L 12 SF 155/17

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
12
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 56 SF 537/16 E
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 12 SF 155/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Kostenbeschluss
Leitsätze
Zur Verpflichtung der Beteiligten, Mehrfertigungen von Schriftsätzen und Anlagen zu übermitteln
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts München vom 29.05.2017 wird zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Streitig ist die Festsetzung der Dokumentenpauschale für die Anfertigung von Abschriften in einem Verfahren nach § 197a Sozialgerichtsgesetz (SGG).

Die Beschwerdeführerin war Klägerin des Verfahrens S 2 KR 1421/14. Gegenstand des Verfahrens war die Frage, ob der beklagten Krankenversicherung gegen die Beschwerdeführerin eine Forderung in Höhe von 2.356,62 EUR zusteht. Die Beklagte hatte mit einem Schreiben vom 25.03.2014 die Überprüfung eines Behandlungsfalles unter Berufung auf Regelungen in einem Rahmenvertrag für häusliche Krankenpflege gemäß § 132a SGB V vom 01.05.2005 eingeleitet. Die Beschwerdeführerin hat sich in ihrer Klageschrift mehrfach auf diesen Rahmenvertrag bezogen.

Die Bestätigung des Klageeingangs (noch unter dem Aktenzeichen S 29 P 317/14) vom 24.11.2014 enthielt folgenden Passus:

"Es wird gebeten, ... in Zukunft alle Schriftsätze sowie nach Möglichkeit die Unterlagen 2-fach einzureichen."

Den gleichen Zusatz enthielt die Mitteilung vom 08.12.2014, dass das Verfahren unter dem neuen Aktenzeichen S 2 KR 1421/14 geführt werde, da es sich um ein Verfahren aus dem Bereich Krankenversicherung handele. Am 13.05.2015 verfügte der Vorsitzende:

"Vfg
KlBev Vorlage Vertrag HKP der Kl mit Bekl (6 Wo)
WV 1.7."

Aufgrund dieser Verfügung lief folgendes Schreiben mit Datum 18.05.2015 aus:

" ... wird um Vorlage des HKP-Vertrages der Klägerin mit der Beklagten (2-fach) binnen sechs Wochen gebeten."

Nach Erinnerung vom 10.07.2015 ging am 11.08.2015 ein Schriftsatz des Bevollmächtigten der Beschwerdeführerin vom 10.08.2015 ein, mit dem ein "Vertrag gem. § 132a SGB V für die Leistungen der häuslichen Krankenpflege nach § 37 SGB V" zwischen der Beschwerdeführerin, der Beklagten und weiteren Krankenkassenverbänden mit einer Unterschrift für die Krankenkassen vom 16.02.2009 und ohne Unterschrift der Beschwerdeführerin, in Kraft ab 01.01.2009, sowie Vergütungsvereinbarungen einfach übersandt wurde. Der Vorsitzende verfügte, den Schriftsatz an die Beklagte zur Kenntnis zu übersenden. Es wurden Kopien des Schriftsatzes vom 10.08.2015 sowie der Anlagen gefertigt und mit gerichtlichem Schreiben vom 24.08.2015 an die Beklagte übersendet.

Mit Gerichtskostenfeststellung vom 30.11.2016 wurden von der Beschwerdeführerin gemäß § 197a SGG, GKG, KV-Nr. 9000 9,50 EUR für Ablichtungen angefordert, die angefertigt worden seien, weil es die Beschwerdeführerin unterlassen habe, die erforderliche Zahl von Ablichtungen beizufügen.

Hiergegen hat die Beschwerdeführerin durch ihren Bevollmächtigten am 02.12.2016 Erinnerung eingelegt. § 197a SGG in Verbindung mit GKG und KV-Nr. 9000 bilde keine Rechtsgrundlage für den Ansatz der Kosten. Die Vorschrift des § 93 S. 3 SGG sei lex specialis. Hiernach seien vorliegend aber keine Kosten angesetzt worden. Es werde bestritten, dass für die Anfertigung von 19 Kopien beim SG München Kosten in Höhe von 9,50 EUR entstanden seien. Diese Vorschrift sehe keinen Kostenansatz von 9,50 EUR für 19 Kopien vor. Zudem räume § 93 S. 3 SGG Ermessen ein, Ermessenserwägungen enthalte die Kostenfestsetzung jedoch nicht. Es sei ermessensfehlerhaft, die Kosten zu verlangen, da in vergleichbaren Fällen auch keine Kopien angefordert würden. So müsse ein Sachverständiger das Gutachten nur in einfacher Ausfertigung einreichen. Das Gericht kopiere auch Schriftsätze der Sozialleistungsträger, ohne Kosten geltend zu machen, wenn diese es verabsäumten, Abschriften beizufügen. Auch Kopien aus Akten der Sozialleistungsträger für die klagende Partei würden der Beklagten nicht in Rechnung gestellt. Dies begründe einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG.

Vorliegend sei die Fertigung von Kopien auch nicht erforderlich gewesen, da die Beklagte über die kopierten Unterlagen unzweifelhaft selber verfügt habe. Insoweit werden auf § 133 Abs. 1 Satz 2 ZPO verwiesen. Zudem habe das Gericht den HKP-Vertrag auch von der Beklagten anfordern können. Es liege eine fehlerhafte Sachbehandlung vor, so dass von der Kostenerhebung in entsprechender Anwendung des § 21 Abs. 1 S. 1 GKG abzusehen sei.

Der Erinnerungsgegner und hiesige Beschwerdegegner verwies darauf, dass sich die Befugnis, Mehrausfertigungen anzufordern, aus § 93 SGG ergebe. Dessen Satz 3, der Ermessen einräume, sei in Gerichtskostenfällen nicht anwendbar, da nach dem gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 3 GKG anwendbaren § 9 Abs. 3 GKG die Dokumentenpauschale sofort mit ihrer Entstehung fällig werde. Mit Eingang eines Schriftsatzes, der nicht der richterlichen Anordnung nach § 93 SGG entspreche, entstehe die Dokumentenpauschale automatisch. In entsprechender Anwendung des § 15 Abs. 2 KostVfG würde sie aber erst bei Beendigung des Rechtszuges angesetzt, wenn kein Verlust für die Staatskasse zu befürchten sei. Von einer Ermessensausübung beim Ansatz von Kosten könne aber nicht die Rede sein, nach § 1 Abs. 2 Nr. 3 GKG gelte das Gerichtskostengesetz auch für die Beschwerdeführerin. Ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz sei nicht ersichtlich. Für die Beklagtenakten gelte § 93 SGG nicht, da es sich nicht um Schriftsätze und Unterlagen im Sinne dieser Vorschrift handele. Hier seien die Grundsätze der Akteneinsicht nach § 120 SGG zu beachten. Solange die Beteiligten nach § 107 SGG eine Abschrift des eingeholten Sachverständigengutachtens erhielten, sei es unerheblich, wie viele Abschriften vom Gutachter angefordert würden. Unterschiedliche Sachverhalte dürften unterschiedlich behandelt werden.

Soweit eine unrichtige Sachbehandlung nach § 21 GKG geltend gemacht werde, sei diese zwar im Wege der Erinnerung geltend zu machen. Im Rahmen der Erinnerung könne aber alleine geprüft werden, ob eine Verletzung des Kostenrechts vorliege, ob die im Hauptsacheverfahren erfolgten Festlegungen kostenrechtlich richtig umgesetzt worden seien. Daher sei bei der Frage, ob seitens des Hauptsacherichters eine unrichtige Sachbehandlung erfolgt sei, größte Zurückhaltung angebracht. Eine solche könne - wenn überhaupt - nur bei einem offensichtlichen Versehen oder bei schweren offensichtlichen Verstößen gegen eindeutige Vorschriften bejaht werden. Zudem müsse eine Kausalität zwischen der unrichtigen Sachbehandlung und den entstandenen Kosten bestehen. Vorliegend sei beides nicht zu bejahen.

Das Sozialgericht München hat die Erinnerung mit Beschluss vom 29.05.2017 zurückgewiesen.

Die Verpflichtung der Beschwerdeführerin, die festgesetzten Kopierkosten in Höhe von 9,50 EUR zu tragen, ergebe sich aus § 197a Abs. 1 S. 1 SGG in Verbindung mit § 28 Abs. 1 S. 2 GKG in Verbindung mit KV-Nr. 9000. Es habe sich um ein gerichtskostenpflichtiges Verfahren im Sinne des § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG gehandelt. Damit würden nach § 197a Abs. 1 S. 1 SGG Kosten nach dem Gerichtskostengesetz erhoben. Die Anforderung der Dokumentenpauschale beruhe auf § 28 Abs. 1 GKG.

Nach § 28 Abs. 1 S. 2 GKG schulde der Beteiligte die Dokumentenpauschale, der es unterlassen hat, die erforderliche Zahl von Mehrfertigungen beizufügen, wenn deshalb Kopien angefertigt worden sind. Die Erinnerungsführerin habe es unterlassen, dem Schriftsatz vom 10.08.2015 eine Kopie des Schriftsatzes sowie des ihm beigefügten Vertrages mit der Beklagten beizufügen, obwohl sie hierzu verpflichtet gewesen sei. § 28 Abs. 1 S. 2 GKG begründe keine eigenständige Verpflichtung der Beteiligten, Mehrausfertigungen beizufügen. Kosten könnten nur auferlegt werden, wenn aufgrund der anzuwendenden Prozessordnung oder aufgrund richterlicher Anordnung eine Verpflichtung dazu bestand. Eine solche Verpflichtung habe sich für die Beschwerdeführerin aus § 93 SGG ergeben. § 133 ZPO gelte nicht. § 86 Abs. 5 S. 2 VwGO bzw. § 77 Abs. 2 S. 2 FGO seien entsprechend anzuwenden. Dies folge daraus, dass im sozialgerichtlichen Verfahren ebenso wie im verwaltungs- und finanzgerichtlichen Verfahren der Untersuchungsgrundsatz gelte. Im Übrigen habe sich die Verpflichtung zur Vorlage von Unterlagen in zweifacher Ausfertigung aus der Verfügung des Hauptsacherichters vom 18.05.2015 ergeben.

Eine unrichtige Sachbehandlung liege nicht vor. Es fehle ein schwerer Verfahrensfehler im Sinne einer eindeutigen und offenkundig unrichtigen Sachbehandlung.

Ermessen sei bei der Anforderung der Dokumentenpauschale nicht auszuüben gewesen, § 93 Abs. 3 SGG sei nicht anwendbar. Die Gerichtskostenfeststellung sei auch der Höhe nach korrekt. Die Bevollmächtigten der Beschwerdeführerin haben am 16.06.2017 Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts München vom 29.05.2017 eingelegt.

Die Beschwerdeführerin berufe sich auf die sog. Kleinbetragsregelung in VV zu Art. 59 BayHO, wonach die Anforderung von Beträgen unter 10,00 EUR regelmäßig unterbleibe.

Die Bevollmächtigten der Beschwerdeführerin seien bei Einreichung des Schriftsatzes vom 10.08.2015 der festen Überzeugung gewesen, dass es nicht notwendig sei, den einzeiligen Schriftsatz vom 10.08.2015 sowie den zwischen den Klageparteien vereinbarten Vertrag über häusliche Krankenpflege vorzulegen. Es sei nicht einzusehen, weshalb das einzeilige Übersendungsschreiben der Mitteilung an die Beklagte bedurft hätte. Damit würden bereits 0,50 EUR entfallen. Zum anderen sei erst recht nicht einzusehen, weshalb ein im Rahmen der Amtsermittlung durch das Gericht von der Klägerin angefordertes Dokument, welches der Beklagten als Vertragspartnerin bekannt sei, ihr im Original vorliege und Bestandteil der Verwaltungsakte sein müsse, vom Sozialgericht kopiert und an die Beklagte übersandt werden müsse.

§ 133 Abs. 1 S. 2 ZPO i.V.m. § 202 S. 1 SGG sei anwendbar. Für die analoge Anwendung von § 86 Abs. 5 S. 2 VwGO oder § 77 Abs. 2 S. 2 FGO bestehe kein Anlass, weil es wegen der Existenz von § 202 S. 1 SGG i.V.m. § 133 Abs. 1 S. 2 ZPO an einer planwidrigen Regelungslücke fehle. § 86 Abs. 5 S. 2 VwGO und § 77 Abs. 2 S. 2 FGO würden auch völlig andere Sachverhalte regeln, weil dort den Parteien die Befugnis eingeräumt werde, von der Übersendung der in Schriftsätzen in Bezug genommenen Anlagen vollständig abzusehen. Diese würden dann auch dem Gericht nicht vorliegen.

Die Verfügung des Hauptsacherichters vom 13.05.2015 belege, dass das Sozialgericht den Vertrag nur für sich angefordert habe. Eigenmächtige Zusätze der Geschäftsstelle ("2-fach") würden die Klägerin nicht binden, da der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle gegenüber der Klägerin nicht anordnungsbefugt sei. Hätte der Hauptsacherichter den Vertrag von Anfang an an die Beklagte schicken wollen, hätte er dies offenlegen müssen. Dem wäre die Beschwerdeführerin entgegengetreten.

Es liege eine fehlerhafte Sachbehandlung vor, weil das Sozialgericht den Vertrag auch von der Beklagten hätte anfordern können. Ob Kopien anzufertigen sind von Unterlagen, die der gegnerischen Partei vorliegen, sei stets zu prüfen. Die Erforderlichkeitsprüfung sei auch § 93 S. 1 SGG immanent. Verwiesen werde auch auf die Entscheidung des OLG Hamburg vom 07.03.2017, Az. 8 W 23/17.

Abschließend werde Gleichbehandlung beansprucht. Dem Unterzeichnenden seien Schriftsätze beklagter Sozialbehörden in Erinnerung, die offensichtlich nur per Fax beim Sozialgericht eingingen und dann in Kopie, die vom Sozialgericht selbst hergestellt worden sei, an die Bevollmächtigten übersandt worden seien. Es wäre interessant zu erfahren, in wie vielen Fällen die Kopierkosten für diese Schriftsätze den Sozialbehörden in Rechnung gestellt worden seien.

Der Beschwerdegegner hat sich mit Schriftsatz vom 14.11.2018 zur Kleinbetragsregelung geäußert. Der Grenze für den Kleinbetrag sei erst zum 02.01.2017 von 5 EUR auf 10 EUR heraufgesetzt worden.

Dem Gericht lagen die beigezogenen Gerichtsakten zu den Verfahren S 29 P 317/14 und S 2 KR 1421/14 sowie zum Verfahren S 56 SF 537/16 E vor.

II.

Die Beschwerde ist gemäß § 66 Abs. 2 S. 2 GKG zulässig, weil das Sozialgericht die Beschwerde zugelassen hat. Sie ist aber unbegründet. Das Sozialgericht hat die Erinnerung gegen die Gerichtskostenfeststellung vom 30.11.2016 zu Recht zurückgewiesen.

1. Eine Erinnerung gemäß § 66 Abs. 1 GKG kann nur auf eine Verletzung des Kostenrechts gestützt werden (vgl. Bundesgerichtshof, Beschlüsse vom 13.02.1992, Az.: V ZR 112/90, und vom 20.09.2007, Az.: IX ZB 35/07; Bundesfinanzhof, Beschluss vom 29.06.2006, Az.: VI E 2/06; ständige Rechtsprechung des Bayerischen Landessozialgerichts - BayLSG -, vgl. z.B. Beschluss vom 01.08.2014, Az.: L 15 SF 90/14 E und vom 15.12.2016, Az.: L 15 SF 331/16 E; Hartmann, Kostengesetze, 48. Aufl. 2018, § 66 GKG, Rdnr. 18; Meyer, GKG/FamGKG, 15. Aufl. 2016, § 66, Rdnr. 13), nicht aber auf die (vermeintliche oder tatsächliche) Unrichtigkeit einer im Hauptsacheverfahren getroffenen Entscheidung. Die im Hauptsacheverfahren getroffenen Entscheidungen sind wegen der insofern eingetretenen Bestandskraft (§ 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 158 Verwaltungsgerichtsordnung bzw. § 68 Abs. 1 GKG) einer Überprüfung im Kostenansatzverfahren entzogen (ständige Rspr., vgl. z.B. Beschluss des BayLSG vom 18.12.2014, Az.: L 15 SF 322/14 E - m.w.N.). Gleiches gilt grundsätzlich auch für die dort getroffenen Verfügungen (vgl. Beschlüsse des BayLSG vom 07.10.2014, Az.: L 15 SF 61/14 E, und vom 05.12.2014, Az.: L 15 SF 202/14 E).

Im Erinnerungsverfahren zum Kostenansatz kann daher lediglich geprüft werden, ob die im Hauptsacheverfahren erfolgten Festlegungen kostenrechtlich richtig umgesetzt worden sind. Ebenfalls zum Gegenstand des Erinnerungsverfahrens kann die Frage gemacht werden, ob wegen unrichtiger Sachbehandlung im Sinn des § 21 Abs. 1 S. 1 GKG oder wegen unverschuldeter Unkenntnis der tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse gemäß § 21 Abs. 1 S. 3 GKG Kosten nicht erhoben werden.

2. Die Verpflichtung der Beschwerdeführerin, Kopierkosten in Höhe von 9,50 EUR zu tragen, ergibt sich aus § 197a Abs. 1 S. 1 SGG in Verbindung mit § 28 Abs. 1 GKG und Nr. KV-Nr. 9000 Nr. 1 Bst. b).

a) Bei dem Klageverfahren S 2 KR 1421/14 handelte sich um ein gerichtskostenpflichtiges Verfahren im Sinne des § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG. Denn weder die Beschwerdeführerin als Klägerin noch die Beklagte gehörten zu den in § 183 SGG genannten Personen. Damit werden gemäß § 197a Abs. 1 S.1 SGG für das Klageverfahren Kosten nach den Vorschriften des GKG erhoben.

b) Nach § 28 Abs. 1 Satz 2 GKG schuldet der Beteiligte die Dokumentenpauschale, der es unterlassen hat, die erforderliche Zahl von Mehrfertigungen beizufügen, wenn deshalb Kopien angefertigt worden sind. Nach KV-Nr. 9000 Nr. 1 Bst. b) beträgt die Pauschale für die Anfertigung von Kopien, die angefertigt worden sind, weil die Partei oder ein Beteiligter es unterlassen hat, die erforderliche Anzahl von Mehrfertigungen beizufügen, für die ersten 50 Seiten je Seite 0,50 EUR.

aa) Die Obliegenheit der Beschwerdeführerin, Abschriften des Schriftsatzes vom 10.08.2015 und der beigefügten Anlagen zu übermitteln, ergibt sich unmittelbar aus § 93 S. 1 SGG. Danach sind der Klageschrift, den sonstigen Schriftsätzen und nach Möglichkeit den Unterlagen Abschriften für die Beteiligten, hier die Beklagte, beizufügen. Aus dem Charakter als Obliegenheit folgt, dass die Verletzung weder zur Unwirksamkeit der eingereichten Klage noch zur Unbeachtlichkeit der vorgelegten Schriftsätze und Unterlagen führt. Das Gericht ist trotz fehlender Vorlage von Abschriften verpflichtet, den übrigen Beteiligten rechtliches Gehör durch Übermittlung der Klageschrift (§ 104 SGG) bzw. Übersendung der vorbereitenden Schriftsätze (§ 108 SGG) zu gewähren. Die aus § 93 S. 1 SGG folgende Obliegenheit wurde durch die richterliche Eingangsverfügung vom 24.11.2014 und die daraufhin erfolgte Eingangsbestätigung vom 24.11.2014 dahingehend konkretisiert, dass in Zukunft alle Schriftsätze sowie nach Möglichkeit die Unterlagen 2-fach einzureichen sind. Die richterliche Eingangsverfügung gilt dabei für das gesamte Verfahren, so lange sie nicht durch eine andere richterliche Verfügung abgeändert wird, und bedarf keiner Wiederholung bei der richterlichen Verfügung, zum Zwecke der Sachaufklärung (§§ 103, 106 SGG) Unterlagen bei einem Beteiligten anzufordern. Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin war die Anforderung mit gerichtlichem Schreiben vom 18.05.2015, den HKP-Vertrag mit der Beklagten 2-fach vorzulegen, von der richterlichen Verfügung vom 24.11.2014 gedeckt. Der Beschwerdeführerin oblag es daher, den Schriftsatz vom 10.08.2015 samt Anlagen mit einer Mehrfertigung für die Beklagte einzureichen. Dies ist jedoch nicht erfolgt.

bb) Es ist auch nicht ersichtlich, dass der Beschwerdeführerin die Mehrfertigung des Schriftsatzes samt Anlagen nicht möglich gewesen wäre. Weder handelte es sich um außergewöhnlich umfangreiche Unterlagen noch um Unterlagen, die einer Mehrfertigung nicht zugänglich gewesen wären (etwa wegen ihrer Gestalt oder ihres außergewöhnlichen Formats).

cc) Die Obliegenheit der Beschwerdegegnerin, eine Mehrfertigung für die Beklagte beizufügen, ist auch nicht deshalb entfallen, weil der Beklagten der mit Schriftsatz vom 10.08.2015 übersandte Vertrag nach Auffassung der Beschwerdeführerin bekannt gewesen wäre. Zum einen hat sich die Beklagte nach der dem Gericht vorgelegten Korrespondenz stets auf einen Vertrag vom 01.05.2005 berufen. Der von der Beschwerdeführerin mit Schriftsatz vom 10.08.2015 vorgelegte Vertrag ist von der Beschwerdeführerin nicht unterschrieben und trägt bei der Unterschrift der Krankenkassen das Datum 16.02.2009. Es handelt sich also nicht um den Vertrag, auf den die Beklagte in ihrem Schreiben Bezug genommen hatte. Dies wird auch daran deutlich, dass sich die Beklagte in Ihrem Schriftsatz vom 27.01.2015 etwa auf § 7 Abs. 3 des Rahmenvertrages beruft, wonach Schadensersatzansprüche wegen Vertragsverstößen unberührt bleiben sollen. Der mit Schriftsatz vom 10.08.2015 vorgelegte Vertrag enthielt dagegen in § 7 in einem Satz eine Regelung über die Sicherstellung von Leistungen. Es fehlten daher jegliche Anhaltspunkte, dass beide Parteien vom gleichen Vertrag ausgingen und der Beklagten der am 16.02.2009 unterschriebene Vertrag vorlag. Zur Wahrung rechtlichen Gehörs entsprechend §§ 62, 108 S. 2 SGG war eine Übersendung an die Beklagte erforderlich.

Bei diesem Sachverhalt kann es dahin stehen, ob § 133 Abs. 1 S. 2 ZPO i.V.m. § 202 S. 1 SGG oder § 86 Abs. 5 S. 2 VwGO anwendbar ist. Denn es lässt sich aus dem Akteninhalt nicht zweifelsfrei feststellen, ob der von der Beschwerdeführerin vorgelegte Vertrag tatsächlich zwischen den Beteiligten zustande gekommen war und ob dieser der Beklagten auch bekannt war. Eine Erklärung, dass der mit Schriftsatz vom 10.08.2015 übersandte Vertrag der Beklagten bekannt sei, wurde nicht abgegeben. Zusammenfassend ist damit festzustellen, dass die nach § 93 S. 1 SGG erforderlichen Abschriften fehlten und damit der Tatbestand des § 28 Abs. 1 S. 2 GKG in Verbindung mit KV-Nr. 9000 Nr. 1 Bst. b) erfüllt war. dd) Die Höhe der Gebühr wurde bei 19 zu kopierenden Seiten zutreffend mit 9,50 EUR berechnet.

ee) Ermessen bei der Erhebung der Gebühren besteht nicht. Zwar besagt § 93 S. 3 SGG, dass Kosten für die Anfertigung von der Klagepartei (und auch anderen Beteiligten, vgl. B. Schmidt, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG Kommentar, 12. Aufl. 2017) eingezogen werden können. Diese Vorschrift ist in Verfahren, in denen nach § 197a Abs. 1 S. 1 SGG das GKG gilt, jedoch nicht anwendbar. Die insoweit vorrangige Regelung in § 28 Abs. 1 S. 2 GKG i.V.m. KV-Nr. 9000 Nr. 1 Bst. b) verlangt zwingend die Anforderung der für die Anfertigung der Abschriften entstehenden Gebühren.

3. Es liegt auch kein Fall des § 21 Abs. 1 S. 1 GKG vor. Nach § 21 Abs. 1 S. 1 GKG werden Kosten, die bei unrichtiger Behandlung der Sache nicht entstanden wären, nicht erhoben. Eine unrichtige Sachbehandlung in diesem Sinn ist nur dann gegeben, wenn ein schwerer Verfahrensfehler im Sinne einer eindeutig und offenkundig unrichtigen Sachbehandlung durch das Gericht vorliegt (Beschluss des LSG vom 18.4.2016. Az. L 15 SF 99/16 unter Verweis auf BFH, Beschlüsse vom 31.10.1996, Az.: VIII E 2/96, und vom 13.11.2002, Az.: I E 1/02; BGH, Beschluss vom 10.03.2003, Az.: IV ZR 306/00; Bundessozialgericht - BSG -, Beschluss vom 29.11.2012, Az.: B 13 SF 3/11 S; Bundesverwaltungsgericht - BVerwG -, Beschluss vom 31.03.2014, Az.: 10 KSt 1/14, 10 KSt 1/14 [10 B 7/14] - jeweils m.w.N.). Eine Nichterhebung von Kosten setzt daher "ein erkennbares Versehen oder schwere, offensichtliche Verstöße gegen eindeutige Vorschriften" voraus (LSG, a.a.O. unter Verweis auf BFH, Beschluss vom 31.01.2014, Az.: X E 8/13 - m.w.N.).

Das Erfordernis der Schwere und Offensichtlichkeit des Verstoßes ergibt sich daraus, dass es nicht Sinn und Zweck einer Entscheidung gemäß § 21 GKG ist, die Entscheidung in der Hauptsache einer materiell-rechtlichen und verfahrensrechtlichen Nachprüfung zu unterziehen (vgl. Oberlandesgericht - OLG - Karlsruhe, Beschluss vom 10.12.2007, Az.: 17 U 85/07; LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 10.11.2014, Az.: L 3 AS 528/14 B), wie dies grundsätzlich im Kostenansatzverfahren nicht möglich ist. Dies bedeutet, dass nicht schon jede rechtsfehlerhafte Beurteilung oder Verfahrensführung auch einen schweren oder gar offensichtlichen Verfahrensverstoß, der die Anwendung des § 21 GKG rechtfertigt, begründet (vgl. BGH, Beschlüsse vom 10.03.2003, Az.: IV ZR 306/00, und vom 04.05.2005, Az.: XII ZR 217/04; BFH, Beschluss vom 31.01.2014, Az.: X E 8/13).

a) Ein erkennbares Versehen im Hinblick auf die Anfertigung der Kopien lag nicht vor. Die Kopien wurden entsprechend der für das gesamte Verfahren geltenden Eingangsverfügung vom 24.11.2014 und der auf die Übersendung des Schriftsatzes vom 10.08.2015 samt Anlagen an die Beklagte gerichteten richterlichen Verfügung vom 24.08.2015 angefertigt. Für ein bloßes Versehen bei der richterlichen Verfügung fehlen jegliche Anhaltspunkte, insbesondere unter Berücksichtigung der Ausführungen unter 2. b) cc).

b) Ein schwerer und offensichtlicher Verstoß gegen eindeutige Vorschriften liegt nicht vor.

aa) Die Verfügung, den Vertrag bei der Beschwerdeführerin anzufordern, stellt keinen relevanten Verstoß dar. Nach §§ 103 S. 1, 106 Abs. 1 und Abs. 3 Nr. 1 SGG hat das Gericht den Sachverhalt von Amts wegen zu erforschen und kann der Vorsitzende um Mitteilung von Urkunden ersuchen. Dabei können die Beteiligten herangezogen werden. Eine Vorgabe, von welchem Beteiligten die Vorlage von Unterlagen, die für entscheidungserheblich gehalten werden, gefordert wird, enthalten die Vorschriften des SGG nicht.

bb) Nach § 93 S. 2 SGG fordert das Gericht fehlende Abschriften nachträglich an oder fertigt sie selbst an. Dabei besteht keinerlei Vorrang-Nachrang-Verhältnis, es steht dem Gericht frei, wie es verfahren will. Dass der Vorsitzende sich für die Anfertigung von Abschriften entschieden hat, verstößt nicht gegen eindeutige Vorschriften.

cc) Ergänzend wird auf Folgendes hingewiesen:
Selbst wenn § 133 Abs. 1 S. 2 ZPO i.V.m. § 202 S. 1 SGG trotz der bestehenden grundsätzlichen Unterschiede zwischen zivilgerichtlichem Verfahren (Beibringungsgrundsatz) und sozialgerichtlichem Verfahren (Untersuchungsgrundsatz) anwendbar und seine Voraussetzung - Unterlagen sind den übrigen Beteiligten bekannt - anwendbar und erfüllt wäre, stellt die Verfügung der Übersendung an die Beklagte und die daraufhin erfolgte Anfertigung von Kopien keine eindeutig und offenkundig unrichtige Sachbehandlung dar. Denn ob es sich bei den mit Schriftsatz vom 10.08.2015 vorgelegten Unterlagen um solche handelt, die der Beklagten bereits bekannt sind, war nicht ohne Weiteres zu erkennen. Verzichtet ein Beteiligter auf die Übersendung von Abschriften in der Annahme, die Unterlagen seien den übrigen Beteiligten bereits bekannt, ist er gehalten, dies im Schriftsatz deutlich zu machen. Unterlässt er den Hinweis, dass die übersandten Unterlagen den übrigen Beteiligten bereits bekannt sind, fehlt es jedenfalls an einem schweren und offensichtlichen Verstoß gegen eindeutige Vorschriften.

4. Die Kleinbetragsregelung nach der Anlage zu den VV zu Art. 59 BayHO steht der Gerichtskostenfeststellung nicht entgegen. Nr. 1.1 der Anlage zu den VV zu Art. 59 BayHO in der am 30.11.2016 (Datum der streitigen Gerichtskostenfeststellung) geltenden Fassung sah vor, dass von der Anforderung von Beträgen von weniger als 5 EUR abgesehen werden solle. Eine Erhöhung dieses Betrages auf 10 EUR trat erst zum 02.01.2017 mit der Änderung der Verwaltungsvorschriften zur Bayerischen Haushaltsordnung und anderer haushaltsrechtlicher Verwaltungsvorschriften (veröffentlicht im Amtsblatt des Bayerischen Staatsministeriums der Finanzen, für Landesentwicklung und Heimat, Nr. 2, vom 03.02.2017) in Kraft. Damit galt bei Erlass der Gerichtskostenfeststellung am 30.11.2016 noch die Regelung, dass nur Beträge unter 5 EUR nicht angefordert werden sollen. Diese Vorgabe ist nicht verletzt.

Der Kostensenat des BayLSG entscheidet über die Beschwerde nach Übertragung wegen grundsätzlicher Bedeutung in voller Besetzung (§ 66 Abs. 3 Satz 2, Abs. 6 Satz 2 GKG).

Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 66 Abs. 3 Satz 3 GKG). Er ergeht gebührenfrei; Kosten sind nicht zu erstatten (§ 66 Abs. 8 GKG).
Rechtskraft
Aus
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