L 14 KG 5/18 B PKH

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Kindergeld-/Erziehungsgeldangelegenheiten
Abteilung
14
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 3 KG 9/17
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 14 KG 5/18 B PKH
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 31.10.2018 wird zurückgewiesen. Außergerichtlichen Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

Die gemäß §§ 172 Abs. 1, 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Beschwerde gegen die Ablehnung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) ist nicht begründet. Die beabsichtigte Rechtsverfolgung hat keine Erfolgsaussicht i.S.d. § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG, §§ 114 ff. Zivilprozessordnung (ZPO).

Die Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 S. 1 Bundeskindergeldgesetz (BKGG) liegen im Fall des Klägers nicht vor, denn er ist nicht Vollwaise und er hat nicht nachgewiesen, dass er den Aufenthalt seiner Eltern nicht kennt. Der Umstand, dass die im Ausland lebenden Eltern dem Kind keinen Unterhalt leisten, genügt zur Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen des § 1 Abs. 2 S. 1 BKGG nicht. Es kann insoweit zunächst auf die Gründe des angefochtenen Beschlusses und ergänzend auf die umfassenden Ausführungen der Beklagten (Schreiben vom 20.10.2017 und vom 02.11.2017) nebst beigefügtem Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 05.07.2016 verwiesen und Bezug genommen werden (§ 142 Abs. 2 Satz 3 SGG).

Die vom Kläger behauptete Unkenntnis vom Aufenthalt seiner Eltern hält der Senat jedenfalls für zweifelhaft. So hat der Kläger in seinem Antrag auf Kindergeld vom 08.03.2017 eine Anschrift seiner Eltern angegeben und diese auch als den aktuellen Aufenthalt bejaht. In seinem Widerspruchsschreiben vom 30.03.2017 hat er angegeben, seine Eltern seien aufgrund ihres Alters und Gesundheitszustandes nicht in der Lage, ihn zu unterstützen, zumal auch sie keine Einnahmen hätten; dies spricht jedenfalls für eine Kenntnis ihres Aufenthalts. Auch wenn der Kläger später korrigierend vorgetragen hat, er habe im Antrag auf Kindergeld die letzte ihm bekannte Anschrift seiner Eltern angegeben und seine Versuche, mit ihnen in Kontakt zu treten, seien erfolglos geblieben (Schriftsatz vom 31.07.2017), so stellt sich dieser Vortrag in seiner Allgemeinheit eher als Versuch dar, im Nachhinein die Tatbestandsvoraussetzungen zu erfüllen.

Auch wenn es kein offizielles Landes-Meldesystem in Bangladesch geben mag, so hätte es dem Kläger oblegen, nähere Angaben zu seinen behaupteten Bemühungen einer Kontaktaufnahme zu seinen Eltern (Internet, Telefongespräche, Schreiben?) oder aber den Versuch zu machen, von deren Vermieter oder Nachmietern, früheren Nachbarn, Gemeindeverwaltung, Polizei o.ä. eine Bestätigung beizubringen, dass die Eltern nicht mehr unter der angegebenen Anschrift erreichbar seien. Angemerkt sei - ohne dass es für die Entscheidung bedeutsam wäre -, dass die angegebenen Geburtsdaten der Eltern zweifelhaft erscheinen, so wäre die Mutter (Geburtsjahr: 1942) bei der Geburt des Klägers 53 Jahre alt gewesen. Auch wird dessen Geburtsdatum in der Teilnahmebescheinigung des Vorbereitungskurses vom 29.07.2016 und im Ausbildungsvertrag mit der D & B Dienstleistung und Bildung gemeinnützige GmbH mit dem 31.12.1993 anstelle des aus dem Personaldokument ersichtlichen Geburtsdatum 10.07.1995 angegeben, was zumindest richtiggestellt werden sollte. Soweit der Kläger in seiner eidesstattlichen Erklärung vom 13.09.2018 angibt, er habe erst durch einen Anruf seines in Saudi-Arabien lebenden Bruders im April/Mai 2018 von einer Krebsoperation seines Vaters und von dessen Telefonnummer erfahren, sonst aber keinerlei Kontakt mit anderen Familienmitgliedern gehabt, ist diese Äußerung angesichts des - durch zahlreiche Schriftsätze, nachgereichte Unterlagen und fortentwickelten Vortrags geprägten - Ganges des Klageverfahrens kritisch zu würdigen. So gibt der Kläger in seiner eidesstattlichen Erklärung einerseits an, bereits im Jahr 2007 (als 12-Jähriger) hergekommen zu sein, erklärt aber andererseits gegenüber dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, erst im November 2012 in die Bundesrepublik Deutschland eingereist zu sein. Es leuchtet auch nicht ein, weshalb der Kläger nicht spätestens seit dem Anruf seines Bruders, der die Eltern anlässlich einer Reise nach Bangladesch ausfindig gemacht hatte, den Aufenthalt seiner Eltern nicht kennen konnte, zumal diese lediglich in derselben Gemeinde umgezogen sind. Bezüglich der weiterhin angegebenen Mittellosigkeit seiner Eltern sei angemerkt, dass der Kläger höchstwahrscheinlich von Familienangehörigen mit Geldmitteln unterstützt worden sein muss, um als unbegleiteter minderjähriger Flüchtling im Jahr 2012 als 17-Jähriger (oder im Jahr 2007 als 12-Jähriger?) die Ausreise ins westliche Ausland finanzieren zu können. In seiner Anhörung durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge vom 12.09.2016 hat der Kläger dort auch erklärt, er und seine Familie hätten die Regierungspartei Awami League (AL) unterstützt, was jedenfalls auf Zusammenhalt der Familienangehörigen hindeutet.

Ergänzungsbedürftig erscheinen die Ausführungen des SG bezüglich des ausländerrechtlichen Status des Klägers. Nach § 1 Abs. 3 Nr. 2 i.V.m. Nr. 3 BKGG erhält ein nicht freizügigkeitsberechtigter Ausländer, der eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 - 5 Aufenthaltsgesetz besitzt, nur dann Kindergeld für sich selbst, wenn er sich seit mindestens 3 Jahren rechtmäßig, gestattet oder geduldet im Bundesgebiet aufhält (§ 1 Abs. 3 Nr. 3a BKGG), ihn seine Aufenthaltserlaubnis zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit berechtigt oder berechtigt hat (§ 1 Abs. 3 Nr. 2 HS 1 BKGG) und er im Bundesgebiet berechtigt erwerbstätig ist, laufende Geldleistungen nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) bezieht oder Elternzeit in Anspruch nimmt.

Von diesen drei Voraussetzungen erfüllte der Kläger im Anspruchszeitraum (ab Antragstellung 08.03.2017 bis zum Abschluss der Ausbildung am 31.08.2018) zunächst diejenige eines mindestens dreijährigen geduldeten, gestatteten oder rechtmäßigen Voraufenthalts in Deutschland nach § 1 Abs. 3 Nr. 3a BKGG. Dem Kläger wurde am 02.02.2017 die Aufenthaltserlaubnis erteilt, wobei die ausländerrechtliche Grundlage nicht eindeutig erkennbar, aber davon auszugehen ist, dass diese sich aus § 25 Abs. 3 bzw. Abs. 5 Aufenthaltsgesetz herleitet. Zuvor besaß der Kläger jedenfalls - worauf auch der Prozessbevollmächtigte in seiner Beschwerdeschrift zu Recht hinweist - seit Stellung seines Antrags auf Asyl am 07.11.2013 eine Aufenthaltsgestattung zur Durchführung des Asylverfahrens sowie anschließend mit Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 12.09.2016 eine Duldung. Die hier vorliegende Kopie der Aufenthaltserlaubnis erlaubt ihm auch die Erwerbstätigkeit. Zweifelhaft ist allein die dritte Voraussetzung des § 1 Abs. 3 Nr. 2 i.V.m. Nr. 3 BKGG. Als berechtigte Erwerbstätigkeit im Sinne der Vorschrift käme allenfalls der vom Kläger ausweislich des Ausbildungsvertrags vom 31.08.2016 der vom 01.09.2016 bis zum 31.08.2018 absolvierte Bildungsgang zur Erlangung des Berufsabschlusses als Fachkraft im Gastgewerbe in Betracht. Als Erwerbstätigkeit dürfte eine Ausbildung jedoch nur dann zu werten sein, wenn eine Ausbildungsvergütung gezahlt wird, was ausweislich des Vertrags vom 31.08.2016 nicht der Fall zu sein scheint. Hierzu wäre - vorbehaltlich der obigen Ausführungen zur zweifelhaften Unkenntnis des Aufenthalts der Eltern - ggfs. näher vorzutragen.

Eine Gefährdung des Existenzminimums des Klägers im streitigen Zeitraum ist nicht eingetreten und war auch nicht zu befürchten, denn er hat Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) sowie Leistungen nach dem BAföG erhalten.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 177 SGG.
Rechtskraft
Aus
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