Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
Thüringer LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Meiningen (FST)
Aktenzeichen
S 9 U 1145/17
Datum
2. Instanz
Thüringer LSG
Aktenzeichen
L 1 U 1350/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Meiningen vom 10. Oktober 2017 wird zurückgewiesen. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens nach § 44 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) die Anerkennung eines Ereignisses vom 10. Mai 2011 als einen Arbeitsunfall.
Der Kläger war als Außendienstmitarbeiter im Vertrieb für Schnittholz und Parkett für die G. G. Parkettfabrik, Sägewerk und Holzhandlung GmbH & Co. KG (im Folgenden Arbeitgeber) beschäftigt. Am 10. Mai 2011 kam es nach seinem Vortrag zu einem Arbeitsunfall auf einem Parkplatz an der Bundesautobahn (BAB) A 9 in Richtung B. in Höhe des H. Kreuzes gekommen. Er habe dort gehalten und seine Notdurft verrichtet. Auf dem Rückweg zum Fahrzeug habe er das Telefon im Fahrzeug klingeln gehört und sich deswegen beeilt. Beim Öffnen der Fahrzeugtür sei er mit dem rechten Knie an diese gestoßen.
Mit D-Arzt-Bericht vom 25. Mai 2011 stellte Dipl.-Med. H. unter Angabe einer erstmaligen Behandlung am 19. Januar 2011 als Diagnose eine Bursitis praepatellaris (posttraumatisch) sowie eine Gonarthrose fest. In der weiteren Folge ging die Beklagte zunächst von einer un-fallbedürftigen Behandlung des Klägers aus. In Auswertung weiterer Befunderhebung (Röntgenuntersuchung) und einer Arthroskopie gelangte sie zu der Auffassung, dass keine unfall-bedingten und entsprechend behandlungsbedürftigen Unfallfolgen verblieben, sondern anla-ge- bzw. verschleißbedingte Veränderungen für die verbleibenden Gesundheitsbeschwerden ursächlich seien. Mit Bescheid vom 30. November 2012 stellte sie fest, dass die Kosten für die medizinische Behandlung des Klägers nicht mehr übernommen werden würden, weil kein Ursachenzusammenhang zwischen dem Unfallereignis und der Krankheit bestehe. Wegen den Folgen des Arbeitsunfalles vom 10. Mai 2011 werde eine Behandlungsbedürftigkeit vom 25. Mai 2011 bis 8. Juni 2011 sowie vom 20. März 2012 bis zum 12. April 2012 ebenso anerkannt wie eine unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit vom 20. März 2012 bis zum 12. April 2012.
Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein. Im Rahmen des Widerspruchsverfahrens ermit-telte die Beklagte weiter zum Unfallgeschehen und befragte den Kläger und dessen Arbeitgeber. Der Kläger erklärte, er habe nach dem Unfallereignis gefürchtet wegen Krankheit Probleme mit dem Arbeitgeber zu bekommen und deswegen den Arbeitsunfall nicht sogleich gemeldet. Nachdem aber die Schwellung und Schmerzen nicht besser geworden seien, habe er den Unfall am 12. Mai 2011 per Fax gegenüber dem Arbeitgeber angezeigt. Hinsichtlich einer Bestätigung des Unfallortes verwies er auf GPS-Aufzeichnungen, die seitens des Arbeitgebers bei jedem Außendienstmitarbeiter in dessen Fahrzeug vorgenommen würden. Der Arbeitgeber teilte mit, dass bei ihm eine Fax-Nachricht unter dem 12. Mai 2011 bezüglich des mitgeteilten Sachverhalts eingegangen sei. Eine Unfallmeldung an die Beklagte sei jedoch nicht erstellt worden, da der Kläger in dieser Zeit nicht erkrankt gewesen sei. GPS-Berichte für diesen Zeitraum lägen nicht mehr vor. Entsprechend des Tagesberichts zum 10. Mai 2011 habe sich der Kläger in den Orten L., B (1)., K., B. (2) und T. auf Kundenbesuch befunden. Dass sich der Kläger am 10. Mai 2011 in der Nähe einer Raststätte auf der BAB A 9 befunden habe, könne nicht bestätigt werden.
Nach vorheriger Anhörung stellte die Beklagte mit Bescheid vom 21. Mai 2014 die teilweise Rechtswidrigkeit des Bescheides vom 30. November 2012 und die Ablehnung eines Arbeits-unfalles für die Zukunft fest. Der Verwaltungsakt vom 30. November 2012, mit welchem das Ereignis vom 10. Mai 2011 als Arbeitsunfall anerkannt worden sei, werde mit Wirkung für die Zukunft zurückgenommen. Der Bescheid vom 30. November 2012 sei hinsichtlich des Vorliegens eines Arbeitsunfalls rechtswidrig. Aufgrund der erfolgten Ermittlungen könne zum Unfalltag und der an diesem Tag zurückgelegten Wegstrecke ein Arbeitsunfall nicht bewiesen werden. Die hier zweifelhafte Wegstrecke und der Unfallort, welche nach § 8 Abs. 1 Satz 1 des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII) die sogenannte versicherte Tätigkeit ergäben, müssten für einen Arbeitsunfall im Vollbeweis bewiesen sein. Ein derartiger Vollbeweis ergebe sich hier nicht. Die einzige Wegroute, die sich aus den vorliegenden Angaben für den Unfall nachvollziehen ließe, ergebe einen Weg, der nicht als Dienstweg gewertet und somit nicht als Arbeitsunfall anerkannt werden könne. Die Rücknahme des Verwaltungsakts erfolge nur für die Zukunft und nicht für die Vergangenheit, weil entsprechende Tatbestände, die eine Rücknahme für die Vergangenheit zuließen, nicht vorlägen. Auf Vertrauensschutz könne sich der Kläger nicht berufen. Für den weiteren Fortbestand des rechtswidrigen Verwaltungsaktes vom 30. November 2012, mit dem keine Entschädigungsleistungen ausgesprochen worden seien, seien keine besonderen Gründe erkennbar. Vielmehr überwiege das öffentliche Interesse an der Einhaltung und gleichmäßigen Anwendung der Rechtsordnung sowie an der sachgerechten und sparsamen Verwendung der Mittel der Solidargemeinschaft. Mangels entsprechender Leistungsbewilligung habe sich der Kläger nicht auf entsprechende Mittel im Rahmen seiner Lebensführung einrichten können. Sonstige Gründe, die im Rahmen der Ermessensausübung heranzuziehen seien, seien nicht vorhanden. Im Übrigen ergehe der Bescheid nach § 86 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) als Gegenstand des Widerspruchsverfahrens.
Hieraufhin wiederholte der Kläger, dass das Dienstfahrzeug mit einem GPS-Personenkontrollsystem ausgestattet gewesen sei. Die GPS-Originalaufzeichnungen bezüglich der von ihm zurückgelegten Fahrtstrecke stünden ihm nicht zur Verfügung und seien bei seinem Arbeitgeber anzufordern. Dann sei der Nachweis der tatsächlich zurückgelegten Wegstrecke erbracht.
Mit Widerspruchsbescheid vom 4. September 2014 wies die Beklagte den Widerspruch gegen den Verwaltungsakt vom 30. November 2012 in der Gestalt des Rücknahmebescheides vom 21. Mai 2014 insgesamt zurück. Auch nach Ausschöpfung aller Beweismittel sei vollbeweislich nicht gesichert, dass sich der Kläger zum Unfallzeitpunkt auf dem Parkplatz an der BAB A 9 auf einem versicherten Weg und somit bei versicherter Tätigkeit befunden habe. Der Parkplatz habe sich an diesem Tage nicht auf der Dienstroute des Klägers befunden. Soweit eine Anerkennung tatsächlich schon mit Verwaltungsakt vom 30. November 2012 erfolgt sei, sei dies rechtswidrig und entsprechend nach § 45 SGB X zurückzunehmen. Vertrauensschutz sei zugunsten des Klägers nicht zu erkennen. Auch seien keine Ermessensgesichtspunkte ersichtlich, die gegen eine Zurücknahme sprechen. Zugunsten des Klägers sei berücksichtigt worden, dass die Fehlerhaftigkeit des Verwaltungsaktes vom 30. November 2012 auf einer unzutreffenden Einschätzung seitens der Beklagten beruhe, die er auch nicht zu vertreten habe. Es könne allerdings auch nicht im öffentlichen Interesse liegen, diesen rechtswidrigen Zustand aufrecht zu erhalten. Gegen diesen Bescheid ging der Kläger nicht vor.
Im Rahmen Klageverfahren vor dem Sozialgericht Meiningen (S 9 U 122/16) gegen eine Rückzahlungsforderung trug der Kläger inhaltlich zur Anerkennung eines Arbeitsunfalles vor. Bei der mündlichen Verhandlung am 4. Juli 2016 erklärte sich die Beklagte bereit, die Klage vom 18. Januar 2016 als Überprüfungsantrag nach § 44 SGB X für den Bescheid vom 21. Mai 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. September 2014 zu werten.
In der weiteren Folge forderte die Beklagte den Kläger auf, den Überprüfungsantrag substantiiert zu begründen. Daraufhin beantragte dieser Fristverlängerung bis 7. November 2016 bzw. bis 31. Januar 2017. Mit Bescheid vom 3. März 2017 lehnte die Beklagte eine Rücknahme eines Verwaltungsaktes nach § 44 SGB X ohne erneute Sachprüfung ab. Der Überprüfungsantrag sei nicht substantiiert begründet und die frühere Entscheidung nicht ersichtlich unrichtig. Daher dürfe mit entsprechender Begründung ohne jede Sachprüfung auf die Bindungswirkung des Ausgangsbescheides verwiesen werden.
Hiergegen hat sich der Kläger unter dem 27. Juni 2017 mit einem "Widerspruch gegen die Ablehnung des Bescheides der Berufsgenossenschaft Holz und Metall vom 03.03.2017" an das Sozialgericht Meiningen gewandt. Dort wurde das Schreiben als Klage erfasst und an die Beklagte zum Bearbeiten des Widerspruchs in eigener Zuständigkeit weitergeleitet. Mit Widerspruchsbescheid vom 9. August 2017 hat die Beklagte den Widerspruch gegen den Bescheid vom 3. März 2017 nach erneuter Überprüfung und Würdigung zurückgewiesen; den Widerspruchsbescheid hat sie zum Klageverfahren übersandt.
Der Kläger hat im Klageverfahren zur Begründung vorgetragen, dass bei seinem früheren Arbeitgeber jeder Arbeitstag durch eine Tom Tom WEBFLEET dokumentiert wurde. Dort sei alles festgehalten worden, wie Fahrtenbuch, Tourendaten, Stillstand. Hinsichtlich dieser Daten hätten sich die Beklagte und der Arbeitgeber abgestimmt, sie nicht herauszugeben. Sie sollten durch das Gericht beigezogen werden. Der Arbeitgeber könne den Nachweis erbringen, dass er sich am 10. Mai 2011 in der Nähe der BAB A 9 befunden habe. Das Sozialgericht hat beim Arbeitgeber die Vorlage aller Unterlagen, Belege etc., die die Dienstreise des Klägers vom 10. Mai 2011 belegen würden, angefordert. Dieser hat mitgeteilt, dass für den 10. Mai 2011 keine GPS-Berichte mehr vorliegen. Es werde jedoch der Tagesbericht des Klägers vorgelegt, sowie die Reisekostenabrechnung vom 1. Juni 2011 für Mai 2011. Im Übrigen könne kein Mitarbeiter benannt werden, der sich zu der Reisetätigkeit des Klägers am 10. Mai 2011 äußern könne.
Mit Urteil vom 10. Oktober 2017 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung und des Aktenstudiums sei schon fraglich, ob der Kläger im Unfallzeitpunkt eine berufliche Tätigkeit ausgeführt habe. Nach seiner eigenen Schilderung sei er beim Wiedereinsteigen in den Dienstwagen nach Verrichtung der Notdurft mit dem rechten Knie an die Autotür angeschlagen. Nach der herrschenden Rechtsprechung gehöre das Verrichten der Notdurft zu den ganz privaten Dingen (privates Interesse), die einen Arbeitsunfall nicht begründen würden. Weiter seien die Angaben des Klägers zum Unfallort und Unfallzeitpunkt in seinen Schriftsätzen und in der mündlichen Verhandlung widersprüchlich. Er habe den Beweis, dass es sich um eine betrieblich veranlasste Tätigkeit gehandelt habe, nicht im Wege des Vollbeweises erbracht. Für die Aussagen des Klägers zum Unfallort und zur Unfallzeit gebe es keinerlei Belege. Vielmehr seien durch die Reisekostenabrechnung und den Tagesplan des Klägers dargetan, dass dieser zu dem angegebenen Unfallzeitpunkt nicht am Unfallort gewesen sei. Entsprechend der Dokumentation auf den Tagesplan sei eine Fahrt auf der BAB A 9, welche Thüringen in Nord-Süd-Richtung von Bad K./H. (1) bis H. (2) durchlaufe, nicht erforderlich gewesen. Zwar habe der Kläger in der mündlichen Verhandlung angegeben, er habe einen weiteren Kunden in Richtung N. aufsuchen wollen als es zu dem Unfall gekommen sei, doch hielte die Kammer diesen Vortrag für falsch. Zum einen sei ein solcher Kunde nicht im Tourenplan vom 10. Mai 2011 enthalten, obwohl der Kläger angegeben habe, weitergearbeitet zu haben. Zum anderen sei der Kundenbesuch zeitlich nicht möglich gewesen, wenn man den Tourenplan des Klägers als zutreffend unterstellte. Zudem sei nach die Reisekostenabrechnung für den 10. Mai 2011 der am weitesten entfernteste Ort B. bei E. gewesen. Auf dem Weg von S. nach E. sei die BAB A 9 weder zu benutzen noch zu kreuzen. Die Kammer habe sich daher nicht über den Nachweis einer eingetretenen Gesundheitsschädigung während der Ausübung einer versicherten Tätigkeit überzeugen können.
Mit seiner Berufung verfolgt der Kläger sein Begehren weiter und wiederholt, dass der Arbeitgeber durch die GPS-Berichte den Nachweis für seine Fahrtstrecke und damit auch das Befinden auf einem Parkplatz auf der BAB A 9 beweisen könne. Diese Unterlagen des Arbeitgebers würden genau darlegen, wo und wann er sich am 10. Mai 2011 jeweils befunden habe. Er sei provisionsabhängig beschäftigt gewesen und habe als Außendienstmitarbeiter verschiedene Kunden besucht. Die Tage seien so stressig gewesen, dass er abends manchmal nicht mehr gewusst habe, was er überhaupt gemacht habe bzw. bei wem er gewesen sei. Er habe die Kunden besucht, die im Tagesbericht vom 10. Mai 2011 aufgezeichnet seien. Darüber hinaus habe er auch noch andere Kunden besucht, die nicht in dem Bericht stünden. Er habe am 10. Mai 2011 einen Anruf vom Holz- und Baustoffhandel (HBH) N. und HBH Z. bekommen, die über Probleme wegen "irgendeiner Schnittholzgeschichte" berichtet hätten. Er sei dann auf dem Weg dorthin gewesen, habe dann aber einen Anruf bekommen, dass er nicht kommen brauche, weil "der Kunde sich woanders das Zeugs gekauft" habe. Er wisse nicht mehr genau, wann sich der Unfall ereignet habe. Nachmittags sei er aber auf dem Rückweg über J. gewesen. Es müsse also früh bis mittags gewesen sein. Er wisse nicht mehr, wo er gewesen war, bevor er den Weg zu HBH N. bzw. HBH Z. eingeschlagen habe. Derjenige Kunde, der im Tagesbericht aufgeführt worden sei, sei von ihm auch tatsächlich angefahren bzw. besucht worden. Die dort aufgenommenen Zeiten seien aber nicht zutreffend, denn der Tagesbericht sei zwar von ihm erstellt, die Uhrzeiten aber eher fiktiv und nachträglich bestimmt gewesen. Nach dem Unfall sei er weiter gefahren und habe in J. eine Baufirma und einen Parkettleger besucht. Es habe dort jeweils keinen Abschluss bzw. kein Ergebnis gegeben. Dass auf dem Bericht die Fahrt nach J. nicht stünde, sei nicht unüblich, weil er dort kein Geschäft abgeschlossen bzw. kein Ergebnis erzielt habe. Im Übrigen sei er sich sicher, dass er noch in B. bei einem Herrn D. M. gewesen war. Ob B. dann der letzte Termin gewesen sei, könne er nicht bestätigen. Der Tagesbericht werde immer im Nachhinein ausgefüllt und müsse jedenfalls in der Chronologie nicht wirklich stimmig sein.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Meiningen vom 10. Oktober 2017 sowie den Bescheid der Beklagten vom 3. März 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. August 2017 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, den Bescheid vom 21. Mai 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. September 2014 zurückzunehmen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie beruft sich auf die angegriffene Entscheidung sowie das erstinstanzliche Urteil.
Der Senat hat den HBH N. und den HBH Z. angeschrieben und um Mitteilung gebeten, ob sie den vom Kläger geschilderten Sachverhalt am 10. Mai 2011 (Bestellung und spätere Abbestellung) bestätigen können. Hieraufhin haben die Geschäftsführer beider Unternehmen mitgeteilt, dass sie sich an einen solchen Sachverhalt im Mai 2011 nicht mehr erinnern könnten.
Bezüglich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte sowie die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die nach §§ 143, 144 SGG zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet. Es ist zwar möglich aber nicht mit Vollbeweis erwiesen, dass es sich bei dem vorgetragenen Ereignis vom 10. Mai 2011 um einen Arbeitsunfall handelte.
Statthafte Klageart ist die kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage nach § 54 Abs. 1 und Abs. 4 SGG. Die Anfechtungsklage zielt auf die Aufhebung der Überprüfungsbescheide, die Verpflichtungsklage auf die Aufhebung des bestandskräftigen Bescheids vom 21. Mai 2014 mit dem die Anerkennung eines Arbeitsunfalles zurückgenommen wurde (vgl. BSG, Urteil vom 26.4.2016 – B 2 U 14/14 R mit Verweis auf BSG, Urteile vom 13.2.2014 - B 4 AS 22/13 R, 19.12.2013 - B 2 U 17/12 R und 11.4.2013 - B 2 U 34/11 R, alle nach juris).
Die zulässige Klage ist nicht begründet. Anspruchsgrundlage für das Begehren des Klägers ist § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X, wonach ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen ist, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei seinem Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind. Zwar wendet sich der Kläger bezüglich des Bescheids vom 21. Mai 2014 nur gegen die Ablehnung der Anerkennung eines Arbeitsunfalles, also nicht darum, ob unmittelbar "Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind", wie § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X voraussetzt. Für die Anwendung dieser Regelung spricht jedoch, dass es bei der Anerkennung von Unfallfolgen letztendlich in der Regel doch (mittelbar) um Leistungsansprüche völlig unterschiedlichen Inhalts geht (vgl. §§ 26 ff. SGB VII; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 21. Juni 2018 – L 10 U 2893/16, nach juris). Soweit zu Überprüfungsanträgen zu feststellenden Verwaltungsakten im Überführungsbescheid (vgl. BSG, Urteil vom 15. Dezember 2016 – B 5 RS 4/16 R BSG, nach juris) oder zur Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft und des Grades der Behinderung (BSG, Urteil vom 29. Mai 1991 – 9a/9 RVs 11/89, nach juris) § 44 Abs. 2 SGB X als Anspruchsgrundlage gesehen wurde, führt dies vorliegend zu keinen anderen Beurteilung, da in derartigen Verfahren die mittelbare Gewährung einer Sozialleistung gerade nicht immanent ist. Die Beklagte ist weder von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen (§ 44 Abs. 1 Satz 1 2. Alt SGB X), noch hat sie bei Erlass des Bescheides vom 3. März 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. August 2017 das Recht unrichtig angewandt (§ 44 Abs. 1 Satz 1 1. Alt SGB X).
Da die Beklagte im Widerspruchsbescheid vom 9. August 2017 erneut in der Sache geprüft und entschieden hatte, hat der Senat über die Annahme eines Arbeitsunfalles zu entscheiden und darf sich nicht auf die Prüfung beschränken, ob der Überprüfungsantrag mangels entsprechender substantiierter Angaben unzulässig (zu den formellen Erfordernisse eines Überprüfungsantrags, der überhaupt erst eine Prüfpflicht auslöst vgl. BSG, Urteil vom 13. Februar 2014 – B 4 AS 22/13 R, nach juris) und deswegen ohne Sachprüfung abzulehnen war.
Nach § 8 Abs. 1 S 2 SGB VII sind Unfälle zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen. Ein Arbeitsunfall setzt voraus, dass der Verletzte durch eine Verrichtung vor dem fraglichen Unfallereignis den gesetzlichen Tatbestand einer versicherten Tätigkeit erfüllt hat und deshalb Versicherter ist (innerer bzw. sachlicher Zusammenhang; vgl. BSG, Urteil vom 30. März 2017 – B 2 U 15/15 R, nach juris). Diese Verrichtung muss zu dem zeitlich begrenzten, von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis - dem Unfallereignis - geführt (Unfallkausalität) und das Unfallereignis einen Gesundheits(erst)schaden verursacht haben (haftungsbegründende Kausalität); das Entstehen von länger andauernden Unfallfolgen auf Grund des Gesundheits(erst)schadens (haftungsaus-füllende Kausalität) ist keine Voraussetzung für das Vorliegen eines Arbeitsunfalls, sondern insbesondere für die Gewährung einer Verletztenrente (vgl. BSG, Urteil vom 30. Juni 2009 - B 2 U 22/08 R, nach juris).
Im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung gibt es unterschiedliche Beweisanforderungen. Für die äußerlich fassbaren und feststellbaren Voraussetzungen "versicherte Tätigkeit", "Verrichtung zur Zeit des Unfallereignisses", "Unfallereignis" und "Gesundheitserstschaden" wird eine an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit gefordert, die vorliegt, wenn kein vernünftiger die Lebensverhältnisse klar überschauender Mensch noch zweifelt (Vollbeweis). Vermutungen, Annahmen, Hypothesen und sonstige Unterstellungen reichen daher ebenso wenig aus wie eine (möglicherweise hohe) Wahrscheinlichkeit.
Entgegen der Ansicht der Vorinstanz steht der Annahme eines Arbeitsunfalles zwar nicht entgegen, dass sich der Kläger auf dem Weg von der Toilette befand. Wege, die Beschäftigte während der Arbeitszeit zum Aufsuchen der Toilettenräume zurücklegen, sind nach ständiger Rechtsprechung des BSG grundsätzlich unfallversichert. Dieser Versicherungsschutz beruht darauf, dass der während einer Arbeitspause zurückgelegte Weg zur Toilette in zweierlei Hinsicht mit der Betriebstätigkeit verknüpft ist: Zum einen dient der Toilettenbesuch während der Arbeitszeit der Aufrechterhaltung der Arbeitsfähigkeit und damit der Fortsetzung der betrieblichen Tätigkeit, zum anderen handelt es sich um einen Weg, der in seinem Ausgangs- und Zielpunkt durch die Notwendigkeit geprägt ist, persönlich an der Arbeitsstätte anwesend zu sein, um dort betriebliche Tätigkeiten zu verrichten. Aufgrund des Zusammentreffens dieser beiden betriebsbezogenen Merkmale, des Handlungsziels und der Betriebsbedingtheit des Weges, wird ein innerer Zusammenhang zwischen dem Weg zur Toilette und der versicherten Tätigkeit angenommen (vgl. BSG, Urteil vom 30. März 2017 – B 2 U 15/15 R m.w.N., nach juris). Es ist nicht ersichtlich, dass dies nicht auch bei Dienstfahrten eines Außendienstmitarbeiters gelten sollte.
Es ist nicht erwiesen, dass der Kläger zum Zeitpunkt des Ereignisses - bzw. kurz davor - eine mit Vollbeweis belegte versicherte Tätigkeit ausübte, er also am 10. Mai 2011 mit dem Dienst-PKW tatsächlich betrieblich bedingt auf der BAB A 9 unterwegs war, dort zur Verrichtung der Notdurft einen Autobahnparkplatz aufsuchte und sich verletzte. Gegen die Annahme einer versicherten Tätigkeit bei dem geschilderten Ereignis am 10. Mai 2011 sprechen allerdings nicht der vom Arbeitgeber vorgelegte Tagesbericht und die Reisekostenabrechnung. Diesen Unterlagen kommt nur sehr eingeschränkte Beweiskraft zu, denn der Kläger hat selbst glaubhaft ausgeführt, dort nur rudimentäre, unvollständige und teils fiktive, also unzutreffende, Angaben gemacht zu haben.
Dem Kläger ist es aber nicht gelungen, das Ereignis selbst oder den Bezug zur versicherten Tätigkeit mit Vollbeweis nachzuweisen. Weder die HBH N. noch der HBH Z. konnten bestä-tigen, dass der Kläger am 10. Mai 2011 angefordert und später wieder abbestellt wurde. Sie haben einen solchen Sachverhalt zwar nicht negiert, doch reicht dies nicht aus, den vom Kläger geschilderten Sachverhalt als bewiesen anzusehen. Für den Vollbeweis des angeschuldigten Ereignisses genügt auch nicht der vorliegende Durchgangsarztbericht vom 25. Mai 2011, der als Unfallsachverhalt eine Verletzung auf einen Autobahnparkplatz der BAB A 9 dokumentiert. Er dokumentiert bereits widersprüchlich ein Eintreffen am 25. Mai 2011 und eine erstmalige Versorgung durch den Durchgangsarzt am 19. Januar 2011 (also vor dem behaupteten Unfallzeitpunkt). Vor allem basieren die Feststellungen zum Unfallgeschehen ausschließlich auf den Angaben des Klägers und nicht aufgrund eigener Feststellungen. Die zweifelhaften Behauptungen des Klägers bzw. das Unfallgeschehen können dadurch gerade nicht objektiviert werden.
Fehlender Beweiswert kommt auch der Unfallanzeige vom 12. Mai 2011 zu. Auch sie gibt nur die Erklärung des Klägers wieder, ohne das Geschehen objektivierbar zu machen. Weder wird der Unfallort näher bezeichnet noch ein Zeuge benannt.
Insgesamt muss im Rahmen der Beweiswürdigung auch Berücksichtigung finden, dass der Kläger selbst einräumt, in der Vergangenheit gegenüber seinem Arbeitgeber unvollständige, unrichtige bzw. fiktive Angaben gemacht zu haben. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass dies auch bei den Angaben zum Unfall ebenso gewesen sein könnte.
Der Senat war nicht veranlasst, der vom Kläger beantragten Anforderung von Unterlagen (Bildschirm-Screening von BA-XT 393 und Umsatznachweise zwischen seinem Arbeitgeber und HBH N. und HBH Z.) bei dem Arbeitgeber nachzukommen. Bezüglich des Bildschirm-Screenings, das die GPS-Daten des klägerischen Dienstfahrzeugs mit dem amtlichen Kenn-zeichen BA-XT 393 darlegen soll, hat der Arbeitgeber sowohl gegenüber der Beklagten als auch gegenüber dem Sozialgericht mitgeteilt, dass diese nicht mehr vorhanden seien. Der Senat hat keine Gründe, diese Auskunft zu bezweifeln und weitere Ermittlungen anzustrengen. Die Umsatznachweise zwischen dem Arbeitgeber und dem HBH N. bzw. dem HBH Z. sind für vorliegendes Verfahren nicht von Relevanz. Der Kläger verkennt, dass die HBH N. und Z. nicht geschäftliche Beziehungen zum Arbeitgeber des Klägers in Abrede stellen. Die vom Kläger als Ansprechpartner genannten Mitarbeiter haben lediglich mitgeteilt, keine Erinnerungen mehr an den Ereignistag zu haben - was bei einem Zeitablauf von sieben Jahren verständlich erscheint. Dies beweist nicht den Vortrag des Klägers.
Vorliegend kommt es nicht darauf an, ob es der für eine Rücknahmeverfügung beweisbelasteten Beklagten tatsächlich gelungen wäre, nachdem sie mit Bescheid vom 30. November 2012 einen Arbeitsunfall zunächst anerkannt hat, den Beweis zu erbringen, dass ein Arbeitsunfall - mangels versicherter Tätigkeit - nicht stattgefunden hat. Denn den entsprechenden Bescheid der Beklagten vom 21. Mai 2014, der die entsprechende Rücknahme verfügte, ist nach Erlass des Wiederspruchbescheides vom 4. September 2014 bestandskräftig geworden. Dies führt zu einer Beweislastverschiebung. Jetzt begehrt der Kläger im Rahmen des Überprüfungsverfahrens nach § 44 SGB X die Rücknahme des Bescheids vom 21. Mai 2014 in der Fassung des Wiederspruchbescheides vom 4. September 2014 und ist für das Vorliegen der Voraussetzungen beweisbelastet (vgl. Schütze in von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Auflage 2014, Vor §§ 44-49 Rn. 6). Diese Beweislast wirkt sich vorliegend zu seinem Nachteil aus, weil der Sachverhalt nach Ausschöpfung der gerichtlichen Erkenntnismöglichkeiten unaufklärbar bleibt.
Ist - wie hier - die Verrichtung einer versicherten Tätigkeit nicht (im Vollbeweis) erwiesen, kommt ein Arbeitsunfall nicht in Betracht. Damit war der Bescheid vom 30. November 2012, mit dem der Arbeitsunfall anerkannt wurde, tatsächlich rechtswidrig im Sinne des § 45 Abs. 1 SGB X und konnte daher durch die angegriffenen Bescheide (für die Zukunft) zurückgenommen werden.
Die Beklagte hat auch die übrigen Voraussetzungen des § 45 SGB X beachtet. Die Zwei-Jahres-Frist des § 45 Abs. 3 Satz 1 SGB X ist gewahrt. Mangels Vorliegens der Vorausset-zungen des § 45 Abs. 2 Satz 2 SGB X erfolgte die Rücknahme zutreffend nur für die Zukunft (§ 45 Abs. 4 Satz 1 SGB X). Die Beklagte ist zutreffend davon ausgegangen, dass ein Ver-trauensschutz des Klägers gegenüber dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme nicht schutzwürdig ist. Insoweit kann auf die Ausführungen in den angegriffenen Bescheiden verwiesen werden. Zu berücksichtigen ist weiter, dass die dem Kläger zurückgenommene Rechtsposition ohnehin nur eine sehr geringe war. Denn mit Bescheid vom 30. November 2012, mit dem der Arbeitsunfall zunächst anerkannt wurde, erfolgte sogleich die Einschränkung, dass die bestehenden Beschwerden und die sich ergebende Behandlungsbedürftigkeit auf einer degenerativbedingten Kniegelenksarthrose basieren und nicht unfallabhängig sind. Ohne dass es in diesem Bescheid wörtlich zum Ausdruck kommt, hat die Beklagte mit dem Bescheid letztlich einen Arbeitsunfall mit (lediglich) einer (ausgeheilten) Kontusion des Knies angenommen. Der ihm (zunächst) anerkannte Arbeitsunfall versetzte den Kläger also in keine starke Rechtsposition, mit derer er für die Zukunft - wenn auch nur vage - Chancen auf durch die Beklagte zu erbringende (Folge-)Leistungen gehabt hätte.
Zwar hat die Beklagte im ursprünglichen Bescheid vom 21. Mai 2014 kein Ermessen im Sinne des § 45 Abs. 1 SGB X ausgeübt, doch hat sie diese Ermessensausübung zulässig im Widerspruchsbescheid vom 4. September 2014 nachgeholt (vgl. hierzu Groth in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB I, 3. Auflage 2018, § 39 Rn. 54), ohne dass Ermessensfehler ersichtlich sind. Die Beklagte hat sich hierbei insbesondere mit dem Umstand auseinandergesetzt, dass die ursprüngliche fehlerhafte Anerkennung des Arbeitsunfalls auf einer unzutreffenden Einschätzung der Beklagten beruhte und der Kläger dafür nicht verantwortlich war. Im Ergebnis bejahte sie nachvollziehbar ein überwiegendes öffentliches Interesse an der Beseitigung des gegebenen rechtswidrigen Zustandes.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 SGG liegen nicht vor.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens nach § 44 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) die Anerkennung eines Ereignisses vom 10. Mai 2011 als einen Arbeitsunfall.
Der Kläger war als Außendienstmitarbeiter im Vertrieb für Schnittholz und Parkett für die G. G. Parkettfabrik, Sägewerk und Holzhandlung GmbH & Co. KG (im Folgenden Arbeitgeber) beschäftigt. Am 10. Mai 2011 kam es nach seinem Vortrag zu einem Arbeitsunfall auf einem Parkplatz an der Bundesautobahn (BAB) A 9 in Richtung B. in Höhe des H. Kreuzes gekommen. Er habe dort gehalten und seine Notdurft verrichtet. Auf dem Rückweg zum Fahrzeug habe er das Telefon im Fahrzeug klingeln gehört und sich deswegen beeilt. Beim Öffnen der Fahrzeugtür sei er mit dem rechten Knie an diese gestoßen.
Mit D-Arzt-Bericht vom 25. Mai 2011 stellte Dipl.-Med. H. unter Angabe einer erstmaligen Behandlung am 19. Januar 2011 als Diagnose eine Bursitis praepatellaris (posttraumatisch) sowie eine Gonarthrose fest. In der weiteren Folge ging die Beklagte zunächst von einer un-fallbedürftigen Behandlung des Klägers aus. In Auswertung weiterer Befunderhebung (Röntgenuntersuchung) und einer Arthroskopie gelangte sie zu der Auffassung, dass keine unfall-bedingten und entsprechend behandlungsbedürftigen Unfallfolgen verblieben, sondern anla-ge- bzw. verschleißbedingte Veränderungen für die verbleibenden Gesundheitsbeschwerden ursächlich seien. Mit Bescheid vom 30. November 2012 stellte sie fest, dass die Kosten für die medizinische Behandlung des Klägers nicht mehr übernommen werden würden, weil kein Ursachenzusammenhang zwischen dem Unfallereignis und der Krankheit bestehe. Wegen den Folgen des Arbeitsunfalles vom 10. Mai 2011 werde eine Behandlungsbedürftigkeit vom 25. Mai 2011 bis 8. Juni 2011 sowie vom 20. März 2012 bis zum 12. April 2012 ebenso anerkannt wie eine unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit vom 20. März 2012 bis zum 12. April 2012.
Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein. Im Rahmen des Widerspruchsverfahrens ermit-telte die Beklagte weiter zum Unfallgeschehen und befragte den Kläger und dessen Arbeitgeber. Der Kläger erklärte, er habe nach dem Unfallereignis gefürchtet wegen Krankheit Probleme mit dem Arbeitgeber zu bekommen und deswegen den Arbeitsunfall nicht sogleich gemeldet. Nachdem aber die Schwellung und Schmerzen nicht besser geworden seien, habe er den Unfall am 12. Mai 2011 per Fax gegenüber dem Arbeitgeber angezeigt. Hinsichtlich einer Bestätigung des Unfallortes verwies er auf GPS-Aufzeichnungen, die seitens des Arbeitgebers bei jedem Außendienstmitarbeiter in dessen Fahrzeug vorgenommen würden. Der Arbeitgeber teilte mit, dass bei ihm eine Fax-Nachricht unter dem 12. Mai 2011 bezüglich des mitgeteilten Sachverhalts eingegangen sei. Eine Unfallmeldung an die Beklagte sei jedoch nicht erstellt worden, da der Kläger in dieser Zeit nicht erkrankt gewesen sei. GPS-Berichte für diesen Zeitraum lägen nicht mehr vor. Entsprechend des Tagesberichts zum 10. Mai 2011 habe sich der Kläger in den Orten L., B (1)., K., B. (2) und T. auf Kundenbesuch befunden. Dass sich der Kläger am 10. Mai 2011 in der Nähe einer Raststätte auf der BAB A 9 befunden habe, könne nicht bestätigt werden.
Nach vorheriger Anhörung stellte die Beklagte mit Bescheid vom 21. Mai 2014 die teilweise Rechtswidrigkeit des Bescheides vom 30. November 2012 und die Ablehnung eines Arbeits-unfalles für die Zukunft fest. Der Verwaltungsakt vom 30. November 2012, mit welchem das Ereignis vom 10. Mai 2011 als Arbeitsunfall anerkannt worden sei, werde mit Wirkung für die Zukunft zurückgenommen. Der Bescheid vom 30. November 2012 sei hinsichtlich des Vorliegens eines Arbeitsunfalls rechtswidrig. Aufgrund der erfolgten Ermittlungen könne zum Unfalltag und der an diesem Tag zurückgelegten Wegstrecke ein Arbeitsunfall nicht bewiesen werden. Die hier zweifelhafte Wegstrecke und der Unfallort, welche nach § 8 Abs. 1 Satz 1 des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII) die sogenannte versicherte Tätigkeit ergäben, müssten für einen Arbeitsunfall im Vollbeweis bewiesen sein. Ein derartiger Vollbeweis ergebe sich hier nicht. Die einzige Wegroute, die sich aus den vorliegenden Angaben für den Unfall nachvollziehen ließe, ergebe einen Weg, der nicht als Dienstweg gewertet und somit nicht als Arbeitsunfall anerkannt werden könne. Die Rücknahme des Verwaltungsakts erfolge nur für die Zukunft und nicht für die Vergangenheit, weil entsprechende Tatbestände, die eine Rücknahme für die Vergangenheit zuließen, nicht vorlägen. Auf Vertrauensschutz könne sich der Kläger nicht berufen. Für den weiteren Fortbestand des rechtswidrigen Verwaltungsaktes vom 30. November 2012, mit dem keine Entschädigungsleistungen ausgesprochen worden seien, seien keine besonderen Gründe erkennbar. Vielmehr überwiege das öffentliche Interesse an der Einhaltung und gleichmäßigen Anwendung der Rechtsordnung sowie an der sachgerechten und sparsamen Verwendung der Mittel der Solidargemeinschaft. Mangels entsprechender Leistungsbewilligung habe sich der Kläger nicht auf entsprechende Mittel im Rahmen seiner Lebensführung einrichten können. Sonstige Gründe, die im Rahmen der Ermessensausübung heranzuziehen seien, seien nicht vorhanden. Im Übrigen ergehe der Bescheid nach § 86 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) als Gegenstand des Widerspruchsverfahrens.
Hieraufhin wiederholte der Kläger, dass das Dienstfahrzeug mit einem GPS-Personenkontrollsystem ausgestattet gewesen sei. Die GPS-Originalaufzeichnungen bezüglich der von ihm zurückgelegten Fahrtstrecke stünden ihm nicht zur Verfügung und seien bei seinem Arbeitgeber anzufordern. Dann sei der Nachweis der tatsächlich zurückgelegten Wegstrecke erbracht.
Mit Widerspruchsbescheid vom 4. September 2014 wies die Beklagte den Widerspruch gegen den Verwaltungsakt vom 30. November 2012 in der Gestalt des Rücknahmebescheides vom 21. Mai 2014 insgesamt zurück. Auch nach Ausschöpfung aller Beweismittel sei vollbeweislich nicht gesichert, dass sich der Kläger zum Unfallzeitpunkt auf dem Parkplatz an der BAB A 9 auf einem versicherten Weg und somit bei versicherter Tätigkeit befunden habe. Der Parkplatz habe sich an diesem Tage nicht auf der Dienstroute des Klägers befunden. Soweit eine Anerkennung tatsächlich schon mit Verwaltungsakt vom 30. November 2012 erfolgt sei, sei dies rechtswidrig und entsprechend nach § 45 SGB X zurückzunehmen. Vertrauensschutz sei zugunsten des Klägers nicht zu erkennen. Auch seien keine Ermessensgesichtspunkte ersichtlich, die gegen eine Zurücknahme sprechen. Zugunsten des Klägers sei berücksichtigt worden, dass die Fehlerhaftigkeit des Verwaltungsaktes vom 30. November 2012 auf einer unzutreffenden Einschätzung seitens der Beklagten beruhe, die er auch nicht zu vertreten habe. Es könne allerdings auch nicht im öffentlichen Interesse liegen, diesen rechtswidrigen Zustand aufrecht zu erhalten. Gegen diesen Bescheid ging der Kläger nicht vor.
Im Rahmen Klageverfahren vor dem Sozialgericht Meiningen (S 9 U 122/16) gegen eine Rückzahlungsforderung trug der Kläger inhaltlich zur Anerkennung eines Arbeitsunfalles vor. Bei der mündlichen Verhandlung am 4. Juli 2016 erklärte sich die Beklagte bereit, die Klage vom 18. Januar 2016 als Überprüfungsantrag nach § 44 SGB X für den Bescheid vom 21. Mai 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. September 2014 zu werten.
In der weiteren Folge forderte die Beklagte den Kläger auf, den Überprüfungsantrag substantiiert zu begründen. Daraufhin beantragte dieser Fristverlängerung bis 7. November 2016 bzw. bis 31. Januar 2017. Mit Bescheid vom 3. März 2017 lehnte die Beklagte eine Rücknahme eines Verwaltungsaktes nach § 44 SGB X ohne erneute Sachprüfung ab. Der Überprüfungsantrag sei nicht substantiiert begründet und die frühere Entscheidung nicht ersichtlich unrichtig. Daher dürfe mit entsprechender Begründung ohne jede Sachprüfung auf die Bindungswirkung des Ausgangsbescheides verwiesen werden.
Hiergegen hat sich der Kläger unter dem 27. Juni 2017 mit einem "Widerspruch gegen die Ablehnung des Bescheides der Berufsgenossenschaft Holz und Metall vom 03.03.2017" an das Sozialgericht Meiningen gewandt. Dort wurde das Schreiben als Klage erfasst und an die Beklagte zum Bearbeiten des Widerspruchs in eigener Zuständigkeit weitergeleitet. Mit Widerspruchsbescheid vom 9. August 2017 hat die Beklagte den Widerspruch gegen den Bescheid vom 3. März 2017 nach erneuter Überprüfung und Würdigung zurückgewiesen; den Widerspruchsbescheid hat sie zum Klageverfahren übersandt.
Der Kläger hat im Klageverfahren zur Begründung vorgetragen, dass bei seinem früheren Arbeitgeber jeder Arbeitstag durch eine Tom Tom WEBFLEET dokumentiert wurde. Dort sei alles festgehalten worden, wie Fahrtenbuch, Tourendaten, Stillstand. Hinsichtlich dieser Daten hätten sich die Beklagte und der Arbeitgeber abgestimmt, sie nicht herauszugeben. Sie sollten durch das Gericht beigezogen werden. Der Arbeitgeber könne den Nachweis erbringen, dass er sich am 10. Mai 2011 in der Nähe der BAB A 9 befunden habe. Das Sozialgericht hat beim Arbeitgeber die Vorlage aller Unterlagen, Belege etc., die die Dienstreise des Klägers vom 10. Mai 2011 belegen würden, angefordert. Dieser hat mitgeteilt, dass für den 10. Mai 2011 keine GPS-Berichte mehr vorliegen. Es werde jedoch der Tagesbericht des Klägers vorgelegt, sowie die Reisekostenabrechnung vom 1. Juni 2011 für Mai 2011. Im Übrigen könne kein Mitarbeiter benannt werden, der sich zu der Reisetätigkeit des Klägers am 10. Mai 2011 äußern könne.
Mit Urteil vom 10. Oktober 2017 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung und des Aktenstudiums sei schon fraglich, ob der Kläger im Unfallzeitpunkt eine berufliche Tätigkeit ausgeführt habe. Nach seiner eigenen Schilderung sei er beim Wiedereinsteigen in den Dienstwagen nach Verrichtung der Notdurft mit dem rechten Knie an die Autotür angeschlagen. Nach der herrschenden Rechtsprechung gehöre das Verrichten der Notdurft zu den ganz privaten Dingen (privates Interesse), die einen Arbeitsunfall nicht begründen würden. Weiter seien die Angaben des Klägers zum Unfallort und Unfallzeitpunkt in seinen Schriftsätzen und in der mündlichen Verhandlung widersprüchlich. Er habe den Beweis, dass es sich um eine betrieblich veranlasste Tätigkeit gehandelt habe, nicht im Wege des Vollbeweises erbracht. Für die Aussagen des Klägers zum Unfallort und zur Unfallzeit gebe es keinerlei Belege. Vielmehr seien durch die Reisekostenabrechnung und den Tagesplan des Klägers dargetan, dass dieser zu dem angegebenen Unfallzeitpunkt nicht am Unfallort gewesen sei. Entsprechend der Dokumentation auf den Tagesplan sei eine Fahrt auf der BAB A 9, welche Thüringen in Nord-Süd-Richtung von Bad K./H. (1) bis H. (2) durchlaufe, nicht erforderlich gewesen. Zwar habe der Kläger in der mündlichen Verhandlung angegeben, er habe einen weiteren Kunden in Richtung N. aufsuchen wollen als es zu dem Unfall gekommen sei, doch hielte die Kammer diesen Vortrag für falsch. Zum einen sei ein solcher Kunde nicht im Tourenplan vom 10. Mai 2011 enthalten, obwohl der Kläger angegeben habe, weitergearbeitet zu haben. Zum anderen sei der Kundenbesuch zeitlich nicht möglich gewesen, wenn man den Tourenplan des Klägers als zutreffend unterstellte. Zudem sei nach die Reisekostenabrechnung für den 10. Mai 2011 der am weitesten entfernteste Ort B. bei E. gewesen. Auf dem Weg von S. nach E. sei die BAB A 9 weder zu benutzen noch zu kreuzen. Die Kammer habe sich daher nicht über den Nachweis einer eingetretenen Gesundheitsschädigung während der Ausübung einer versicherten Tätigkeit überzeugen können.
Mit seiner Berufung verfolgt der Kläger sein Begehren weiter und wiederholt, dass der Arbeitgeber durch die GPS-Berichte den Nachweis für seine Fahrtstrecke und damit auch das Befinden auf einem Parkplatz auf der BAB A 9 beweisen könne. Diese Unterlagen des Arbeitgebers würden genau darlegen, wo und wann er sich am 10. Mai 2011 jeweils befunden habe. Er sei provisionsabhängig beschäftigt gewesen und habe als Außendienstmitarbeiter verschiedene Kunden besucht. Die Tage seien so stressig gewesen, dass er abends manchmal nicht mehr gewusst habe, was er überhaupt gemacht habe bzw. bei wem er gewesen sei. Er habe die Kunden besucht, die im Tagesbericht vom 10. Mai 2011 aufgezeichnet seien. Darüber hinaus habe er auch noch andere Kunden besucht, die nicht in dem Bericht stünden. Er habe am 10. Mai 2011 einen Anruf vom Holz- und Baustoffhandel (HBH) N. und HBH Z. bekommen, die über Probleme wegen "irgendeiner Schnittholzgeschichte" berichtet hätten. Er sei dann auf dem Weg dorthin gewesen, habe dann aber einen Anruf bekommen, dass er nicht kommen brauche, weil "der Kunde sich woanders das Zeugs gekauft" habe. Er wisse nicht mehr genau, wann sich der Unfall ereignet habe. Nachmittags sei er aber auf dem Rückweg über J. gewesen. Es müsse also früh bis mittags gewesen sein. Er wisse nicht mehr, wo er gewesen war, bevor er den Weg zu HBH N. bzw. HBH Z. eingeschlagen habe. Derjenige Kunde, der im Tagesbericht aufgeführt worden sei, sei von ihm auch tatsächlich angefahren bzw. besucht worden. Die dort aufgenommenen Zeiten seien aber nicht zutreffend, denn der Tagesbericht sei zwar von ihm erstellt, die Uhrzeiten aber eher fiktiv und nachträglich bestimmt gewesen. Nach dem Unfall sei er weiter gefahren und habe in J. eine Baufirma und einen Parkettleger besucht. Es habe dort jeweils keinen Abschluss bzw. kein Ergebnis gegeben. Dass auf dem Bericht die Fahrt nach J. nicht stünde, sei nicht unüblich, weil er dort kein Geschäft abgeschlossen bzw. kein Ergebnis erzielt habe. Im Übrigen sei er sich sicher, dass er noch in B. bei einem Herrn D. M. gewesen war. Ob B. dann der letzte Termin gewesen sei, könne er nicht bestätigen. Der Tagesbericht werde immer im Nachhinein ausgefüllt und müsse jedenfalls in der Chronologie nicht wirklich stimmig sein.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Meiningen vom 10. Oktober 2017 sowie den Bescheid der Beklagten vom 3. März 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. August 2017 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, den Bescheid vom 21. Mai 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. September 2014 zurückzunehmen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie beruft sich auf die angegriffene Entscheidung sowie das erstinstanzliche Urteil.
Der Senat hat den HBH N. und den HBH Z. angeschrieben und um Mitteilung gebeten, ob sie den vom Kläger geschilderten Sachverhalt am 10. Mai 2011 (Bestellung und spätere Abbestellung) bestätigen können. Hieraufhin haben die Geschäftsführer beider Unternehmen mitgeteilt, dass sie sich an einen solchen Sachverhalt im Mai 2011 nicht mehr erinnern könnten.
Bezüglich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte sowie die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die nach §§ 143, 144 SGG zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet. Es ist zwar möglich aber nicht mit Vollbeweis erwiesen, dass es sich bei dem vorgetragenen Ereignis vom 10. Mai 2011 um einen Arbeitsunfall handelte.
Statthafte Klageart ist die kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage nach § 54 Abs. 1 und Abs. 4 SGG. Die Anfechtungsklage zielt auf die Aufhebung der Überprüfungsbescheide, die Verpflichtungsklage auf die Aufhebung des bestandskräftigen Bescheids vom 21. Mai 2014 mit dem die Anerkennung eines Arbeitsunfalles zurückgenommen wurde (vgl. BSG, Urteil vom 26.4.2016 – B 2 U 14/14 R mit Verweis auf BSG, Urteile vom 13.2.2014 - B 4 AS 22/13 R, 19.12.2013 - B 2 U 17/12 R und 11.4.2013 - B 2 U 34/11 R, alle nach juris).
Die zulässige Klage ist nicht begründet. Anspruchsgrundlage für das Begehren des Klägers ist § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X, wonach ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen ist, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei seinem Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind. Zwar wendet sich der Kläger bezüglich des Bescheids vom 21. Mai 2014 nur gegen die Ablehnung der Anerkennung eines Arbeitsunfalles, also nicht darum, ob unmittelbar "Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind", wie § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X voraussetzt. Für die Anwendung dieser Regelung spricht jedoch, dass es bei der Anerkennung von Unfallfolgen letztendlich in der Regel doch (mittelbar) um Leistungsansprüche völlig unterschiedlichen Inhalts geht (vgl. §§ 26 ff. SGB VII; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 21. Juni 2018 – L 10 U 2893/16, nach juris). Soweit zu Überprüfungsanträgen zu feststellenden Verwaltungsakten im Überführungsbescheid (vgl. BSG, Urteil vom 15. Dezember 2016 – B 5 RS 4/16 R BSG, nach juris) oder zur Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft und des Grades der Behinderung (BSG, Urteil vom 29. Mai 1991 – 9a/9 RVs 11/89, nach juris) § 44 Abs. 2 SGB X als Anspruchsgrundlage gesehen wurde, führt dies vorliegend zu keinen anderen Beurteilung, da in derartigen Verfahren die mittelbare Gewährung einer Sozialleistung gerade nicht immanent ist. Die Beklagte ist weder von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen (§ 44 Abs. 1 Satz 1 2. Alt SGB X), noch hat sie bei Erlass des Bescheides vom 3. März 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. August 2017 das Recht unrichtig angewandt (§ 44 Abs. 1 Satz 1 1. Alt SGB X).
Da die Beklagte im Widerspruchsbescheid vom 9. August 2017 erneut in der Sache geprüft und entschieden hatte, hat der Senat über die Annahme eines Arbeitsunfalles zu entscheiden und darf sich nicht auf die Prüfung beschränken, ob der Überprüfungsantrag mangels entsprechender substantiierter Angaben unzulässig (zu den formellen Erfordernisse eines Überprüfungsantrags, der überhaupt erst eine Prüfpflicht auslöst vgl. BSG, Urteil vom 13. Februar 2014 – B 4 AS 22/13 R, nach juris) und deswegen ohne Sachprüfung abzulehnen war.
Nach § 8 Abs. 1 S 2 SGB VII sind Unfälle zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen. Ein Arbeitsunfall setzt voraus, dass der Verletzte durch eine Verrichtung vor dem fraglichen Unfallereignis den gesetzlichen Tatbestand einer versicherten Tätigkeit erfüllt hat und deshalb Versicherter ist (innerer bzw. sachlicher Zusammenhang; vgl. BSG, Urteil vom 30. März 2017 – B 2 U 15/15 R, nach juris). Diese Verrichtung muss zu dem zeitlich begrenzten, von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis - dem Unfallereignis - geführt (Unfallkausalität) und das Unfallereignis einen Gesundheits(erst)schaden verursacht haben (haftungsbegründende Kausalität); das Entstehen von länger andauernden Unfallfolgen auf Grund des Gesundheits(erst)schadens (haftungsaus-füllende Kausalität) ist keine Voraussetzung für das Vorliegen eines Arbeitsunfalls, sondern insbesondere für die Gewährung einer Verletztenrente (vgl. BSG, Urteil vom 30. Juni 2009 - B 2 U 22/08 R, nach juris).
Im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung gibt es unterschiedliche Beweisanforderungen. Für die äußerlich fassbaren und feststellbaren Voraussetzungen "versicherte Tätigkeit", "Verrichtung zur Zeit des Unfallereignisses", "Unfallereignis" und "Gesundheitserstschaden" wird eine an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit gefordert, die vorliegt, wenn kein vernünftiger die Lebensverhältnisse klar überschauender Mensch noch zweifelt (Vollbeweis). Vermutungen, Annahmen, Hypothesen und sonstige Unterstellungen reichen daher ebenso wenig aus wie eine (möglicherweise hohe) Wahrscheinlichkeit.
Entgegen der Ansicht der Vorinstanz steht der Annahme eines Arbeitsunfalles zwar nicht entgegen, dass sich der Kläger auf dem Weg von der Toilette befand. Wege, die Beschäftigte während der Arbeitszeit zum Aufsuchen der Toilettenräume zurücklegen, sind nach ständiger Rechtsprechung des BSG grundsätzlich unfallversichert. Dieser Versicherungsschutz beruht darauf, dass der während einer Arbeitspause zurückgelegte Weg zur Toilette in zweierlei Hinsicht mit der Betriebstätigkeit verknüpft ist: Zum einen dient der Toilettenbesuch während der Arbeitszeit der Aufrechterhaltung der Arbeitsfähigkeit und damit der Fortsetzung der betrieblichen Tätigkeit, zum anderen handelt es sich um einen Weg, der in seinem Ausgangs- und Zielpunkt durch die Notwendigkeit geprägt ist, persönlich an der Arbeitsstätte anwesend zu sein, um dort betriebliche Tätigkeiten zu verrichten. Aufgrund des Zusammentreffens dieser beiden betriebsbezogenen Merkmale, des Handlungsziels und der Betriebsbedingtheit des Weges, wird ein innerer Zusammenhang zwischen dem Weg zur Toilette und der versicherten Tätigkeit angenommen (vgl. BSG, Urteil vom 30. März 2017 – B 2 U 15/15 R m.w.N., nach juris). Es ist nicht ersichtlich, dass dies nicht auch bei Dienstfahrten eines Außendienstmitarbeiters gelten sollte.
Es ist nicht erwiesen, dass der Kläger zum Zeitpunkt des Ereignisses - bzw. kurz davor - eine mit Vollbeweis belegte versicherte Tätigkeit ausübte, er also am 10. Mai 2011 mit dem Dienst-PKW tatsächlich betrieblich bedingt auf der BAB A 9 unterwegs war, dort zur Verrichtung der Notdurft einen Autobahnparkplatz aufsuchte und sich verletzte. Gegen die Annahme einer versicherten Tätigkeit bei dem geschilderten Ereignis am 10. Mai 2011 sprechen allerdings nicht der vom Arbeitgeber vorgelegte Tagesbericht und die Reisekostenabrechnung. Diesen Unterlagen kommt nur sehr eingeschränkte Beweiskraft zu, denn der Kläger hat selbst glaubhaft ausgeführt, dort nur rudimentäre, unvollständige und teils fiktive, also unzutreffende, Angaben gemacht zu haben.
Dem Kläger ist es aber nicht gelungen, das Ereignis selbst oder den Bezug zur versicherten Tätigkeit mit Vollbeweis nachzuweisen. Weder die HBH N. noch der HBH Z. konnten bestä-tigen, dass der Kläger am 10. Mai 2011 angefordert und später wieder abbestellt wurde. Sie haben einen solchen Sachverhalt zwar nicht negiert, doch reicht dies nicht aus, den vom Kläger geschilderten Sachverhalt als bewiesen anzusehen. Für den Vollbeweis des angeschuldigten Ereignisses genügt auch nicht der vorliegende Durchgangsarztbericht vom 25. Mai 2011, der als Unfallsachverhalt eine Verletzung auf einen Autobahnparkplatz der BAB A 9 dokumentiert. Er dokumentiert bereits widersprüchlich ein Eintreffen am 25. Mai 2011 und eine erstmalige Versorgung durch den Durchgangsarzt am 19. Januar 2011 (also vor dem behaupteten Unfallzeitpunkt). Vor allem basieren die Feststellungen zum Unfallgeschehen ausschließlich auf den Angaben des Klägers und nicht aufgrund eigener Feststellungen. Die zweifelhaften Behauptungen des Klägers bzw. das Unfallgeschehen können dadurch gerade nicht objektiviert werden.
Fehlender Beweiswert kommt auch der Unfallanzeige vom 12. Mai 2011 zu. Auch sie gibt nur die Erklärung des Klägers wieder, ohne das Geschehen objektivierbar zu machen. Weder wird der Unfallort näher bezeichnet noch ein Zeuge benannt.
Insgesamt muss im Rahmen der Beweiswürdigung auch Berücksichtigung finden, dass der Kläger selbst einräumt, in der Vergangenheit gegenüber seinem Arbeitgeber unvollständige, unrichtige bzw. fiktive Angaben gemacht zu haben. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass dies auch bei den Angaben zum Unfall ebenso gewesen sein könnte.
Der Senat war nicht veranlasst, der vom Kläger beantragten Anforderung von Unterlagen (Bildschirm-Screening von BA-XT 393 und Umsatznachweise zwischen seinem Arbeitgeber und HBH N. und HBH Z.) bei dem Arbeitgeber nachzukommen. Bezüglich des Bildschirm-Screenings, das die GPS-Daten des klägerischen Dienstfahrzeugs mit dem amtlichen Kenn-zeichen BA-XT 393 darlegen soll, hat der Arbeitgeber sowohl gegenüber der Beklagten als auch gegenüber dem Sozialgericht mitgeteilt, dass diese nicht mehr vorhanden seien. Der Senat hat keine Gründe, diese Auskunft zu bezweifeln und weitere Ermittlungen anzustrengen. Die Umsatznachweise zwischen dem Arbeitgeber und dem HBH N. bzw. dem HBH Z. sind für vorliegendes Verfahren nicht von Relevanz. Der Kläger verkennt, dass die HBH N. und Z. nicht geschäftliche Beziehungen zum Arbeitgeber des Klägers in Abrede stellen. Die vom Kläger als Ansprechpartner genannten Mitarbeiter haben lediglich mitgeteilt, keine Erinnerungen mehr an den Ereignistag zu haben - was bei einem Zeitablauf von sieben Jahren verständlich erscheint. Dies beweist nicht den Vortrag des Klägers.
Vorliegend kommt es nicht darauf an, ob es der für eine Rücknahmeverfügung beweisbelasteten Beklagten tatsächlich gelungen wäre, nachdem sie mit Bescheid vom 30. November 2012 einen Arbeitsunfall zunächst anerkannt hat, den Beweis zu erbringen, dass ein Arbeitsunfall - mangels versicherter Tätigkeit - nicht stattgefunden hat. Denn den entsprechenden Bescheid der Beklagten vom 21. Mai 2014, der die entsprechende Rücknahme verfügte, ist nach Erlass des Wiederspruchbescheides vom 4. September 2014 bestandskräftig geworden. Dies führt zu einer Beweislastverschiebung. Jetzt begehrt der Kläger im Rahmen des Überprüfungsverfahrens nach § 44 SGB X die Rücknahme des Bescheids vom 21. Mai 2014 in der Fassung des Wiederspruchbescheides vom 4. September 2014 und ist für das Vorliegen der Voraussetzungen beweisbelastet (vgl. Schütze in von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Auflage 2014, Vor §§ 44-49 Rn. 6). Diese Beweislast wirkt sich vorliegend zu seinem Nachteil aus, weil der Sachverhalt nach Ausschöpfung der gerichtlichen Erkenntnismöglichkeiten unaufklärbar bleibt.
Ist - wie hier - die Verrichtung einer versicherten Tätigkeit nicht (im Vollbeweis) erwiesen, kommt ein Arbeitsunfall nicht in Betracht. Damit war der Bescheid vom 30. November 2012, mit dem der Arbeitsunfall anerkannt wurde, tatsächlich rechtswidrig im Sinne des § 45 Abs. 1 SGB X und konnte daher durch die angegriffenen Bescheide (für die Zukunft) zurückgenommen werden.
Die Beklagte hat auch die übrigen Voraussetzungen des § 45 SGB X beachtet. Die Zwei-Jahres-Frist des § 45 Abs. 3 Satz 1 SGB X ist gewahrt. Mangels Vorliegens der Vorausset-zungen des § 45 Abs. 2 Satz 2 SGB X erfolgte die Rücknahme zutreffend nur für die Zukunft (§ 45 Abs. 4 Satz 1 SGB X). Die Beklagte ist zutreffend davon ausgegangen, dass ein Ver-trauensschutz des Klägers gegenüber dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme nicht schutzwürdig ist. Insoweit kann auf die Ausführungen in den angegriffenen Bescheiden verwiesen werden. Zu berücksichtigen ist weiter, dass die dem Kläger zurückgenommene Rechtsposition ohnehin nur eine sehr geringe war. Denn mit Bescheid vom 30. November 2012, mit dem der Arbeitsunfall zunächst anerkannt wurde, erfolgte sogleich die Einschränkung, dass die bestehenden Beschwerden und die sich ergebende Behandlungsbedürftigkeit auf einer degenerativbedingten Kniegelenksarthrose basieren und nicht unfallabhängig sind. Ohne dass es in diesem Bescheid wörtlich zum Ausdruck kommt, hat die Beklagte mit dem Bescheid letztlich einen Arbeitsunfall mit (lediglich) einer (ausgeheilten) Kontusion des Knies angenommen. Der ihm (zunächst) anerkannte Arbeitsunfall versetzte den Kläger also in keine starke Rechtsposition, mit derer er für die Zukunft - wenn auch nur vage - Chancen auf durch die Beklagte zu erbringende (Folge-)Leistungen gehabt hätte.
Zwar hat die Beklagte im ursprünglichen Bescheid vom 21. Mai 2014 kein Ermessen im Sinne des § 45 Abs. 1 SGB X ausgeübt, doch hat sie diese Ermessensausübung zulässig im Widerspruchsbescheid vom 4. September 2014 nachgeholt (vgl. hierzu Groth in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB I, 3. Auflage 2018, § 39 Rn. 54), ohne dass Ermessensfehler ersichtlich sind. Die Beklagte hat sich hierbei insbesondere mit dem Umstand auseinandergesetzt, dass die ursprüngliche fehlerhafte Anerkennung des Arbeitsunfalls auf einer unzutreffenden Einschätzung der Beklagten beruhte und der Kläger dafür nicht verantwortlich war. Im Ergebnis bejahte sie nachvollziehbar ein überwiegendes öffentliches Interesse an der Beseitigung des gegebenen rechtswidrigen Zustandes.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 SGG liegen nicht vor.
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