genommen, welcher ausgeführt hat, dem Gutachten mangele es an einer Erstellung des Befundes entsprechend den ICD 10 und den DSM IV Kriterien. Eine Validierung werde ebenfalls nicht versucht. Der psychische Befund sei vielmehr sehr kurz gehalten. Der Gutachter beschreibe voll nachvollziehbar eine Verbitterungsstörung, gehe aber nicht von einer Verschiebung der Wesensgrundlage aus. Eine Verbitterungsstörung sei jedoch eine besondere Form der Anpassungsstörung und als definitionsgemäß unfallfremd zu klassifizieren. Die Diagnose einer posttraumatischen Belastungsstörung sei aufgrund der strengen anzulegenden Kriterien des DSM IV nicht gesichert.

Mit Gerichtsbescheid vom 19. Juni 2013 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und ist dabei hinsichtlich der geklagten Bewegungseinschränkungen der Wirbelsäule dem Gut¬achten des Dr. S2 sowie dem Vorgutachten des Dr. E1 vom 18. Februar 2004 gefolgt. Hinsichtlich der geltend gemachten posttraumatischen Belastungsstörung ist das Gericht den Gutachten des Dr. F. vom 18. Februar 2004 und Dr. N1 vom 30. September 2005 gefolgt, wonach eine wesentliche Änderung dadurch eingetreten sei, dass eine posttraumatische Belastungsstörung nicht mehr vorliege und keine unfallbedingte MdE mehr begründen könne. Der Sachverständige Dr. R. setze sich nicht hinreichend mit den unfallunabhängigen Faktoren, die den Kläger belastet hätten, auseinander.

Der Kläger hat gegen den am 21. Juni 2013 zugestellten Gerichtsbescheid am 18. Juli 2013 Berufung eingelegt, mit welcher er vorträgt, die Feststellungen des Dr. F. in seinem Gutachten vom 18. Februar 2004 seien nicht überzeugend. Weder die Schwere des Unfalls noch der zeitliche Ablauf seien hinreichend berücksichtigt. Das Unfallgeschehen ergebe sich aus dem Gutachten des Sachverständigen A. für die Staatsanwaltschaft. Er, der Kläger, sei 15-20 Minuten lang in der Fahrerkabine gewesen, während diese hin und her geschleudert worden und immer wieder gegen die rechte Bordwand gestoßen sei. Schon hierbei habe er eine Gehirnerschütterung, ausgedehnte Brustprellungen, unzählige Hämatome und Schürfwunden erlitten. Dies alles sei in unendlich langen Minuten geschehen. Am Ende sei er mit einer LWK-3-Fraktur von zwei Mitarbeitern aus der Fahrzeugkabine herausgeschafft worden. Weder die Wucht und Gewalt, mit der er verletzt worden sei, noch die leidvolle Dauer des Geschehens habe das erstinstanzliche Gericht ausreichend gewürdigt. Er habe seit dem Unfall seinen Beruf nicht mehr ausüben können. Neben den Bewegungseinschränkungen der Wirbelsäule liege bei ihm auch eine posttraumatische Belastungsstörung vor. Hinsichtlich der Wirbelsäulen¬problematik habe sich das Sozialgericht nicht auf das Gutachten des Dr. Exsternberg aus dem Jahre 2004 stützen dürfen, denn dieses liege zu lange zurück. Die Auseinandersetzung finde statt zwischen Dr. S2 und Dr. A4. Dabei seien die Ausführungen des Dr. S2 ganz offenkundig oberflächlich und fehlerhaft, denn Dr. A4 habe in seinem Gutachten Feststellungen zu Zeichen einer Instabilität, die zu einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 20 v.H. führe, getroffen. Es sei auch nicht nachvollziehbar, inwieweit der Gutachter unfallabhängige und unfallunabhängige Beschwerden vermischt haben solle. Es seien ganz eindeutig Ausführungen zu den Problemen um L3/ L4 gemacht, die zweifellos unfallabhängig seien und auch nicht von der vorhandenen Osteoporose überlagert würden. Auch habe er – der Kläger – Anspruch auf die Feststellung einer posttraumatischen Belastungsstörung als Unfallfolge. Die Bezugnahme auf die alten Gutachten von Dr. F. und Dr. N1 sei nicht angemessen, er habe zu diesen beiden Ärzten kein Vertrauensverhältnis aufbauen können. Es sei den Ausführungen des Dr. R. zu folgen. Auch die behandelnde Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie des Klägers, Frau Dr. M1, habe diese Diagnose regelmäßig bestätigt. In dem angefochtenen Gerichtsbescheid fehle jede Auseinander¬setzung mit dem Gutachten des Dr. R ... Es werde darüber hinaus auf das Renten¬verfahren verwiesen, in welchem Dr. L. ein Gutachten vom 10. Februar 2014 erstellt habe, aus welchem sich gleichfalls ergebe, dass der Unfall im Jahre 1999 sein Leben zerstört habe.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hamburg vom 19. Juni 2013 sowie den Bescheid der Beklagten vom 14. Mai 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. Juli 2009 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, unter Abänderung des Bescheides vom 24. September 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Mai 2003 und unter Aufhebung des Bescheides vom 25. März 2004 ihm wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 4. August 1999 ab 30. Juli 2001 Verletztenrente nach einer MdE von wenigsten 50 vom Hundert zu gewähren.

hilfsweise

die Sachverständigen Dr. R. und Dr. L. ergänzend zu ihren sachverständigen Feststellungen zu vernehmen, insbesondere zur Feststellung, dass durchgehend eine PTBS beim Kläger vorgelegen hat mit einer MdE von mindestens 50 vom 100, die als wesentliche Ursache auf den Unfall des Klägers zurückgeführt werden kann.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Der Kläger hat im Laufe des Berufungsverfahrens das im Verfahren S 53 R 323/10 erstellte Gutachten des Dr. L. vom 10. Februar 2014 vorgelegt, in welchem dieser ausführt, es habe sich bei dem Unfall um eine lebensbedrohliche Situation mit einem anhaltenden Ohnmachts- und Hilflosigkeitserleben und maximaler Angst gehandelt. Es bestehe nach der Einschätzung der meisten Vorgutachten kein Zweifel daran, dass der Kläger infolge dieses Unfalls eine posttraumatische Belastungsstörung entwickelt habe. Im ICD 10 heiße es dazu: "Bei wenigen Betroffenen nimmt die Störung über viele Jahre einen chronischen Verlauf und geht dann in eine andauernde Persönlichkeitsänderung über." Diese Persönlichkeits¬änderung sei gekennzeichnet durch folgende Merkmale, welche vorher nicht zu beobachten gewesen seien: 1. eine feindliche oder misstrauische Haltung der Welt gegenüber, 2. sozialer Rückzug, 3. Gefühle der Lehre und Hoffnungslosigkeit, 4. ein chronisches Gefühl von Nervosität wie bei ständigem Bedrohtsein, 5. Entfremdung. Alle diese Merkmale träfen auf den Zustand des Klägers zu. Allerdings sei zu reflektieren, inwieweit die störungswertige Verarbeitung des Traumas beim Kläger im Zusammenhang stehe mit einer prätraumatischen psychischen Vulnerabilität einerseits sowie mit den mittelbaren Folgen des Unfall¬geschehens, nämlich der andauernden Auseinandersetzung um das Ausmaß der Erwerbsminderung und resultierende Leistungsansprüche andererseits. Der Sachverstän¬dige beschreibt dann die familiären Beziehungen des Klägers in dessen Kindheit und die Stufen seiner Persönlichkeitsbildung und führt dann wörtlich aus:

"Der Nachteil derartiger einseitiger Entwicklungsanpassungen besteht darin, dass auch in späteren Lebensphasen nicht die Fähigkeit entwickelt wird, für die hinreichende Befriedigung der genannten Grundbedürfnisse zu sorgen, die schon früh nicht auf hinreichende Resonanz gestoßen waren und welche als Bedürfnisse ja auch im Erwachsenen fortbestehen - in diesem Fall also Bedürfnisse nach Schutz, Geborgenheit und feinfühliger Fürsorge. Daher steht die progressive Abwehr dieser Bedürfnisse durch Leistung immer auf tönernen Füßen. Sobald die kompensatorischen Strategien wie im Falle von Herrn L. durch den schweren Arbeitsunfall zusammenbrechen, drängen die abgewehrten Bedürfnisse mit Macht in den Vordergrund und dominieren dann ebenso einseitig das subjektive Erleben, was den Betroffenen völlig überfordert und in eine tiefe seelische Krise stürzt. Diese Krise wurde bei Herrn L. dann nach dem eigentlichen Unfall durch die bis heute andauernde rechtliche Auseinandersetzung erheblich verstärkt und verfestigt, denn Herr L. erlebt hier erneut, wie seine Fürsorgebedürftigkeit immer wieder zurückgewiesen wird. Der Effekt ist verheerend, eben weil Herrn L. nach dem Unfall lange Zeit objektiv seine vorhandenen kompensatorischen Möglichkeiten, nämlich die Arbeit, nicht mehr zur Verfügung standen und er sich völlig in einen Zustand der Abhängigkeit zurückgeworfen erlebte. Diese Dynamik führt neben vergleichbaren Effekten einer posttraumatischen Belastungsstörung zu starken Gefühlen von Ohnmacht, dem Gefühl, dem Leben nicht gewachsen zu sein, sich als verlassen zu erleben, zu Angst und Depression. Im Verlauf der nunmehr über 13 Jahre nach dem Arbeitsunfall hat Herr L. im Zuge dieser Dynamik jedes Vertrauen in seine Leistungsfähigkeit verloren. Stattdessen beharrt er in regressiver Fixierung auf seinem umfassenden Versorgungsanspruch, mit dem er ein ums andere Mal zurückgewiesen wird. [ ] Zwar bestand das beschriebene Defizit vermutlich schon vor dem Arbeitsunfall von 1999, aber bis dahin war es eben relativ gut kompensiert. Erst der Zusammenbruch dieser Kompensation, der manifest alleine von dem Unfall verursacht wurde, führte dann langfristig zu dem weitgehenden Verlust der kompensatorischen Fähigkeiten, wie man ihn heute bei Herrn L. feststellen muss."

Das Berufungsgericht hat des Weiteren im Rahmen der Vorschrift des § 109 SGG dem Neurologen und Psychiater Dr. R. Fragen des Bevollmächtigten des Klägers zur ergänzenden Stellungnahme vorgelegt, auf welche dieser im Wesentlichen dahingehend Stellung genommen hat, dass es seines Erachtens nicht zutreffend sei, dass Zeichen einer posttraumatischen Belastungsstörung nach dem 30. September 2005 nicht mehr vorgelegen hätten. Die Gutachten des Dr. F. und Dr. N1 bedürften zeitnaher eingehender Betrachtung im Lichte neuerer Untersuchungsergebnisse, wie er sie in seinem Gutachten 2012 und wie sie Dr. L. im Jahr 2014 dargestellt habe. Grundsätzlich bestehe bei jeder posttraumatischen Belastungsstörung die Wahrscheinlichkeit einer Persönlichkeits-veränderung, weil zusätzlich zur eigentlichen psychophysischen aktuellen Traumatisierung die dann folgende intrapsychische Verarbeitung hinzukomme und dieses jahrelange geistig nicht Loslassenkönnen entsprechend die Persönlichkeit umforme. Soweit das Sozialgericht den Vergleich des Unfallereignisses des Klägers mit demjenigen des Zugunglücks von Eschede bemängelt habe, sei festzustellen, dass beide Unfälle gemeinsam hätten das katastrophale Unvorhersehbare und massiv Lebensbedrohliche. Der Kläger unterscheide sich jedoch von traumatisierten Passagieren z.B. des Unfallzuges durch seine Skrupel, mit denen er konfrontiert worden sei und werde, dass er etwas falsch gemacht haben könne. Gewissenhafte, skrupulöse Menschen neigten dazu, zunächst bei sich selbst die Ursache eines Geschehens zu sehen. Das Thema, dass dem Kläger eine Mitschuld unterstellt worden sei, sei für dessen psychische Verarbeitung bedeutsam. Was die unfallunabhängigen Faktoren angehe, so habe er, der Sachverständige, diese selbstverständlich berücksichtigt, jedoch zusammenfassend keine Hinweise auf relevante psychische Vorerkrankungen mit nachhaltigen Folgen in der Geschichte des Klägers gefunden. Selbstverständlich müsse auch die primäre Persönlichkeitsstruktur beachtet werden, die den Belastungen ausgesetzt sei. Der Kläger habe vor dem schweren psychischen Trauma die schicksalhaften Belastungen in üblicher Weise kompensiert, sei dann aber später durch das in Rede stehende schwere psychophysische Trauma schwer überfordert worden. Es gebe aber keine Hinweise auf länger die vorigen Schicksalsschläge überdauernde Krankheitszeichen, etwa eine chronische Depression oder andere Psychoreaktionen. Die Annahme eines Vollbeweises eines Vorschadens seitens Dr. F. sei nicht nachzuvollziehen. Die langjährige Involvierung des Klägers in Gerichtsverfahren, in denen ihm Stellungnahmen abverlangt worden seien und er sich zahlreichen Einvernahmen und Untersuchungen habe stellen müssen, habe immer wieder zu Erinnerungen an das erlittene Unfalltrauma geführt und in eine Verbitterungsstörung gemündet. Dies bestätige im Ergebnis sogar Dr. N1, nach dessen Annahme die posttraumatische Belastungsstörung durch kontinuierliche Konfrontation mit dem Ereignis aufrecht erhalten werde. Der Begriff der von diesem gewählten Anpassungsstörung beschreibe aber nur unzureichend das schwere Ausmaß der Beeinträchtigung der Gesamtpersönlichkeit des Klägers. Im Übrigen halte er an seinen Diagnosen und Darstellungen fest und teile die Auffassung des Dr. L. auch im Hinblick darauf, dass die andauernde Persönlichkeitsänderung nicht allein auf dem Unfall von 1999 beruhe, sondern dass vielmehr der Umgang der verschiedenen Institutionen und der nicht enden wollende Rechtsstreit selbst eine zusätzliche Extrembelastung darstelle, der ursächlich das derzeitige Zustandsbild des Klägers mit herbeigeführt habe.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf die ausweislich der Niederschrift über die öffentliche Sitzung des Senats am 27. September 2016 zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemachten Akten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist statthaft (§§ 143, 144 SGG) und auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht (§ 151 SGG) eingelegt worden. Sie ist jedoch unbegründet.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Aufhebung des Bescheides vom 14. Mai 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. Juli 2009 und Verpflichtung der Beklagten zu einer Abänderung des Bescheides vom 24. September 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Mai 2003 sowie Aufhebung des Bescheides vom 25. März 2004 in der Form, dass dem Kläger wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 4. August 1999 ab 30. Juli 2001 Verletztenrente nach einer MdE von wenigsten 50 v. H. als Dauerrente zu gewähren ist. Vielmehr hat die Beklagte dem Überprüfungsbegehren zu Recht nicht entsprochen.

Als Anspruchsgrundlage für dieses Begehren kommt allein die Vorschrift des § 44 Abs. 1 SGB X in Betracht. Danach ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unan¬fechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzel¬fall ergibt, dass bei Erlass dieses Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sach-verhalt ausgegangen worden ist, der sich als un¬richtig erweist, und soweit Sozialleis¬tungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind.

Eine unrichtige Rechtsanwendung (hierzu und zu der Notwendigkeit entsprechender Prüfung auch bei Fehlen einer auf neue Tatsachen gestützten Begründung des Überprüfungs-begehrens vgl. BSG, Urt. vom 05.09.2006 – B 2 U 24/05 R) bei Erlass der Bescheide vom 24. September 2002 und vom 25. März 2004 lässt sich nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens nicht feststellen. Vielmehr beantworten diese die Rechtsfrage nach der Höhe der durch die gesundheitlichen Folgen des Unfallereignisses verursachten MdE mit Blick auf die weiterhin bestandskräftig festgestellten Unfallfolgen, zu welchen ausweislich des Bescheides vom 24. September 2002 auch eine posttraumatische Belastungsstörung gehört, und mit Blick auf die ärztlicherseits erhobenen Befunde rechtlich zutreffend. Hieran besteht nach drei gerichtlichen Instanzen für den Senat kein Zweifel. Auch der Kläger zeigt solche nicht auf. Lediglich will er – worauf schon das BSG in seinem Beschluss vom 17. Dezember 2008 hingewiesen hat – eine andere, für ihn günstigere Beweiswürdigung vorgenommen wissen. Dass diese aber rechtlich zutreffend vorgenommen wurde, steht spätestens nach der Entscheidung des BSG fest.

Dass die Beklagte bei Erlass der genannten Bescheide von einem Sach¬verhalt ausgegangen ist, der sich aus heutiger Sicht als un¬richtig erweist, hat der Kläger mit seinem Überprüfungsantrag ebenfalls noch nicht einmal behauptet. Ermittlungen zum Sachverhalt hat die Beklagte aufgrund des Überprüfungsbegehrens deshalb zu Recht nicht angestellt. Obwohl § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X nicht ausdrücklich vor einer erneuten Sachprüfung das Durchlaufen zweier formaler Prüfungsabschnitte verlangt, wird nämlich nach der Recht-sprechung des BSG, welcher der erkennende Senat folgt, auch das Rücknahmeverfahren in der allgemeinen Ver¬waltung in Anlehnung an das Wiederaufnahmeverfahren für rechts-kräftige Urteile (vgl. § 179 SGG) als dreistufiges Ver¬fahren angesehen. Daraus folgt, dass die Verwaltung in eine erneute Sachprü¬fung erst dann eintreten muss, wenn Gründe geltend gemacht wer¬den, die ihrer Art nach ge¬eignet sind, die Verwaltungsentscheidung in Frage zu stellen (erster Schritt) und diese Gründe tatsächlich vor¬liegen sowie der bestandskräftige Ver-waltungsakt auf einen Umstand gestützt ist, welcher infolge der geltend gemachten Über-prüfungsgründe nunmehr zweifelhaft gewor¬den ist (zweiter Schritt). Ergibt sich also im Rahmen eines Antrages auf Ertei¬lung eines Zugunstenbescheides nichts, was für die Unrichtigkeit der Vorentschei¬dung sprechen könnte, darf sich die Verwaltung ohne jede Sachprüfung auf die Bin¬dungswirkung des ursprünglichen Bescheides berufen (vgl. BSG, Urteile vom 3. Februar 1988, 9/9a RV 18/86, vom 22. März 1989, 7 RAr 122/87 und vom 3. April 2001, B 4 RA 22/00 R). So ist es auch hier: Nachdem der Kläger mit seinem Überprüfungsantrag keinerlei neue Tatsachen oder Beweismittel aufgezeigt hatte, auf die er sich hätte berufen können und die zu einer Überprüfung der bestandskräftigen Entscheidung hätten Anlass geben können, hat sich die Beklagte ohne weitere Prüfung auf die Bestandskraft der ursprünglichen Bescheide berufen dürfen, ohne dass diesbezüglich Ermessensfehler ersichtlich wären. Bereits aus diesem Grund ist die angefochtene Entscheidung nicht zu beanstanden und konnte die Berufung keinen Erfolg haben.

Aber auch bei einer inhaltlichen Überprüfung im zweiten Schritt des Zugunstenverfahrens wäre ein andere, dem Kläger günstige Entscheidung der Beklagten nicht in Betracht gekommen. Denn nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens, d.h. auch unter Berücksichtigung der vom Sozialgericht und vom Berufungsgericht zusätzlich erhobenen Beweise, hat die Beklagte zu Recht die Verletztenrente in der von dem Kläger beanstandeten Weise festgesetzt und ihre Gewährung schließlich mit Ablauf des März 2004 gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X beendet.

Nach dieser Vorschrift ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzu¬heben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Er¬lass eines Verwal¬tungsaktes mit Dauerwir¬kung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt.

Die wesentliche Änderung in Bezug auf die Gewährung einer Verletztenrente ist hier dadurch eingetreten, dass die posttraumatische Belastungsstörung bei dem Kläger spätestens seit März 2004 keine MdE mehr bedingt, die fortbestehenden Gesundheitsstörungen auf dem neurologisch-psychiatrischen Fachgebiet nicht dem Unfallereignis zuzurechnen sind, und dass die Folgen des Lendenwirbelkörperbruchs soweit abgeklungen sind, dass sie lediglich noch eine MdE von 10 v.H. bedingen. Der Senat hält insoweit an seiner Entscheidung vom 17. Juni 2008 (L 3 U 52/07) fest.

Die zwischenzeitlich veranlassten Sachverständigengutachten stehen diesem Ergebnis nicht entgegen. Auf orthopädischem Gebiet beschreiben im Ergebnis alle Gutachter als Unfallfolge eine stabil verheilte Wirbelkörperfraktur ohne Bandscheibenbeteiligung. Soweit Dr. A4 aufgrund der Veränderungen in den Nachbarsegmenten einen Hinweis auf eine posttraumatische Kyphose ableitet, merkt er selbst an, dass eine kontroverse Diskussion dieser Instabilitäten in der Literatur besteht. Zudem ist insbesondere von Dr. S2 ausführlich dargelegt, dass Veränderungen in den Nachbarsegmenten der unmittelbar von dem Unfall betroffenen Wirbelkörper bereits vor dem Unfall vorlagen. Danach steht jedenfalls nicht mit dem erforderlichen Grad der Wahrscheinlichkeit fest, dass diese Veränderungen in den Nachbarsegmenten unfallbedingt sind. Soweit Dr. A4 alternativ oder kumulativ die Schmerzen des Klägers in die Betrachtung einfließen lassen will, ist zu berücksichtigen, dass nach der Literatur lediglich der instabile Wirbelkörperbruch zu bleibenden Schmerzen führt (Schönberger/ Mehrtens/ Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Aufl. 2010, S. 430) und die übrigen Fachgutachter auch ein unfallbedingtes erhöhtes Schmerzempfinden nicht festgestellt haben. Sowohl Dr. G. als auch Dr. E1 haben dagegen bereits auf Vorschäden des Klägers hingewiesen, welcher auch seinerseits ausweislich der Akten bereits 1996 im Schwerbehindertenverfahren erhebliche Schmerzzustände an der Wirbelsäule geltend gemacht hat.

Auf neurologisch-psychiatrischem Gebiet kann zu Gunsten des Klägers davon ausgegangen werden, dass er eine posttraumatische Belastungsstörung durch den Unfall vom 4. August 1999 erlitten hat. Hierin besteht im Ergebnis zwischen den Gutachtern auch im Wesentlichen Einigkeit. Auch insoweit kann auf die Entscheidung Senats vom 17. Juni 2008 Bezug genommen werden. Dass die dieser Entscheidung zugrunde liegenden Gutachten veraltet seien und nur unter Berücksichtigung der "neueren Erkenntnisse" der Sachverständigen R. und L. verwertet werden könnten, ist nicht ersichtlich. Auch die Beklagte legt ihrer Entscheidung im Zugunstenverfahren zugrunde, dass eine posttraumatische Belastungsstörung Unfallfolge ist. Sie beruft sich aber zu Recht hiervon ausgehend auf einen Wechsel der Wesensgrundlage der fortbestehenden, die Erwerbsfähigkeit mindernden Gesundheitsstörungen. Ein solcher Wechsel der Wesensgrundlage ist als einmaliges, nicht umkehrbares Ereignis eingetreten und zwar unabhängig vom weiteren Verlauf der psychischen Befindlichkeit des Klägers.

Von einem Wechsel der Wesensgrundlage gehen bei eingehender Betrachtung auch die Gutachter R. und L. aus, wenn sie auch den Umstand, dass nunmehr eine Verbitterungsstörung bei dem Kläger vorliegt, nicht als Wechsel der Wesensgrundlage kennzeichnen, sondern diese – gleichsam als weitere Folgeerkrankung – der posttraumatischen Belastungsstörung zuordnen. Tatsächlich bezeichnet aber eine posttraumatische Verbitterungsstörung – wie für die Beklagte im erstinstanzlichen Verfahren Dr. F3 zu Recht ausgeführt hat – nichts anderes als einen Wechsel der Wesensgrundlage der psychischen Störung. Es handelt sich nämlich bei der posttraumatischen Verbitterungsstörung um eine Anpassungsstörung, die wie auch die posttraumatische Belastungsstörung gekennzeichnet ist durch Intrusion, Hyperarousal, Herabgestimmtheit und Vermeidung, deren Leitaffekt jedoch nicht Angst, sondern Verbitterung und Aggression ist Ein wichtiger pathogenetischer Faktor für die Entstehung der posttraumatischen Verbitterungsstörung ist ein "Mangel an Weisheit", wobei Weisheit gekennzeichnet ist durch die psychologische Fähigkeit, komplexe und letztlich nicht eindeutig lösbare Lebensprobleme zu verarbeiten bzw. zu ertragen und ferner dadurch, dass sie die Fähigkeiten z.B. zum Perspektivwechsel, zur Empathie, zur Emotionsakzeptanz, zur Wertrelativierung und zur Ungewissheitstoleranz umfasst. Diese Fähigkeiten sind bei Menschen, die einschneidenden Lebensbelastungen ausgesetzt waren, in besonderer Weise gefordert, bei Personen, die eine posttraumatische Verbitterungs¬störung entwickeln, aber nicht hinreichend gegeben. Die Krankheits¬wertigkeit leitet sich (deshalb) nicht aus dem Auslöseereignis ab, sondern aus der pathologischen Reaktion, d.h. der Art und Schwere der Psychopathologie und der daraus resultierenden Funktions-, Fähigkeits- und Partizipationsstörungen (Linden, "Die post-traumatische Verbitterungs¬störung, eine pathologische Verarbeitung von Kränkungen", e-journal "Philosophie der Psychologie", September 2005). Damit aber ist auch unter Zugrundelegung einer posttraumatischen Verbitterungsstörung beim Kläger von einem Wechsel der Wesensgrundlage auszugehen, denn die Aufrechterhaltung der von den Gutachtern beschriebenen krankheitswertigen Störungen, insbesondere der Depression und der Persönlichkeitsstörung, geht nunmehr nicht mehr auf den Unfall, sondern auf diese psychopathologische Normabweichung zurück. Dies haben bereits Dr. F. und Dr. N1 übereinstimmend beschrieben. Dr. R. beschreibt dies ebenfalls – Dr. L. zustimmend – eindrucksvoll, wenn er in seiner ergänzenden Stellungnahme im Berufungsverfahren darauf hinweist, dass der Umgang der verschiedenen Institutionen mit dem Kläger und der nicht enden wollende Rechtsstreit selbst eine zusätzliche Extrembelastung darstelle, die ursächlich das derzeitige Erscheinungsbild des Klägers mit herbeigeführt habe. Eine derartige abweichende und abnorme Reaktion eines Betroffenen im Streit mit dem Unfallversicherungsträger, dem ehemaligen Arbeitgeber und den Gerichten ist aber nicht vom Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung gedeckt. Dieser beinhaltet vielmehr (lediglich) Schutz vor den wirtschaftlichen Folgen eines Arbeitsunfalls unter anderem durch die Gewährung der nach § 26 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Unfallversicherung – (SGB VII) vorgesehenen Geldleistungen. Die Reaktion des Verletzten auf die ihm widerfahrene Behandlung durch Behörden und Gerichte ist demgegenüber Teil des allgemeinen Lebensrisikos. Damit tritt das Unfallereignis hinsichtlich der Wesentlichkeit der Störungsverursachung hinter der posttraumatischen Verbitterungsstörung zurück. Dabei kann auch unterstellt werden, dass, wie Dr. L. schreibt, der Zusammenbruch der bisherigen Kompensationsfähigkeit des Klägers, auslösend manifest allein von dem Unfall verursacht wurde. Dieses kennzeichnet nämlich allein die naturwissenschaftliche Kausalität, nicht aber die Frage der Zurechen¬barkeit der nach dem 31. März 2004 bestehenden psychischen Störung zu dem Unfallereignis im Sinne der Theorie der wesentlichen Ursächlichkeit. An dieser fehlt es, weshalb die Berufung des Klägers keinen Erfolg haben konnte.

Aus den gleichen Gründen war auch dem Hilfsantrag nicht nachzukommen. Zwar steht jedem Beteiligten das Recht zu, Fragen an den Gutachter, auch an denjenigen nach § 109 SGG, zu richten. Jedoch hatte der Kläger bereits Gelegenheit, seine Fragen an Dr. R. schriftlich zu formulieren und hat hiervon auch umfassend Gebrach gemacht. Neue erhebliche Fragen hat die mündliche Verhandlung nicht aufgezeigt. Soweit Dr. R. und Dr. L. sich nach dem Willen des Klägers ärztlich zur Höhe der MdE äußern sollen, ist eine solche Äußerung für die vorliegende Entscheidung nicht relevant. Denn es liegt zwar die Beurteilung, in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletzten durch die Unfallfolgen beeinträchtigt sind, in erster Linie auf ärztlich-wissenschaftlichem Gebiet. Doch ist die Frage, ob die ärztlich festgestellte Einschränkung der körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletzten dem Unfallereignis zuzurechnen ist, genauso wie diejenige nach der aus den Einschränkungen abzuleitenden MdE eine Rechtsfrage. Diese Fragen sind ohne Bindung an ärztliche Gutachten unter Berücksichtigung der Einzelumstände und des Schutzzwecks der Norm zu beantworten. Dies kann nicht den medizinischen Sachverständigen überlassen werden, die deshalb hierzu nicht zu befragen waren.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und entspricht dem Ausgang des Rechts-streits in der Hauptsache.

Der Senat hat die Revision nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder Nr. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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