S 28 KA 15/17

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
SG München (FSB)
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
28
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 28 KA 15/17
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist das Ende der hälftigen Zulassung des Klägers für einen Praxissitz in C-Stadt streitig, wo er bereits eine Zweigpraxis betreibt.

Der Kläger ist seit 1985 als Urologe zur vertragsärztlichen Versorgung in A-Stadt in der Oberpfalz mit vollem Versorgungsauftrag zugelassen. Er betreibt zwei Zweigpraxen in D-Stadt sowie in C-Stadt (Planungsbereich Landkreis E.).

Mit Beschluss vom 10.03.2013 stellte der Landesausschuss fest, dass im Planungsbereich Landkreis E. die Zulassung eines Urologen mit dem Anrechnungsfaktor 0,5 möglich sei.

Mit Beschluss des Beklagten vom 29.04.2014 (Bescheid vom 10.06.2014) wurde der Kläger für den Vertragsarztsitz C-Straße in C-Stadt mit einem hälftigen Versorgungsauftrag zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Die Zulassung erfolgte unter der Bedingung, dass der Kläger auf die Hälfte seines vollen Versorgungsauftrages am Vertragsarztsitz in A-Stadt bestandskräftig verzichtet habe. Zudem hieß es in dem Beschluss, dass die vertragsärztliche Tätigkeit ende, wenn sie nicht innerhalb von drei Monaten ab Unanfechtbarkeit des Bescheides aufgenommen werde, § 19 Abs. 2 Ärzte-ZV. In den Gründen führte der Beklagte aus, dass die Tatsache, dass der Kläger in A-Stadt über eine volle Zulassung verfüge, der Zulassungserteilung nicht entgegen stehe, da er im Falle eines Erfolgs seiner Bewerbung auf einen halben Versorgungsauftrag in A-Stadt verzichten werde. Der Beklage habe dies für die hälftige Zulassung zur Bedingung gemacht. Die hiergegen von dem Konkurrenten des Klägers erhobene Klage wies das Sozialgericht München mit Urteil vom 23.07.2015 ab (Az. S 43 KA 1115/14). Das Urteil wurde dem Bevollmächtigten des Klägers am 02.11.2015 zugestellt; Berufung wurde hiergegen nicht eingelegt.

Am 02.03.2016 (22.32 Uhr) übersandte der Kläger dem Zulassungsausschuss per Telefax die Erklärung zur Aufnahme der vertragsärztlichen Tätigkeit zum 02.03.2016 in C-Stadt. Den Verzicht auf die Hälfte seines vollen Versorgungsauftrags in A-Stadt erklärte er nicht.

Der Zulassungsausschuss Ärzte Bayern stellte mit Beschluss vom 01.06.2016 (Bescheid vom 01.06.2016) fest, dass die Zulassung des Klägers mit hälftigem Versorgungsauftrag für den Vertragsarztsitz C-Stadt, C-Straße, Planungsbereich Landkreis E. gem. § 19 Abs. 3 Ärzte-ZV am 03.02.2016 wegen Nichtaufnahme der vertragsärztlichen Tätigkeit geendet habe.

Zur Begründung führte der Zulassungsausschuss aus, dass es verschiedene Telefonate der Geschäftsstelle des Zulassungsausschusses mit dem Klägerbevollmächtigten zu Beginn des Jahres gegeben habe. Der Kläger habe die Teilverzichtserklärung für eine Zulassung in A-Stadt nicht abgeben wollen und können. Eine entsprechende Verzichtserklärung sei nicht erfolgt. Spätestens am 2. Februar 2016, 24 Uhr, hätte die Aufnahmeerklärung wirksam erfolgen müssen. Einen Tag zuvor hätte die Verzichtserklärung für den hälftigen Versorgungsauftrag in A-Stadt vorliegen müssen, da ein Vertragsarzt nur insgesamt einen vollen Versorgungsauftrag in seiner Person ausüben könne. Die Verzichtserklärung sei nicht erfolgt, ebenso wenig eine Aufnahmeerklärung abgegeben.

Der Klägerbevollmächtigte legte mit Schreiben vom 19.07.2016 Widerspruch ein. Der Kläger habe innerhalb der Dreimonatsfrist seine Tätigkeit in C-Stadt aufgenommen.

Der Beklagte wies den Widerspruch gegen den Beschluss des Zulassungsausschusses Ärzte Oberbayern vom 01.06.2016 mit Beschluss vom 17.11.2016 (Bescheid vom 12.12.2016) zurück. Die hälftige Zulassung in C-Stadt habe geendet, weil sie nicht innerhalb von drei Monaten ab Unanfechtbarkeit des Urteils des Sozialgerichts München vom 23.07.2015 wirksam aufgenommen worden sei. Der Kläger hätte - kumulativ - spätestens am 02.03.2016 seine Tätigkeit in C-Stadt aufnehmen und zugleich auf die hälftige Zulassung in A-Stadt verzichten müssen. Denn aus rechtlichen Gründen sei es nicht möglich, dass der Kläger eine vertragsärztliche Zulassung über eine volle Zulassung = 1,0 hinaus rechtlich innehalten könne. Der Bescheid vom 29.04.2014 stelle die hälftige Zulassung für C-Stadt völlig eindeutig unter die aufschiebende Bedingung des hälftigen Verzichts auf die Zulassung in A-Stadt. Es könne dahinstehen, ob die Aufnahme-Erklärung in den späten Abendstunden des 02.03.2016 beim Zulassungsausschuss eingegangen sei. Eine Aufnahme spätestens am 02.03.2016 in C-Stadt setze auch den Verzicht auf die halbe Zulassung in A-Stadt spätestens am 02.03.2016 voraus. Zu diesem Verzicht sei es nicht gekommen.

Der Kläger hat am 13.01.2017 Klage zum Sozialgericht München erhoben. Er ist u.a. der Auffassung, dass die Rechtsprechung des BSG, ein Vertragsarzt könne neben einem vollen Versorgungsauftrag keinen weiteren Versorgungsauftrag innehaben, nicht mit Art. 12 Abs. 1 GG sowie Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar ist. Er verweist hierzu auf ein ausführliches verfassungsrechtliches Gutachten.

Der Kläger beantragt,

1. den Bescheid des Beklagten vom 12.12.2016 aufzuheben, insoweit als der Widerspruch des Klägers zurückgewiesen worden ist,

2. festzustellen, dass dem Vollzug des Bescheides vom 12.12.2016, soweit darin das Ende der Zulassung des Klägers mit hälftigem Versorgungsauftrag in C-Stadt zum 03.03.2016 festgestellt wurde, die aufschiebende Wirkung des Rechtsstreits entgegensteht.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte vertritt die Auffassung, dass ein Vertragsarzt nur maximal eine Zulassung haben könne. Eine umfassendere Statuszuweisung könne es, auch vorübergehend, nicht geben.

Die Beigeladenen haben keine Anträge gestellt.

Im Übrigen wird zur Ergänzung des Tatbestandes auf den Inhalt der Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsakten des Beklagten und des Zulassungsausschusses Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig, jedoch nicht begründet. Der angefochtene Bescheid des Beklagten vom 12.12.2016 (Beschluss vom 17.11.2016) ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Die hälftige Zulassung des Klägers in C-Stadt hat am 03.03.2016 geendet. Auch der Feststellungsantrag ist unbegründet.

Der Beklagte hat den Kläger mit - bestandskräftigem - Bescheid vom 10.06.2014 (Beschluss vom 29.04.2014) unter der Bedingung, dass er auf die Hälfte seines vollen Versorgungsauftrages am Vertragsarztsitz Aa-Straße, A-Stadt bestandskräftig verzichtet hat, für den Vertragsarztsitz C-Straße, C-Stadt zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen.

Es handelt sich um eine aufschiebende Bedingung im Sinne des § 32 Abs. 2 Nr. 2 SGB X mit der Folge, dass der Hauptverwaltungsakt zwar wirksam wird, dass die bedingte Rechtswirkung jedoch bis zum Eintritt der Bedingung in der Schwebe gehalten wird (BSG, Urteil vom 05.02.2003, Az. B 6 KA 22/02 R, Rn. 23 m.w.N.).

Der Kläger hat bis zum heutigen Tage nicht den Verzicht auf die Hälfte seines vollen Versorgungsauftrages am Vertragsarztsitz Aa-Straße, A-Stadt erklärt.

Er hat daher die Bedingung nicht erfüllt. Somit ist die Zulassung nicht wirksam geworden (vgl. BSG, ebenda, Rn. 21).

Die Zulassungsgremien sind infolgedessen berechtigt gewesen, das Ende seiner Zulassung festzustellen (BSG, ebenda, Rn. 25).

Zutreffend hat der Beklagte auch das Ende der streitgegenständlichen Zulassung zum 03.03.2016 festgestellt. Der Bescheid des Beklagten vom 10.06.2014 (Beschluss vom 29.04.2014) war nach Zustellung des Urteils des Sozialgerichts München vom 23.07.2015, Az. S 43 KA 1115/14, an den Klägerbevollmächtigten am 02.11.2015 nach Ablauf der Berufungsfrist am 02.12.2015, 24 Uhr bestandskräftig geworden. Die Dreimonatsfrist entsprechend der Nebenbestimmung des Bescheids vom 10.06.2014 (Beschluss vom 29.04.2014), wonach die vertragsärztliche Tätigkeit endete, wenn sie nicht innerhalb von drei Monaten ab Unanfechtbarkeit des Bescheides aufgenommen werde, lief demnach bis zum 02.03.2016, 24 Uhr.

Zwar übersandte der Kläger noch am 02.03.2016 dem Zulassungsausschuss per Telefax die Erklärung zur Aufnahme der vertragsärztlichen Tätigkeit zum 02.03.2016 in C-Stadt. Da er jedoch nicht zugleich den Verzicht auf die Hälfte seines vollen Versorgungsauftrages am Vertragsarztsitz Aa-Straße, A-Stadt erklärt hatte, hatte er nicht wirksam und fristgemäß seine Tätigkeit als Vertragsarzt in C-Stadt begonnen.

Die hälftige Zulassung des Klägers zur vertragsärztlichen Versorgung in C-Stadt hat daher am 03.03.2016 geendet.

Auf die Frage der Verfassungsmäßigkeit der Begrenzung des Versorgungsauftrages von Kassenärzten auf einen Faktor von 1,0, zu der der Kläger ein ausführliches Gutachten vorgelegt hat, kommt es vorliegend nicht an. Denn Grund für die vom Beklagten zutreffend festgestellte Beendigung der hälftigen Zulassung des Klägers in C-Stadt am 03.03.2016 ist, dass der Kläger nicht entsprechend den - unangefochtenen - Nebenbestimmungen des Bescheids des Beklagten vom 10.06.2014 (Beschluss vom 29.04.2014) bis spätestens 02.03.2016, 24 Uhr seinen Verzicht auf die Hälfte seines vollen A-Städter Versorgungsauftrages erklärt und zugleich seine vertragsärztliche Tätigkeit in C-Stadt aufgenommen hatte.

Anhaltspunkte für eine Nichtigkeit dieser Nebenbestimmungen bestehen nicht. Angesichts der nachvollziehbaren Rechtsprechung des BSG zur Beschränkung der vertragsärztlichen Tätigkeit auf einen vollen Versorgungsauftrag (BSG, Urteil vom 28.09.2016, Az. B 6 KA 32/15 R, Rn. 32) liegt ein offensichtlicher, besonders schwerwiegender Fehler im Sinne des § 40 Abs. 1 SGB X nicht vor. Ebenso wenig kommt es aufgrund § 79 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG auf die Nichtigerklärung des § 19 Abs. 3 Ärzte-ZV durch das BVerfG an (Beschluss vom 26.09.2016, Az. 1 BvR 1326/15).

Auch der in der mündlichen Verhandlung erstmalig gestellte Antrag des Klägers, feststellenzulassen, dass dem Vollzug des Bescheides vom 12.12.2016, soweit darin das Ende der Zulassung des Klägers mit hälftigem Versorgungsauftrag in C-Stadt zum 03.03.2016 festgestellt wurde, die aufschiebende Wirkung des Rechtsstreits entgegensteht, ist unbegründet.

Für diesen Erweiterungsantrag im Sinne des § 99 Abs. 3 Nr. 2 SGG nimmt das Gericht zu Gunsten des Klägers ein Feststellungsinteresse im Sinne des § 55 Abs. 1 SGG wegen des behaupteten Leistungsvolumens in der (Filial-)Praxis in C-Stadt an.

Eine zu Gunsten des Klägers eingetretene aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs bzw. seiner Klage gegen das festgestellte Ende seiner Zulassung in C-Stadt besteht jedoch nicht. Bei der streitgegenständlichen Feststellung des Beklagten handelt es sich lediglich um eine deklaratorische Entscheidung über das Ende der hälftigen Zulassung des Klägers (BSG, ebenda, Rn. 25). Der Adressat eines begünstigenden Verwaltungsaktes, der von der ihm verliehenen Befugnis vor Eintritt der aufschiebenden Bedingung Gebrauch macht, handelt ohne Erlaubnis (BSG, ebenda, Rn. 23 m.w.N.). Hieran kann die aufschiebende Wirkung eines Rechtsmittels nichts ändern.

Die Kostenentscheidung basiert auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 VwGO.
Rechtskraft
Aus
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