S 87 KA 77/18

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
SG Berlin (BRB)
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
87
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 87 KA 77/18
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung ist der Bezug allein auf Abrechnungsdiagnosen und Ausschluss jeden weiteren Tatsachenvortrages im Verfahren vor den Prüfgremien beurteilungsfehlerhaft.
Der Beschluss des Beklagten vom 14. Dezember 2017 wird aufgehoben und der Beklagte wird verpflichtet, über die Zufälligkeitsprüfung für die Quartale III/2012 bis II/2013 erneut unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu entscheiden.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst tragen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Honorarkürzung wegen Unwirtschaftlichkeit der Gebührenordnungspositionen (GOP) 35100 und 35110 für die Quartale III/2012 bis II/2013.

Die Beigeladene zu 1) war im streitgegenständlichen Zeitraum als Frauenärztin zur vertragsärztlichen Versorgung in Berlin zugelassen.

Nachdem die Prüfungsstelle für die Wirtschaftlichkeitsprüfung in Berlin der Beigeladenen zu 1) mitgeteilt hatte, dass ihre Abrechnungsdaten im Rahmen der Zufälligkeitsprüfung mit dem Ziehungsquartal II/2013 für die Quartale III/2012 bis II/2013 geprüft würden, wurde sie am 19. Januar 2017 von der Prüfungsstelle zur Stellungnahme hinsichtlich der GOP 35100 und 35110 aufgefordert, "da diese für die Prüfungsstelle auch nach Abgleich mit den von der KV Berlin übermittelten Abrechnungs-Daten bezüglich entsprechender Diagnosen, Leistungsinhalte bzw. der wirtschaftlichen Auswahl abrechenbarer Behandlungskomplexe bzw. Pauschalen nicht nachvollziehbar erscheinen."

In ihrer Stellungnahme vom 9. Februar 2017 teilte die Beigeladene zu 1) mit, dass sie auf die Betreuung von Carcinom Patientinnen spezialisiert gewesen sei und daher häufig auch die psychosomatischen Folgen der Carcinom Erkrankungen behandelt habe. Im Rahmen dieser Behandlung müssten Strategien zur Bewältigung posttraumatischer Belastungsstörungen mit verbaler Intervention oft verbunden mit Psychotherapien angeboten werden. Auch sonstige psychosomatische Beschwerden habe sie behandelt.

Mit Bescheid vom 1. März 2017 stellte die Prüfungsstelle eine Kürzung des Honorars der Beigeladenen zu 1) in Höhe von 4889,14 Euro für die Quartale III/2012 bis II/2013 fest. Dies begründete sie im Wesentlichen damit, dass im Rahmen der Zufälligkeitsprüfung von Amts wegen eine repräsentative Einzelfallprüfung durchgeführt worden sei. Die Regelprüfmethode nach Durchschnittswerten sei nicht durchführbar gewesen, da nur Abrechnungsdaten der in die Zufälligkeitsprüfung einbezogenen Ärzte übermittelt worden seien und somit keine Werte zum Vergleich vorgelegen hätten. Die GOP 35100 und 35110 seien Leistungen, für die die Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Durchführung der Psychotherapie (PT-RL) gelte. Nach § 22 Abs. 1 PT-RL sei nur bei den genannten Indikationen eine Behandlung mit den Maßnahmen der psychosomatischen Grundversorgung zulässig. Voraussetzung für die psychosomatische Grundversorgung sei, dass der Arzt die ursächliche Beteiligung psychischer Faktoren an einem komplexen Krankheitsgeschehen festgestellt habe oder als wahrscheinlich annehmen müsse. Es sei für die Abrechnung der GOP von Bedeutung, die Auswirkung einer Erkrankung auf die Psyche in der Diagnose zu verdeutlichen. Die Leistungslegende der GOP 35100 erfordere explizit die Dokumentation der ätiologischen Zusammenhänge. Zwar wären die in der Stellungnahme der Ärztin genannten Erkrankungen anerkannt worden, wenn sie in ICD 10 Codierung auf dem Behandlungsschein vorgelegen hätten. Jedoch sei aus den Behandlungsscheinen kein ausreichender Bezug zu den Diagnosen der PT-RL zu ersehen. Wenn die Gespräche psychosomatische Erkrankungen (wie Magen-Darmbeschwerden, Rückenschmerzen, Atemwegserkrankungen und Herz-Kreislauferkrankungen) beinhalteten, müsse dies aus der Diagnose eindeutig hervorgehen. Ohne ausreichende Dokumentation sei der Leistungsinhalt der GOP 35100 und 35110 nicht erfüllt. Die Diagnosen seien nach ICD 10 zu verschlüsseln. Es könnten im Rahmen dessen nicht nur gesicherte Diagnosen, sondern auch Verdachtsdiagnosen, Zustand nach Diagnosen oder Ausschlussdiagnosen angegeben werden.

Gegen diesen Bescheid hat die Klägerin Widerspruch eingelegt, in dem sie vortrug, dass die Prüfungsstelle eine Abrechnungsprüfung und keine Wirtschaftlichkeitsprüfung durchgeführt habe und für diese nicht zuständig sei.

Diesen wies der Beklagte mit Beschluss vom 14. Dezember 2017 zurück. Den Beschluss begründete er im Wesentlichen damit, dass er eine Wirtschaftlichkeitsprüfung durchgeführt habe. Dies ergebe sich aus den Kommentierungen zu § 106 a SGB V a.F ... Die dort genannten Prüfungsgegenstände der sachlich-rechtlichen Richtigstellung umfassten nicht die Prüfung der Indikation. Gegenstand der Wirtschaftlichkeitsprüfung sei die Übereinstimmung der Leistungen mit den anerkannten Kriterien für ihre fachgerechte Erbringung, insbesondere mit den Richtlinien des Gemeinsamen Bundesauschusses. Diese konkretisierten gemäß § 92 SGB V das Wirtschaftlichkeitsgebot. Die Prüfungsstelle sei also berechtigt gewesen, im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung auch die Übereinstimmung der abgerechneten Leistungen mit den Vorgaben des G-BA zu beurteilen. Es liege auf der Hand, dass im Rahmen der durchgeführten Schlüssigkeitsprüfung bezogen auf die ärztliche Indikation ein Nachschieben oder Berichtigen der ursprünglichen Diagnosen nicht zulässig sei. Die Diagnosen seien durch den Arzt nach § 295 SGB V zu übermitteln und nicht korrigierbar. Da die Beigeladene zu 1) keine F-Diagnosen in den Abrechnungsunterlagen übermittelt habe, sei eine medizinische Prüfung ihrer Stellungnahme nicht erforderlich.

Am 20. April 2018 hat die Klägerin Klage gegen den Beschluss erhoben.

Die Klägerin trägt vor, dass die Prüfungsstelle beziehungsweise der Beklagte nicht zuständig für die durchgeführte Prüfung seien, sondern die Kassenärztliche Vereinigung Berlin (KV) im Rahmen der sachlich-rechnerischen Richtigstellung. Die Prüfung obligater Leistungsinhalte der GOP des einheitlichen Bewertungsmaßstabes (EBM) obliege der KV. Darunter falle auch die Prüfung, ob ein schriftlicher Vermerk des Arztes zum ätiologischen Zusammenhang erfolgt sei oder die Gesprächsdauer 15 Minuten betragen habe. Die Prüfung der sachlich-rechnerischen Richtigkeit der Abrechnungen ziele auf die Feststellung, ob die abgerechneten Leistungen rechtlich ordnungsgemäß, also ohne Verstoß gegen gesetzliche, vertragliche oder satzungsmäßige Bestimmungen erbracht worden sei. Dabei sei festzustellen, ob die Abrechnungen mit den Abrechnungsvorgaben des Regelwerkes, also des EBM u.a. übereinstimmten. Dahingegen sei die Wirtschaftlichkeitsprüfung darauf gerichtet zu prüfen, ob die Leistungen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich waren und das Maß des Notwendigen nicht überschritten wurde. Der Beklagte könne sich auch nicht auf die vom Bundessozialgericht (BSG) anerkannte Annexkompetenz der Prüfgremien für die sachlich-rechnerische Richtigstellung berufen. Diese sei nur gegeben, wenn die sachlich-rechnerische Richtigstellung neben der Wirtschaftlichkeitsprüfung von untergeordneter Bedeutung sei. Vorliegend liege der Schwerpunkt auf der sachlich-rechnerischen Richtigstellung, nämlich der vermeintlich fehlenden Dokumentation. Außerdem sei für den Fall, dass im Rahmen der Annexkompetenz zur Zufälligkeitsprüfung eine Prüfung der obligatorischen Leistungsinhalte erfolge, die repräsentative Einzelfallprüfung nicht die zulässige Prüfungsmethode. Denn diese sei allein für die Wirtschaftlichkeitsprüfung zulässig. Soweit der EBM Dokumentationen für die Abrechnungen bestimmter Leistungen vorsehe, habe die KV diese zu korrigieren. Daneben entbehre die Forderung des Beklagten, dass für die Abrechenbarkeit der GOP 35100 und 35110 F-Diagnosen in den Abrechnungsunterlagen anzugeben seien, jeder rechtlichen Grundlage. Soweit der EBM in der GOP 35100 die Dokumentation der ätiologischen Zusammenhänge als Leistungsinhalt vorsehe, sei dies durch die KV zu prüfen. Daneben ergebe sich die Abrechnungsfähigkeit der Leistungen allein aus dem EBM. Bei diesem sei nach der Rechtsprechung des BSG der Wortlaut maßgeblich und nur bei Zweifelsfällen eine systematische Interpretation zulässig. Der EBM sehe aber weder in den Leistungsinhalten der GOP 35100 und 35110 noch in den vorangestellten allgemeinen Bestimmungen ein F-Codierung vor. Auch der Bezug auf § 295 SGB V durch den Beklagten enthalte eine falsche Schlussfolgerung. Denn der EBM sehe nur die Abgabe einer Diagnose vor, nicht aber die einer F-Diagnose. Nach § 295 SGB V sei die Angabe einer Diagnose ausreichend, es müsse nicht eine bestimmte Diagnose sein. § 303 Abs. 4 SGB V n.F. sei im streitigen Zeitraum nicht anwendbar. Er sei auch inhaltlich nicht anwendbar, weil es vorliegend nicht um die inkorrekte Verschlüsselung gehe, sondern darum, dass nach Ansicht des Beklagten die Diagnosen nicht ausreichend seien. Wenn eine bestimmte ICD Codierung Voraussetzung für die Abrechenbarkeit sei, sei dies im EBM in den GOP ausdrücklich aufgeführt. So etwa in den GOP 16231, 16233, 21230, 21231, 21233. Der Beschluss des Beklagten sei auch materiell rechtswidrig. Die von der Ärztin angegebene verschlüsselte Diagnose sei im Zusammenhang mit der Dokumentation zu prüfen. Die Patientendokumentationen wurden durch den Beklagten aber nicht geprüft. Er habe diese nicht bei der KV oder der Ärztin angefordert. Zwar sehe § 22 PT-RL bestimmte Indikationen zur Anwendung einer Psychotherapie vor. Indikationen seien aber nicht gleichbedeutend mit nach ICD 10 verschlüsselten Diagnosen. Weder aus dem EBM noch aus 295 SGB V ergebe sich, dass die Indikationen nach PT-RL bereits in den Abrechnungsdiagnosen verschlüsselt nach ICD 10 angegeben sein müssten. Nach der Rechtsprechung des BSG zur Wirtschaftlichkeitsprüfung habe die Darlegung der relevanten Tatsachen durch den Arzt im Prüfungsverfahren zu erfolgen. Ein Ausschluss des Tatsachenvortrages sei erst vor Gericht gegeben (BSG, Urteil vom 15. Juli 2015, B 6 KA 30/14 R).

Die Klägerin beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, den Beschluss vom 14. Dezember 2017, ausgefertigt am 21. März 2018 und zugestellt am 22. März 2018, aufzuheben,

hilfsweise, den Beklagten zu verurteilen, den Beschluss vom 14. Dezember 2017, ausgefertigt am 21. März 2018 und zugestellt am 22. März 2018 aufzuheben und unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte trägt vor, dass er für die durchgeführte Prüfung im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung zuständig sei. Es sei außerdem eine Annexkompetenz für die sachlich-rechnerische Berichtigung gegeben. Die Zufälligkeitsprüfung in Form der Einzelfallprüfung mit Hochrechnung sei die nach Prüfvereinbarung zulässige Prüfmethode. Dabei sei die vom Arzt angegebene Diagnose zugrunde zu legen. Die Form der Schlüssigkeitsprüfung sei von der Rechtsprechung anerkannt. Die GOP 35100 und 35110 seien Leistungen, für die die PT-RL des Gemeinsamen Bundessausschusses gelte. Der Vortrag der Klägerin verkenne die Besonderheit der repräsentativen Einzelfallprüfung. Dabei werde die vom Arzt angegebene Diagnose als zutreffend zugrunde gelegt und nur geprüft, ob diese die Abrechnung der GOP rechtfertige. Das Wirtschaftlichkeitsgebot werde nach § 92 SGB V durch die PT-RL konkretisiert, die in § 22 bestimmte Indikationen für die Maßnahmen der psychosomatischen Grundversorgung vorsehe. Dass diese Indikationen als F-Diagnosen in den Behandlungsscheinen anzugeben seien ergebe sich auch aus den tragenden Gründen des Beschlusses des Gemeinsamen Bundesausschusses vom 20. Juni 2006 zur Aufnahme der in § 22 genannten Indikationsliste. Danach seien die neuen Beschreibungen der zulässigen Indikationen eindeutig der Nomenklatur und den Codierungsziffern des aktuell gültigen ICD 10 Kapitel F zuzuordnen. Die Verpflichtung zur Angabe der entsprechenden F-Diagnosen bereits in den Abrechnungsunterlagen ergebe sich aus § 295 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGB V. Dieser begründe die Verpflichtung der Ärzte, in den Abrechnungsunterlagen die erbrachten Leistungen aufzuzeichnen und zu übermitteln sowie nach ICD 10 zu verschlüsseln. Die fehlende Angabe der Diagnose könne nicht durch nachträgliche Angabe im Prüfverfahren geheilt werden. Dies ergebe sich auch aus § 303 Abs. 4 SGB V, der zwar erst zum 11. April 2017 in Kraft getreten sei, aber dessen Inhalt sich auch zuvor aus Sinn und Zweck der Wirtschaftlichkeitsprüfung ergeben habe.

Die Beigeladenen stellen keine Anträge.

Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte des Beklagten verwiesen, die dem Gericht vorgelegen hat und Gegenstand der mündlichen Verhandlung sowie der geheimen Beratung geworden ist.

Entscheidungsgründe:

Die Kammer konnte in Abwesenheit der Beigeladenen verhandeln und entscheiden, weil die Beigeladene zu 1) in der Ladung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden ist, § 126 SGG.

Die Kammer hat in der Besetzung mit je einem ehrenamtlichen Richter aus den Kreisen der Vertragsärzte und der Krankenkassen verhandelt und entschieden, weil es sich um eine Angelegenheit des Vertragsarztrechts nach § 12 Abs. 3 S. 1 SGG handelt.

Streitgegenstand des Verfahrens ist allein der Beschluss des Beklagten vom 14. Dezember 2017, da er den Beschluss der Prüfungsstelle ersetzt (std. RSpr des BSG; vgl. Urteil vom 17. Oktober 2012, B 6 KA 49/11 R Rn 18; Schmidt in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG 12. Auflage 2017, § 95 Rn 2b.). Zwar hat das BSG ausnahmsweise eine Klage auch gegen den Bescheid der Prüfungsstelle als zulässig erachtet, wenn ein Mangel gegeben ist, der dauerhaft sowohl dem Bescheid der Prüfungsstelle als auch dem des Beschwerdeausschusses anhaftet. Dies ist zum Beispiel dann gegeben, wenn die Prüfgremien überhaupt nicht zuständig waren oder es an einem erforderlichen Prüfantrag fehlte (SG, Urteil vom 9. März 1994, 6 RKa 5/92 Rn 16). Vorliegend ist auch die Zuständigkeit der Prüfgremien streitig, so dass dies angenommen werden könnte. Die Kammer versteht die aktuelle Rechtsprechung aber dahingehend, dass der Beschluss des Beschwerdeausschusses den der Prüfungsstelle ersetzt. Auch wenn der Beschluss des Beschwerdeausschusses aufgehoben würde, würde der der Prüfungsstelle nicht wiederaufleben. Daher ist für die Fälle, in denen bereits ein Beschluss des Beschwerdeausschusses ergangen ist, davon auszugehen, dass allein dieser Gegenstand des Klageverfahrens ist.

Die Klage ist im Hauptantrag als auf Aufhebung des Beschlusses des Beklagten gerichtete Anfechtungsklage gemäß § 54 Abs. 1 1. Alt SGG, im Hilfsantrag als Anfechtungs- und Neubescheidungsklage nach § 54 Abs. 1 S. 1 2. Alt SGG statthaft. Denn Begehren der Klägerin ist in der Hauptsache, dass der Beschluss wegen der Unzuständigkeit der Prüfgremien aufgehoben wird. Nur für den Fall, dass diese zuständig waren, begehrt sie eine Neubescheidung. Anders als hinsichtlich der Klage des Arztes, die als reine Anfechtungsklage statthaft wäre (vgl. Clemens in Schlegel/Voelzke Juris-PK SGB V, 3. Auflage 2016 § 105 Rn 445 ff.), hat die Klägerin im Rahmen ihrer Mitverantwortlichkeit für die Wirtschaftlichkeitsprüfung auch ein Interesse an der Neubescheidung.

Die Klage ist auch zulässig. Insbesondere ist die Klägerin klagebefugt aufgrund ihrer Verantwortung für die Ordnungsgemäßheit der vertragsärztlichen Versorgung (Clemens in Schlegel/Voelzke, Juris-PK SGB V, 3. Auflage 2016 R 106 Rn 375).

Die Klage hat hinsichtlich des Hilfsantrages Erfolg. Sie ist hinsichtlich des Hauptantrages unbegründet, hinsichtlich des Hilfsantrages begründet.

Der Bescheid des Beklagten ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, sie hat einen Anspruch auf Neubescheidung. Der Beklagte war zwar zuständig für die streitgegenständliche Prüfung (I.), jedoch hat er diese nicht beurteilungsfehlerfrei durchgeführt (II.).

I.

Rechtsgrundlage der Honorarkürzung ist § 106 Abs. 2 a Nr. 1 SGB V in der Fassung vom 19. Oktober 2012 (a.F.), für die der Beklagte zuständig war. Es handelt sich nicht um eine Abrechnungsprüfung nach § 106a Abs. 3 Nr. 3 SGB V in der Fassung vom 20. Dezember 2012 (a.F.), für die die Klägerin zuständig wäre.

Die durch die KVen durchzuführende Abrechnungsprüfung beziehungswiese sachlich rechnerische Richtigstellung ist auf die Übereinstimmung der vertragsärztlichen Abrechnung mit dem Regelwerk des EBM und der Honorarverteilungsregelungen sowie auf die Korrektheit der Abrechnung bezogen auf die Leistungserbringung und ihrer Zuordnung zu den Leistungspositionen des EBM gerichtet. Ein Unterfall der Abrechnungsprüfung ist auch die fehlende ICD Kodierung. Die Abrechnungsprüfung unterscheidet sich von der Wirtschaftlichkeitsprüfung, die für korrekt erbrachte und zugeordnete Leistungen deren medizinische Notwendigkeit und Effizienz auch im Verhältnis zu alternativen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden prüft (Hess in Kasseler Kommentar 80 EL 2013 § 106a Rn 4). Die Wirtschaftlichkeitsprüfung beinhaltet die Prüfung, ob die abgerechneten Leistungen ausreichend, zweckmäßig, für die Erzielung des Heilerfolgs notwendig und wirtschaftlich waren und ob das Maß des Notwendigen überschritten wird (Hess in Kasseler Kommentar 101.EL 2018 § 106 Rn 3). Regelmäßig ist die sachlich-rechnerische Richtigstellung durch die KVen vorrangig. Denn eine Honorarforderung eines Arztes kann nur dann sinnvoller Weise auf ihre Wirtschaftlichkeit geprüft werden, wenn sie sachlich-rechnerisch richtig und rechtmäßig ist. Honorarforderungen für fehlerhaft erbrachte Leistungen unterfallen nicht der Wirtschaftlichkeitsprüfung (BSG, Urteil vom 6. September 2006, B 6 KA 40/05 R Rn 19).

Für die Wirtschaftlichkeitsprüfung sind die Prüfgremien, die Prüfungsstelle und dann der Beklagte zuständig. Im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung erkennt das BSG eine so genannte Annexkompetenz der Prüfgremien zur Durchführung von sachlich-rechnerischen Honorarberichtigungen an. Diese ist nach der Rechtsprechung aber nur dann gegeben, wenn sich die Notwendigkeit der sachlich-rechnerischen Richtigstellung im Rahmen einer Wirtschaftlichkeitsprüfung nachträglich ergibt und der Frage der Berechnungsfähigkeit einer Leistung im Verhältnis zur Wirtschaftlichkeit keine so überragende Bedeutung zukommt, dass eine Abgabe an die KV geboten wäre (vgl. BSG, Urteil vom 27. April 2005, B 6 KA 39/04 R Rn 19). Wenn der Schwerpunkt der Beanstandungen bei einer fehlerhaften Anwendung der Gebührenordnung liegt, müssten die Gremien der Wirtschaftlichkeitsprüfung das Prüfverfahren abschließen und der KV Gelegenheit geben, eine sachlich-rechnerische Richtigstellung durchzuführen (BSG, Urteil vom 6. September 2006, B 6 KA 40/05 R Rn 19).

Eine randscharfe Abgrenzung und Trennung zwischen beiden Prüfungsarten ist nicht immer möglich. So kann auch der EBM unter Umständen normative Konkretisierungen des Wirtschaftlichkeitsgebotes enthalten. Ist eine Leistung für einen Arzt danach generell auszuschließen, handelt es sich um einen Fall der Abrechnungsprüfung, ist jedoch die Leistungserbringung nur an bestimmte Ausnahmetatbestände geknüpft, handelt es sich um einen Fall der Wirtschaftlichkeitsprüfung (vgl. BSG, Urteil vom 27. April 2005, B 6 KA 39/04 R Rn 22).

Diese Vorgaben beachtet, hat der Beklagte eine Wirtschaftlichkeitsprüfung durchgeführt.

Zwar erwähnt der Beklagte Aspekte, die eindeutig der Abrechnungsprüfung zuzuordnen sind. Er rügt in seinem Beschluss auch die unzureichende Dokumentation nach GOP 35100 und die unvollständige Leistungserbringung.

Der Begründung des Beschlusses ist aber zu entnehmen, dass der Beklagte die Honorarkürzung auf die, seiner Ansicht nach fehlende, Indikation nach der Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Durchführung der Psychotherapie in der Fassung vom 19. Februar 2009 (PT-RL) stützt. Insoweit ist in der Rechtsprechung zur Wirtschaftlichkeitsprüfung in der zahnärztlichen Versorgung anerkannt, dass die Prüfung der Übereinstimmung der Leistungen mit den Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) der Wirtschaftlichkeitsprüfung unterliegt (vgl. Hess in Kasseler Kommentar, 80. EL 2013 § 106 Rn 5f, LSG BB, Urteil vom 31. August 2011, L 7 KA 157/07 Rn. 22). Dies gilt auch für die Prüfung der Voraussetzungen der PT-RL. Denn auch diese wurde vom G-BA aufgrund der gesetzlichen Ermächtigung des § 92 Abs. 1 S. 1 i.V.m § 92 Abs. 6a SGB V erlassen und soll der Sicherung der kassenärztlichen Versorgung über die Gewähr für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung dienen. So bestimmt die Präambel der PT-RL in Satz 1:

"Die vom Gemeinsamen Bundesausschuss gemäß § 92 Absatz 6a des Fünften Buches Sozialgesetzbuch beschlossene Richtlinie dient der Sicherung einer den gesetzlichen Erfordernissen entsprechenden ausreichenden, zweckmäßigen und wirtschaftlichen Psychotherapie der Versicherten und ihrer Angehörigen in der vertragsärztlichen Versorgung."

Der Beklagte hätte dann aber eine Wirtschaftlichkeitsprüfung durchführen müssen. Soweit er sich allein auf die Abrechnungsdiagnosen beruft und insoweit die Angabe einer F-Diagnose allein in der Abrechnungsdiagnose ohne Prüfung der Patientendokumentation verlangt, verlässt er den Bereich der Wirtschaftlichkeitsprüfung. Es kann hier dahinstehen, ob im Rahmen einer Abrechnungsprüfung die Voraussetzung einer F-Diagnose verlangt werden kann, obwohl dies in den entsprechenden EBM GOP, anders als in anderen, gerade nicht als Voraussetzung angegeben ist, da die KV Berlin eine solche nicht durchführt.

II.

Die vom Beklagten durchgeführte Wirtschaftlichkeitsprüfung ist jedoch nicht beurteilungsfehlerfrei und daher rechtswidrig erfolgt.

Rechtsgrundlage der vom Beklagten vorgenommen Honorarkürzung ist § 106 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 2a Nr. 1 SGB V a.F. Danach wird die Wirtschaftlichkeit der Prüfung durch arztbezogene Prüfung ärztlicher Leistungen auf der Grundlage von arztbezogenen und versichertenbezogenen Stichproben, die mindestens 2 vom Hundert der Ärzte je Quartal umfassen, geprüft (§ 106 Abs. 2 Nr. 2 S. 1 SGB V a.F.). Nach S. 4 der Vorschrift können die Landesverbände der Krankenkassen mit den KVen weitere arztbezogene Prüfungsarten vereinbaren und die Prüfgremien können nach der Rechtsprechung des BSG erforderlichenfalls andere Prüfmethoden entwickeln (BSG, Urteil vom 13. August 2014, B 6 KA 41/13 R Rn 12). Insoweit sieht die Prüfvereinbarung der KV Berlin mit den Landesverbänden der Krankenkassen nach § 106 Abs. 3 SGB V vom 14. Februar 2008 (PrV) in §§ 9 Abs. 2 2.3., 17 a Nr. 1a die Möglichkeit einer repräsentativen Einzelfallprüfung vor.

Den Prüfgremien steht bei der Auswahl der Prüfmethode und auch bei der Bewertung der Wirtschaftlichkeit ein gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum zu (BSG; Urteil vom 19. Oktober 2011, B 6 KA 38/10 R Rn 16; BSG, Urteil vom 13. August 2014, B 6 KA 41/14 Rn 13). Die Kontrolle der Gerichte beschränkt sich bei der Überprüfung von Verwaltungsentscheidungen, denen ein Beurteilungsspielraum zugrunde liegt, darauf, ob das Verwaltungsverfahren ordnungsgemäß durchgeführt worden ist, ob der Verwaltungsentscheidung ein richtiger und vollständig ermittelter Sachverhalt zugrunde liegt, ob die Verwaltung die Grenzen eingehalten hat, die sich bei der Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs "Wirtschaftlichkeit" ergeben, und ob sie ihre Subsumtionserwägungen so verdeutlicht und begründet hat, dass im Rahmen des Möglichen die zu treffende Anwendung der Beurteilungsmaßstäbe erkennbar und nachvollziehbar ist (BSG, Urteil vom 19. Oktober 2011, B 6 KA 38/10 R, Rn 16f). Die Wahl einer nachrangigen Prüfungsmethode bedarf einer ausreichenden Begründung (BSG, Urteil vom 13. August 2014, B 6 KA 41/14 Rn 16).

Grundsätzlich ist die Prüfung nach Durchschnittswerten vorrangig. Aufgrund des Gebots der Effektivität der Wirtschaftlichkeitsprüfung ist aber die Auswahl einer sachgerechten Prüfmethode gerechtfertigt, wenn im Einzelfall die Prüfung nach Durchschnittswerten nicht aussagekräftig oder durchführbar ist. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn die Prüfung nach Durchschnittswerten strukturell den Zugriff auf die festgestellte Unwirtschaftlichkeit verstellt, wie zum Beispiel bei der Prüfung der Unwirtschaftlichkeit einzelner Leistungspositionen (BSG, Urteil vom 19. Oktober 2011, B 6 KA 38/10 R Rn 20f.).

Der angegriffene Beschluss begründet die Auswahl der Prüfungsmethode damit, dass eine Durchschnittsprüfung nicht durchgeführt werden konnte, weil im Rahmen der Zufälligkeitsprüfung allein die Daten der in diese einbezogenen Ärzte vorliegen. Das Gericht kann darin keinen Beurteilungsfehler erkennen.

Jedoch liegt ein Beurteilungsfehler dahingehend vor, dass das Verfahren nicht ordnungsgemäß durchgeführt und der der Entscheidung des Beklagten zugrunde liegende Sachverhalt nicht ausreichend ermittelt wurde.

Soweit der Beklagte allein prüft, ob eine von ihm für zutreffend erachtete Abrechnungsdiagnose angegeben wurde und weder den Vortrag der Ärztin im Rahmen des Anhörungsverfahrens beachtet noch Patientendokumentationen anfordert und prüft, verstößt er gegen den Amtsermittlungsgrundsatz nach § 20 SGB X.

Grundsätzlich ist im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung nach der ständigen Rechtsprechung Tatsachenvortrag bis zum Abschluss des Verwaltungsverfahrens zulässig (vgl. BSG, Urteil vom 15. Juli 2015, B 6 KA 30/14 R Rn 31 mwN, LSG BB, Urteil vom 28. November 2018, L 7 KA 63/16). Danach besteht zwar eine Mitwirkungspflicht des Arztes im Prüfverfahren nach § 21 SGB X. Diese Mitwirkungspflicht enthält aber auch ein Recht auf Darlegung der den Anspruch des Arztes begründenden Tatsachen und besteht unstreitig bis zum Abschluss des Verwaltungsverfahrens. Ein Ausschluss weiteren Tatsachenvortrages wird erst nach Abschluss des Verwaltungsverfahrens im Gerichtsverfahren angenommen, weil der Beschwerdeausschuss ein sachkundiges und paritätisch besetztes Gremium ist, dem die Beurteilung medizinischer Sachverhalte obliegt und insoweit ein gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbarer Gestaltungsspielraum besteht (BSG, Urteil vom 15. Juli 2015, B 6 KA 30/14 R Rn 41, LSG BB, Urteil vom 28. November 2018, L 7 KA 63/16). Der Beschwerdeausschuss hat gegebenenfalls die von der Prüfungsstelle unterlassene Sachverhaltsprüfung nachzuholen und auf eine entsprechende Darlegung durch den Arzt hinzuwirken (BSG, Urteil vom 15. Juli 2015, B 6 KA 30/14 R Rn 31).

Die Ansicht des Beklagten, dass allein die vom Arzt in der Honorarabrechnung angegebenen Abrechnungsdiagnosen ausschlaggebend sein sollen, würde zu einer Präklusion jeden weiteren Tatsachenvortrages sogar schon vor Beginn des Verwaltungsverfahrens führen. Diese ist aber im Verfahren der Wirtschaftlichkeit nicht vorgesehen und es fehlt auch einer Rechtsvorschrift, aus der diese hergeleitet werden könnte.

Entsprechend hat das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg für den Fall einer Heilmittelverordnung, für die die Richtlinie des G-BA über die Verordnung von Heilmitteln in der vertragsärztlichen Versorgung vom 1. Dezember 2003 in Nr. 11.3 eine besondere Begründung ausdrücklich vorsieht, entschieden, dass dem Arzt im Verfahren vor den Prüfgremien Gelegenheit zu substantiiertem Vorbringen gegeben werden muss und ergänzender Tatsachenvortrag im Verwaltungsverfahren von den Prüfgremien zu beachten ist. Dies ergibt sich bereits daraus, dass das Prüfverfahren nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 PrV ein Sozialverwaltungsverfahren nach SGB X ist. Außerdem ist nach § 8 Nr. 2 PrV dem Vertragsarzt rechtliches Gehör durch die Möglichkeit der schriftlichen Stellungnahme zu gewähren. Im Zusammenhang mit dem nach § 20 SGB X geltenden Amtsermittlungsgrundsatz ergibt sich schon daraus die Möglichkeit des Vertragsarztes, im Verwaltungsverfahren seine Leistungserbringung konkret zu plausibilisieren und näher zu erklären. Der Ausschluss der Möglichkeit, sich zur Sache zu äußern und vom Anspruch auf dann auch inhaltliche Würdigung seines Vorbringens durch die Prüfungsgremien stellt einen Verstoß gegen verfassungsrechtlich gewährleistete grundlegende Verfahrensrechte da und nimmt dem Prüfungsverfahren seine eigentliche Funktion. Würde man der Ansicht des Beklagten folgen, dass ein Vertragsarzt im Prüfverfahren mit weiterem Sachvorbringen zur medizinischen Notwendigkeit ausgeschlossen ist, wäre das Prüfverfahrens seines Inhaltes entkleidet und hätte nur die Aufgabe, formelle Fehler des Vertragsarztes zu ahnden (LSG BB, Urteil vom 28. November 2018, L 7 KA 63/16).

Vorliegend hat der Beklagte der Vertragsärztin zwar die Möglichkeit zur Stellungnahme gegeben. Er hat diese Stellungnahme aber ausdrücklich nicht beachtet. Damit führt er das Anhörungsrecht der Vertragsärztin ad absurdum, denn es ist nicht ersichtlich, warum die Vertragsärztin überhaupt Stellung nehmen soll, wenn diese Stellungnahme unbeachtlich ist.

Etwas anderes ergibt sich hier auch nicht daraus, dass der Beklagte eine so genannte eingeschränkte Einzelfallprüfung durchgeführt hat. Zwar ist nach der Rechtsprechung des BSG die so genannte eingeschränkte Einzelfallprüfung zulässig. Bei dieser wird nach der Rechtsprechung die vom Arzt dokumentierte Diagnose als zutreffend zugrunde gelegt und überprüft, ob auf dieser Grundlage der vom Arzt vorgenommene Behandlungsumfang gerechtfertigt ist (BSG, Urteil vom 27. Juni 2007, B 6 KA 44/06 R Rn 14). Diese eingeschränkte Einzelfallprüfung mit Hochrechnung setzt aber voraus, dass sich bei der Überprüfung der Behandlungsweise eine ständig wiederkehrende Verhaltensweise des Arztes feststellen lässt, die von den Prüfgremien als unwirtschaftlich beurteilt wird (BSG, Urteil vom 13. August 2014, B 6 KA 41/13 R Rn 13). Aus dieser Rechtsprechung ergibt sich zum einen schon, dass nicht allein die Abrechnungsdiagnosen, sondern vom Arzt dokumentierte Diagnosen zu beachten sind. Insoweit sind die Patientendokumentationen zu beachten. Zum anderen muss allein aus den Diagnosen ein wiederkehrendes unwirtschaftliches Verhalten herzuleiten sein. Dies ist im vorliegenden Fall ohne Prüfung der Patientendokumentationen und entsprechende Anhörung des Arztes nicht möglich. Denn die PT-RL gibt zwar bestimmte Indikationen vor, bei denen die Leistungen der psychosomatischen Grundversorgung erbracht werden dürfen, sie gibt aber gerade nicht vor, dass bestimmte Diagnosen als Abrechnungsdiagnosen zu dokumentieren sind. Der Beklagte hätte also prüfen müssen, ob bei der Angabe bestimmter Diagnosen immer ein unwirtschaftliches Verhalten vorliegt. Er hat aber allein angenommen, dass beim Fehlen bestimmter Diagnosen in der Abrechnung bereits ein unwirtschaftliches Verhalten vorliegt.

Dass auch das BSG nicht davon ausgeht, dass in diesen Fällen allein die Abrechnungsunterlagen des Vertragsarztes ausschlaggebend sein können, ergibt sich aus den entsprechenden Sachverhalten. Im Urteil vom 13. August 2014, B 6 KA 41/13 war gerade streitig, ob eine eingeschränkte Zahl von Prüffällen zulässig ist, weil der Vertragsarzt nicht ausreichend Behandlungsunterlagen eingereicht hat. Im Urteil vom 27. Juni 2007, B 6 KA 44/06 R wurde die Entscheidung auch darauf gestützt, dass Anhaltspunkte für Besonderheiten in den Behandlungsfällen nicht festgestellt wurden (Rn 18).

Daneben fehlt es an einer Vorschrift, die die Angabe einer F-Diagnose bereits in der Abrechnung als Voraussetzung für die Erbringung der hier streitigen GOP 35100 und 35110 vorsieht und deshalb den Ausschluss weiteren Tatsachenvortrages im Ansatz rechtfertigen könnte.

Aus den EBM Ziffern ergibt sich keine Pflicht zur Angabe einer bestimmten Diagnose, es sind auch keine bestimmten Diagnosen aufgezählt, die Voraussetzung für die Leistungserbringung wären. Die EBM Ziffer 35100 sieht allein einen schriftlichen Vermerk der ätiologischen Zusammenhänge vor. Die Erbringung dieses Vermerks gehört zum obligatorischen Leistungsinhalt und wäre daher ohnehin im Rahmen der Abrechnungsprüfung zu prüfen. Die PT-RL wiederholt in § 11 Abs. 1, dass der Arzt frühzeitig die Zusammenhänge zwischen somatischen und psychosomatischen Krankheitszuständen in ihrer ätiologischen Verknüpfung klären muss.

Die PT-RL lautet zwar in § 22 Abs. 1 wie folgt

"(1) Indikationen zur Anwendung von Psychotherapie gemäß Abschnitt B und Maßnahmen der Psychosomatischen Grundversorgung gemäß Abschnitt C der Richtlinie bei der Behandlung von Krankheiten können nur sein:

1. Affektive Störungen: depressive Episoden, rezidivierende depressive Störungen, Dysthymie;

2. Angststörungen und Zwangsstörungen;

3. Somatoforme Störungen und Dissoziative Störungen (Konversionsstörungen);

4. Reaktionen auf schwere Belastungen und Anpassungsstörungen;

5. Essstörungen;

6. Nichtorganische Schlafstörungen;

7. Sexuelle Funktionsstörungen;

8. Persönlichkeitsstörungen und Verhaltensstörungen;

9. Verhaltens- und emotionale Störungen mit Beginn in der Kindheit und Jugend."

Die hier streitigen Leistungen GOP 35100 und 35110 sind im Kapitel 35 EBM genannt, das überschrieben ist mit: Leistungen gemäß den Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Durchführung der Psychotherapie (Psychotherapie-Richtlinien). Sie fallen also unter die PT-RL und sind daher nur bei Vorliegen der in § 22 Abs. 1 PT-RL genannten Indikationen wirtschaftlich.

Jedoch folgt daraus nicht, dass diese Indikationen nur dann gegeben sind, wenn sie als F-Diagnosen in der Abrechnung benannt sind. Vielmehr ist insoweit die Patientendokumentation des Arztes zu prüfen. Die PT-RL selbst erfordert eine Dokumentation allein in § 12. Danach erfordern Leistungen der psychosomatischen Grundversorgung eine schriftliche Dokumentation der diagnostischen Erhebungen und der wesentlichen Inhalte der psychotherapeutischen Interventionen. Daraus ergibt sich aber nicht, dass die Diagnosen als Abrechnungsdiagnosen anzugeben sind, vielmehr ist eine entsprechende Patientendokumentation in den Unterlagen des Vertragsarztes vorgesehen, die dann auch vom Beklagten zu prüfen wäre.

Etwas anderes ergibt sich entgegen der Auffassung des Beklagten auch nicht aus den tragenden Gründen des Beschlusses des G-BA vom 20. Juni 2006. Denn dieser begründet die Neufassungen der Indikationsbezeichnungen nach § 22 Abs. 1 PT-RL wie folgt:

"Die Psychotherapie-Richtlinien verwenden bisher eine veraltete, wenig differenzierte Beschreibung der Indikationen zur Anwendung von Psychotherapie in Abschnitt D – Anwendungsbereiche. Internationaler Standard und gängige Praxis ist es mittlerweile auf differenzierte Diagnosen nach Kapitel F der International Classification of Diseases der WHO (ICD-10) zurückzugreifen. Daher ist eine Aktualisierung der Beschreibung der Indikationen zur Anwendung von Psychotherapie in Abschnitt D notwendig geworden. Diese wurden in Indikationsbereiche, orientiert an Kapitel F der International Classification of Diseases der WHO (IDC-10) "übersetzt". Damit ist weder eine Ausweitung noch eine Einschränkung der zulässigen Indikationen zur Psychotherapie verbunden."

Es ergibt sich aus diesem Beschluss gerade nicht, wie vom Beklagten angenommen, dass die Indikationen als F-Diagnosen nach ICD-10 verschlüsselbar sind und daher auch entsprechend verschlüsselt als Abrechnungsdiagnose anzugeben sind. Vielmehr ergibt sich daraus, dass Indikationen nicht gleichzusetzen mit Diagnosen sind. Denn auch die veralteten Bezeichnungen der Indikationen, die nicht nach IDC-10 verschlüsselbar waren, begründeten nach der PT-RL die Wirtschaftlichkeit der Anwendung von Leistungen der psychosomatischen Grundversorgung. Der G-BA weist in dem Beschluss vom 20. Juni 2006 ausdrücklich darauf hin, dass die Neuformulierung der Indikationen entsprechend der F-Diagnosen des ICD-10 gerade keine Ausweitung oder Einschränkung der zulässigen Indikationen enthält. Daraus ergibt sich aber auch, dass Formulierungen zur Indikation, die nicht einer F-Diagnose entsprechen, nach der PT-RL ausreichend sein können. Dies wäre vom Beklagten im Rahmen seiner fachlichen Kompetenz anhand der Patientendokumentationen zu prüfen.

Letztlich ergibt sich auch entgegen der Ansicht des Beklagten nicht aus § 295 Abs. 2 Nr. 2 SGB V, dass die Vertragsärzte die Indikationen nach PT-RL als Abrechnungsdiagnose anzugeben haben. Denn dieser regelt:

"Die an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte und Einrichtungen sind verpflichtet, [ ... ]

2. in den Abrechnungsunterlagen für die vertragsärztlichen Leistungen die von ihnen erbrachten Leistungen einschließlich des Tages und, soweit für die Überprüfung der Zulässigkeit und Richtigkeit der Abrechnung erforderlich, der Uhrzeit der Behandlung, bei ärztlicher Behandlung mit Diagnosen [ ... ] aufzuzeichnen und zu übermitteln. Die Diagnosen nach Satz 1 Nr. 1 und 2 sind nach der Internationalen Klassifikation der Krankheiten in der jeweiligen vom Deutschen Institut für medizinische Dokumentation und Information im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit herausgegebenen deutschen Fassung zu verschlüsseln."

Zum einen ergibt sich aus dem Einschub "soweit für die Überprüfung der Zulässigkeit und Richtigkeit der Abrechnung erforderlich", dass es sich um eine Vorschrift handelt, die im Rahmen der Abrechnungsprüfung ausschlaggebend ist. Zum anderen lässt sich daraus nicht herleiten, dass im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung allein die Abrechnungsunterlagen ausschlaggebend sind, für die § 295 Abs. 2 Nr. 2 SGB V den verpflichtenden Inhalt regelt. Dass dies gerade nicht der Fall ist, zeigt das oben dargelegte Zusammenspiel von Amtsermittlungsgrundsatz und Darlegungspflicht des Vertragsarztes.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 VwGO und folgt dem Ergebnis der Hauptsache. Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten der Beigeladenen war nicht veranlasst, weil diese sich nicht an dem Verfahren beteiligt und keine Anträge gestellt haben, § 162 Abs. 3 VwGO
Rechtskraft
Aus
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