Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Düsseldorf (NRW)
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
4
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 4 KN 349/16
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 09.09.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.01.2016 verurteilt, die Klägerin zum Zweck der Meldung der N C zur Sozialversicherung als von der Klägerin geringfügig Beschäftigte im Wege des Haushaltsscheckverfahrens nach § 28 a Absätze 7 bis 9 SGB IV zuzulassen. 2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darum, ob die Klägerin, handelnd in der Rechtsform einer "Gesellschaft bürgerlichen Rechts", in ihrer Eigenschaft als Arbeitgeberin einer Reinigungskraft am sogenannten "Haushaltsscheck-Verfahren" teilnehmen kann, oder ob jedes Mitglied der Gesellschaft selbst als Arbeitgeber die Reinigungskraft zur Sozialversicherung anmelden muss.
Die Klägerin ist eine in I ansässige Wohngemeinschaft schwer pflegebedürftiger Menschen unterschiedlicher Pflegegrade und Pflegestufen, von derzeit 7 fluktuierenden Mitgliedern, die zu gemeinsamem Leben und gemeinsamer Haushaltsführung einen Privathaushalt haben, in den von den einzelnen Mitgliedern der Wohngemeinschaft angemieteten Wohnräumen. Sie werden betreut durch ein externes ambulantes Pflegeunternehmen. Die Wohngruppe beschäftigt als "Gesellschaft bürgerlichen Rechts" seit dem 01.07.2015 als einzige Angestellte eine Putzhilfe ( Frau N C) im Rahmen sogenannter "geringfügiger Beschäftigung".
Im August 2015 wandte sich die Klägerin - durch ihren Bevollmächtigten Herr L (der Ehemann eines der Wohngemeinschaftsmitglieder ist) als sogenannte Präsenzkraft - an die Beklagte als zuständigen Versicherungsträger für die Anmeldung geringfügig Beschäftigter. Sie beantragte, man möge für sie als Arbeitgeber ein Beitragskonto zwecks Beschäftigung der Putzhilfe C eröffnen, und zwar im Wege des Haushaltsscheckverfahrens nach § 28 a Abs. 7-9 SGB IV. Dies halte sie für dem Gesetz angemessen, da der Haushalt von ihren Mitgliedern gemeinsam und privat geführt werde. Die Beklagte – bzw. deren "minijob-Zentrale" – lehnte dies mit Bescheid vom 09.09.2015 ab. Das Haushaltsscheckverfahren könne deshalb nicht angewandt werden, weil die ausgeübte Tätigkeit keine "haushaltsnahe Dienstleistung" sei; es handele sich ferner um eine "gewerbliche" Tätigkeit für die Klägerin. Der Gesetzgeber habe aber für die Anwendung des Haushaltsscheck-Verfahrens gefordert, dass die geringfügige Beschäftigung ausschließlich in einem privaten Haushalt begründet sei und die Aufgaben sonst gewöhnlich durch Mitglieder des privaten Haushalts erledigt würden.
Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin Widerspruch ein. Sie begründete dies damit, dass die Beklagte den Sachverhalt falsch auslege. Die anzumeldende Frau C sei als nur geringfügig beschäftigte Putzhilfe angestellt und übe somit zweifelsfrei eine haushaltsnahe Dienstleistung aus. Eine "gewerbliche" Tätigkeit im eigentlichen Sinne liege nicht vor. Ferner verkenne die Beklagte, dass die Wohngemeinschaft einen "privaten Haushalt" darstelle, denn mehrere schwer pflegebedürftige Menschen hätten sich hier lediglich in Form einer Wohngruppe zusammengetan, und jeder Bewohner zahle ein Haushaltsgeld auf ein gemeinsames Konto ein, wovon Dinge des täglichen Bedarfs und bestimmte Dienstleistungen bestritten würden, auch die Dienstleistung von Frau C. Dafür sei die Klägerin sogar von der Pflegekasse gefördert, nach § 38 a SGB IX. Insbesondere sei darauf hinzuweisen, dass die Klägerin eine selbstverantwortliche und landesgesetzlich besonders geschützte Wohngemeinschaft darstelle, und zwar im Sinne des Wohn- und Teilhabegesetzes von Nordrhein-Westfalen (§ 24 WTG). Es liege also ein "Mehrpersonen-Privathaushalt" vor. Es gebe weder eine dritte Institution als Träger der Wohngemeinschaft, noch sei eine Zerlegung in mehrere Einzelhaushalte geboten bzw. sinnvoll. Das verkenne die Beklagte. Inzwischen habe auch die Bundesagentur für Arbeit den Status des privaten Haushaltes bzw. des privaten Arbeitgebers bestätigt (Bl. 5-7 der Verwaltungsakte – VA).
Mit Widerspruchsbescheid vom 26.01.2016 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Ergänzend zu der Begründung im Bescheid vom 09.03.2015 führte sie aus, eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) könne gar nicht vom Haushaltsscheckverfahren für Privathaushalte mit seinen günstigeren Abgaben und Steuervorteilen profitieren. Eine GbR sei vielmehr im Rahmen des normalen Beitrags- und Meldeverfahrens für geringfügig Beschäftigte abzuwickeln. Die Anwendung des gewünschten Haushaltsscheckverfahrens setze hingegen geringfügige Beschäftigung in einem "Privathaushalt" gemäß § 8 a Satz 2 SGB IV voraus; nach allgemein gültiger Definition zähle dazu nur eine solche Personengemeinschaft, die sich durch eine besondere Solidaritätsbeziehung auszeichne, wie z.B. eine Familie, oder Personen, die allein wohnen und wirtschaften. Auf die Klägerin treffe das nicht zu. Das Haushaltsscheckverfahren sei für die Mitglieder der Klägerin nur anwendbar, wenn jeder Bewohner, evtl. vertreten durch seinen gesetzlichen Betreuer oder Bevollmächtigten, die Kosten seiner Dienstleistungen entflechte, die individuell auf ihn und seinen privaten Lebensbereich innerhalb der Wohngemeinschaft entfallen. Jeder Bewohner müsste dafür einen eigenen Haushaltsscheck einreichen. Eine Sammelabrechnung sei nicht zulässig. Im Übrigen stütze sich die Beklagte auf die Bundestags-Drucksachen, wonach Beschäftigungen in privaten Haushalten, die durch Dienstleistungsagenturen oder andere begründet seien, nicht darunter fielen (Bundestags-Drucksache 15/26, zu Nr. 4, Seite 23 f).
Gegen diesen Widerspruchsbescheid hat die Klägerin am 29.02.2016 Klage zum Sozialgericht Düsseldorf erhoben.
Zur Begründung nimmt sie Bezug auf ihr bisheriges Vorbringen und vertieft dieses. Insbesondere macht sie weiterhin geltend, der – für die Anwendung des Haushaltsscheck-verfahrens nach § 28 a Abs. 7-9 SGB VI notwendige "Privathaushalt" - im Sinne des § 8 a SGB IV sei nicht näher definiert, und nicht so eng auszulegen, wie die Beklagte dies tue. Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch könne darunter auch eine zusammenlebende und wirtschaftliche Einheit bildende Personengemeinschaft von privaten und natürlichen Personen verstanden werden. Auch der Bezug auf eine Entscheidung des Bundessozialgerichts zu Wohnungseigentümergemeinschaften (vom 29.08.2012 – B 12 R 4/10 R) nach dem Wohnungseigentümergesetz (WEG) verfange nicht. Das Bundessozialgericht selbst bestätige, dass der Begriff des "Privathaushalts" im Sinne von § 28 a SGB IV nicht definiert sei, sondern vielmehr im Einzelfall auszulegen sei. Im Kontext mit Wohngruppen im Sinne des § 24 WTG NRW – wie hier gegeben – könne also der Privathaushalt bejaht werden, anders als bei sonstigen eher lose zusammenhängenden Wohnungseigentümergemeinschaften unterschiedlichster Bewohner, die meist nicht viel mehr gemeinsam miteinander hätten, als z. B. ein gemeinsames Treppenhaus. Schließlich unterliege die Klägerin als Wohngruppe im Sinne des § 24 WTG NRW keinerlei Aufzeichnungs- oder Buchführungspflichten, wie z. B. Wohnungseigentümergemeinschaften. Der Hinweis der Beklagten auf die Bundestags-Drucksachen gehe fehl. Dort seien durch Dienstleistungsagenturen oder andere Unternehmen begründete Beschäftigungen in Privathaushalten zwar von der Anmeldung ausgenommen, aber nicht solche durch einen Zusammenschluss natürlicher Personen begründete (Putzhilfen-) Beschäftigungen.
Die Klägerin beantragt,
1. die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 09.09.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.01.2010 zu verurteilen, sie – die Klägerin – zum Zwecke der Meldung der N C zur Sozialversicherung als von ihr – der Klägerin – geringfügig Beschäftigte im Wege des Haushaltsscheckverfahrens nach § 28 a Abs. 7-9 SGB IV zuzulassen, 2. hilfsweise unter Aufhebung der vorgenannten Bescheide festzustellen, dass sie – die Klägerin – berechtigt ist, Frau N C als von ihr geringfügig Beschäftigte zur Sozialversicherung im Wege des Haushaltsscheckverfahrens nach § 28 a Abs. 7-9 SGB VI zu melden.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte nimmt Bezug auf den Inhalt ihrer angefochtenen Bescheide, und verteidigt diese mit vertiefender Begründung. Ergänzend macht sie geltend, sie sehe sich durch den Inhalt der Bundestags-Drucksachen und die bereits zitierte Entscheidung des Bundessozialgerichts zur Wohnungseigentümergemeinschaft in ihrer Auffassung bestätigt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze und den Inhalt der Gerichtsakte sowie auf den Inhalt der Verwaltungsakte der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung war, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig. Sie wurde insbesondere form- und fristgerecht erhoben. Die Klägerin kann als Gesellschaft bürgerlichen Rechts in eigenem Namen Ansprüche geltend machen; die Parteifähigkeit (§ 50 der Zivilprozessordnung) und die Rechtsfähigkeit der Gesellschaft bürgerlichen Rechts ist mittlerweile auch vom Bundesgerichtshof anerkannt (Urteil vom 29.01.2001 – II ZR 331/00).
Die Klage ist in der Sache auch begründet. Entsprechend dem Hauptantrag der Klägerin war die Beklagte zu verurteilen, zum Zweck der Meldung der geringfügig beschäftigten N C zur Sozialversicherung, die Klägerin im Wege des Haushaltsscheckverfahrens nach § 28 a Abs. 7-9 SGB IV zuzulassen, da die Klägerin darauf einen Anspruch hat und alle tatbestandlichen Voraussetzungen des § 28 a Abs. 7-9 SGB IV in Verbindung mit § 8 a SGB IV vorliegen. Daraus folgt die Aufhebung der angefochtenen Beschiede und die Verurteilung der Beklagten (§ 54 Abs. 2, 4 SGG).
Der Anspruch der Klägerin auf Anmeldung der von ihr bzw. ihren Mitgliedern beschäftigten N C ergibt sich aus dem Gesetz, § 28 a Abs. 7-9 SG VI.
Die in diesen Vorschriften geregelte - abgaben- und steuerbegünstigte Anmeldeform steht der Klägerin (auch) als Personengemeinschaft von mehreren natürlichen Personen zu, da die der Klägerin angehörenden Mitglieder für sich jeweils unzweifelhaft die von § 28 a Abs.7-9 SGB IV geforderten "Privathaushalte" im Sinne von § 8 a SGB IV führen; allein der Umstand, dass diese Personen zusammen auch eine private Wohngemeinschaft bilden, ändert nichts am Bestehen eines Privathaushaltes bzw. von Privathaushalten im Sinne des Gesetzes. Dass die Klägerin nach außen als GbR handelt, macht sie nicht per se zur "gewerbetreibenden" Person, sondern zunächst lediglich zu einer Gemeinschaft von Mitgliedern, die im Rechtsverkehr wie eine juristische Person mit bestimmten Sonderrechten auftreten darf. Da ein eigentliches "Gewerbe" der Klägerin, also eine wirtschaftliche Betätigung zur Gewinnerzielung, aber nicht ersichtlich ist, ist die für die Anwendung des Haushaltsscheck-verfahrens entscheidende Weichenstellung, ob ein "Privathaushalt" im Sinne von § 8 a SGB IV darstellt, also zu Gunsten der Klägerin zu entscheiden. Die von der Beklagten angeführte Entscheidung des Bundessozialgerichts (vom 29.08.2012 - B 12 R 4/10 R) ändert nichts an dieser Weichenstellung. Diese Entscheidung ist eine Entscheidung speziell zu Wohnungseigentümergemeinschaften, und nicht der Verallgemeinerung für jede Form von Personenmehrheiten zugänglich. Schließlich hat auch das Bundessozialgericht in seiner Entscheidung selbst eingeräumt, dass der Begriff des "Privathaushalts" gerade nicht gesetzlich allgemeingültig definiert ist, sondern vielmehr – im Einzelfall ! – auszulegen ist, je nachdem um die Anwendung welcher gesetzlichen Vorschriften es geht. Insoweit weist die Klägerin zu Recht darauf hin, dass sie demgegenüber doch eine andere – rechtlich besonders durch das Teilhabegesetz NRW geförderte - Stellung innehat, so wie das rechtlich und faktisch auch in § 24 und § 25 des Wohn- und Teilhabegesetzes NRW zum Ausdruck kommt. Eine solche Wohngemeinschaft insbesondere schwer pflegebedürftiger Personen ist, anders als eine Gemeinschaft von mehreren Bewohnern eines Mehrfamilienhauses, vielmehr eine - dem Pflegebedarf älterer oder besonders kranker Menschen Rechnung tragende - besondere Art von "Gefahrengemeinschaft", von mehreren natürlichen Zivilpersonen, die nicht gewerbliche Zwecke verfolgen, sondern einfach Unterstützung bei "Haushaltsdienstleistungen" benötigen, weil sie sich gar nicht mehr ausreichend selbst versorgen können, und nicht mehr selbst die Wohnräume ausreichend sauber halten können (anders als z. B. bei Wohnungseigentümergemeinschaften, wo meist nur einige wenige gemeinsame Räume wie Treppenhaus und ähnliches aus Vereinfachungsgründen einheitlich gereinigt werden). Dass die Wohnungseigentümergemeinschaft nicht vergleichbar ist mit einer Wohngemeinschaft pflegebedürftiger Personen ergibt sich im Übrigen daraus, dass Wohnungseigentümergemeinschaften im Sinne des WEG regelmäßig bestehen aus unterschiedlichsten Menschen aller Art, ob jung oder alt, beschäftigt oder arbeitslos oder in Rente, allein lebend, Kinder erziehend, oder in anderer Weise Haushalt führend.
Im Übrigen entspricht die Anwendung des Haushaltsscheckverfahrens hier sogar mehr dem Sinn und Zweck des Gesetzes, als die von der Beklagten im Widerspruchsbescheid genannte "Entflechtung" dergestalt, dass für eine "geringfügig" beschäftigte Putzfrau gleich 7 Personen die Anmeldung zu Mini-Bruchteilen machen müssten, um dies sogleich wieder zu ändern, wenn eine der pflegebedürftigen Personen stirbt oder aus sonstigen Gründen die Hausgemeinschaft verlassen muss; ein nicht seltener Umstand angesichts der Fluktuation von pflegebedürftigen Menschen in Heimen und Wohngemeinschaften. Die Bundestags-Drucksachen sprechen entgegen der Auffassung der Beklagten nicht gegen die von der Kammer vertretene Auslegung. Aus den Bundestags-Drucksachen (BT-Drucks. 15/26, S. 23/24 zu § 8 a SGB IV) ergibt sich, dass es dem Gesetzgeber primär ging um die Bekämpfung unangemeldeter Schwarzarbeit, vor allem durch Gewerbler, und das Ansinnen der Klägerin hat hier weder die Absicht einer Schwarzarbeit noch die Absicht einer typisch "gewerblichen" Tätigkeit, weder der Wohngemeinschaft noch der Putzhilfe, denn diese verrichtet, worauf die Klägerin zutreffend hinweist, eher "haushaltsnahe Dienstleistung" in nur geringfügigem Umfang.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 197 a SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 1 und § 161 Abs. 1 VwGO; die Beklagte hat als unterliegende Partei die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, also die angefallenen Gerichtskosten und die etwaigen notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darum, ob die Klägerin, handelnd in der Rechtsform einer "Gesellschaft bürgerlichen Rechts", in ihrer Eigenschaft als Arbeitgeberin einer Reinigungskraft am sogenannten "Haushaltsscheck-Verfahren" teilnehmen kann, oder ob jedes Mitglied der Gesellschaft selbst als Arbeitgeber die Reinigungskraft zur Sozialversicherung anmelden muss.
Die Klägerin ist eine in I ansässige Wohngemeinschaft schwer pflegebedürftiger Menschen unterschiedlicher Pflegegrade und Pflegestufen, von derzeit 7 fluktuierenden Mitgliedern, die zu gemeinsamem Leben und gemeinsamer Haushaltsführung einen Privathaushalt haben, in den von den einzelnen Mitgliedern der Wohngemeinschaft angemieteten Wohnräumen. Sie werden betreut durch ein externes ambulantes Pflegeunternehmen. Die Wohngruppe beschäftigt als "Gesellschaft bürgerlichen Rechts" seit dem 01.07.2015 als einzige Angestellte eine Putzhilfe ( Frau N C) im Rahmen sogenannter "geringfügiger Beschäftigung".
Im August 2015 wandte sich die Klägerin - durch ihren Bevollmächtigten Herr L (der Ehemann eines der Wohngemeinschaftsmitglieder ist) als sogenannte Präsenzkraft - an die Beklagte als zuständigen Versicherungsträger für die Anmeldung geringfügig Beschäftigter. Sie beantragte, man möge für sie als Arbeitgeber ein Beitragskonto zwecks Beschäftigung der Putzhilfe C eröffnen, und zwar im Wege des Haushaltsscheckverfahrens nach § 28 a Abs. 7-9 SGB IV. Dies halte sie für dem Gesetz angemessen, da der Haushalt von ihren Mitgliedern gemeinsam und privat geführt werde. Die Beklagte – bzw. deren "minijob-Zentrale" – lehnte dies mit Bescheid vom 09.09.2015 ab. Das Haushaltsscheckverfahren könne deshalb nicht angewandt werden, weil die ausgeübte Tätigkeit keine "haushaltsnahe Dienstleistung" sei; es handele sich ferner um eine "gewerbliche" Tätigkeit für die Klägerin. Der Gesetzgeber habe aber für die Anwendung des Haushaltsscheck-Verfahrens gefordert, dass die geringfügige Beschäftigung ausschließlich in einem privaten Haushalt begründet sei und die Aufgaben sonst gewöhnlich durch Mitglieder des privaten Haushalts erledigt würden.
Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin Widerspruch ein. Sie begründete dies damit, dass die Beklagte den Sachverhalt falsch auslege. Die anzumeldende Frau C sei als nur geringfügig beschäftigte Putzhilfe angestellt und übe somit zweifelsfrei eine haushaltsnahe Dienstleistung aus. Eine "gewerbliche" Tätigkeit im eigentlichen Sinne liege nicht vor. Ferner verkenne die Beklagte, dass die Wohngemeinschaft einen "privaten Haushalt" darstelle, denn mehrere schwer pflegebedürftige Menschen hätten sich hier lediglich in Form einer Wohngruppe zusammengetan, und jeder Bewohner zahle ein Haushaltsgeld auf ein gemeinsames Konto ein, wovon Dinge des täglichen Bedarfs und bestimmte Dienstleistungen bestritten würden, auch die Dienstleistung von Frau C. Dafür sei die Klägerin sogar von der Pflegekasse gefördert, nach § 38 a SGB IX. Insbesondere sei darauf hinzuweisen, dass die Klägerin eine selbstverantwortliche und landesgesetzlich besonders geschützte Wohngemeinschaft darstelle, und zwar im Sinne des Wohn- und Teilhabegesetzes von Nordrhein-Westfalen (§ 24 WTG). Es liege also ein "Mehrpersonen-Privathaushalt" vor. Es gebe weder eine dritte Institution als Träger der Wohngemeinschaft, noch sei eine Zerlegung in mehrere Einzelhaushalte geboten bzw. sinnvoll. Das verkenne die Beklagte. Inzwischen habe auch die Bundesagentur für Arbeit den Status des privaten Haushaltes bzw. des privaten Arbeitgebers bestätigt (Bl. 5-7 der Verwaltungsakte – VA).
Mit Widerspruchsbescheid vom 26.01.2016 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Ergänzend zu der Begründung im Bescheid vom 09.03.2015 führte sie aus, eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) könne gar nicht vom Haushaltsscheckverfahren für Privathaushalte mit seinen günstigeren Abgaben und Steuervorteilen profitieren. Eine GbR sei vielmehr im Rahmen des normalen Beitrags- und Meldeverfahrens für geringfügig Beschäftigte abzuwickeln. Die Anwendung des gewünschten Haushaltsscheckverfahrens setze hingegen geringfügige Beschäftigung in einem "Privathaushalt" gemäß § 8 a Satz 2 SGB IV voraus; nach allgemein gültiger Definition zähle dazu nur eine solche Personengemeinschaft, die sich durch eine besondere Solidaritätsbeziehung auszeichne, wie z.B. eine Familie, oder Personen, die allein wohnen und wirtschaften. Auf die Klägerin treffe das nicht zu. Das Haushaltsscheckverfahren sei für die Mitglieder der Klägerin nur anwendbar, wenn jeder Bewohner, evtl. vertreten durch seinen gesetzlichen Betreuer oder Bevollmächtigten, die Kosten seiner Dienstleistungen entflechte, die individuell auf ihn und seinen privaten Lebensbereich innerhalb der Wohngemeinschaft entfallen. Jeder Bewohner müsste dafür einen eigenen Haushaltsscheck einreichen. Eine Sammelabrechnung sei nicht zulässig. Im Übrigen stütze sich die Beklagte auf die Bundestags-Drucksachen, wonach Beschäftigungen in privaten Haushalten, die durch Dienstleistungsagenturen oder andere begründet seien, nicht darunter fielen (Bundestags-Drucksache 15/26, zu Nr. 4, Seite 23 f).
Gegen diesen Widerspruchsbescheid hat die Klägerin am 29.02.2016 Klage zum Sozialgericht Düsseldorf erhoben.
Zur Begründung nimmt sie Bezug auf ihr bisheriges Vorbringen und vertieft dieses. Insbesondere macht sie weiterhin geltend, der – für die Anwendung des Haushaltsscheck-verfahrens nach § 28 a Abs. 7-9 SGB VI notwendige "Privathaushalt" - im Sinne des § 8 a SGB IV sei nicht näher definiert, und nicht so eng auszulegen, wie die Beklagte dies tue. Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch könne darunter auch eine zusammenlebende und wirtschaftliche Einheit bildende Personengemeinschaft von privaten und natürlichen Personen verstanden werden. Auch der Bezug auf eine Entscheidung des Bundessozialgerichts zu Wohnungseigentümergemeinschaften (vom 29.08.2012 – B 12 R 4/10 R) nach dem Wohnungseigentümergesetz (WEG) verfange nicht. Das Bundessozialgericht selbst bestätige, dass der Begriff des "Privathaushalts" im Sinne von § 28 a SGB IV nicht definiert sei, sondern vielmehr im Einzelfall auszulegen sei. Im Kontext mit Wohngruppen im Sinne des § 24 WTG NRW – wie hier gegeben – könne also der Privathaushalt bejaht werden, anders als bei sonstigen eher lose zusammenhängenden Wohnungseigentümergemeinschaften unterschiedlichster Bewohner, die meist nicht viel mehr gemeinsam miteinander hätten, als z. B. ein gemeinsames Treppenhaus. Schließlich unterliege die Klägerin als Wohngruppe im Sinne des § 24 WTG NRW keinerlei Aufzeichnungs- oder Buchführungspflichten, wie z. B. Wohnungseigentümergemeinschaften. Der Hinweis der Beklagten auf die Bundestags-Drucksachen gehe fehl. Dort seien durch Dienstleistungsagenturen oder andere Unternehmen begründete Beschäftigungen in Privathaushalten zwar von der Anmeldung ausgenommen, aber nicht solche durch einen Zusammenschluss natürlicher Personen begründete (Putzhilfen-) Beschäftigungen.
Die Klägerin beantragt,
1. die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 09.09.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.01.2010 zu verurteilen, sie – die Klägerin – zum Zwecke der Meldung der N C zur Sozialversicherung als von ihr – der Klägerin – geringfügig Beschäftigte im Wege des Haushaltsscheckverfahrens nach § 28 a Abs. 7-9 SGB IV zuzulassen, 2. hilfsweise unter Aufhebung der vorgenannten Bescheide festzustellen, dass sie – die Klägerin – berechtigt ist, Frau N C als von ihr geringfügig Beschäftigte zur Sozialversicherung im Wege des Haushaltsscheckverfahrens nach § 28 a Abs. 7-9 SGB VI zu melden.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte nimmt Bezug auf den Inhalt ihrer angefochtenen Bescheide, und verteidigt diese mit vertiefender Begründung. Ergänzend macht sie geltend, sie sehe sich durch den Inhalt der Bundestags-Drucksachen und die bereits zitierte Entscheidung des Bundessozialgerichts zur Wohnungseigentümergemeinschaft in ihrer Auffassung bestätigt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze und den Inhalt der Gerichtsakte sowie auf den Inhalt der Verwaltungsakte der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung war, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig. Sie wurde insbesondere form- und fristgerecht erhoben. Die Klägerin kann als Gesellschaft bürgerlichen Rechts in eigenem Namen Ansprüche geltend machen; die Parteifähigkeit (§ 50 der Zivilprozessordnung) und die Rechtsfähigkeit der Gesellschaft bürgerlichen Rechts ist mittlerweile auch vom Bundesgerichtshof anerkannt (Urteil vom 29.01.2001 – II ZR 331/00).
Die Klage ist in der Sache auch begründet. Entsprechend dem Hauptantrag der Klägerin war die Beklagte zu verurteilen, zum Zweck der Meldung der geringfügig beschäftigten N C zur Sozialversicherung, die Klägerin im Wege des Haushaltsscheckverfahrens nach § 28 a Abs. 7-9 SGB IV zuzulassen, da die Klägerin darauf einen Anspruch hat und alle tatbestandlichen Voraussetzungen des § 28 a Abs. 7-9 SGB IV in Verbindung mit § 8 a SGB IV vorliegen. Daraus folgt die Aufhebung der angefochtenen Beschiede und die Verurteilung der Beklagten (§ 54 Abs. 2, 4 SGG).
Der Anspruch der Klägerin auf Anmeldung der von ihr bzw. ihren Mitgliedern beschäftigten N C ergibt sich aus dem Gesetz, § 28 a Abs. 7-9 SG VI.
Die in diesen Vorschriften geregelte - abgaben- und steuerbegünstigte Anmeldeform steht der Klägerin (auch) als Personengemeinschaft von mehreren natürlichen Personen zu, da die der Klägerin angehörenden Mitglieder für sich jeweils unzweifelhaft die von § 28 a Abs.7-9 SGB IV geforderten "Privathaushalte" im Sinne von § 8 a SGB IV führen; allein der Umstand, dass diese Personen zusammen auch eine private Wohngemeinschaft bilden, ändert nichts am Bestehen eines Privathaushaltes bzw. von Privathaushalten im Sinne des Gesetzes. Dass die Klägerin nach außen als GbR handelt, macht sie nicht per se zur "gewerbetreibenden" Person, sondern zunächst lediglich zu einer Gemeinschaft von Mitgliedern, die im Rechtsverkehr wie eine juristische Person mit bestimmten Sonderrechten auftreten darf. Da ein eigentliches "Gewerbe" der Klägerin, also eine wirtschaftliche Betätigung zur Gewinnerzielung, aber nicht ersichtlich ist, ist die für die Anwendung des Haushaltsscheck-verfahrens entscheidende Weichenstellung, ob ein "Privathaushalt" im Sinne von § 8 a SGB IV darstellt, also zu Gunsten der Klägerin zu entscheiden. Die von der Beklagten angeführte Entscheidung des Bundessozialgerichts (vom 29.08.2012 - B 12 R 4/10 R) ändert nichts an dieser Weichenstellung. Diese Entscheidung ist eine Entscheidung speziell zu Wohnungseigentümergemeinschaften, und nicht der Verallgemeinerung für jede Form von Personenmehrheiten zugänglich. Schließlich hat auch das Bundessozialgericht in seiner Entscheidung selbst eingeräumt, dass der Begriff des "Privathaushalts" gerade nicht gesetzlich allgemeingültig definiert ist, sondern vielmehr – im Einzelfall ! – auszulegen ist, je nachdem um die Anwendung welcher gesetzlichen Vorschriften es geht. Insoweit weist die Klägerin zu Recht darauf hin, dass sie demgegenüber doch eine andere – rechtlich besonders durch das Teilhabegesetz NRW geförderte - Stellung innehat, so wie das rechtlich und faktisch auch in § 24 und § 25 des Wohn- und Teilhabegesetzes NRW zum Ausdruck kommt. Eine solche Wohngemeinschaft insbesondere schwer pflegebedürftiger Personen ist, anders als eine Gemeinschaft von mehreren Bewohnern eines Mehrfamilienhauses, vielmehr eine - dem Pflegebedarf älterer oder besonders kranker Menschen Rechnung tragende - besondere Art von "Gefahrengemeinschaft", von mehreren natürlichen Zivilpersonen, die nicht gewerbliche Zwecke verfolgen, sondern einfach Unterstützung bei "Haushaltsdienstleistungen" benötigen, weil sie sich gar nicht mehr ausreichend selbst versorgen können, und nicht mehr selbst die Wohnräume ausreichend sauber halten können (anders als z. B. bei Wohnungseigentümergemeinschaften, wo meist nur einige wenige gemeinsame Räume wie Treppenhaus und ähnliches aus Vereinfachungsgründen einheitlich gereinigt werden). Dass die Wohnungseigentümergemeinschaft nicht vergleichbar ist mit einer Wohngemeinschaft pflegebedürftiger Personen ergibt sich im Übrigen daraus, dass Wohnungseigentümergemeinschaften im Sinne des WEG regelmäßig bestehen aus unterschiedlichsten Menschen aller Art, ob jung oder alt, beschäftigt oder arbeitslos oder in Rente, allein lebend, Kinder erziehend, oder in anderer Weise Haushalt führend.
Im Übrigen entspricht die Anwendung des Haushaltsscheckverfahrens hier sogar mehr dem Sinn und Zweck des Gesetzes, als die von der Beklagten im Widerspruchsbescheid genannte "Entflechtung" dergestalt, dass für eine "geringfügig" beschäftigte Putzfrau gleich 7 Personen die Anmeldung zu Mini-Bruchteilen machen müssten, um dies sogleich wieder zu ändern, wenn eine der pflegebedürftigen Personen stirbt oder aus sonstigen Gründen die Hausgemeinschaft verlassen muss; ein nicht seltener Umstand angesichts der Fluktuation von pflegebedürftigen Menschen in Heimen und Wohngemeinschaften. Die Bundestags-Drucksachen sprechen entgegen der Auffassung der Beklagten nicht gegen die von der Kammer vertretene Auslegung. Aus den Bundestags-Drucksachen (BT-Drucks. 15/26, S. 23/24 zu § 8 a SGB IV) ergibt sich, dass es dem Gesetzgeber primär ging um die Bekämpfung unangemeldeter Schwarzarbeit, vor allem durch Gewerbler, und das Ansinnen der Klägerin hat hier weder die Absicht einer Schwarzarbeit noch die Absicht einer typisch "gewerblichen" Tätigkeit, weder der Wohngemeinschaft noch der Putzhilfe, denn diese verrichtet, worauf die Klägerin zutreffend hinweist, eher "haushaltsnahe Dienstleistung" in nur geringfügigem Umfang.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 197 a SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 1 und § 161 Abs. 1 VwGO; die Beklagte hat als unterliegende Partei die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, also die angefallenen Gerichtskosten und die etwaigen notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin.
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