L 2 R 29/14

Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 9 R 860/11
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 2 R 29/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Die Berufung wird zurückgewiesen. 2. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. 3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist ein Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung.

Die am xxxxx 1961 geborene Klägerin schloss im Jahr 1980 eine anderthalbjährige Ausbildung zur Facharbeiterin Textiltechnik ab. Sie ist Mutter eines 1985 geborenen Sohnes. Die Klägerin arbeitete als Näherin, Gärtnerin, Lageristin sowie in einem Callcenter und versuchte, sich ab 2001 selbstständig zu machen. Zuletzt arbeitete sie nach eigenen Angaben als Aushilfe (2. bis 14. Juni 2008, 23. Oktober 2008 bis 31. Januar 2009), als Haushaltshilfe (24. Februar 2011 bis 4. März 2011) und als Reinigungskraft (12. Juli 2011 bis 16. August 2011). Vom 16. August 2010 bis zum 26. Februar 2011 war sie gegen eine Aufwandsentschädigung beim A. ehrenamtlich tätig.

Ihr Versicherungsverlauf weist für die Zeit vom 1. September 1978 bis zum 15. Februar 1980 18 Monate Pflichtbeitragszeiten bei beruflicher Ausbildung aus, anschließend in der Zeit bis zum 31. Dezember 1983 insgesamt 40 Monate Pflichtbeitragszeiten. Die nachfolgenden Zeiten sind bis einschließlich Juni 2004 überwiegend mit Pflichtbeitragszeiten belegt. Die Monate August bis einschließlich Oktober 2005 sind mit Pflichtbeitragszeiten bei Bezug von Arbeitslosengeld II (Alg II) belegt, ebenso die Zeit vom 1. Januar 2006 bis zum 30. September 2008. Die Monate Oktober und Dezember 2008 sowie Januar 2009 sind lediglich mit einer geringfügigen nicht versicherungspflichtigen Beschäftigung belegt, der Monat November 2008 mit einer Pflichtbeitragszeit. Die Zeit vom 17. Februar 2009 bis 31. Dezember 2009 ist mit Pflichtbeitragszeiten bei Bezug von Alg II belegt. Weitere Zeiten nennt der Versicherungsverlauf nicht.

Für die Zeit vom 1. Januar 2010 bis 28. Februar 2010 hatte das Jobcenter als Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende der Klägerin mit Bescheiden vom 7. und 21. August 2009 zunächst Leistungen für Unterkunft und Heizung bewilligt. Mit Bescheid vom 16. Dezember 2009 hob das Jobcenter die laufende Leistungsbewilligung jedoch mit Wirkung ab dem 1. Januar 2010 auf. Im Oktober 2009 schlossen die Klägerin und der Träger der Grundsicherung eine Eingliederungsvereinbarung, die vorbehaltlich einer zwischenzeitlichen anderweitigen Vereinbarung bis zum 10. Oktober 2010 gelten sollte, und die Klägerin neben der Vorlage von Nachweisen über Bewerbungsbemühungen auch zur Mitteilung ihres aktuellen Gesundheitszustandes Anfang des Jahres 2010 verpflichtete; der Leistungsträger werde sodann entscheiden, ob eine arbeitsmedizinische Untersuchung durch die Bundesagentur für Arbeit erfolgen solle. Am 25. Februar 2010 beantragte die Klägerin außerdem Leistungen einer Förderung aus dem Vermittlungsbudget, die ihr für die Zeit bis zum 24. Februar 2011 bewilligt wurden.

Die Bundeagentur für Arbeit bescheinigte (mit [Jahres-] Meldungen vom 3. Februar 2011, 3. Februar 2012, 2. Februar 2013, 3. Februar 2014 und 8. September 2014) die Meldung des Zeitraums vom 10. November 2010 bis zum 31. Juli 2014 als Zeit der "Arbeitslosigkeit ohne Leistungsbezug" im Sinne von § 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI). Weiterhin bescheinigte sie mit Schreiben vom 4. Januar 2015, dass die Klägerin auch vom 28. Januar 2010 bis zum 30. September 2010 als arbeitslos geführt worden sei. Am 8. September 2014 erfolgte sodann die Abmeldung aus der Arbeitsvermittlung.

Nachdem sich die Klägerin im Januar 2010 arbeitsuchend gemeldet hatte, nahm die Bundesagentur für Arbeit eine Prüfung der Verfügbarkeit vor, in deren Rahmen ihr ärztlicher Dienst (Dr. H5) am 23. März 2010 ein Leistungsvermögen von drei bis sechs Stunden täglich feststellte. Diagnostiziert wurden "Bewegungs- und Belastungseinschränkungen der Arme, des rechten Beines und des Rückens" sowie "allgemeine Beeinträchtigung der körperlichen Leistungsfähigkeit bei Begleiterkrankungen". Die Klägerin könne nicht schwer Heben oder Tragen, nicht dauerhaft ihre Arme einsetzen, nicht in Armvorhalte oder Überkopfposition oder mit erhöhten Anforderungen an Kraft und Feinmotorik arbeiten. Häufige Haltungswechsel müssten möglich und ein "rückengerechter" Arbeitsplatz vorhanden sein. Ausgeschlossen seien Tätigkeiten überwiegend im Stehen, Gehen, in der Hocke, im Knien oder Bücken sowie in Rumpfvorbeuge oder Rumpfzwangshaltung. Weiter heißt es, aus heutiger Sicht liege keine schwerwiegende Leistungseinschränkung vor, die die Aussichten, am Erwerbsleben teilzuhaben, nicht nur vorübergehend mindere; eine solche drohe auch nicht. Das Gutachten schließt mit dem Hinweis, diese Beurteilung gelte "bis zum Entscheid des Rentenversicherungsträgers, der Widerspruchs- oder Klageinstanz".

Am 20. April 2010 schlossen die Klägerin und die Bundesagentur für Arbeit sodann eine bis zum 19. Oktober 2010 gültige Eingliederungsvereinbarung, die als Ziel die "Arbeitsaufnahme in H. und Umgebung in Teilzeit als Helferin" nannte. Die Arbeitsagentur verpflichtete sich zur Unterbreitung geeigneter Stellenangebote; als Bemühungen der Klägerin nannte die Vereinbarung die Stellensuche in Internet und Tagespresse, den Nachweis von Bewerbungen sowie die "Kontaktaufnahme zur Krankenkasse oder DRV zwecks Antragstellung Reha oder Erwerbsminderungsrente" bis zum 4. Juni 2010.

Am 22. September 2010 teilte die Klägerin der Bundesagentur für Arbeit die Aufnahme der Tätigkeit beim A. mit. Zugleich erklärte sie, sie habe kein weiteres Interesse an einer Vermittlung. Die Bundesagentur für Arbeit veranlasste intern die Abmeldung der Klägerin. Laut einem ersten Verbis-Vermerk vom 5. Oktober 2010 teilte die Klägerin der Bundesagentur für Arbeit mit, sie werde einen "TAV" (Termin zur Arbeitsvermittlung) am Folgetag nicht wahrnehmen, da sie einen Termin am 7. Oktober 2010 habe. Laut einem zweiten Vermerk vom 5. Oktober 2010 wurde sie darauf hingewiesen, dass sie keinen solchen Termin habe und aufgrund ihrer Meldung am 22. September 2010 abgemeldet worden sei. Sie wurde auf die Möglichkeit einer erneuten Meldung als arbeitsuchend hingewiesen. Eine solche erfolgte dann am 10. November 2010.

Nach Auskunft der BKK M. (vom 17. Dezember 2015) war die Klägerin in der Zeit vom 9. bis zum 16. Juli 2010 und vom 26. Juli 2010 bis zum 2. August 2010 arbeitsunfähig. Weitere Zeiten der Arbeitsunfähigkeit waren der BKK M. im Zeitraum von März bis einschließlich November 2010 nicht gemeldet worden.

Auf dem Gebiet des Schwerbehindertenrechts hatte die Freie und Hansestadt Hamburg – Behörde für Soziales, Familie, Gesundheit und Verbraucherschutz – Versorgungsamt H. (i.F.: Versorgungsamt) zunächst mit Bescheid vom 25. November 2009 einen Grad der Behinderung (GdB) von 20 aufgrund einer entzündlich-rheumatischen Gelenkerkrankung festgestellt. Am 16. November 2010 stellte die Klägerin einen Neufeststellungsantrag mit der Begründung, sie leide seit August 2010 auch an Diabetes und ihr Rheuma habe sich verschlimmert. Das Versorgungsamt holte einen Befundbericht von Dr. M1 vom 2. Dezember 2010 ein, ausweislich dessen sich keine Besserung der rheumatischen Erkrankung ergeben hatte; außerdem habe sich im Mai 2010 erstmals der Diabetes manifestiert. Zudem holte das Versorgungsamt einen Befundbericht von Dr. T. ein, wo es im Wesentlichen heißt, die rheumatische Erkrankung habe noch nicht befriedigend eingestellt werden können. Gestützt auf eine gutachtliche Stellungnahme von Dr. P1 lehnte das Versorgungsamt daraufhin den Antrag mit Bescheid vom 1. Februar 2011 ab. Den nächsten Neufeststellungsantrag stellte die Klägerin sodann im Mai 2012.

Am 30. April 2010 beantragte die Klägerin Rente wegen Erwerbsminderung mit der Begründung, sie leide seit Januar des Jahres an Schmerzen in der Wirbelsäule und dem rechten Bein, an Rheuma, einem Bandscheibenleiden und dem Verschleiß beider Schultern. Hierbei gab sie an, zur Zeit der Antragstellung kein Arbeitslosengeld, Alg II oder Krankengeld zu beziehen. Die Beklagte veranlasste eine Begutachtung durch ihren ärztlichen Dienst (Internistin und Rheumatologin Dr. B.) und lehnte den Antrag mit Bescheid vom 28. Oktober 2010 mit der Begründung ab, die Klägerin könne noch leichte bis mittelschwere Arbeiten unter den Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes verrichten.

Die Klägerin erhob hiergegen am 12. November 2010 Widerspruch und führte aus, die Beklagte möge sich mit dem behandelnden Rheumatologen Dr. T. in Verbindung setzen. Weiterhin leide sie an Diabetes. Der Träger der Grundsicherung für Arbeitssuchende halte sie für nicht vermittelbar.

Die Beklagte wies den Widerspruch nach Einholung einer Stellungnahme des Internisten und Sozialmediziners Dr. E. mit Widerspruchsbescheid vom 12. August 2011 zurück. Die Klägerin könne trotz einer seropositiven rheumatoiden Arthritis, seit 2009 unter immunsuppressiver Behandlung, mit Befall diverser Gelenke, chronisch-rezidivierender Beschwerden der Lendenwirbelsäule mit derzeit deutlicher Bewegungseinschränkung und einem im Oktober 2011 erstdiagnostizierten Diabetes mellitus ohne Folgeerkrankungen noch leichte bis mittelschwere Arbeiten ohne häufige Wirbelsäulenzwangshaltung, ohne Bücken und Knien, ohne schweres Heben und Tragen, ohne Überkopfarbeiten, ohne häufige Armvorhalte und ohne ständiges festes Zupacken der Hände, nicht im Akkord, ohne dauerhaftes Stehen und ohne Sturzgefahr vollschichtig verrichten.

Am 19. August 2011 hat die Klägerin Klage erhoben.

Beide Beteiligte sind bei ihrer jeweiligen Auffassung geblieben.

Das Sozialgericht hat Beweis erhoben durch Einholung von Befundberichten des Internisten und Rheumatologen Dr. T., des Chirurgen Dr. K1, des Allgemeinmediziners und Diabetologen Dr. M1, des Orthopäden Dr. S2 und des Orthopäden Dr. H1 (A. Gesundheitszentrum H2). Es hat die Schwerbehindertenakte beigezogen. Dr. S2 hat keine Arbeitsunfähigkeitszeiten bescheinigt. Dr. M1 hat im Jahr 2010 im Wesentlichen den Befund einer Lumbago erhoben. Dr. T. hat seine Befunde nicht zeitlich aufgegliedert. Dr. K1 hat von einer zwischen April und August 2010 behandelten Erkrankung des rechten Sprunggelenks berichtet, Dr. H1 von einer Behandlung ab Juni 2011. Weiter hat das Sozialgericht ein Gutachten des Facharztes für Orthopädie, physikalische und Rehabilitative Medizin sowie physikalische Therapie und Naturheilverfahren Dr. B1 eingeholt. Der Sachverständige hat bei der Klägerin - eine atypische seropositive rheumatoide Arthritis mit Befall der Hände, Handgelenke, Ellengelenke und Schultergelenke im Sinne florider Gelenkentzündungen und Weichteilentzündungen (Enthesiopathien) an Ellen- und Schultergelenken, der Weichteile beider Hüftgelenke und beider Kniegelenke sowie des rechten oberen und unteren Sprunggelenks und der Fußwurzelgelenke rechts mit Minderung der Gebrauchsfähigkeit beider Arme und der Belastbarkeit beider Beine, rechts stärker ausgeprägt als links, - entzündlich-degenerative Veränderungen der unteren Lendenwirbelsäule mit Bandscheibenschaden im Segment L4/5 und sensibler Funktionsbeeinträchtigung in den Dermatomen L5 und S1 rechts, Wirbelsäulenfehlstatik im Sinne einer großbogigen Thorakolumbalskoliose mit chronischen Reizerscheinungen in beiden Kreuzdarmbeingelenken, - den Zustand nach erfolgloser operativer Revision des rechten oberen Sprunggelenks mit Minderung der Abrollfähigkeit und Beeinträchtigung der Beugung, - Diabetes mellitus Typ II und - Übergewicht diagnostiziert. Die Klägerin sei nicht mehr fähig, drei Stunden täglich und mehr auch nur leichteste und leichte körperliche Arbeiten im Wechsel der drei Bewegungsarten auszuführen. Es bestünden zusätzlich erhebliche qualitative Leistungseinschränkungen, nämlich das Erfordernis möglichst freier Einteilbarkeit der Bewegungsarten ohne Heben, Tragen und Bewegen von Lasten von mehr als 5 kg, ohne Bewegen von Lasten von mehr als 1 kg am langen Hebel, ohne Rotations- und Scherbelastungen der Wirbelsäule, nicht in gebückter Haltung, nicht in Vorbeuge, nicht in Rückbeuge, nicht in oder über Brusthöhe, ohne die volle Gebrauchsfähigkeit beider Hände, nicht stehend auf Leitern oder Gerüsten, nicht in Zwangshaltungen der Wirbelsäule, nicht im Knien, nur unter Schutz vor Nässe, Kälte, Zugluft und starken Temperaturschwankungen. Es sei nicht zu erwarten, dass eine Leistungsfähigkeit von 6 Stunden täglich und mehr unter den Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes wieder eintreten werde. Dieser sei aus seiner Sicht als verschlossen anzusehen. Dies beruhe vor allem auf den Einschränkungen der vollen Gebrauchsfähigkeit beider Hände. Außerdem könne die Klägerin wegen des Zustands ihrer Knie und des rechten Fußes nicht dauernd stehen, jedoch auch wegen der Lendenwirbelsäulenerkrankung nicht dauernd sitzen. Eine Besserung sei unwahrscheinlich, jedenfalls auf Basis des derzeitigen therapeutischen Schemas.

Die Beklagte ist dem Gutachten unter Hinweis auf eine Stellungnahme von Dr. B. entgegengetreten: Der Einschätzung des quantitativen Leistungsvermögens sei nicht nachvollziehbar, zumal sich die rheumatische Erkrankung ausweislich des Befundberichts von Dr. T. unter der jetzigen Medikation gebessert habe. Schwellungen an den Fingergelenken, die zeitweise auch nur tageweise aufträten, bedeuteten keine grundsätzliche Verschlechterung der Erkrankung. Die Funktion der Gelenke der Hände habe Dr. B1 selbst als im Wesentlichen frei beschrieben, weshalb der Schluss auf eine rheumatoide Erkrankung aller Gelenke der Arme und der umgebenden Weichteile nicht objektiviert sei und nicht durch Röntgenaufnahmen untermauert sei. Mit den bekannten Einschränkungen sei eine überwiegend sitzende Tätigkeit sechs Stunden täglich und mehr leistbar.

Das Sozialgericht hat daraufhin eine ergänzende Stellungnahme von Dr. B1 eingeholt, der bei seiner Auffassung geblieben ist: Soweit Dr. T. von einer subjektiven Besserung berichtet habe, sei er, der Sachverständige zu anderen Feststellungen gekommen, zumal die Befunde um mehrere Monate zeitversetzt erhoben worden seien. Therapieversager seien gerade in der Rheumatologie häufig. Angesichts des Längsschnitts in Kenntnis der Aktenlage halte er seine Auffassung aber weiterhin für begründet. Auch wenn er eine freie Funktion der Gelenke festgestellt habe, dies mit Schwellungen, jedoch ohne Untermauerung durch Röntgenbefunde, so sei doch das Bestehen der rheumatoiden Arthritis der Klägerin angesichts der Aktenlage seit Jahren bekannt. Die Beklagte hat auch angesichts dieser Stellungnahme an ihrer Sichtweise festgehalten.

Das Sozialgericht hat sodann einen weiteren Befundbericht von Dr. T. eingeholt, der die die rheumatische Erkrankung als in Remission befindlich beschrieben hat. Gelenkschwellungen seien nicht mehr erkennbar. Allerdings liege angesichts sämtlich druckschmerzhafter "Tender Points" sekundäres Fibromyalgiesyndrom vor. Das Sozialgericht hat weiterhin einen Befundbericht des behandelnden Chirurgen Dr. G. betreffend insbesondere die komplikationslose Entfernung eines Ganglions aus dem Endgelenk des II. Finger links (im August 2013) eingeholt.

Zur weiteren Aufklärung des sozialmedizinischen Sachverhalts hat das Sozialgericht ein Gutachten der Chirurgin, Unfallchirurgin und Orthopädin Dr. S1 eingeholt. Die Sachverständige hat folgende Diagnosen gestellt: - unter immunsuppressiver Medikation gut eingestellte rheumatische Erkrankung (seropositive rheumatoide Arthritis Erstdiagnose 2009), aktuell ohne nennenswerte Entzündunsgsaktivität, - Minderbelastbarkeit der Lendenwirbelsäule bei Bandscheibenvorwölbung L4/L5 (MRT 6.4.2010) ohne neuromuskuläre Reiz- oder Ausfallerscheinungen, - Minderbelastbarkeit des rechten oberen Sprunggelenks bei anlaufenden dege-nerativen Veränderungen nach konservativ behandeltem Außenknöchelbruch Typ B 2006 und zweimaligen operativen Revisionen 2010 und 2011, - Adipositas Grad I, - Diabetes mellitus Typ II b seit 10/2010, diätetisch und medikamentös geführt. Die Klägerin könne noch sechs Stunden täglich und mehr leichte Tätigkeiten (mit Gewichtsbelastungen von 5-7 kg höchstens) ausüben, nicht dauerhaft im Gehen oder Stehen. Dauerndes Sitzen sei unter der Voraussetzung möglich, dass die Klägerin die Möglichkeit habe, pro Stunde ca. 5 Minuten in eine gehende oder stehende Tätigkeit zu wechseln. Dies sei zumutbar angesichts der nur mäßigen Minderung der Bandscheibenraumhöhe im Bereich L4/5 und des Fehlens neuro-muskulärer Reiz- oder Ausfallerscheinungen. Auszuschließen seien Tätigkeiten in Wirbelsäulenzwangshaltungen, z.B. mit verdrehtem Körper oder gleichzeitiger Gewichtsbelastung in Rumpfvorbeuge, ebenso – wegen der Funktionsstörungen der Schultergelenke – dauerhafte Überkopfarbeiten und häufiges Treppensteigen und Tätigkeiten unter Witterungseinfluss. Aus demselben Grund seien Arbeiten mit schweren oder mittelschweren Hebeln und in dauernder Armvorhalte auszuschließen. Ebenfalls auszuschließen seien Tätigkeiten, die ein festes Zugreifen mit den Händen oder Sicherungsfunktionen z.B. auf Leitern und Gerüsten oder an gefährdenden Arbeitsplätzen mit Absturzgefahr erforderten und auch Tätigkeiten mit besonderen Anforderungen an die Feinmotorik. PC-Bildschirmarbeiten und das gelegentliche Bedienen einer Tastatur seien ebenso möglich wie das Bedienen leichtgängiger Hebel, Werkzeuge, Controller pp.; Tätigkeiten im Akkord, bei Nacht, unter besonderer Stressbelastung seien auszuschließen. Betriebsunübliche Pausen seien dann nicht erforderlich. Da keine wesentliche Schwellneigung der Gelenke mehr vorliege, bestünden keine quantitativen Auswirkungen deswegen auf das Leistungsvermögen. Die Wegefähigkeit sei erhalten. Nennenswerte Veränderungen habe es mit Ausnahme der bei der Untersuchung bei Dr. B1 kurzzeitig festgestellten Gelenkschwellungen seit Rentenantragstellung nicht gegeben. Insbesondere sei bei Auswertung der Befundberichte von Dr. T. einerseits und der von Dr. B. festgehaltenen Befunde nicht von einer längerfristigen Schwellung der Gelenke und damit nicht von einem zeitweise aufgehobenen Leistungsvermögen seit Oktober 2010 auszugehen.

Durch Gerichtsbescheid vom 24. Februar 2014 (der damaligen Prozessbevollmächtigten der Klägerin zugestellt am 27. Februar 2014) hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung, denn sie sei nicht voll oder teilweise erwerbsgemindert im Sinne von § 43 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 3 SGB VI. Ihr Leistungsvermögen sei nach den Feststellungen der gerichtlichen Sachverständigen Frau Dr. S1, denen die Kammer folge und die ergänzt würden durch die mehrmaligen Angaben des behandelnden Rheumatologen der Klägerin Dr. T., zwar in qualitativer Hinsicht eingeschränkt, nicht jedoch dahingehend, dass sie nicht mehr mindestens 3 und sogar 6 Stunden pro Arbeitstag erwerbstätig sein könnte. Bei ihr bestünden nach den Feststellungen der gerichtlichen Sachverständigen Dr. S1 auf orthopädischem Fachgebiet eine unter immunsuppressiver Medikation gut eingestellte rheumatische Erkrankung, nämlich eine seropositive rheumatoide Arthritis, zum Zeitpunkt der letzten Untersuchung ohne nennenswerte Entzündungsaktivität, eine Minderbelastbarkeit der Lendenwirbelsäule bei Bandscheibenvorwölbung L4/L5 lt. MRT vom 6.4.2010 ohne neuromuskuläre Reiz- oder Ausfallerscheinungen, eine Minderbelastbarkeit des rechten oberen Sprunggelenks bei anlaufenden degenerativen Veränderungen nach konservativ behandeltem Außenknöchelbruch Typ B 2006 und zweimaligen operativen Revisionen 2010 und 2011 sowie auf internistischem Fachgebiet eine Adipositas Grad I und ein Diabetes mellitus Typ II b seit 10/2010, der diätetisch und medikamentös geführt werde. Dies entspreche im Wesentlichen den von Dr. B. festgehaltenen Diagnosen. Von den Feststellungen in dem ebenfalls vom Gericht eingeholten Gutachten des Orthopäden Dr. B1 wichen diese lediglich dadurch ab, dass Dr. B1 Gelenkschwellungen bei der Klägerin vor allem an den Händen und am rechten Sprunggelenk festgestellt habe, die so bei den übrigen Gutachtern nicht (mehr) aufgefallen seien und insbesondere von dem behandelnden Rheumatologen der Klägerin, von dem mehrere Befundberichte eingeholt worden seien, über die Länge der Zeit nicht (mehr) bestätigt werden könnten. Vielmehr habe Dr. T. im Folgebefundbericht im Juli 2013 dargestellt, dass seit der Behandlung der Klägerin mit einer Medikation nach dem so genannten O´Dell-Schema eine deutliche Besserung eingetreten sei. Danach sei die rheumatische Erkrankung unter Therapie mit dem O´Dell-Schema in Remission. Gelenkschwellungen seien nicht mehr erkennbar. Angesichts dessen seien die von der Klägerin geltend gemachten und von Dr. B1 bei seiner Begutachtung festgestellten schwereren Gesundheitsstörungen bei der Klägerin, die ihn zur Annahme eines aufgehobenen Leistungsvermögens gebracht hätten, für die Kammer jedenfalls nicht über einen Zeitraum der Arbeitsunfähigkeit hinaus bewiesen. Im Gegenteil habe die Sachverständige Dr. S1 auf konkretes Befragen hierzu deutlich dargelegt, dass ein Zeitraum eines aufgehobenen Leistungsvermögens während der gesamten Zeit seit Antragstellung nicht in einem über Arbeitsunfähigkeit hinausgehenden Zeitraum bestanden habe. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus der Tatsache, dass Dr. T. im Juli 2013 dargelegt hat, dass bei der Klägerin die so genannten "Tender Points" sämtlich erheblich druckschmerzhaft gewesen seien und im Vordergrund jetzt ein sekundäres Fibromyalgiesyndrom stehe. Die Klägerin sei auch insoweit von Dr. S1 begutachtet worden. Danach bestehe zwar neben einer Minderbelastbarkeit der Wirbelsäule wegen eines kleinen Bandscheibenvorfalls ein geklagtes Schmerzbild einer Vielzahl druckschmerzhafter Zonen, das einer somatoformen Schmerzstörung gleiche, nicht jedoch mit neuromuskulären Reizzuständen. Dies bedinge Einschränkungen des Leistungsvermögens, nicht jedoch in quantitativer Hinsicht. Die Kammer folge den Ausführungen der medizinischen Sachverständigen Dr. S1. Mit den genannten Einschränkungen ihres Leistungsvermögens könne die Klägerin nach Einschätzung der gerichtlichen Sachverständigen Dr. S1, denen die Kammer auch hinsichtlich des Leistungsvermögens folge, noch regelmäßig 6 Stunden täglich und mehr leichte körperliche Tätigkeiten (nicht mehr als 5-7 kg) ohne Bewegen, Heben oder Tragen mittelschwerer Lasten ohne Hilfen, nicht dauerhaft im Stehen oder Gehen, ohne häufiges Treppensteigen jedoch überwiegend im Sitzen, wobei die Klägerin 5 Minuten pro Stunde aufstehen können müsse, nicht in Wirbelsäulen-Zwangshaltungen, nicht in Rumpfvorbeuge, oder mit Tätigkeiten über Kopf, nicht in dauernder Armvorhalte, nicht auf Leitern und Gerüsten, nicht mit besonderem Stress, Akkord, Zeitdruck oder in Nachtarbeit, nicht unter Witterungsexposition, ohne Tätigkeiten, die ein festes Zugreifen mit den Händen oder Sicherungsfunktionen z.B. auf Leitern und Gerüsten oder an gefährdenden Arbeitsplätzen mit Absturzgefahr erforderten, und ohne Tätigkeiten mit besonderen Anforderungen an die Feinmotorik ausüben. Dabei handele es sich um eine Zusammenschau der Erkrankungen und deren Auswirkungen auf das Leistungsvermögen, im Wesentlichen jedoch um Einschränkungen, die sich von Seiten des orthopädischen Fachgebiets ergäben.

Die aus der Zeit vor der Begutachtung nochmals vorgelegten Befunde führten nicht zu weiteren Einschränkungen des Leistungsvermögens. Überwiegend seien sie von Dr. S1 bereits berücksichtigt worden. Die Klägerin habe auch, obwohl vom Gericht hierzu aufgefordert, nicht dargelegt, inwieweit sich diese Befundunterlagen auf das Ergebnis des gerichtlichen Gutachtens bezögen und es in Frage stellen könnten.

Der Umstand, dass nach den ärztlichen Feststellungen bei der Klägerin ein vollschichtiges Leistungsvermögen für leichte und mittelschwere Tätigkeiten mit qualitativen Einschränkungen bestehe, schließe volle Erwerbsminderung nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, die in § 43 Abs. 3 SGB VI ihren Niederschlag gefunden hat, aus, ohne dass die Arbeitsmarktlage zu berücksichtigen wäre. Es sei generell davon auszugehen, dass es für Vollzeittätigkeiten Arbeitsplätze in ausreichendem Umfang gebe und der Arbeitsmarkt für die Versicherten offen sei.

Bei einem erhaltenen Leistungsvermögen für vollschichtige Tätigkeit bestehe nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts grundsätzlich kein Anlass zur Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit. Der Klägerin sei jedoch in der mündlichen Verhandlung am 31. Juli 2013 die berufskundige Stellungnahme des Arbeitsberaters Herrn Meinhardt überreicht worden, wonach ein offener Arbeitsmarkt bestehe für Arbeitsplätze, die ihrem Leistungsvermögen entsprächen. Von den dort genannten Tätigkeiten entfielen die Tätigkeiten mit höheren feinmotorischen Anforderungen. Es verbleiben aber z.B. die Kontroll- und Prüftätigkeiten betreffend Gummidichtungen sowie Abpackarbeiten in der Ernährungsindustrie und im Handel. Die Kammer habe keinen Zweifel, dass hierfür bundesweit mindestens 300 Arbeitsplätze zur Verfügung stünden, wie von der Rechtsprechung gefordert.

Am 21. März 2014 hat die Klägerin Berufung eingelegt.

Sie führt aus, wenn die Sachverständige Dr. S1 schon die von Dr. T. gestellte Diagnose einer Fibromyalgie durch die einer somatoformen Schmerzstörung ersetze, sei jedenfalls die Anregung zu erwarten gewesen, auch hierzu ein fachärztliches Gutachten einzuholen, da eine somatoforme Erkrankung nicht in das Fachgebiet der Sachverständigen falle. Sie weist auf eine arbeitspsychologische (Frau Ö.) und eine ärztliche (Dr. W.) Stellungnahme der S. GmbH vom 23. Mai 2014 und 7. Mai 2014 hin, wonach nur die Tagesarbeitszeit fünf Stunden nicht überschreiten solle, und ein Attest der Fachärztin für Psychiatrie L. vorgelegt, wonach eine rezidivierende depressive Störung und eine nicht organische Schlafstörung bestünden. Inzwischen sei eine Chronifizierung eingetreten. Weiterhin hat die Klägerin Arztbriefe des A. Klinikums H., Abteilung für Psychiatrie und Psychotherapie (vom 5. und 16. September 2014; Diagnosen: schwere depressive Episode ohne psychotische Symptome, Fibromyalgie, sonstiger chronischer Schmerz, Diabetes mellitus Typ 2, chronische Polyarthritis, Bandscheibenverlagerung, Verwachsung nach Sprunggelenksfraktur) und der Abteilung für Orthopädie und Unfallchirurgie (vom 19. Februar 2015; Diagnosen Arthrofibrose und Chondromalazie zweiten Grades generalisiert mit umschriebenen dritt- bis viertklassigen Knorpeldefekten) vorgelegt.

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hamburg vom 24. Februar 2014 sowie den Bescheid der Beklagten vom 28. Oktober 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. August 2011 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr – der Klägerin – Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt den angefochtenen Gerichtsbescheid und führt zu den Stellungnahmen der Firma S. unter Berufung auf eine Stellungnahme ihres sozialmedizinischen Dienstes aus, Dr. W. habe sich nicht mit dem Ergebnis der Beweiserhebung vor dem Sozialgericht auseinandergesetzt und auch keine eigenen Befunde erhoben. Er habe lediglich die Beschwerdeschilderungen der Klägerin erhoben und ohne weitere Prüfung übernommen.

Der Senat hat Befundberichte eingeholt von der Fachärztin für Allgemeinmedizin Dr. H3 (nebst Krankenunterlagen), von Dr. T., von Dr. L., von der Fachärztin für Allgemeinmedizin Dr. P., von dem A. Klinikum H2 und von der Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie Frau Dr. K.: - Dr. H3 hat Fußschmerzen bei Zustand nach einer Weber-B-Fraktur, rheumatoide Arthritis, chronische Lumboischialgie, Diabetes mellitus, eine Persönlichkeitsänderung bei chronischen Schmerzen und eine Anpassungsstörung diagnostiziert. - Dr. T. hat eine atypisch verlaufende seropositive rheumatoide Arthritis mit sekundärem Fibromyalgiesyndrom festgestellt, bei der es im Oktober 2013 zu einem Krankheitsschub gekommen sei. - Dr. L. hat die Diagnosen aus ihrem Attest wiederholt. - Dr. P. hat eine schwere depressive Episode, Diabetes mellitus Typ 2, chronische Polyarthritis und chronische Gastritis diagnostiziert. - Das A. Klinikum H2 hat die Diagnosen aus seinem vorläufigen Arztbrief vom 5. September 2014 bekräftigt. - Dr. K. hat von einer schweren depressiven Episode und einem chronischen Schmerzsyndrom bei seit fünf Jahren bestehender progredienter rheumatoider Arthritis gesprochen.

Zur weiteren Aufklärung des sozialmedizinischen Sachverhalts hat der Senat ein Gutachten des Facharztes für Innere Medizin, Psychiatrie und Psychotherapie H4 vom 7. Mai 2015 eingeholt. Der Sachverständige hat ausgeführt, die Klägerin leide an - einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung, - einer mittelschweren depressiven Episode bei kombinierter Persönlichkeitsstörung mit paranoiden, schizoiden, emotional instabilen, ängstlich-vermeidenden, abhängigen und passiv aggressiven Zügen, - einer atypischen, seropositiven rheumatoiden Arthritis in Verbindung mit einem Fibromyalgiesyndrom, - degenerativen Wirbelsäulenveränderungen, - chronischer Beeinträchtigung der Beweglichkeit des oberen rechten Sprunggelenks, - Übergewicht, - bislang tablettenbehandeltem Diabetes mellitus und - Hypertonus.

Die Klägerin sei angesichts dieser Erkrankungen nur noch in der Lage, körperlich leichte und geistig einfache Arbeiten mit geringer Verantwortung in wechselnden Körperhaltungen, ohne das Heben und Tragen von Lasten über 3 kg, ohne regelhaftes Bücken, nur in Tagesschicht, nur in geschlossenen Räumen ohne Einfluss von Witterung, Stab, Dämpfen und Geräuschen und auch nur zu ebener Erde, nicht auf Leitern, Gerüsten oder sonst an gefährdenden Arbeitsplätzen zu verrichten. Es seien zusätzliche Pausen von fünf Minuten pro Stunde erforderlich, weiterhin ergonomische Sitzhilfen oder Stehtische. Zum zeitlichen Leistungsvermögen heißt es im Gutachten vom 7. Mai 2015 weiter, eine regelmäßige Verrichtung der zumutbaren Arbeiten sei zwischen drei und sechs Stunden zumutbar und möglich. Auf Nachfrage des Senats hat der Sachverständige diese Angabe mit Schreiben vom 12. Juni 2015 dahingehend präzisiert, dass "die 6-Stunden-Grenze dauerhaft nicht erreichbar" sei.

Öffentliche Verkehrsmittel könne die Klägerin wegen bestehender Angst- und Paniksymptome nicht benutzen. Dies wäre allerdings möglich, wenn die Angst- und Panikstörung ausreichend behandelt würde. Die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel viermal täglich mit Wegstrecken von mehr als 500 Metern zu Fuß sei nicht ohne erhebliche Schmerzen, nicht ohne übermäßige Anstrengung und nicht ohne erhebliche Gesundheitsgefährdung möglich, erst recht nicht in weniger als 20 Minuten.

Die genannten Einschränkungen bestünden in orthopädischer Hinsicht seit dem Tag der Rentenantragstellung und in psychischer Hinsicht seit Juli 2014 (Aufnahme in die tagesklinische Behandlung in der A. Klinik H2). Auch unter Würdigung der Tatsache, dass die Klägerin bereits seit Januar 2014 in ambulanter nervenärztlicher Behandlung gewesen ist, halte der Sachverständige die Aufnahme in die Tagesklinik für maßgeblich.

Die Beklagte ist dem Gutachten unter Hinweis auf eine Stellungnahme ihres sozialmedizinischen Dienstes (Dr. F.) entgegen getreten: Das Gutachten des Herrn H4 sei weder in der Diagnose noch in der Leistungseinschätzung nachvollziehbar. Es erscheine bedenklich, wenn die Klägerin, die ihren Rentenantrag nicht mit entsprechenden Erkrankungen begründet habe und vor dem Klageverfahren überhaupt nicht in psychiatrischer Behandlung gewesen sei, nunmehr mit zahlreichen Diagnosen dieses Fachgebiets "ausgestattet" werde. Auch aus dem Entlassungsbericht der A. Klinik H2 ergäben sich lediglich normale Reaktionen auf verschiedene Belastungssituationen, nicht aber Erkrankungen von sozialmedizinischer Relevanz. Auch habe sich der Zustand der Klägerin im Laufe der dortigen Behandlung gebessert. Eine aufgehobene Wegefähigkeit sei nicht erkennbar, hier habe der Sachverständige die Angaben der Klägerin auch nicht kritisch hinterfragt. Der Senat hat hierzu eine ergänzende Stellungnahme des Sachverständigen (vom 1. September 2015) eingeholt, der bei seiner Einschätzung geblieben ist. Die Beklagte ist angesichts dessen ebenfalls bei ihrer Einschätzung geblieben.

Die Klägerin hat ein Attest von Dr. K. (vom 10. September 2015) vorgelegt und ausgeführt, inzwischen habe sich auch das rheumatische Leiden verschlimmert.

Die Bundeagentur für Arbeit hat auf Nachfrage des Senats unter Vorlage von Verbis-Vermerken mitgeteilt, die Klägerin sei im Laufe des Jahres 2010 zu sechs Beratungsgesprächen eingeladen worden, habe aber nur die beiden ersten Termine (am 25. Februar 2010 und am 20. April 2010) wahrgenommen. Die restlichen habe sie aus gesundheitlichen Gründen abgesagt. Am 22. September 2010 habe die Klägerin per schriftlicher Veränderungsanzeige die Aufnahme einer Nebentätigkeit anzeigt und zugleich geäußert, sie habe kein weiteres Interesse an einer Vermittlung. Daraufhin sei eine Abmeldung zum 1. Oktober 2010 erfolgt. Hierüber sowie über die Möglichkeit, einer erneuten Arbeitsuchendmeldung auch während der Nebentätigkeit sei die Klägerin am 5. Oktober 2010 telefonisch informiert worden, sie habe sich indes erst am 10. November 2010 wieder gemeldet.

Das Jobcenter hat auf Nachfrage des Senats auf den Aufhebungsbescheid vom 16. Dezember 2009 hingewiesen. Ob die Klägerin einen Weiterbewilligungsantrag für die Zeit ab dem 1. März 2010 gestellt habe, lasse sich nicht sicher beantworten. Ein solcher müsse, falls gestellt, in der Verwaltungsakte sein. Jedenfalls habe sei seit Januar 2010 kein Alg II mehr bezogen. Zu den Umständen der Eingliederungsvereinbarung könne sich das Jobcenter nicht äußern.

Die Beklagte führt aus, unter Zugrundelegung eines Versicherungsfalls vom 14. Juli 2014 seien die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen der Rente nicht erfüllt. Im maßgeblichen 5-Jahres-Zeitraum vom 13. Juli 2009 bis 14. Juli 2014 seien lediglich sechs Kalendermonate (14. Juli 2009 bis 31. Dezember 2009) mit Pflichtbeitragszeiten belegt. Eine Verlängerung des 5-Jahres-Zeitraums komme nicht in Betracht, denn die vom 10. November 2010 bis zum 31. Juli 2014 zurückgelegten Zeiten der Arbeitslosigkeit seien mangels eines Unterbrechungstatbestandes keine Anrechnungszeiten; in den letzten sechs Kalendermonaten vor Beginn dieser Zeit liege nicht wenigstens ein Pflichtbeitrag für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit. Eine Meldung der Bundesagentur für Arbeit betreffend die Zeit vom 1. Januar 2010 bis zum 30. September 2010 sei bei der Beklagten nicht eingegangen. Es sei fraglich, ob die Klägerin tatsächlich während des gesamten Zeitraums arbeitslos gemeldet gewesen sei, wenn sie seit April 2010 keine Beratungsgespräche mehr wahrgenommen habe. Weiterhin lägen aber auch die Anerkennung des Zeitraums vom 1. Januar 2010 bis zum 30. September 2010 als Anrechnungszeit wegen Arbeitslosigkeit ohne Leistungsbezug die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen bezogen auf einen Versicherungsfall am 14. Juli 2014 nicht vor. In dem auf dieser Grundlage maßgeblichen Zeitraum vom 1. Oktober 2008 bis zum 14. Juli 2014 seien nur 12 Kalendermonate mit Beitragszeiten belegt. Auch dann wirke sich die Lücke im Oktober 2010 anspruchsschädlich aus. § 241 SGB VI greife nicht zugunsten der Klägerin ein, da sie die allgemeine Wartezeit nicht vor dem 1. Januar 1984 erfüllt gehabt habe.

Die Klägerin repliziert darauf, sie sei – ausweislich der Eingliederungsvereinbarungen aus Oktober 2009 und April 2010 – stets ihren Pflichten der Arbeitsverwaltung gegenüber nachgekommen. Die Auskunft der Bundesagentur belege, dass die Klägerin bereit gewesen sei, eine berufliche Tätigkeit zumindest versuchsweise aufzunehmen. Im Übrigen sei die Bundesagentur für Arbeit verpflichtet gewesen, die Klägerin im Telefonat am 5. Oktober 2010 auch über mögliche rentenversicherungsrechtliche Folgen ihrer Abmeldung aufzuklären. Diese aus § 14 Sozialgesetzbuch Erstes Buch resultierende Beratungspflicht habe die Bundesagentur für Arbeit verletzt. Ein solcher Beratungsfehler gehe nun zu Lasten der Beklagten, die sich dies zurechnen lassen müsse. Der tatsächliche Ablauf zeige deutlich, dass die Klägerin bemüht gewesen sei, den Kontakt zur Sozialversicherung nicht abbrechen zu lassen. Arbeitsunfähigkeit sei im November 2009 nicht festgestellt worden, allerdings habe sie sich in ärztlicher Behandlung befunden. Weiterhin habe sie während des Jahres 2010 durchgängig Leistungen aus dem Vermittlungsbudget bezogen. Zuletzt hat die Klägerin ausgeführt, Arbeitsunfähigkeitszeiten im Oktober 2010 ließen sich möglicherweise auch durch eine Nachfrage bei Dr. T. in Erfahrung bringen, der sich allerdings derzeit in Urlaub befinde.

Der Senat hat am 13. Juli 2016 über die Berufung mündlich verhandelt. Auf das Sitzungsprotokoll wird verwiesen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Prozessakte sowie die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten (vier Bände) und die beigezogene Verwaltungsakte des Jobcenters team.arbeit. H. (zwei Bände) verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung hat keinen Erfolg.

Sie ist gemäß den §§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft und auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht (§ 151 SGG). Sie ist indes unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung. Ein Anspruch auf Rente unter Zugrundelegung eines Versicherungsfalles bei Antragstellung scheitert daran, dass sich eine volle oder teilweise Erwerbsminderung erst deutlich später – hier ab dem 14. Juli 2014 – feststellen lässt (dazu I). Ein Rentenanspruch unter Zugrundelegung eines Versicherungsfalls am 14. Juli 2014 scheitert daran, dass die Klägerin zu diesem Zeitpunkt die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen einer Rente wegen teilweiser oder voller Erwerbsminderung nicht erfüllt (dazu II). Gegen Berufsunfähigkeit ist die im Oktober 1961 geborene Klägerin ungeachtet der Frage, ob und wann ein solcher Versicherungsfall eingetreten sein könnte, nicht mehr versichert, wie sich aus § 240 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI ergibt.

I.) Die medizinischen Voraussetzungen der begehrten Renten lagen erstmals am 14. Juli 2014 vor.

1.) Die Klägerin ist seitdem voll erwerbsgemindert im Sinne von § 43 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, Satz 2 SGB VI, denn sie ist wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Die Klägerin leidet an - einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung, - einer mittelschweren depressiven Episode bei kombinierter Persönlichkeitsstörung mit paranoiden, schizoiden, emotional instabilen, ängstlich-vermeidenden, abhängigen und passiv aggressiven Zügen, - einer atypischen, seropositiven rheumatoiden Arthritis in Verbindung mit einem Fibromyalgiesyndrom, - degenerativen Wirbelsäulenveränderungen, - chronischer Beeinträchtigung der Beweglichkeit des oberen rechten Sprunggelenks, - Übergewicht, - bislang tablettenbehandeltem Diabetes mellitus und - Hypertonus.

Sie ist angesichts dessen nur noch in der Lage, körperlich leichte und geistig einfache Arbeiten mit geringer Verantwortung in wechselnden Körperhaltungen, ohne das Heben und Tragen von Lasten über 3 kg, ohne regelhaftes Bücken, nur in Tagesschicht, nur in geschlossenen Räumen ohne Einfluss von Witterung, Stab, Dämpfen und Geräuschen und auch nur zu ebener Erde, nicht auf Leitern, Gerüsten oder sonst an gefährdenden Arbeitsplätzen zu verrichten. Es sind zusätzliche Pausen von fünf Minuten pro Stunde erforderlich, weiterhin ergonomische Sitzhilfen oder Stehtische. Das tägliche zeitliche Leistungsvermögen liegt bei mehr als drei, jedoch weniger als sechs Stunden täglich. Öffentliche Verkehrsmittel kann die Klägerin wegen bestehender Angst- und Paniksymptome nicht benutzen. Dies wäre erst möglich, wenn die Angst- und Panikstörung ausreichend behandelt würde. Die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel viermal täglich mit Wegstrecken von mehr als 500 Metern zu Fuß ist nicht ohne erhebliche Schmerzen, nicht ohne übermäßige Anstrengung und nicht ohne erhebliche Gesundheitsgefährdung möglich, erst recht nicht in weniger als 20 Minuten.

Der Senat entnimmt dies dem Gutachten von Herrn H4 unter Berücksichtigung der ergänzenden Stellungnahmen vom 12. Juni 2015 und vom 1. September 2015. Die vonseiten der Beklagten unter Hinweis auf zwei Stellungnahmen von Frau F. vorgebrachten Einwendungen sind nicht geeignet, den Beweiswert des Gutachtens zu erschüttern. Ihr Einwand, die Klägerin werde mit Diagnosen "ausgestattet", verfängt nicht. Der von Amts wegen gehörte Sachverständige beschreibt eine subdepressive bis depressive Stimmungslage und ein psychomotorisch deutlich reduziertes Antriebsverhalten. Insgesamt zeige sich die Klägerin wenig vital und nicht schwingungsfähig. Sie sei pessimistisch, klagsam und wehleidig bei vollkommen passivem Verhalten in der Untersuchungssituation. Eine formale Denkstörung sei im Bereich des Mittellang- und Langzeitgedächtnisses zu erurieren. Weiterhin arbeitet der Sachverständige die einzelnen Kriterien einer somatoformen Schmerzstörung und einer Depression heraus und schildert schließlich eine strukturelle Störung im Sinne schwerer gesundheitsrelevanter Persönlichkeitsveränderungen. Soweit Dr. F. einwendet, dass der Rentenantrag nicht mit Diagnosen des neurologisch-psychiatrischen Fachgebiets begründet worden ist, entspricht dies auch offenbar dem Empfinden der Klägerin, die gegenüber dem Sachverständigen H4 erklärt hat, es sei zu den Bandscheibenvorfällen noch eine Depression hinzugekommen. Im Übrigen kommt den Umständen der Rentenantragstellung und hierbei insbesondere der Selbsteinschätzung des Versicherten allerhöchstens Indizcharakter zu.

2.) Die genannten Einschränkungen bestehen in orthopädischer Hinsicht seit dem Tag der Rentenantragstellung und in psychischer Hinsicht seit dem 14. Juli 2014 (Aufnahme in die tagesklinische Behandlung in der A. Klinik H2). Auch unter Würdigung der Tatsache, dass die Klägerin bereits seit Januar 2014 in ambulanter nervenärztlicher Behandlung gewesen ist, hält der von Amts wegen gehörte Sachverständige Herr H4 die Aufnahme in die Tagesklinik für maßgeblich.

Ein früherer Versicherungsfall lässt sich nicht mit der erforderlichen hinreichenden Sicherheit feststellen. Der Senat nimmt insoweit auf die zutreffenden Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug und sieht von einer weiteren Darstellung der Gründe ab (§ 153 Abs. 2 SGG). Das Vorbringen der Klägerin in der Berufungsinstanz ist nicht geeignet, von der Beurteilung durch das Sozialgericht abzuweichen. Soweit die Klägerin die Kompetenz der Sachverständigen Dr. S1 zur Beurteilung somatoformer Schmerzstörungen in Zweifel zieht, ist dem zunächst entgegen zu halten, dass es für die Frage nach dem Vorliegen von Erwerbsminderung nicht vorrangig auf die festgestellten Diagnosen, sondern auch das zugrunde liegende Beschwerdebild und die hieraus resultierenden Einschränkungen des Leistungsvermögens ankommt. Anhaltspunkte dafür, dass die als Fibromyalgie beziehungsweise als Schmerzstörung bezeichnete Erkrankung diesbezüglich ein anderes Ausmaß hat als von der Sachverständigen angenommen, liegen indes nicht vor. Auch die Einschätzungen in der arbeitspsychologische Stellungnahme von Frau Ö. und die ärztliche Stellungnahme von Dr. W. sind nicht geeignet, die Sachverständigengutachten von Dr. S1 und – was das Nichtvorliegen von Erwerbsminderung vor Juli 2014 angeht – Herrn H4 zu widerlegen. Insbesondere lässt die ärztliche Stellungnahme von Dr. W. nicht erkennen, wie er zu der erheblichen zeitlichen Einschätzung des Leistungsvermögens gelangt. Er schildert zunächst verschiedene qualitative Einschränkungen des Leistungsvermögens, die im Wesentlichen mit den von Dr. S1 geschilderten deckungsgleich sind. Sodann folgt ohne nähere Erklärung die Äußerung, wonach "die Tagesarbeitszeit fünf Stunden nicht überschreiten sollte". Das Attest der Fachärztin für Psychiatrie L. und die Arztbriefe des A. Klinikums H. sprechen – wie auch das Ergebnis der Beweisaufnahme in der Berufungsinstanz – dafür, dass erst nach Rentenantragstellung eine richtungsweisende Verschlechterung eingetreten ist, ohne dass sie zugleich die von Herrn H4 vorgenommene Einschätzung des maßgeblichen Zeitpunktes im Juli 2014 widerlegen könnten.

II.) Dennoch hat die Klägerin keinen Anspruch auf Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung. Unter Zugrundelegung eines Versicherungsfalls am 14. Juli 2014 sind die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen des geltend gemachten Rentenanspruchs nicht erfüllt. Ein Anspruch auf Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung setzt voraus, dass der Versicherte in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit hat (§ 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB VI; sog. Drei-Fünftel-Belegung) und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt hat (§ 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB VI). Die allgemeine Wartezeit (von fünf Jahren, § 50 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VI) hat die Klägerin unstreitig erfüllt. Das Erfordernis der Drei-Fünftel-Belegung hat sie – auch unter Berücksichtigung einschlägiger Sondervorschriften – nicht erfüllt.

1.) Die Geltung von § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB VI ist im vorliegenden Fall nicht aufgrund von Sondervorschriften ausgeschlossen: Für ein Vorliegen der Voraussetzungen aus § 43 Abs. 5 SGB VI, wonach eine Pflichtbeitragszeit von drei Jahren für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit nicht erforderlich ist, wenn die Erwerbsminderung aufgrund eines Tatbestandes eingetreten ist, durch den die allgemeine Wartezeit (gemäß § 53 SGB VI) vorzeitig erfüllt ist, gibt es im vorliegenden Fall keinerlei Anhaltspunkte. Auch die Sonderregelung in § 241 Abs. 2 SGB VI kommt der Klägerin nicht zugute, da sie am 1. Januar 1984 die allgemeine Wartezeit noch nicht erfüllt hatte. Anstelle der erforderlichen 60 Monate mit Beitragszeiten lagen lediglich 58 Monate vor.

2.) Unter Zugrundelegung eines Versicherungsfalles am 14. Juli 2014 beginnt der nach § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB VI maßgebliche Zeitraum von fünf Jahren am 14. Juli 2009 und endet am 13. Juli 2014. In diesen Zeitraum fallen ausweislich des Versicherungsverlaufs sechs Monate mit Pflichtbeitragszeiten (14. Juli 2009 bis 31. Dezember 2009). Soweit die Klägerin überdies Bescheide des Trägers der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 7. und 21. August 2009 vorgelegt hat, aus denen sich zwei weitere Monate mit Pflichtbeiträgen ergeben könnten (Januar und Februar 2010), hat der Grundsicherungsträger auf Nachfrage des Senats seinen Bescheid vom 16. Dezember 2009 vorgelegt, mit dem er die laufende Leistungsbewilligung ab dem 1. Januar 2010 aufgehoben hatte. Der Bezug von Leistungen aus dem Vermittlungsbudget löste hingegen keine zeitlich weiterreichende Versicherungspflicht aus, denn hierbei handelt es sich nicht um Alg II.

3.) Auch § 43 Abs. 4 SGB VI greift nicht zugunsten der Klägerin ein. Nach dieser Vorschrift verlängert sich der genannte Zeitraum um folgende Zeiten, die nicht mit Pflichtbeiträgen für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit belegt sind: 1. Anrechnungszeiten und Zeiten des Bezugs einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit, 2. Berücksichtigungszeiten, 3. Zeiten, die nur deshalb keine Anrechnungszeiten sind, weil durch sie eine versicherte Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit nicht unterbrochen ist, wenn in den letzten sechs Kalendermonaten vor Beginn dieser Zeiten wenigstens ein Pflichtbeitrag für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit oder eine Zeit nach Nummer 1 oder 2 liegt, 4. Zeiten einer schulischen Ausbildung nach Vollendung des 17. Lebensjahres bis zu sieben Jahren, gemindert um Anrechnungszeiten wegen schulischer Ausbildung.

Der Zeitraum von fünf Jahren kann sich nach § 43 Abs. 4 SGB VI um bestimmte Zeiten verlängern. Da diese Zeiten in den 5-Jahres-Zeitraum fallen müssen, verlängert er sich auf maximal zehn Jahre und begönne damit im vorliegenden Fall am 14. Juli 2004. In den Zeitraum vom 14. Juli 2004 bis zum 13. Juli 2014 fallen folgende unstreitige Pflichtbeitragszeiten - Alg II-Bezug 9. August 2005 bis 31.Oktober 2005: 3 Monate - Alg II-Bezug 1. Februar 2006 bis 31.Dezember 2006: 12 Monate - Alg II-Bezug 1.Januar 2007 bis 31.Dezember 2007: 12 Monate - Alg II-Bezug 1.Januar 2008 bis 30. September 2008: 9 Monate - Alg II-Bezug: November 2008: 1 Monat - Allg II-Bezug: 17.Februar 2009 bis 31.Dezember 2009: 11 Monate

Insgesamt sind dies 48 Monate mit Pflichtbeiträgen. Somit ist § 43 Abs. 4 SGB VI im Einzelnen zu prüfen, denn eine "Drei-Zehntel-Belegung" erscheint möglich. Angesichts von sechs Monaten mit Pflichtbeiträgen im eigentlichen 5-Jahres-Zeitraum sind die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen gegeben, wenn sich der Beginn des maßgeblichen Zeitraums so weit in die Vergangenheit verlegen lässt, dass er noch weitere 30 Monate mit Pflichtbeitragszeiten umfasst, d.h. auf den 1. Oktober 2006. Hierzu sind insgesamt 33 Monate mit Zeiten nach § 43 Abs. 4 SGB VI erforderlich. Indes ist eine entsprechende Ausdehnung des maßgeblichen Zeitraums auch nach § 43 Abs. 4 SGB VI nicht möglich.

a) Für das Vorliegen der Tatbestände aus § 43 Abs. 4 Nr. 1 zweite Alternative, sowie aus den Nrn. 2 und 4 SGB VI fehlt jeder Anhaltspunkt.

b) Die Zeit ab dem Ende des Alg II-Bezugs am 31. Dezember 2009 war auch keine Anrechnungszeit gemäß § 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VI. Nach § 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VI sind solche Zeiten Anrechnungszeiten, in denen der Versicherte wegen Arbeitslosigkeit bei einer deutschen Agentur für Arbeit als Arbeitsuchender gemeldet war und eine öffentlich-rechtliche Leistung bezogen oder nur wegen des zu berücksichtigenden Einkommens oder Vermögens nicht bezogen hat. Allerdings gilt dies gemäß § 58 Abs. 2 Satz 1 SGB VI nur, wenn dadurch eine versicherte Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit oder ein versicherter Wehrdienst oder Zivildienst oder ein versichertes Wehrdienstverhältnis besonderer Art nach § 6 des Einsatz-Weiterverwendungsgesetzes unterbrochen ist; dies gilt nicht für Zeiten nach Vollendung des 17. und vor Vollendung des 25. Lebensjahres.

aa) Was den Zeitraum bis zur erneuten Arbeitslosmeldung am 10. November 2010 angeht, so kann an dieser Stelle dahinstehen, ob die Eingliederungsvereinbarungen vom 29. Oktober 2009 und 20. April 2010 geeignet waren, die in der Vorschrift ausdrücklich vorausgesetzte Arbeitslosmeldung zu ersetzen, und ob der Bezug von Leistungen aus dem Vermittlungsbudget als Leistungsbezug im Sinne der Vorschrift zu werten ist. Anders als § 58 Abs. 2 Satz 1 SGB VI es verlangt, wurde hierdurch keine versicherte Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit oder ein versicherter Wehrdienst oder Zivildienst oder ein versichertes Wehrdienstverhältnis besonderer Art unterbrochen. Der Bezug von Alg II (hier bis zum 31. Dezember 2009) ist einer solchen Beschäftigung nicht gleichzustellen (Fichte in Hauck/Noftz, SGB, 08/14, § 58 SGB VI Rn. 201). Zwar löste seinerzeit – worauf noch zurück zu kommen sein wird – der Bezug von Alg II die Versicherungspflicht in der Rentenversicherung gemäß § 3 Nr. 3a VI (in der bis zum 31. Dezember 2010 geltenden Fassung) aus, so dass er gemäß § 55 Abs. 2 Nr. 2 SGB VI einer versicherungspflichtigen Beschäftigung insoweit gleichzusetzen war (dazu Freudenberg in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VI, 2. Aufl. 2013, § 43 SGB VI, Rn. 296; zur Geltung von § 55 SGB VI im Rahmen von § 43 Abs. 4 Nr. 3 SGB VI auch von Koch in Kreikebohm, SGB VI, 4. Aufl. 2013, § 43 Rn. 57). Allerdings spricht § 58 Abs. 2 Satz 1 SGB VI ausdrücklich nicht von Pflichtbeiträgen, sondern von einer Beschäftigung, die unterbrochen worden sein muss. Es lag auch kein Überbrückungstatbestand vor. Als solche sind in Rechtsprechung und Literatur (vgl. zusammenfassend Dankelmann in Kreikebohm, SGB VI, 4. Aufl. 2013, § 58 Rn. 49) über den Wortlaut von § 58 Abs. 2 SGB VI hinaus Zeiten anerkannt, in denen der Pflichtbeiträge aus dem Versicherten nicht zu vertretenden oder aus verfassungsrechtlich schützenswerten Gründen nicht entrichtet werden konnten. Selbst wenn die Zeit von 31. Dezember 2009 (Ende des Alg II-Bezugs) bis zum 28. Januar 2010 (Meldung als arbeitsuchend) einen solchen Tatbestand erfüllen sollte, so könnte sie doch nur die Zeit bis zum Alg II-Bezug überbrücken. Der Alg II-Bezug selbst verwirklicht keinen Überbrückungstatbestand, denn in dieser Zeit wurden Pflichtbeiträge gezahlt, nur eben nicht wegen eines der in § 58 Abs. 2 Satz 1 SGB VI genannten Tatbestände.

bb) Auch der Zeitraum ab dem 10. November 2010 stellte keine Anrechnungszeit im Sinne von § 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, Abs. 2 Satz 1 erster Halbsatz SGB VI dar, da nicht – wie § 58 Abs. 2 Satz 1 SGB VI es verlangt – eine versicherte Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit oder ein versicherter Wehrdienst oder Zivildienst oder ein versichertes Wehrdienstverhältnis besonderer Art unterbrochen wurde. Auch hier gilt, dass der – ohnehin nicht nahtlos gelegene – Bezug von Alg II nicht genügt. Im Übrigen erstreckt sich eine "Bindungswirkung" der Meldung durch die Bundesagentur für Arbeit nicht darauf, dass alle Voraussetzungen von § 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VI (einschließlich der zusätzlichen Voraussetzung aus § 58 Abs. 2 Satz 1 SGB VI) gegeben sind. Die Arbeitsagentur kann lediglich das Vorliegen der tatsächlichen Voraussetzungen aus § 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VI bestätigen, nicht aber auch die Würdigung anhand § 58 Abs. 2 SGB VI verbindlich vornehmen.

c) Der Zeitraum ab dem 10. November 2010 erfüllt nicht den Tatbestand des § 43 Abs. 4 Nr. 3 SGB VI. Dieser Tatbestand hat zwei Voraussetzungen: 1. die Zeit darf nur deswegen keine Anrechnungszeit sein, weil durch sie eine versicherte Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit nicht unterbrochen ist, 2. in den letzten sechs Kalendermonaten vor Beginn dieser Zeit muss wenigstens a. ein Pflichtbeitrag für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit oder b. eine Zeit nach § 43 Abs. 4 Nr. 1 SGB VI (Anrechnungszeit oder Zeit des Bezugs von Rente wegen Erwerbsminderung) oder c. eine Zeit nach § 43 Abs. 4 Nr. 2 SGB VI (Berücksichtigungszeit) liegen.

Diese Voraussetzungen sind auch dann nicht erfüllt, wenn der Senat zugunsten der Kläger davon ausgeht, dass die unter Ziffer 1 genannten Voraussetzungen erfüllt sind (wofür einiges spricht). In den letzten sechs Kalendermonaten vor Beginn dieser Zeit lag kein Pflichtbeitrag für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit (oben Ziffer 2 Buchstabe a). Auch wenn – wie bereits dargelegt – der Alg II-Bezug seinerzeit gemäß 3 Nr. 3a VI (in der bis zum 31. Dezember 2010 geltenden Fassung) in Verbindung mit § 55 Abs. 2 Nr. 2 SGB VI einer versicherungspflichtigen Beschäftigung insoweit gleichzusetzen war, so endete er doch am 31. Dezember 2009 und damit deutlich außerhalb des gesetzlich vorgesehen Zeitraums von sechs Monaten.

Auch für das Vorliegen einer Berücksichtigungszeit (§ 57 SGB VI) in den letzten sechs Kalendermonaten vor dem 10. November 2010 gibt es – da der Sohn der Klägerin damals bereits deutlich älter war als zehn Jahre – keinen Anhaltspunkt.

Schließlich ist auch der Tatbestand einer Anrechnungszeit oder Zeit des Bezugs von Rente wegen Erwerbsminderung nicht gegeben. Rente wegen Erwerbsminderung bezog die Klägerin seinerzeit nicht. Dass in dem Zeitraum von sechs Monaten vor dem 9. November 2010 auch nicht der Tatbestand einer Anrechnungszeit nach § 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VI erfüllt war, ist bereits dargelegt worden. Es war aber auch keiner der übrigen Tatbestände einer Anrechnungszeit erfüllt. Von den in § 58 Abs. 1 Satz 1 SGB VI aufgezählten Tatbeständen kommt nach Verneinung von § 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VI einzig die Nr. 1 der Vorschrift in Betracht. Sie setzt voraus, dass der Versicherte wegen Krankheit arbeitsunfähig gewesen ist oder Leistungen zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben erhalten hat, und auch sie steht unter dem weiteren Vorbehalt des § 58 Abs. 2 Satz 1 SGB VI, wonach dadurch eine versicherte Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit oder ein versicherter Wehrdienst oder Zivildienst oder ein versichertes Wehrdienstverhältnis besonderer Art nach § 6 des Einsatz-Weiterverwendungsgesetzes unterbrochen worden sein muss. Letzteres war – wie im Zusammenhang mit § 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VI dargelegt – nicht der Fall.

Der Klägerin hilft auch die in der Literatur vorgenommene extensive Auslegung von § 43 Abs. 4 Nr. 3 SGB VI nicht weiter, wonach bei Aufeinanderfolgen mehrerer Zeiten nach § 43 Abs. 4 Nr. 3 SGB VI die Einhaltung der Frist für den ersten Tatbestand für die Berücksichtigung der übrigen Zeiten ausreicht (Freudenberg in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VI, 2. Aufl. 2013, § 43 SGB VI, Rn. 297; Kamprad in Hauck/Noftz, SGB, 12/14, § 43 SGB VI Rn. 126). Ein Aufeinanderfolgen mehrerer Zeiten in diesem Sinne liegt indes nur dann vor, wenn eventuelle Lücken zwischen ihnen weniger als einen Kalendermonat betragen (von Koch in Kreikebohm, SGB VI, 4. Aufl. 2013, § 43 Rn. 57; Kamprad, a.a.O.).

Auch wenn die Zeit vom 28. Januar 2010 bis zum 30. September 2010 daher ihrerseits eine Zeit im Sinne von § 43 Abs. 4 Nr. 3 SGB VI wäre (wofür viel spricht, zumal die zeitliche Nähe zum Alg II-Bezug gewahrt war), folgte die Zeit ab dem 9. November 2010 nicht unmittelbar auf sie, so dass ein hinreichender zeitlicher Bezug zur letzten Pflichtbeitragszeit nicht vorliegt.

Es war auch nicht so, dass der Zeit ab dem 10. November 2010 eine Zeit im Sinne von § 43 Abs. 4 Nr. 3 SGB VI in Verbindung mit § 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI in hinreichendem zeitlichen Zusammenhang vorangegangen wäre. Voraussetzung auch hierfür wäre, dass 1. die Klägerin in diesem Zeitraum wegen Krankheit arbeitsunfähig gewesen wäre oder Leistungen zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben erhalten hätte, 2. diese Zeit nur deswegen keine Anrechnungszeit gewesen wäre, weil durch sie eine versicherte Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit nicht unterbrochen ist, 3. in den letzten sechs Kalendermonaten vor Beginn dieser Zeit wenigstens a. ein Pflichtbeitrag für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit oder b. eine Zeit nach § 43 Abs. 4 Nr. 1 SGB VI (Anrechnungszeit oder Zeit des Bezugs von Rente wegen Erwerbsminderung) oder c. eine Zeit nach § 43 Abs. 4 Nr. 2 SGB VI (Berücksichtigungszeit) gelegen hätte. Die unter Ziffer 2 und Ziffer 3 Buchstabe a genannten Voraussetzungen haben vorgelegen. Allerdings lässt sich nicht mit hinreichender Sicherheit feststellen, dass die Klägerin tatsächlich in hinreichendem zeitlichem Zusammenhang arbeitsunfähig gewesen ist (für Leistungen zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben ist vorliegend nichts ersichtlich). Der Begriff der Arbeitsunfähigkeit deckt sich mit dem des Krankenversicherungsrechts (BSG [Großer Senat], Beschluss vom 16. Dezember 1981 – GS 3/78, GS 4/78, BSGE 53, 22; aus neuerer Zeit etwa BSG, Urteil vom 25. Februar 2010 – B 13 R 116/08 R, SozR 4-2600 § 58 Nr. 11): Dem Grundsatz nach sind Versicherte, die infolge einer Krankheit ihre zuletzt konkret ausgeübte versicherungspflichtige oder eine ähnlich geartete Beschäftigung oder Tätigkeit nicht mehr oder nur auf die Gefahr einer Verschlimmerung hin ausüben können, arbeitsunfähig. Ist ein Versicherter – wie hier – vor Eintritt der Arbeitsunfähigkeit arbeitslos, so sind alle seiner Arbeitsfähigkeit entsprechenden Beschäftigungen (also auch unterwertige) zumutbar (Meyerhoff in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 2. Aufl. 2012, § 44 Rn. 61). Ein (krankenversicherungsrechtlicher) "Berufsschutz" wäre ohnehin nach Ablauf von drei Jahren entfallen (BSG, Urteil vom 25. Februar 2010 – B 13 R 116/08 R, SozR 4-2600 § 58 Nr. 11; BSG, Urteil vom 25. Februar 2004 – B 5 RJ 30/02 R, SozR 4-2600 § 43 Nr. 2).

Dass Arbeitsunfähigkeit durch eine Auskunft der BKK M. (vom 17. Dezember 2015) für die Zeiten vom 9. bis 16. Juli 2010 und vom 26. Juli 2010 bis zum 2. August 2010 belegt ist, genügt nicht, um auch die Zeit ab dem 10. November 2010 zu einer Zeit im Sinne von § 43 Abs. 4 Nr. 3 SGB VI zu machen. Der letzte Monat des zu Pflichtbeiträgen führenden Alg II-Bezugs lag bei Beginn der "ersten" Arbeitsunfähigkeit am 9. Juli 2010 bereits mehr als sechs Monate zurück, zumal der erste Monat des Verlängerungszeitraumes bei der Berechnung der vorangegangenen sechs Monate unberücksichtigt zu bleiben hat, da die besonderen Voraussetzungen für die Anerkennung des Aufschubtatbestandes bereits davor sein müssen (Kamprad in Hauck/Noftz, SGB, 12/14, § 43 SGB VI Rn. 126).

Das Gutachten des ärztlichen Dienstes der Bundesagentur für Arbeit vom 23. März 2010 genügt nicht, um Arbeitsunfähigkeit auch im übrigen Zeitraum zwischen März und November 2010 zu begründen, denn es ist in sich nicht schlüssig. Dort wird einerseits das positive Leistungsbild auf einen Zeitraum von drei bis unter sechs Stunden täglich begrenzt, andererseits passt diese Feststellung nicht zum Rest des Gutachtens: Es nennt als Diagnosen "Bewegungs- und Belastungseinschränkungen der Arme, des rechten Beines und des Rückens" sowie "allgemeine Beeinträchtigung der körperlichen Leistungsfähigkeit bei Begleiterkrankungen". Die Klägerin könne nicht schwer heben oder tragen, nicht dauerhaft ihre Arme einsetzen, nicht in Armvorhalte oder Überkopfposition oder mit erhöhten Anforderungen an Kraft und Feinmotorik arbeiten. Häufige Haltungswechsel müssten möglich und ein "rückengerechter" Arbeitsplatz vorhanden sein. Ausgeschlossen seien Tätigkeiten überwiegend im Stehen, Gehen, in der Hocke, im Knien oder Bücken sowie in Rumpfvorbeuge oder Rumpfzwangshaltung. Weiter heißt es, aus heutiger Sicht liege keine schwerwiegende Leistungseinschränkung vor, die die Aussichten, am Erwerbsleben teilzuhaben, nicht nur vorübergehend mindere; eine solche drohe auch nicht. Das Gutachten schließt denn auch mit dem Hinweis, diese Beurteilung gelte "bis zum Entscheid des Rentenversicherungsträgers, der Widerspruchs- oder Klageinstanz".

Auch die vom Sozialgericht eingeholten Befundberichte sowie die zuletzt auf Antrag der Klägerin beigezogene Schwerbehindertenakte lassen einen derartigen Schluss nicht zu: Dr. S2 hat keine Arbeitsunfähigkeitszeiten bescheinigt. Dr. M1 hat im Jahr 2010 im Wesentlichen den Befund einer Lumbago erhoben. Dr. T. hat seine Befunde nicht zeitlich aufgegliedert. Dr. K1 hat von einer zwischen April und August 2010 behandelten Erkrankung des rechten Sprunggelenks berichtet, Dr. H1 von einer Behandlung ab Juni 2011. Aus der Schwerbehindertenakte ergibt sich folgendes Bild: Nachdem die Freie und Hansestadt Hamburg – Behörde für Soziales, Familie, Gesundheit und Verbraucherschutz – Versorgungsamt H. (i.F.: Versorgungsamt) mit Bescheid vom 25. November 2009 einen Grad der Behinderung vom 20 aufgrund einer entzündlich-rheumatischen Gelenkerkrankung festgestellt hatte, stellte die Klägerin am 16. November 2010 einen Neufeststellungsantrag mit der Begründung, sie leide seit August 2010 auch an Diabetes und ihr Rheuma habe sich verschlimmert. Das Versorgungsamt holte einen Befundbericht von Dr. M1 vom 2. Dezember 2010 ein, ausweislich dessen sich keine Besserung der rheumatischen Erkrankung ergeben hatte; außerdem habe sich im Mai 2010 erstmals der Diabetes manifestiert. Zudem holte das Versorgungsamt einen Befundbericht von Dr. T. ein, wo es im Wesentlichen heißt, die rheumatische Erkrankung habe noch nicht befriedigend eingestellt werden können. Gestützt auf eine Gutachtliche Stellungnahme von Dr. P1 lehnte das Versorgungsamt daraufhin den Antrag mit Bescheid vom 1. Februar 2011 ab. Den nächsten Neufeststellungsantrag stellte die Klägerin sodann im Mai 2012.

Soweit die Klägerin zuletzt ausgeführt hat, Dr. T. könne möglicherweise belegen, dass sie auch im Oktober 2010 arbeitsunfähig gewesen sei, brauchte der Senat dem nicht nachzugehen. Ausweislich der Auskunft der BKK M. ist für Oktober 2010 Arbeitsunfähigkeit nicht ärztlich festgestellt worden. Es liegen auch keinerlei Hinweise auf eine stationäre Behandlung oder sonst einen Umstand vor, der mit überwiegender Wahrscheinlichkeit für Arbeitsunfähigkeit spricht. Vielmehr war dies gerade die Zeit, in der die Klägerin einer ehrenamtlichen Tätigkeit nachging. Eine anderslautende Aussage eines behandelnden Arztes betreffend einen inzwischen beinahe 6 Jahre zurückliegenden Zeitraum könnte angesichts des oben aufgezeigten Maßstabs, anhand dessen sich die Arbeitsunfähigkeit beurteilt, den Senat für sich betrachtet nicht in dem Maße überzeugen, das für eine Verurteilung der Beklagten zur Rentenzahlung erforderlich wäre. Sie könnte angesichts des Fehlens weiterer äußerer Umstände, die eine Arbeitsunfähigkeit im genannten Zeitraum indizieren, den Senat auch nicht zu weiterer Sachaufklärung veranlassen, denn selbst ein weiteres medizinisches Sachverständigengutachten zur Frage, ob die Klägerin im Oktober 2010 arbeitsunfähig (im o.g. Sinne) gewesen ist, könnte sich auf wenig mehr als die auch dem Senat bekannte Aktenlage stützen.

d) Ein abweichendes Ergebnis folgt weder aus der Tatsache, dass die Klägerin sowohl mit der Bundesagentur für Arbeit als auch mit dem Jobcenter Eingliederungsvereinbarungen abgeschlossen hatte, die bis in den Oktober 2010 hinein gelten sollten, noch lässt es sich aus einem – wie die Klägerin meint – Beratungsfehler der Bundesagentur für Arbeit anlässlich der Abmeldung herleiten.

aa) Hierbei soll nicht verkannt werden, dass grundsätzlich einiges dafür sprechen dürfte, den Tatbestand der Meldung als arbeitsuchend im Sinne von § 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VI auch durch eine Eingliederungsvereinbarung mit entsprechendem Inhalt erfüllt anzusehen. Der vorliegende Fall bietet indes keinen Anlass dazu, diese Rechtsfrage zu entscheiden, denn eine solche Substitution der Arbeitssuchendmeldung kommt dann nicht mehr in Betracht, wenn sich der Betroffene bei der Arbeitsvermittlung abgemeldet hat. Auf die Meldung als arbeitsuchend stellt das Gesetz deswegen ab, weil es sich um ein leicht nachprüfbares Indiz handelt (Fichte in Hauck/Noftz, SGB, 08/14, § 58 SGB VI Rn. 72 m.w.N.). Auch wenn sich argumentieren lässt, dass dies auch für eine entsprechend formulierte Eingliederungsvereinbarung gelten kann, so ist die ausdrückliche Abmeldung gegenüber der Bundesagentur für Arbeit dennoch geeignet, quasi als actus contrarius die Wirkung nicht nur der Meldung, sondern auch einer entsprechenden Vereinbarung – auch wenn sie mit einem anderen Träger geschlossen wurde – entfallen zu lassen.

bb) Die Klägerin kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, die Bundesagentur für Arbeit habe es anlässlich des Telefonats am 5. Oktober 2010 unterlassen, sie ordnungsgemäß zu beraten. Zweifelhaft erscheint hieran zunächst, ob der Bundesagentur für Arbeit eine Pflicht zur Spontanberatung hinsichtlich möglicher rentenversicherungsrechtlicher Implikationen obliegt. Allerdings kann dies im Ergebnis dahinstehen, denn auch wenn ein Beratungsfehler zu bejahen wäre, vermöchte dies der Klage nur unter dem Aspekt des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs zum Erfolg verhelfen (vgl. dazu allgemein BSG, Urteil vom 15. Dezember 1994 – 4 RA 64/93, SozR 3-2600 § 58 Nr. 2). Allerdings kommt eine Ersetzung tatsächlicher Umstände, denen gestaltende Entscheidungen des Betroffenen zugrunde liegen, im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs nicht in Betracht (BSG, Urteil vom 31. Oktober 2007 – B 14/11b AS 63/06 R, SozR 4-1200 § 14 Nr. 10: Abrede mit einem Dritten; BSG, Urteil vom 31. Januar 2006 – B 11a AL 15/05 R, juris Rn. 19:Verfügbarkeit im Sinne des Arbeitsförderungsrechts). Da es sich bei der Meldung als arbeitsuchend nicht um die Ausübung eines Gestaltungsrechts, sondern um eine reine Tatsachenerklärung handelt (BSG, Urteil vom 18. August 2005 – B 7a/7 AL 94/04 R, SozR 4-4300 § 140 Nr. 2), lässt sie sich auch nicht im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs fingieren.

e) Zusammenfassend erlaubt auch § 43 Abs. 4 SGB VI – unter Zugrundelegung der Annahme einer Zeit nach § 43 Abs. 4 Nr. 3 SGB VI in Verbindung mit § 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VI vom 28. Januar 2010 bis zum 30. September 2010 – eine Verlängerung des maßgeblichen Zeitraums um lediglich neun Monate. Da im originären 5-Jahres-Zeitraum vom 14. Juli 2009 bis zum 13. Juli 2014 aber nur sechs Monate mit Pflichtbeiträgen belegt sind, genügt dies nicht, um die Voraussetzung des § 43 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB VI zu erfüllen.

III.) Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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