Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 11 R 1334/13
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 3 R 101/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 13. August 2015 aufgehoben und der Bescheid vom 30. Oktober 2012 in der Gestalt der Änderungsbescheide vom 13. März 2013 und 10. Juni 2013 sowie des Widerspruchsbescheides vom 6. Dezember 2013 dahingehend abgeändert, dass der Klägerin für die Zeit vom 1. März 1997 bis zum 8. März 1999 Übergangsgeld und bereits für die Zeit ab 21. April 1999 eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit gewährt wird. Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Im Streit ist, ob die Klägerin Rente wegen Erwerbsunfähigkeit (bzw. Übergangsgeld) bereits ab dem 1. März 1997 beanspruchen kann.
Die 1963 geborene Klägerin war nach einem 1990 erlittenen Unfall zuletzt 1994 versicherungspflichtig beschäftigt gewesen. Sie stellte am 10. Februar 1997 bei der Beklagten einen Antrag auf medizinische Rehabilitationsleistungen. Der Verwaltungsvorgang ist nicht mehr vorhanden, die Unterlagen wurden vernichtet.
Wegen einer Arbeitsunfähigkeit ab dem 10. Februar 1997 bezog die Klägerin seit dem 24. März 1997 bis zum 9. August 1998 Krankengeld. Die Beklagte bestätigte der Klägerin mit Schreiben vom 27. März 1997 den Eingang ihres Antrages auf Leistungen zur Rehabilitation. Die HEK teilte der Klägerin mit Schreiben vom 6. August 1997 mit, dass bereits ein Rehabilitationsantrag vorliege. Weitere Maßnahmen würden sich erübrigen, sie sei aber in ihrer Disposition im Hinblick auf eine Rücknahme des Rentenantrages eingeschränkt.
Die Klägerin bezog im Anschluss an das Krankengeld ab dem 10. August 1998 Arbeitslosengeld vom Arbeitsamt H ... Die Leistungen wurden durch Bescheid vom 9. März 1999 mit Beginn einer stationären medizinischen Rehabilitationsmaßnahme eingestellt. Für die Dauer der medizinischen Reha gewährte die Beklagte der Klägerin in der Zeit vom 9. März 1999 bis zum 20. April 1999 Übergangsgeld. Die medizinische Rehabilitationsmaßnahme wurde in der H1-Klinik in B. durchgeführt. Nach dem vorliegenden Entlassungsbericht wurde die Klägerin unter der Diagnose einer ängstlich-vermeidenden Persönlichkeitsstörung, einer Somatisierungsstörung sowie weiteren Erkrankungen mit einem halb- bis untervollschichtigen Leistungsvermögen als arbeitsunfähig entlassen. Sie bezog im Anschluss in der Zeit vom 21. April 1999 bis zum 8. September 2000 Arbeitslosengeld. Auf Veranlassung der Beklagten wurde ein Verfahren auf Teilhabeleistungen am Arbeitsleben bei der Bundesanstalt für Arbeit (Arbeitsamt H.) eingeleitet. Mit Bescheid vom 10. Februar 2003 wurde der Antrag mit der Begründung abgelehnt, dass zunächst medizinische Maßnahmen vorrangig seien.
In der Zeit vom 9. September 2000 bis zum 14. November 2010 bezog die Klägerin bis auf eine Wohngeldzahlung im September 2000 in Höhe von 83 Euro keinerlei Sozialleistungen und war krank und arbeitsunfähig. Sie lebte von einer Schmerzensgeldzahlung, die im Hinblick auf den erlittenen Unfall gezahlt wurde.
Ab dem 15. November 2010 bezog die Klägerin Arbeitslosengeld II. Auf Veranlassung des Leistungsträgers wurde eine Begutachtung zur Erwerbsfähigkeit durchgeführt. Nachdem mit Gutachten vom 7. November 2011 Erwerbsunfähigkeit für mehr als sechs Monate festgestellt worden war, stellte der Leistungsträger die Zahlung von Arbeitslosengeld II zum 31. Dezember 2011 ein. Ab dem 1. Januar 2012 bezog die Klägerin dann Sozialhilfe.
Mit Schreiben vom 22. Dezember 2012 teilte der Sozialhilfeträger der Beklagten mit, dass ab 1. Januar 2012 Sozialhilfe gezahlt werde, machte gleichzeitig einen Erstattungsanspruch gemäß §§ 102 f. Sozialgesetzbuch – Zehntes Buch (SGB X) geltend und bat hilfsweise um Einleitung eines Rentenverfahrens.
Am 10. Mai 2012 beantragte die Klägerin die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung, überreichte das zuvor von der Beklagten übersandte und von ihr ausgefüllte Rentenantragsformular und legte zahlreiche Dokumente vor.
Auf Veranlassung der Beklagten wurden Befundberichte beigezogen und ein medizinisches Gutachten eingeholt. Der Neurologe und Psychiater Dr. S. kam nach Untersuchung der Klägerin in seinem Gutachten vom 31. August 2012 zu dem Ergebnis, dass die Klägerin bereits zum Zeitpunkt des Beginns der medizinischen Rehabilitationsmaßnahme, also am 9. März 1999, erwerbsunfähig gewesen sei.
Daraufhin gewährte die Beklagte mit Bescheid vom 30. Oktober 2012 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung für die Zeit ab 1. Dezember 2012 in Höhe von monatlich 677,32 EUR.
Hiergegen richtet sich der am 21. November 2012 von der Klägerin erhobene Widerspruch, mit dem sie sich einerseits gegen die Rentenberechnung wandte und andererseits einen früheren Rentenbeginn geltend machte. Sie vertrat die Auffassung, dass der Antrag auf Gewährung von Rehabilitationsleistungen aus dem Jahr 1997 als Rentenantrag zu werten sei. Demzufolge stünden ihr Leistungen bereits ab dem 10. Februar 1997 zu.
Die Beklagte führte weitere Ermittlungen durch. Unter dem 9. Dezember 2012 teilte die beratende Ärztin Dr. Schauer auf Anfrage der Beklagten mit, dass der Leistungsfall aus medizinischer Sicht zum Zeitpunkt des Reha-Antrages (10. Februar 1997) vorgelegen habe.
Mit Anpassungsbescheid vom 13. März 2013 wurde die Rente für die Zeit ab 1. Mai 2013 neu berechnet (monatlich 729,18 EUR) und ein Nachzahlungsbetrag für die Zeit vom 1. Januar 2008 bis zum 30. April 2013 von 37.223,96 EUR benannt.
Die Klägerin erhob mit Schreiben vom 22. März 2013 auch gegen diesen Bescheid Widerspruch.
Mit Gegenstandsbescheid vom 10. Juni 2013 gewährte die Beklagte der Klägerin eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit. Die Anspruchsvoraussetzungen seien am 10. Februar 1997 erfüllt, rechtswirksames Antragsdatum sei der 27. März 1997 und Rentenbeginn somit der 1. März 1997. Aufgrund der eingetretenen Verjährung bestehe ein Anspruch auf Rentenzahlungen jedoch erst ab dem 1. Januar 2008. Das gelte sowohl für den Anspruch auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit als auch für ein mögliches Übergangsgeld.
Mit Schreiben vom 22. Juni 2013 erhob die Klägerin weitere Einwände und vertrat die Ansicht, dass eine Verjährung aufgrund des bereits 1997 gestellten Antrages nicht habe eintreten können.
Ohne sich näher mit den Argumenten der Klägerin auseinanderzusetzen, wies die Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 6. Dezember 2012 als unbegründet zurück. Der Anspruch sei gemäß § 45 Sozialgesetzbuch – Erstes Buch (SGB I) für die Zeit vor dem 1. Januar 2008 verjährt. Darüber hinaus komme auch bei einem Verschulden des Leistungsträgers § 44 Abs. 4 SGB X zur Anwendung, wonach Sozialleistungen rückwirkend für vier Jahre zu gewähren seien.
Hiergegen hat die Klägerin am 28. September 2013 Klage vor dem Sozialgericht Hamburg erhoben und argumentiert, dass aufgrund des schwebenden Antragsverfahrens eine Verjährung nicht habe eintreten können, weshalb ihr ab dem Zeitpunkt der Antragstellung Übergangsgeld und nach der Rehabilitationsmaßnahme Rente wegen Erwerbsunfähigkeit zustehe. Darüber hinaus behalte sie sich vor, Schadensersatzansprüche gegen die Beklagte geltend zu machen. Die Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung vom 13. August 2015 beantragt, ihr eine Rente wegen Erwerbsminderung bereits ab März 1997 zu zahlen.
Mit Urteil vom 13. August 2015 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Der weitergehende Anspruch auf Gewährung einer Erwerbsunfähigkeitsrente sei gemäß § 45 SGB I verjährt. Ungeachtet dessen ergebe sich auch nichts anderes bei einem möglichen Verschulden der Beklagten. Nach den Grundsätzen eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs verbleibe es bei der rückwirkenden Zahlung ab dem 1. Januar 2008, weil sich auch bei einem Fehlverhalten der Behörde kein weitergehender Leistungsanspruch ergebe.
Gegen das ihr am 31. August 2015 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 10. September 2015 Berufung eingelegt. Sie rügt die Missachtung von Vorschriften des Datenschutzes bei der Darstellung des Urteils und in der mündlichen Verhandlung, weil ohne näheren Grund medizinische Sachverhalte erörtert worden seien. Sie wiederholt die bereits erstinstanzlich vorgetragene Rechtsauffassung, dass die Verjährung durch den Antrag auf Rehabilitationsleistungen bis zur Bescheiderteilung unterbrochen sei. Aus diesem Grunde stünden ihr Zahlungen bereits ab dem 1. März 1997 zu.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 13. August 2015 und den Bescheid vom 30. Oktober 2012 in der Gestalt der Änderungsbescheide vom 13. März 2013 und 10. Juni 2013 sowie des Widerspruchsbescheides vom 6. Dezember 2013 dahingehend abzuändern, dass der Klägerin für die Zeit vom 1. März 1997 bis zum 8. März 1999 Übergangsgeld und bereits für die Zeit ab 21. April 1999 eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit gewährt wird.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte verweist auf das erstinstanzliche Urteil und argumentiert, dass nach der Rechtsprechung des BSG auch bei einem sozialrechtlichen Herstellungsanspruch § 44 Abs. 4 Sozialgesetzbuch – Zehntes Buch (SGB X) zur Anwendung gelange, mit der Folge, dass rückwirkend nur für vier Jahre Leistungen beansprucht werden könnten.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakte und die Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß § 143 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte, insbesondere gemäß § 151 SGG form- und fristgerechte Berufung ist zulässig und begründet.
1. Der Streitgegenstand der Klage ist - neben der (früheren) Zahlung der Rente wegen Erwerbsunfähigkeit - auch auf die Gewährung von Übergangsgeld gerichtet. Hieran ändert der in der mündlichen Verhandlung vom 13. August 2015 vor dem Sozialgericht gestellte Antrag, der sich lediglich auf die Gewährung einer Rente ab März 1997 bezieht, nichts. Denn die Auslegung des Streitgegenstandes erfolgt nicht nur nach dem förmlichen Klageantrag, sondern auch nach dem gesamten Vorbringen der Klägerin (§ 123 SGG). Im Zweifelsfall ist davon auszugehen, dass die Klägerin alles zugesprochen haben möchte, was ihr aufgrund des Sachverhalts zusteht (BSG v. 11.11 1987 – 9a RV 22/85 in juris, Rn.11 und 12). Für eine Beschränkung des Klageantrages gibt es keine Anhaltspunkte. Weder aus dem Protokoll noch aus den Entscheidungsgründen des erstinstanzlichen Urteils ist in irgendeiner Form ersichtlich, dass – entgegen dem Vorbringen im Klageverfahren und insbesondere der Klageschrift – Übergangsgeld nicht mehr beansprucht werden sollte. Demzufolge ist nicht von einer Teilklagerücknahme auszugehen.
Obwohl die Entscheidung des Sozialgerichts einen möglichen Anspruch auf Übergangsgeld ausgeklammert hat, kann hierüber im Berufungsverfahren entschieden werden. Es handelt sich nämlich um eine bewusste Ausklammerung und für eine Urteilsergänzung bzw. eine Übertragung von Prozessresten in das Berufungsverfahren ist kein Raum. Das Sozialgericht hat nicht versehentlich bei zutreffender Auslegung der Klageanträge vergessen bzw. es unterlassen, über entscheidungsbedürftige Punkte zu entscheiden (vgl. BSG v. 02.04.2014 – B 3 KR 3/14 B in juris, Rn. 10, s. a. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Auflage, § 140 Rn 2c mit weiteren Nachweisen), sondern den Streitgegenstand unzutreffend erfasst.
Die Beklagte hat schließlich mit den angefochtenen Bescheiden über den Anspruch auf Übergangsgeld entschieden, so dass eine auf Ablehnung des Anspruchs gerichtete Verwaltungsentscheidung vorliegt. Der Regelungsgehalt der angefochtenen Verwaltungsakte ist durch Auslegung zu ermitteln. Dabei ist neben dem Verfügungssatz auch die Begründung des Verwaltungsaktes maßgeblich einschließlich aller Anlagen sowie aller weiteren Tatsachen und Umstände, die dem Empfänger bekannt waren (v. Wulffen, SGB X, 7. Auflage, § 33, Rn 4 mit zahlreichen weiteren Nachweisen).
Nach dem Verfügungssatz des Gegenstandbescheides vom 10. Juni 2013 ist der Klägerin eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit für die Zeit ab 1. Oktober 2008 bewilligt worden. Damit sind Rentenzahlungen für die Zeit davor eindeutig und unmissverständlich abgelehnt worden. Unter Berücksichtigung der Ausführungen in der Anlage zu 10 zu diesem Bescheid ergibt sich sowohl nach dem Willen der Beklagten als auch nach dem objektiven Empfängerhorizont eine Ablehnungsentscheidung auch für einen möglichen Anspruch auf Übergangsgeld. Die Beklagte hat deutlich gemacht, dass die Einrede der Verjährung aus Ihrer Sicht sowohl den Anspruch auf Rente als auch den Anspruch auf Übergangsgeld beseitigt.
2. Das Sozialgericht hat die Klage zu Unrecht abgewiesen. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Übergangsgeld für die Zeit vom 1. März 1997 bis zum 8. März 1999 und auf eine Erwerbsunfähigkeitsrente bereits ab 21. April 1999. Der Bescheid vom 30. Oktober 2012 in der Gestalt der Änderungsbescheide vom 13. März 2013 und 10. Juni 2013 sowie des Widerspruchsbescheides vom 6. Dezember 2013 ist insoweit rechtswidrig, insbesondere ist keine Verjährung eingetreten.
Der Anspruch auf Übergangsgeld folgt aus § 25 Abs. 2 Sozialgesetzbuch – Sechstes Buch (SGB VI) in der bis zum 31.12.2000 geltenden Fassung. Danach besteht der Anspruch auf Übergangsgeld für die Zeit ab Beantragung der Rehabilitationsleistungen. Der ab dem 1. März 1997 bestehende Anspruch auf Rente war nach der damaligen Rechtslage gemäß § 116 Abs. 1 Satz 2 und Satz 3 SGB VI in der bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Fassung ausgeschlossen. Danach gilt: werden Leistungen zur Rehabilitation bewilligt, besteht während dieser Leistungen neben einem Anspruch auf Übergangsgeld kein Anspruch auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit, es sei denn, dass die Rente bereits vor Beginn der Leistungen bewilligt war (Satz 2). Satz 2 wird auch angewendet, wenn Übergangsgeld für einen sonstigen Zeitraum zu zahlen ist (Satz 3)
Eine Rentenbewilligung liegt - bei einem grundsätzlichen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit - nicht vor, weshalb bis zum Beginn der Maßnahme ein Anspruch auf Übergangsgeld besteht.
Gemäß § 44 SGB VI in der bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Fassung besteht ein Anspruch auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit. Anspruchsbeginn nach § 99 Abs. 1 SGB VI ist – wie im Bescheid vom 10. Juni 2013 zutreffend von der Beklagten dargelegt – der 1. März 1997 als Folgemonat der Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen.
Die Beklagte ist auch zu Recht von einem Leistungsfall im März 1997 ausgegangen. Denn am 10. Februar 1997 hat die Klägerin bei der Beklagten Leistungen zur medizinischen Rehabilitation beantragt. § 116 Abs. 2 SGB VI sieht u.a. vor, dass der Antrag auf Leistungen zur Rehabilitation als Rentenantrag gilt, wenn Versicherte vermindert erwerbsfähig bzw. erwerbsunfähig sind (gemäß § 116 Abs. 2 in der bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Fassung) und nach § 116 Abs. 2 Nr. 2 SGB VI Leistungen zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben nicht erfolgreich gewesen sind und eine Erwerbsunfähigkeit nicht verhindert haben. Diese Voraussetzungen liegen hier vor, denn die Klägerin hat Leistungen der medizinischen Rehabilitation bei der Beklagten beantragt und ohne Erfolg eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme durchgeführt. Sie war nach dem Gutachten des Neurologen und Psychiaters Dr. S. in Verbindung mit der medizinischen Stellungnahme der beratenden Ärztin Dr. Schauer nicht nur zum Zeitpunkt des Beginns der Maßnahme erwerbsgemindert und nur noch in der Lage unter 3 h täglich zu arbeiten, sondern bereits ab dem Zeitpunkt des Antragstellung am 10. Februar 1997. In Anbetracht der durchgehenden Arbeitsunfähigkeit und vor dem Hintergrund, dass die Klägerin 1994 zuletzt versicherungspflichtig beschäftig gewesen ist, bestehen an dieser Einschätzung auch keine Zweifel. Das bedeutet, dass - nach objektiven Kriterien - bereits zu diesem Zeitpunkt ein aufgehobenes Leistungsvermögen vorlag und die Beklagte den aufgrund der Fiktion des § 116 Abs. 2 SGB VI als Rentenantrag zu wertenden Reha-Antrag hätte bescheiden müssen.
a. Die Ansprüche sind nicht verjährt. Die Verjährung war gemäß § 45 Abs. 3 SGB I durch das Antragsverfahren gehemmt gewesen.
Gemäß § 45 Abs. 1 SGB I verjähren Ansprüche auf Sozialleistungen in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahrs, in dem sie entstanden sind. Danach wären die Rentenansprüche vor dem 1. Januar 2008 verjährt.
Die Verjährung ist jedoch gemäß § 45 Abs. 3 SGB I in der Fassung vom 4. November 1982 unter Anwendung der Übergangsvorschriften (Art. 229 § 6 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch )EGBGB( zur Schuldrechtsreform, anwendbar gemäß § 70 SGB I) bis zum 31. Dezember 2001 unterbrochen und im Anschluss unter Berücksichtigung der Neufassung des § 45 Abs. 3 SGB I vom 21. Juni 2002 gehemmt. Danach wird die Verjährung durch schriftlichen Antrag auf die Sozialleistung oder durch Erhebung eines Widerspruchs gehemmt.
Der am 27. März 1997 gestellte Antrag auf Rehabilitationsleistungen führte zur Hemmung der Verjährungsfrist. Es handelt sich um einen schriftlichen Antrag, der auf die begehrte Sozialleistung einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit bzw. Übergangsgeld gerichtet war. Denn unter Berücksichtigung des § 116 Abs. 2 Nr. 2 SGB VI wurde bereits zu diesem Zeitpunkt rechtswirksam ein Antrag auf Rente gestellt. Die Rentenantragsfiktion bewirkt, dass von Amts wegen ein Rentenfeststellungsverfahren durchzuführen ist. Der Rentenbeginn (§§ 99 ff. SGB VI) richtet sich dann nach dem Eingang des Reha-Antrages (Kühn in Kreikebohm, SGB VI, 4. Auflage, § 116 Rn. 13). Das bedeutet, dass durch die gesetzliche Fiktion ein reguläres Verwaltungsverfahren zur Prüfung des Rentenantrages in Gang gesetzt wird. Damit sind die Voraussetzungen des § 45 Abs. 3 SGB I erfüllt, denn es wurde ein wirksamer Antrag auf die begehrte Sozialleistung gestellt, der von Amts wegen bearbeitet werden musste. Das hat zur Folge, dass für die gesamte Dauer des Verfahrens – in diesem Fall rund 15 Jahre – die Verjährung gehemmt ist.
Es sind keine Gründe erkennbar, weshalb die Antragsfiktion des § 116 Abs. 3 SGB VI anders behandelt werden sollte als ein normaler Rentenantrag. Denn Zielsetzung dieser Regelung ist es, den Versicherten rentenrechtlich nicht zu benachteiligen, wenn Bereitschaft besteht, eine Rehabilitationsmaßnahme durchzuführen. Die Fiktion führt dazu, dass ohne weitere Schritte des Versicherten ein Rentenfeststellungsverfahren vom Rentenversicherungsträger durchzuführen ist. Damit ergibt sich kein Unterschied zu einem Antrag auf Erwerbsminderungsrente bzw. Rente wegen Erwerbsunfähigkeit. Maßgeblich ist, dass durch den Antrag ein Verfahren in Gang gesetzt wird, welches auf die begehrte Sozialleistung abzielt. Diese Voraussetzung wird durch die Fiktion herbeigeführt, obwohl zunächst ein Antrag auf Rehabilitationsleistungen gestellt wurde. Im Ergebnis wird - bei Vorliegen der Voraussetzungen – ein Antragsverfahren initiiert. Dass auch ein fingierter Antrag die Verjährung hemmt (bzw. nach altem Recht unterbrochen hat) ist im Ergebnis auch mehrfach vom Bundessozialgericht (BSG) im Zusammenhang mit der Fiktion einer im Ausland beantragten Rente unter Berücksichtigung eines zwischenstaatlichen Abkommens entschieden worden (BSG v. 12.02.2004 – B 13 RJ 58/03 R und v. 08.12.2003 – B 13 RJ 35/05 R, jeweils in juris).
Die Hemmung tritt ein, obwohl der Antrag zugleich materiell-rechtliche Leistungsvoraussetzung für den Anspruch ist. Der Senat folgt der Rechtsprechung des BSG, wonach auch ein solcher materiell-rechtlich wirkender Leistungsantrag von der Regelung des § 45 Abs. 3 SGB I erfasst wird. Das BSG (v. 14.09.1992 – 9a RV 22/91 in juris) ist der abweichenden Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG v. 20.02.1992 – 5 C 74/88 in juris) nicht gefolgt und hat dargelegt, dass es nicht schade, wenn das die Verjährung unterbrechende (nach neuer Rechtslage hemmende) Ereignis gleichzeitig eintrete oder vor Beginn der Verjährungsfrist liege. Auch nach der überwiegenden Ansicht in der Literatur kommt es zu einer Hemmung der Verjährung, wenn es sich materiell-rechtlich um einen Leistungsantrag handelt (Wagner in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB I, 2. Aufl. 2011, § 45 SGB I, Rn. 43, Rolfs in Hauck/Noftz, SGB I, § 45 Rn 25, Baier in Krauskopf, SozKV, § 45 SGB I, Rn. 13; Lilge, SGB I, 4. Auflage, § 45 Rn 37). In einer späteren Entscheidung (BSG v.15.06.2000 – B 7 AL 64/99 R in juris) ist unterschieden worden, ob es sich um eine abschnittsweise zu gewährende Leistung handelt. In einem solchen Fall wird durch den ersten Leistungsantrag die Verjährung nicht insgesamt gehemmt, sondern es bedarf hierfür weiterer Mahnungen.
In weiteren rentenrechtlichen Entscheidungen des BSG ist auch bei einem materiell-rechtlich wirkenden Leistungsantrag von einer Unterbrechung/Hemmung der Verjährung ausgegangen worden, ohne dies jedoch näher zu problematisieren (vgl. BSG v. 12.02.2004 – B 13 RJ 58/03 R in juris und v.08.12.2005 – B 13 RJ 35/05 R in juris). In beiden Fällen wurde der Anspruch durch einen bei einem ausländischen Rentenversicherungsträger gestellten Antrag auf Rentengewährung (erstmalig) begründet. Das BSG hat jeweils eine Unterbrechung der Verjährung durch diesen Antrag gemäß § 45 Abs. 1 SGB I in der bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Fassung angenommen.
Die Gegenmeinung stellt darauf ab, dass eine Unterbrechung (Hemmung) der Verjährung voraussetze, dass diese bereits zuvor entstanden sein müsse. Das sei nicht der Fall, wenn der Antrag zugleich den Anspruch begründet (BVerwG v. 20.02.1992 – 5 C 74/88 in juris, Rn.15; Mrozzynski, SGB I, 4.Auflage, § 45 Rn 22). Eine Verjährungsunterbrechung bzw. Hemmung trete demzufolge nur dann ein, wenn nach der Entstehung des Anspruches weitere Anträge bzw. "Mahnungen" ergangen seien. Die Auffassung wird auch damit begründet, dass die Verjährungsvorschrift des § 45 Abs. 1 SGB I für alle Sozialleistungen, bei denen dem Antrag materiell-rechtliche Bedeutung zukommt, d.h. im Regelfall, praktisch bedeutungslos wäre.
Auch wenn die o.g. Argumente durchaus plausibel sind, ist der Auffassung, dass auch ein zugleich materiell-rechtlich wirkender Antrag zu einer Hemmung der Verjährung führt, zu folgen. Zwar mag es sein, dass eine Unterbrechung bzw. Hemmung voraussetzt, dass eine Verjährungsfrist überhaupt zuvor in Gang gesetzt wurde, jedoch hat das BSG zu Recht darauf hingewiesen, dass auch im Zivilrecht anerkannt ist, dass das die Verjährung unterbrechende Ereignis gleichzeitig oder vor Beginn der Verjährungsfrist liegen kann. Denn die nach der parallelen Regelung in § 201 BGB in der bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Fassung am Schluss eines Jahres beginnende Verjährungsfrist wird durch eine vor ihrem Beginn, aber nach Entstehung des Anspruchs erhobene Klage unterbrochen (BSG v. 24.09.1992 – 9a RV 22/91 unter Verweis auf Rechtsprechung des BGH in juris, Rn. 13). Auch spricht der Wortlaut der Regelung nicht für eine einschränkende Auslegung (s. a. Wagner in JurisPK-SGB I, 2. Auflage, § 45 Rn. 43). Denn es wird nur auf einen schriftlichen Antrag - gerichtet auf die Sozialleistung - abgestellt, ohne dass eine besondere Einschränkung formuliert würde. Es ist gut möglich, dass die aus der Formulierung folgende Gleichbehandlung aller Leistungsanträge bewusst erfolgt ist und sozialpolitisch gewollt war (s. Baier in Krauskopf, SozKV, § 45 SGB I, Rn. 13). Denn aufgrund des Amtsermittlungsgrundsatzes ist der Leistungsträger verpflichtet, von Amts wegen tätig zu werden und es erscheint grundsätzlich gerechtfertigt und angemessen, für die Dauer des Antragsverfahrens eine Hemmung (Unterbrechung) anzunehmen. Für die Sachbearbeitung bedarf es keiner weiteren Handlungen des Antragstellers mehr. Die Behörde ist vielmehr verpflichtet, das eingeleitete Verfahren zu bearbeiten und im Ergebnis in irgendeiner Weise zu bescheiden. Leistungsberechtigte wären mit einer differenzierten Bewertung ihres Antrages überfordert und dürfen grundsätzlich darauf vertrauen, dass der Leistungsträger über den Antrag entscheidet und sich nicht nach längerem Zeitablauf auf die eingetretene Verjährung beruft (Baier in Krauskopf, SozKV, § 45 SGB I, Rn. 13). Das gilt selbst dann, wenn die erforderliche Mitwirkung des Antragstellers unterbleibt. Denn in einem solchen Fall ist die Behörde nicht berechtigt, das Verfahren ohne eine Entscheidung in der Sache zu beenden bzw. einfach einzustellen. Gegebenenfalls ist nach §§ 66 ff. SGB I zu verfahren. Insgesamt erscheint es daher unbillig, wenn der Leistungsträger es in der Hand hätte, durch eine Nichtbearbeitung bzw. schleppende Bearbeitung eines laufenden Verfahrens eine Verjährung herbeizuführen.
Die vom BSG bei einer abschnittsweisen Bewilligung für erforderlich gehaltene Mahnungen ändern an diesem Ergebnis nichts. Es ist richtig bei dieser Fallkonstellation auf ein weiteres Tätigwerden für den Hemmungstatbestand abzustellen. Systematisch sind in diesem Fall weitere Anträge erforderlich und im Unterschied zu anderen Leistungen muss der Leistungsempfänger das Verfahren nach Beendigung des Bewilligungsabschnittes weiterbetreiben. Der ursprünglich gestellte Leistungsantrag reicht gerade nicht mehr aus und die Behörde ist nicht verpflichtet, von sich aus nicht tätig zu werden. Denn in den Fäl¬len, in denen der ursprüng¬li¬che Leis¬tungs¬an¬trag mate¬ri¬ell-recht¬li¬che Bedeu¬tung für die Ent¬ste¬hung des Anspruchs hat, die Leis¬tungs¬be¬wil¬li¬gung jeweils nur für einen bestimm¬ten Zeit¬raum erfolgt und in denen die erneute Bewil¬li¬gung der Leis¬tung not¬wen¬dig von einer Mit¬wir¬kung des Berech¬tig¬ten abhängt, kann der Leistungsberechtigte sich nicht mehr auf die Hem¬mung der Ver¬jäh¬rung beru¬fen, wenn er jed¬wede, auf die Fort¬zah¬lung der Leis¬tung gerich¬tete Hand¬lung unter¬lässt (Rolfs in Hauck/Noftz, SGB I, § 45 Rn 25). Dieser Unterschied rechtfertigt es, auf weitere Handlungen/Anträge bzw. Mahnungen für den Hemmungstatbestand abzustellen.
Bei einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, die nicht befristet gewährt wird, handelt es sich jedoch nicht um eine abschnittweise zu gewährende Leistung. Weitere Handlungen des Versicherten sind nicht erforderlich. Im vorliegenden Fall ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass eine befristete Rente hätte gewährt werden müssen. Denn nach den von der Beklagten getroffenen medizinischen Feststellungen, die nicht zu beanstanden sind, kann und konnte nicht von der begründeten Aussicht ausgegangen werden, dass die Minderung der Erwerbsfähigkeit in der Zeit hätte behoben werden können (§ 102 Abs. 2 SGB VI in der bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Fassung).
Die Hemmung der Verjährung ist auch nicht deswegen ausgeschlossen, weil die Klägerin das Verfahren nicht betrieben hat (s. BSG v. I4.09.1992 – 9a RV 22/91 in juris, Rn 16). Ein aktives Betreiben des Verfahrens ist nicht erforderlich. § 204 Abs. 2 Satz 2 BGB (§ 211 Abs. 2 Abs. 2 Satz 1 Alt. BGB a.F.) gelangt bei Antragsverfahren in dem vom Amtsermittlungsgrundsatz beherrschten sozialrechtlichen Verwaltungsverfahren nicht zur Anwendung (BSG v. 12.02.2004 – B 13 RJ 58/03 R in juris Rn.22 mit weiteren Nachweisen).
Aufgrund des Amtsermittlungsgrundsatzes war vielmehr die Beklagte verpflichtet, die gebotenen Ermittlungen einzuleiten und das Verfahren überhaupt in ein Rentenverfahren zu überführen. Die Rentenantragsfiktion führt dazu, dass automatisch ein Feststellungsverfahren durchzuführen ist, wenn die Rehabilitationsmaßnahme – wie im vorliegenden Fall – nicht erfolgreich gewesen ist. Dass dies von der Beklagten unterlassen wurde, kann der Klägerin nicht angelastet werden und es bestand keine Verpflichtung, sich erneut bei der Beklagten melden. Das gilt insbesondere deshalb, weil der Klägerin nicht bekannt war und auch nicht hätte bekannt sein müssen, dass aufgrund der Regelung des § 116 Abs. 2 SGB VI unter den dort genannten Voraussetzungen der Antrag auf Rehabilitationsleistungen in einen Antrag auf Rente kraft gesetzlicher Fiktion umgedeutet wird – zumal die Erwerbsfähigkeit zu diesem Zeitpunkt von der Beklagten noch nicht zutreffend ermittelt worden war, obwohl hierzu Anlass bestanden hätte. Die Beklagte ihrerseits hätte jedoch von Amts wegen tätig werden müssen, um das aufgrund der gesetzlichen Fiktion eingeleitete Rentenverfahren in irgendeiner Form zu bearbeiten.
b. Schließlich ist auch trotz des Ablaufs von rund 15 Jahren nicht von einer Verwirkung auszugehen. Der Zeitablauf alleine reicht hierfür nicht aus, es müssen vielmehr besondere Umstände hinzukommen, die die Geltendmachung des Anspruchs als ungerechtfertigt erscheinen lassen (BSG v. 23.06.2015 – B 1 KR 26/14 R, in juris, Rn 46). Hier bleibt nur das Zeitmoment, weitere Umstände sind nicht ersichtlich. Hinzukommt, dass die Klägerin nicht wissen konnte, dass sie im Rechtsinne überhaupt einen Rentenantrag gestellt hatte.
c. Selbst wenn man zu dem Ergebnis gelangen würde, dass kein Hemmungstatbestand gegeben ist, würde die Einrede der Verjährung im pflichtgemäßen Ermessen des Versicherungsträgers stehen und wären die angefochtenen Bescheide wegen fehlender Ermessensbetätigung rechtswidrig. Es steht im pflichtgemäßen Ermessen, ob der Leistungsträger die Verjährungseinrede erheben will. Er kann sich dabei nicht allein auf den Zeitablauf berufen, sondern hat die Gründe für die Verjährungseinrede gegen die Gründe für die unverminderte Erfüllung des Anspruchs abzuwägen. Zum einen sind das fiskalische Interesse der Verwaltung an einer sparsamen Haushaltsführung, die Höhe des nachzuzahlenden Betrages, auch Gleichbehandlungsgrundsätze in Ansatz zu bringen und auf der anderen Seite sind die Interessen des Berechtigten, seine wirtschaftliche Situation und die wirtschaftliche Bedeutung des Nachzahlungsbetrages zu berücksichtigen. Hierzu gehören auch Kausalitäts- und Verschuldensfragen (Baier in Krauskopf SozKV, § 45 SGB I, Rn. 21).
Die Beklagte hat nicht erkannt, dass Ermessen auszuüben ist und demzufolge auch keine Ermessenserwägungen angestellt. Hierzu hätte aber durchaus Anlass bestanden, weil auf der einen Seite atypisch ist, dass die Klägerin in einem langen Zeitraum überhaupt keine anderweitigen Sozialleistungen bezogen hat und mittellos war. Und andererseits muss gewürdigt werden, dass die Beklagte aufgrund der Rentenantragsfiktion des § 116 Abs. 2 SGB VI hätte von Amts wegen tätig werden müssen. Sie hätte ggf. Vorkehrungen treffen müssen, um über das Ergebnis des Antrages auf berufliche Rehabilitation informiert zu werden, nachdem aus dem Entlassungsbericht ersichtlich war, dass die Rehabilitationsmaßnahme nicht erfolgreich gewesen ist. Sie trifft daher ein Verschulden, welches im Rahmen der Ermessenserwägungen hätte in Abwägung gebracht werden müssen. Ein etwaiges Verschulden der Bundesanstalt für Arbeit als weiterer Rehabilitationsträger bei der nicht erfolgten Bekanntgabe der Ablehnung der beruflichen Reha wäre der Beklagten zuzurechnen.
d. Entgegen der Ansicht der Beklagten kommt eine analoge Anwendung des § 44 Abs. 4 SGB X nicht in Betracht. Zwar hat das BSG entschieden, dass im Rahmen eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs die Vierjahresfrist des § 44 Abs. 4 SGB X entsprechend anzuwenden ist (BSG v. 24.04.2014 – B 13 R 23/3 R in juris). Jedoch verkennt die Beklagte, dass der Rentenanspruch der Klägerin unter Berücksichtigung der Antragsfiktion des § 116 Abs. 2 SGB VI nicht auf den Grundsätzen eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs beruht, sondern sich kraft Gesetzes ergibt. Es liegen nämlich alle nach dem Gesetz erforderlichen Tatbestandsvoraussetzungen einschließlich der Antragstellung (nach der gesetzlichen Fiktion) vor. Für die Anwendung der Grundsätze des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs ergibt sich somit kein Raum. Demzufolge scheidet auch eine analoge Anwendung des § 44 Abs. 4 SGB X aus (s. BSG v. 08.12.2005 – B 13 RJ 35/05 R in juris, Rn.18).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Im Streit ist, ob die Klägerin Rente wegen Erwerbsunfähigkeit (bzw. Übergangsgeld) bereits ab dem 1. März 1997 beanspruchen kann.
Die 1963 geborene Klägerin war nach einem 1990 erlittenen Unfall zuletzt 1994 versicherungspflichtig beschäftigt gewesen. Sie stellte am 10. Februar 1997 bei der Beklagten einen Antrag auf medizinische Rehabilitationsleistungen. Der Verwaltungsvorgang ist nicht mehr vorhanden, die Unterlagen wurden vernichtet.
Wegen einer Arbeitsunfähigkeit ab dem 10. Februar 1997 bezog die Klägerin seit dem 24. März 1997 bis zum 9. August 1998 Krankengeld. Die Beklagte bestätigte der Klägerin mit Schreiben vom 27. März 1997 den Eingang ihres Antrages auf Leistungen zur Rehabilitation. Die HEK teilte der Klägerin mit Schreiben vom 6. August 1997 mit, dass bereits ein Rehabilitationsantrag vorliege. Weitere Maßnahmen würden sich erübrigen, sie sei aber in ihrer Disposition im Hinblick auf eine Rücknahme des Rentenantrages eingeschränkt.
Die Klägerin bezog im Anschluss an das Krankengeld ab dem 10. August 1998 Arbeitslosengeld vom Arbeitsamt H ... Die Leistungen wurden durch Bescheid vom 9. März 1999 mit Beginn einer stationären medizinischen Rehabilitationsmaßnahme eingestellt. Für die Dauer der medizinischen Reha gewährte die Beklagte der Klägerin in der Zeit vom 9. März 1999 bis zum 20. April 1999 Übergangsgeld. Die medizinische Rehabilitationsmaßnahme wurde in der H1-Klinik in B. durchgeführt. Nach dem vorliegenden Entlassungsbericht wurde die Klägerin unter der Diagnose einer ängstlich-vermeidenden Persönlichkeitsstörung, einer Somatisierungsstörung sowie weiteren Erkrankungen mit einem halb- bis untervollschichtigen Leistungsvermögen als arbeitsunfähig entlassen. Sie bezog im Anschluss in der Zeit vom 21. April 1999 bis zum 8. September 2000 Arbeitslosengeld. Auf Veranlassung der Beklagten wurde ein Verfahren auf Teilhabeleistungen am Arbeitsleben bei der Bundesanstalt für Arbeit (Arbeitsamt H.) eingeleitet. Mit Bescheid vom 10. Februar 2003 wurde der Antrag mit der Begründung abgelehnt, dass zunächst medizinische Maßnahmen vorrangig seien.
In der Zeit vom 9. September 2000 bis zum 14. November 2010 bezog die Klägerin bis auf eine Wohngeldzahlung im September 2000 in Höhe von 83 Euro keinerlei Sozialleistungen und war krank und arbeitsunfähig. Sie lebte von einer Schmerzensgeldzahlung, die im Hinblick auf den erlittenen Unfall gezahlt wurde.
Ab dem 15. November 2010 bezog die Klägerin Arbeitslosengeld II. Auf Veranlassung des Leistungsträgers wurde eine Begutachtung zur Erwerbsfähigkeit durchgeführt. Nachdem mit Gutachten vom 7. November 2011 Erwerbsunfähigkeit für mehr als sechs Monate festgestellt worden war, stellte der Leistungsträger die Zahlung von Arbeitslosengeld II zum 31. Dezember 2011 ein. Ab dem 1. Januar 2012 bezog die Klägerin dann Sozialhilfe.
Mit Schreiben vom 22. Dezember 2012 teilte der Sozialhilfeträger der Beklagten mit, dass ab 1. Januar 2012 Sozialhilfe gezahlt werde, machte gleichzeitig einen Erstattungsanspruch gemäß §§ 102 f. Sozialgesetzbuch – Zehntes Buch (SGB X) geltend und bat hilfsweise um Einleitung eines Rentenverfahrens.
Am 10. Mai 2012 beantragte die Klägerin die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung, überreichte das zuvor von der Beklagten übersandte und von ihr ausgefüllte Rentenantragsformular und legte zahlreiche Dokumente vor.
Auf Veranlassung der Beklagten wurden Befundberichte beigezogen und ein medizinisches Gutachten eingeholt. Der Neurologe und Psychiater Dr. S. kam nach Untersuchung der Klägerin in seinem Gutachten vom 31. August 2012 zu dem Ergebnis, dass die Klägerin bereits zum Zeitpunkt des Beginns der medizinischen Rehabilitationsmaßnahme, also am 9. März 1999, erwerbsunfähig gewesen sei.
Daraufhin gewährte die Beklagte mit Bescheid vom 30. Oktober 2012 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung für die Zeit ab 1. Dezember 2012 in Höhe von monatlich 677,32 EUR.
Hiergegen richtet sich der am 21. November 2012 von der Klägerin erhobene Widerspruch, mit dem sie sich einerseits gegen die Rentenberechnung wandte und andererseits einen früheren Rentenbeginn geltend machte. Sie vertrat die Auffassung, dass der Antrag auf Gewährung von Rehabilitationsleistungen aus dem Jahr 1997 als Rentenantrag zu werten sei. Demzufolge stünden ihr Leistungen bereits ab dem 10. Februar 1997 zu.
Die Beklagte führte weitere Ermittlungen durch. Unter dem 9. Dezember 2012 teilte die beratende Ärztin Dr. Schauer auf Anfrage der Beklagten mit, dass der Leistungsfall aus medizinischer Sicht zum Zeitpunkt des Reha-Antrages (10. Februar 1997) vorgelegen habe.
Mit Anpassungsbescheid vom 13. März 2013 wurde die Rente für die Zeit ab 1. Mai 2013 neu berechnet (monatlich 729,18 EUR) und ein Nachzahlungsbetrag für die Zeit vom 1. Januar 2008 bis zum 30. April 2013 von 37.223,96 EUR benannt.
Die Klägerin erhob mit Schreiben vom 22. März 2013 auch gegen diesen Bescheid Widerspruch.
Mit Gegenstandsbescheid vom 10. Juni 2013 gewährte die Beklagte der Klägerin eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit. Die Anspruchsvoraussetzungen seien am 10. Februar 1997 erfüllt, rechtswirksames Antragsdatum sei der 27. März 1997 und Rentenbeginn somit der 1. März 1997. Aufgrund der eingetretenen Verjährung bestehe ein Anspruch auf Rentenzahlungen jedoch erst ab dem 1. Januar 2008. Das gelte sowohl für den Anspruch auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit als auch für ein mögliches Übergangsgeld.
Mit Schreiben vom 22. Juni 2013 erhob die Klägerin weitere Einwände und vertrat die Ansicht, dass eine Verjährung aufgrund des bereits 1997 gestellten Antrages nicht habe eintreten können.
Ohne sich näher mit den Argumenten der Klägerin auseinanderzusetzen, wies die Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 6. Dezember 2012 als unbegründet zurück. Der Anspruch sei gemäß § 45 Sozialgesetzbuch – Erstes Buch (SGB I) für die Zeit vor dem 1. Januar 2008 verjährt. Darüber hinaus komme auch bei einem Verschulden des Leistungsträgers § 44 Abs. 4 SGB X zur Anwendung, wonach Sozialleistungen rückwirkend für vier Jahre zu gewähren seien.
Hiergegen hat die Klägerin am 28. September 2013 Klage vor dem Sozialgericht Hamburg erhoben und argumentiert, dass aufgrund des schwebenden Antragsverfahrens eine Verjährung nicht habe eintreten können, weshalb ihr ab dem Zeitpunkt der Antragstellung Übergangsgeld und nach der Rehabilitationsmaßnahme Rente wegen Erwerbsunfähigkeit zustehe. Darüber hinaus behalte sie sich vor, Schadensersatzansprüche gegen die Beklagte geltend zu machen. Die Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung vom 13. August 2015 beantragt, ihr eine Rente wegen Erwerbsminderung bereits ab März 1997 zu zahlen.
Mit Urteil vom 13. August 2015 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Der weitergehende Anspruch auf Gewährung einer Erwerbsunfähigkeitsrente sei gemäß § 45 SGB I verjährt. Ungeachtet dessen ergebe sich auch nichts anderes bei einem möglichen Verschulden der Beklagten. Nach den Grundsätzen eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs verbleibe es bei der rückwirkenden Zahlung ab dem 1. Januar 2008, weil sich auch bei einem Fehlverhalten der Behörde kein weitergehender Leistungsanspruch ergebe.
Gegen das ihr am 31. August 2015 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 10. September 2015 Berufung eingelegt. Sie rügt die Missachtung von Vorschriften des Datenschutzes bei der Darstellung des Urteils und in der mündlichen Verhandlung, weil ohne näheren Grund medizinische Sachverhalte erörtert worden seien. Sie wiederholt die bereits erstinstanzlich vorgetragene Rechtsauffassung, dass die Verjährung durch den Antrag auf Rehabilitationsleistungen bis zur Bescheiderteilung unterbrochen sei. Aus diesem Grunde stünden ihr Zahlungen bereits ab dem 1. März 1997 zu.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 13. August 2015 und den Bescheid vom 30. Oktober 2012 in der Gestalt der Änderungsbescheide vom 13. März 2013 und 10. Juni 2013 sowie des Widerspruchsbescheides vom 6. Dezember 2013 dahingehend abzuändern, dass der Klägerin für die Zeit vom 1. März 1997 bis zum 8. März 1999 Übergangsgeld und bereits für die Zeit ab 21. April 1999 eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit gewährt wird.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte verweist auf das erstinstanzliche Urteil und argumentiert, dass nach der Rechtsprechung des BSG auch bei einem sozialrechtlichen Herstellungsanspruch § 44 Abs. 4 Sozialgesetzbuch – Zehntes Buch (SGB X) zur Anwendung gelange, mit der Folge, dass rückwirkend nur für vier Jahre Leistungen beansprucht werden könnten.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakte und die Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß § 143 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte, insbesondere gemäß § 151 SGG form- und fristgerechte Berufung ist zulässig und begründet.
1. Der Streitgegenstand der Klage ist - neben der (früheren) Zahlung der Rente wegen Erwerbsunfähigkeit - auch auf die Gewährung von Übergangsgeld gerichtet. Hieran ändert der in der mündlichen Verhandlung vom 13. August 2015 vor dem Sozialgericht gestellte Antrag, der sich lediglich auf die Gewährung einer Rente ab März 1997 bezieht, nichts. Denn die Auslegung des Streitgegenstandes erfolgt nicht nur nach dem förmlichen Klageantrag, sondern auch nach dem gesamten Vorbringen der Klägerin (§ 123 SGG). Im Zweifelsfall ist davon auszugehen, dass die Klägerin alles zugesprochen haben möchte, was ihr aufgrund des Sachverhalts zusteht (BSG v. 11.11 1987 – 9a RV 22/85 in juris, Rn.11 und 12). Für eine Beschränkung des Klageantrages gibt es keine Anhaltspunkte. Weder aus dem Protokoll noch aus den Entscheidungsgründen des erstinstanzlichen Urteils ist in irgendeiner Form ersichtlich, dass – entgegen dem Vorbringen im Klageverfahren und insbesondere der Klageschrift – Übergangsgeld nicht mehr beansprucht werden sollte. Demzufolge ist nicht von einer Teilklagerücknahme auszugehen.
Obwohl die Entscheidung des Sozialgerichts einen möglichen Anspruch auf Übergangsgeld ausgeklammert hat, kann hierüber im Berufungsverfahren entschieden werden. Es handelt sich nämlich um eine bewusste Ausklammerung und für eine Urteilsergänzung bzw. eine Übertragung von Prozessresten in das Berufungsverfahren ist kein Raum. Das Sozialgericht hat nicht versehentlich bei zutreffender Auslegung der Klageanträge vergessen bzw. es unterlassen, über entscheidungsbedürftige Punkte zu entscheiden (vgl. BSG v. 02.04.2014 – B 3 KR 3/14 B in juris, Rn. 10, s. a. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Auflage, § 140 Rn 2c mit weiteren Nachweisen), sondern den Streitgegenstand unzutreffend erfasst.
Die Beklagte hat schließlich mit den angefochtenen Bescheiden über den Anspruch auf Übergangsgeld entschieden, so dass eine auf Ablehnung des Anspruchs gerichtete Verwaltungsentscheidung vorliegt. Der Regelungsgehalt der angefochtenen Verwaltungsakte ist durch Auslegung zu ermitteln. Dabei ist neben dem Verfügungssatz auch die Begründung des Verwaltungsaktes maßgeblich einschließlich aller Anlagen sowie aller weiteren Tatsachen und Umstände, die dem Empfänger bekannt waren (v. Wulffen, SGB X, 7. Auflage, § 33, Rn 4 mit zahlreichen weiteren Nachweisen).
Nach dem Verfügungssatz des Gegenstandbescheides vom 10. Juni 2013 ist der Klägerin eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit für die Zeit ab 1. Oktober 2008 bewilligt worden. Damit sind Rentenzahlungen für die Zeit davor eindeutig und unmissverständlich abgelehnt worden. Unter Berücksichtigung der Ausführungen in der Anlage zu 10 zu diesem Bescheid ergibt sich sowohl nach dem Willen der Beklagten als auch nach dem objektiven Empfängerhorizont eine Ablehnungsentscheidung auch für einen möglichen Anspruch auf Übergangsgeld. Die Beklagte hat deutlich gemacht, dass die Einrede der Verjährung aus Ihrer Sicht sowohl den Anspruch auf Rente als auch den Anspruch auf Übergangsgeld beseitigt.
2. Das Sozialgericht hat die Klage zu Unrecht abgewiesen. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Übergangsgeld für die Zeit vom 1. März 1997 bis zum 8. März 1999 und auf eine Erwerbsunfähigkeitsrente bereits ab 21. April 1999. Der Bescheid vom 30. Oktober 2012 in der Gestalt der Änderungsbescheide vom 13. März 2013 und 10. Juni 2013 sowie des Widerspruchsbescheides vom 6. Dezember 2013 ist insoweit rechtswidrig, insbesondere ist keine Verjährung eingetreten.
Der Anspruch auf Übergangsgeld folgt aus § 25 Abs. 2 Sozialgesetzbuch – Sechstes Buch (SGB VI) in der bis zum 31.12.2000 geltenden Fassung. Danach besteht der Anspruch auf Übergangsgeld für die Zeit ab Beantragung der Rehabilitationsleistungen. Der ab dem 1. März 1997 bestehende Anspruch auf Rente war nach der damaligen Rechtslage gemäß § 116 Abs. 1 Satz 2 und Satz 3 SGB VI in der bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Fassung ausgeschlossen. Danach gilt: werden Leistungen zur Rehabilitation bewilligt, besteht während dieser Leistungen neben einem Anspruch auf Übergangsgeld kein Anspruch auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit, es sei denn, dass die Rente bereits vor Beginn der Leistungen bewilligt war (Satz 2). Satz 2 wird auch angewendet, wenn Übergangsgeld für einen sonstigen Zeitraum zu zahlen ist (Satz 3)
Eine Rentenbewilligung liegt - bei einem grundsätzlichen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit - nicht vor, weshalb bis zum Beginn der Maßnahme ein Anspruch auf Übergangsgeld besteht.
Gemäß § 44 SGB VI in der bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Fassung besteht ein Anspruch auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit. Anspruchsbeginn nach § 99 Abs. 1 SGB VI ist – wie im Bescheid vom 10. Juni 2013 zutreffend von der Beklagten dargelegt – der 1. März 1997 als Folgemonat der Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen.
Die Beklagte ist auch zu Recht von einem Leistungsfall im März 1997 ausgegangen. Denn am 10. Februar 1997 hat die Klägerin bei der Beklagten Leistungen zur medizinischen Rehabilitation beantragt. § 116 Abs. 2 SGB VI sieht u.a. vor, dass der Antrag auf Leistungen zur Rehabilitation als Rentenantrag gilt, wenn Versicherte vermindert erwerbsfähig bzw. erwerbsunfähig sind (gemäß § 116 Abs. 2 in der bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Fassung) und nach § 116 Abs. 2 Nr. 2 SGB VI Leistungen zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben nicht erfolgreich gewesen sind und eine Erwerbsunfähigkeit nicht verhindert haben. Diese Voraussetzungen liegen hier vor, denn die Klägerin hat Leistungen der medizinischen Rehabilitation bei der Beklagten beantragt und ohne Erfolg eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme durchgeführt. Sie war nach dem Gutachten des Neurologen und Psychiaters Dr. S. in Verbindung mit der medizinischen Stellungnahme der beratenden Ärztin Dr. Schauer nicht nur zum Zeitpunkt des Beginns der Maßnahme erwerbsgemindert und nur noch in der Lage unter 3 h täglich zu arbeiten, sondern bereits ab dem Zeitpunkt des Antragstellung am 10. Februar 1997. In Anbetracht der durchgehenden Arbeitsunfähigkeit und vor dem Hintergrund, dass die Klägerin 1994 zuletzt versicherungspflichtig beschäftig gewesen ist, bestehen an dieser Einschätzung auch keine Zweifel. Das bedeutet, dass - nach objektiven Kriterien - bereits zu diesem Zeitpunkt ein aufgehobenes Leistungsvermögen vorlag und die Beklagte den aufgrund der Fiktion des § 116 Abs. 2 SGB VI als Rentenantrag zu wertenden Reha-Antrag hätte bescheiden müssen.
a. Die Ansprüche sind nicht verjährt. Die Verjährung war gemäß § 45 Abs. 3 SGB I durch das Antragsverfahren gehemmt gewesen.
Gemäß § 45 Abs. 1 SGB I verjähren Ansprüche auf Sozialleistungen in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahrs, in dem sie entstanden sind. Danach wären die Rentenansprüche vor dem 1. Januar 2008 verjährt.
Die Verjährung ist jedoch gemäß § 45 Abs. 3 SGB I in der Fassung vom 4. November 1982 unter Anwendung der Übergangsvorschriften (Art. 229 § 6 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch )EGBGB( zur Schuldrechtsreform, anwendbar gemäß § 70 SGB I) bis zum 31. Dezember 2001 unterbrochen und im Anschluss unter Berücksichtigung der Neufassung des § 45 Abs. 3 SGB I vom 21. Juni 2002 gehemmt. Danach wird die Verjährung durch schriftlichen Antrag auf die Sozialleistung oder durch Erhebung eines Widerspruchs gehemmt.
Der am 27. März 1997 gestellte Antrag auf Rehabilitationsleistungen führte zur Hemmung der Verjährungsfrist. Es handelt sich um einen schriftlichen Antrag, der auf die begehrte Sozialleistung einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit bzw. Übergangsgeld gerichtet war. Denn unter Berücksichtigung des § 116 Abs. 2 Nr. 2 SGB VI wurde bereits zu diesem Zeitpunkt rechtswirksam ein Antrag auf Rente gestellt. Die Rentenantragsfiktion bewirkt, dass von Amts wegen ein Rentenfeststellungsverfahren durchzuführen ist. Der Rentenbeginn (§§ 99 ff. SGB VI) richtet sich dann nach dem Eingang des Reha-Antrages (Kühn in Kreikebohm, SGB VI, 4. Auflage, § 116 Rn. 13). Das bedeutet, dass durch die gesetzliche Fiktion ein reguläres Verwaltungsverfahren zur Prüfung des Rentenantrages in Gang gesetzt wird. Damit sind die Voraussetzungen des § 45 Abs. 3 SGB I erfüllt, denn es wurde ein wirksamer Antrag auf die begehrte Sozialleistung gestellt, der von Amts wegen bearbeitet werden musste. Das hat zur Folge, dass für die gesamte Dauer des Verfahrens – in diesem Fall rund 15 Jahre – die Verjährung gehemmt ist.
Es sind keine Gründe erkennbar, weshalb die Antragsfiktion des § 116 Abs. 3 SGB VI anders behandelt werden sollte als ein normaler Rentenantrag. Denn Zielsetzung dieser Regelung ist es, den Versicherten rentenrechtlich nicht zu benachteiligen, wenn Bereitschaft besteht, eine Rehabilitationsmaßnahme durchzuführen. Die Fiktion führt dazu, dass ohne weitere Schritte des Versicherten ein Rentenfeststellungsverfahren vom Rentenversicherungsträger durchzuführen ist. Damit ergibt sich kein Unterschied zu einem Antrag auf Erwerbsminderungsrente bzw. Rente wegen Erwerbsunfähigkeit. Maßgeblich ist, dass durch den Antrag ein Verfahren in Gang gesetzt wird, welches auf die begehrte Sozialleistung abzielt. Diese Voraussetzung wird durch die Fiktion herbeigeführt, obwohl zunächst ein Antrag auf Rehabilitationsleistungen gestellt wurde. Im Ergebnis wird - bei Vorliegen der Voraussetzungen – ein Antragsverfahren initiiert. Dass auch ein fingierter Antrag die Verjährung hemmt (bzw. nach altem Recht unterbrochen hat) ist im Ergebnis auch mehrfach vom Bundessozialgericht (BSG) im Zusammenhang mit der Fiktion einer im Ausland beantragten Rente unter Berücksichtigung eines zwischenstaatlichen Abkommens entschieden worden (BSG v. 12.02.2004 – B 13 RJ 58/03 R und v. 08.12.2003 – B 13 RJ 35/05 R, jeweils in juris).
Die Hemmung tritt ein, obwohl der Antrag zugleich materiell-rechtliche Leistungsvoraussetzung für den Anspruch ist. Der Senat folgt der Rechtsprechung des BSG, wonach auch ein solcher materiell-rechtlich wirkender Leistungsantrag von der Regelung des § 45 Abs. 3 SGB I erfasst wird. Das BSG (v. 14.09.1992 – 9a RV 22/91 in juris) ist der abweichenden Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG v. 20.02.1992 – 5 C 74/88 in juris) nicht gefolgt und hat dargelegt, dass es nicht schade, wenn das die Verjährung unterbrechende (nach neuer Rechtslage hemmende) Ereignis gleichzeitig eintrete oder vor Beginn der Verjährungsfrist liege. Auch nach der überwiegenden Ansicht in der Literatur kommt es zu einer Hemmung der Verjährung, wenn es sich materiell-rechtlich um einen Leistungsantrag handelt (Wagner in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB I, 2. Aufl. 2011, § 45 SGB I, Rn. 43, Rolfs in Hauck/Noftz, SGB I, § 45 Rn 25, Baier in Krauskopf, SozKV, § 45 SGB I, Rn. 13; Lilge, SGB I, 4. Auflage, § 45 Rn 37). In einer späteren Entscheidung (BSG v.15.06.2000 – B 7 AL 64/99 R in juris) ist unterschieden worden, ob es sich um eine abschnittsweise zu gewährende Leistung handelt. In einem solchen Fall wird durch den ersten Leistungsantrag die Verjährung nicht insgesamt gehemmt, sondern es bedarf hierfür weiterer Mahnungen.
In weiteren rentenrechtlichen Entscheidungen des BSG ist auch bei einem materiell-rechtlich wirkenden Leistungsantrag von einer Unterbrechung/Hemmung der Verjährung ausgegangen worden, ohne dies jedoch näher zu problematisieren (vgl. BSG v. 12.02.2004 – B 13 RJ 58/03 R in juris und v.08.12.2005 – B 13 RJ 35/05 R in juris). In beiden Fällen wurde der Anspruch durch einen bei einem ausländischen Rentenversicherungsträger gestellten Antrag auf Rentengewährung (erstmalig) begründet. Das BSG hat jeweils eine Unterbrechung der Verjährung durch diesen Antrag gemäß § 45 Abs. 1 SGB I in der bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Fassung angenommen.
Die Gegenmeinung stellt darauf ab, dass eine Unterbrechung (Hemmung) der Verjährung voraussetze, dass diese bereits zuvor entstanden sein müsse. Das sei nicht der Fall, wenn der Antrag zugleich den Anspruch begründet (BVerwG v. 20.02.1992 – 5 C 74/88 in juris, Rn.15; Mrozzynski, SGB I, 4.Auflage, § 45 Rn 22). Eine Verjährungsunterbrechung bzw. Hemmung trete demzufolge nur dann ein, wenn nach der Entstehung des Anspruches weitere Anträge bzw. "Mahnungen" ergangen seien. Die Auffassung wird auch damit begründet, dass die Verjährungsvorschrift des § 45 Abs. 1 SGB I für alle Sozialleistungen, bei denen dem Antrag materiell-rechtliche Bedeutung zukommt, d.h. im Regelfall, praktisch bedeutungslos wäre.
Auch wenn die o.g. Argumente durchaus plausibel sind, ist der Auffassung, dass auch ein zugleich materiell-rechtlich wirkender Antrag zu einer Hemmung der Verjährung führt, zu folgen. Zwar mag es sein, dass eine Unterbrechung bzw. Hemmung voraussetzt, dass eine Verjährungsfrist überhaupt zuvor in Gang gesetzt wurde, jedoch hat das BSG zu Recht darauf hingewiesen, dass auch im Zivilrecht anerkannt ist, dass das die Verjährung unterbrechende Ereignis gleichzeitig oder vor Beginn der Verjährungsfrist liegen kann. Denn die nach der parallelen Regelung in § 201 BGB in der bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Fassung am Schluss eines Jahres beginnende Verjährungsfrist wird durch eine vor ihrem Beginn, aber nach Entstehung des Anspruchs erhobene Klage unterbrochen (BSG v. 24.09.1992 – 9a RV 22/91 unter Verweis auf Rechtsprechung des BGH in juris, Rn. 13). Auch spricht der Wortlaut der Regelung nicht für eine einschränkende Auslegung (s. a. Wagner in JurisPK-SGB I, 2. Auflage, § 45 Rn. 43). Denn es wird nur auf einen schriftlichen Antrag - gerichtet auf die Sozialleistung - abgestellt, ohne dass eine besondere Einschränkung formuliert würde. Es ist gut möglich, dass die aus der Formulierung folgende Gleichbehandlung aller Leistungsanträge bewusst erfolgt ist und sozialpolitisch gewollt war (s. Baier in Krauskopf, SozKV, § 45 SGB I, Rn. 13). Denn aufgrund des Amtsermittlungsgrundsatzes ist der Leistungsträger verpflichtet, von Amts wegen tätig zu werden und es erscheint grundsätzlich gerechtfertigt und angemessen, für die Dauer des Antragsverfahrens eine Hemmung (Unterbrechung) anzunehmen. Für die Sachbearbeitung bedarf es keiner weiteren Handlungen des Antragstellers mehr. Die Behörde ist vielmehr verpflichtet, das eingeleitete Verfahren zu bearbeiten und im Ergebnis in irgendeiner Weise zu bescheiden. Leistungsberechtigte wären mit einer differenzierten Bewertung ihres Antrages überfordert und dürfen grundsätzlich darauf vertrauen, dass der Leistungsträger über den Antrag entscheidet und sich nicht nach längerem Zeitablauf auf die eingetretene Verjährung beruft (Baier in Krauskopf, SozKV, § 45 SGB I, Rn. 13). Das gilt selbst dann, wenn die erforderliche Mitwirkung des Antragstellers unterbleibt. Denn in einem solchen Fall ist die Behörde nicht berechtigt, das Verfahren ohne eine Entscheidung in der Sache zu beenden bzw. einfach einzustellen. Gegebenenfalls ist nach §§ 66 ff. SGB I zu verfahren. Insgesamt erscheint es daher unbillig, wenn der Leistungsträger es in der Hand hätte, durch eine Nichtbearbeitung bzw. schleppende Bearbeitung eines laufenden Verfahrens eine Verjährung herbeizuführen.
Die vom BSG bei einer abschnittsweisen Bewilligung für erforderlich gehaltene Mahnungen ändern an diesem Ergebnis nichts. Es ist richtig bei dieser Fallkonstellation auf ein weiteres Tätigwerden für den Hemmungstatbestand abzustellen. Systematisch sind in diesem Fall weitere Anträge erforderlich und im Unterschied zu anderen Leistungen muss der Leistungsempfänger das Verfahren nach Beendigung des Bewilligungsabschnittes weiterbetreiben. Der ursprünglich gestellte Leistungsantrag reicht gerade nicht mehr aus und die Behörde ist nicht verpflichtet, von sich aus nicht tätig zu werden. Denn in den Fäl¬len, in denen der ursprüng¬li¬che Leis¬tungs¬an¬trag mate¬ri¬ell-recht¬li¬che Bedeu¬tung für die Ent¬ste¬hung des Anspruchs hat, die Leis¬tungs¬be¬wil¬li¬gung jeweils nur für einen bestimm¬ten Zeit¬raum erfolgt und in denen die erneute Bewil¬li¬gung der Leis¬tung not¬wen¬dig von einer Mit¬wir¬kung des Berech¬tig¬ten abhängt, kann der Leistungsberechtigte sich nicht mehr auf die Hem¬mung der Ver¬jäh¬rung beru¬fen, wenn er jed¬wede, auf die Fort¬zah¬lung der Leis¬tung gerich¬tete Hand¬lung unter¬lässt (Rolfs in Hauck/Noftz, SGB I, § 45 Rn 25). Dieser Unterschied rechtfertigt es, auf weitere Handlungen/Anträge bzw. Mahnungen für den Hemmungstatbestand abzustellen.
Bei einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, die nicht befristet gewährt wird, handelt es sich jedoch nicht um eine abschnittweise zu gewährende Leistung. Weitere Handlungen des Versicherten sind nicht erforderlich. Im vorliegenden Fall ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass eine befristete Rente hätte gewährt werden müssen. Denn nach den von der Beklagten getroffenen medizinischen Feststellungen, die nicht zu beanstanden sind, kann und konnte nicht von der begründeten Aussicht ausgegangen werden, dass die Minderung der Erwerbsfähigkeit in der Zeit hätte behoben werden können (§ 102 Abs. 2 SGB VI in der bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Fassung).
Die Hemmung der Verjährung ist auch nicht deswegen ausgeschlossen, weil die Klägerin das Verfahren nicht betrieben hat (s. BSG v. I4.09.1992 – 9a RV 22/91 in juris, Rn 16). Ein aktives Betreiben des Verfahrens ist nicht erforderlich. § 204 Abs. 2 Satz 2 BGB (§ 211 Abs. 2 Abs. 2 Satz 1 Alt. BGB a.F.) gelangt bei Antragsverfahren in dem vom Amtsermittlungsgrundsatz beherrschten sozialrechtlichen Verwaltungsverfahren nicht zur Anwendung (BSG v. 12.02.2004 – B 13 RJ 58/03 R in juris Rn.22 mit weiteren Nachweisen).
Aufgrund des Amtsermittlungsgrundsatzes war vielmehr die Beklagte verpflichtet, die gebotenen Ermittlungen einzuleiten und das Verfahren überhaupt in ein Rentenverfahren zu überführen. Die Rentenantragsfiktion führt dazu, dass automatisch ein Feststellungsverfahren durchzuführen ist, wenn die Rehabilitationsmaßnahme – wie im vorliegenden Fall – nicht erfolgreich gewesen ist. Dass dies von der Beklagten unterlassen wurde, kann der Klägerin nicht angelastet werden und es bestand keine Verpflichtung, sich erneut bei der Beklagten melden. Das gilt insbesondere deshalb, weil der Klägerin nicht bekannt war und auch nicht hätte bekannt sein müssen, dass aufgrund der Regelung des § 116 Abs. 2 SGB VI unter den dort genannten Voraussetzungen der Antrag auf Rehabilitationsleistungen in einen Antrag auf Rente kraft gesetzlicher Fiktion umgedeutet wird – zumal die Erwerbsfähigkeit zu diesem Zeitpunkt von der Beklagten noch nicht zutreffend ermittelt worden war, obwohl hierzu Anlass bestanden hätte. Die Beklagte ihrerseits hätte jedoch von Amts wegen tätig werden müssen, um das aufgrund der gesetzlichen Fiktion eingeleitete Rentenverfahren in irgendeiner Form zu bearbeiten.
b. Schließlich ist auch trotz des Ablaufs von rund 15 Jahren nicht von einer Verwirkung auszugehen. Der Zeitablauf alleine reicht hierfür nicht aus, es müssen vielmehr besondere Umstände hinzukommen, die die Geltendmachung des Anspruchs als ungerechtfertigt erscheinen lassen (BSG v. 23.06.2015 – B 1 KR 26/14 R, in juris, Rn 46). Hier bleibt nur das Zeitmoment, weitere Umstände sind nicht ersichtlich. Hinzukommt, dass die Klägerin nicht wissen konnte, dass sie im Rechtsinne überhaupt einen Rentenantrag gestellt hatte.
c. Selbst wenn man zu dem Ergebnis gelangen würde, dass kein Hemmungstatbestand gegeben ist, würde die Einrede der Verjährung im pflichtgemäßen Ermessen des Versicherungsträgers stehen und wären die angefochtenen Bescheide wegen fehlender Ermessensbetätigung rechtswidrig. Es steht im pflichtgemäßen Ermessen, ob der Leistungsträger die Verjährungseinrede erheben will. Er kann sich dabei nicht allein auf den Zeitablauf berufen, sondern hat die Gründe für die Verjährungseinrede gegen die Gründe für die unverminderte Erfüllung des Anspruchs abzuwägen. Zum einen sind das fiskalische Interesse der Verwaltung an einer sparsamen Haushaltsführung, die Höhe des nachzuzahlenden Betrages, auch Gleichbehandlungsgrundsätze in Ansatz zu bringen und auf der anderen Seite sind die Interessen des Berechtigten, seine wirtschaftliche Situation und die wirtschaftliche Bedeutung des Nachzahlungsbetrages zu berücksichtigen. Hierzu gehören auch Kausalitäts- und Verschuldensfragen (Baier in Krauskopf SozKV, § 45 SGB I, Rn. 21).
Die Beklagte hat nicht erkannt, dass Ermessen auszuüben ist und demzufolge auch keine Ermessenserwägungen angestellt. Hierzu hätte aber durchaus Anlass bestanden, weil auf der einen Seite atypisch ist, dass die Klägerin in einem langen Zeitraum überhaupt keine anderweitigen Sozialleistungen bezogen hat und mittellos war. Und andererseits muss gewürdigt werden, dass die Beklagte aufgrund der Rentenantragsfiktion des § 116 Abs. 2 SGB VI hätte von Amts wegen tätig werden müssen. Sie hätte ggf. Vorkehrungen treffen müssen, um über das Ergebnis des Antrages auf berufliche Rehabilitation informiert zu werden, nachdem aus dem Entlassungsbericht ersichtlich war, dass die Rehabilitationsmaßnahme nicht erfolgreich gewesen ist. Sie trifft daher ein Verschulden, welches im Rahmen der Ermessenserwägungen hätte in Abwägung gebracht werden müssen. Ein etwaiges Verschulden der Bundesanstalt für Arbeit als weiterer Rehabilitationsträger bei der nicht erfolgten Bekanntgabe der Ablehnung der beruflichen Reha wäre der Beklagten zuzurechnen.
d. Entgegen der Ansicht der Beklagten kommt eine analoge Anwendung des § 44 Abs. 4 SGB X nicht in Betracht. Zwar hat das BSG entschieden, dass im Rahmen eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs die Vierjahresfrist des § 44 Abs. 4 SGB X entsprechend anzuwenden ist (BSG v. 24.04.2014 – B 13 R 23/3 R in juris). Jedoch verkennt die Beklagte, dass der Rentenanspruch der Klägerin unter Berücksichtigung der Antragsfiktion des § 116 Abs. 2 SGB VI nicht auf den Grundsätzen eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs beruht, sondern sich kraft Gesetzes ergibt. Es liegen nämlich alle nach dem Gesetz erforderlichen Tatbestandsvoraussetzungen einschließlich der Antragstellung (nach der gesetzlichen Fiktion) vor. Für die Anwendung der Grundsätze des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs ergibt sich somit kein Raum. Demzufolge scheidet auch eine analoge Anwendung des § 44 Abs. 4 SGB X aus (s. BSG v. 08.12.2005 – B 13 RJ 35/05 R in juris, Rn.18).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Die Revision wird zugelassen.
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