S 11 U 212/11

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
SG Nürnberg (FSB)
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 11 U 212/11
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Ziffern 2, 3 und 4 des Bescheides vom 20.04.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.06.2011 werden aufgehoben.
II. Es wird festgestellt, dass die Gesundheitsstörung "komplexes regionales Schmerzsyndrom" Folge des Arbeitsunfalls vom 19.02.2009 ist.
III. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin anlässlich des Arbeitsunfalls vom 19.02.2009 Verletztengeld nach den gesetzlichen Bestimmungen und im Anschluss daran Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 60 v. H. der Vollrente nach den gesetzlichen Bestimmungen zu zahlen.
IV. Die Beklagte hat der Klägerin die notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist noch streitig, ob ein "komplexes regionales Schmerzsyndrom" (CRPS) Folge des Arbeitsunfalls vom 19.02.2009 ist und der Klägerin Verletztengeld nach den gesetzlichen Bestimmungen und im Anschluss daran Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 60 v. H. der Vollrente nach den gesetzlichen Bestimmungen zu zahlen ist.

Die 1966 geborene Klägerin wollte am 19.02.2009 bei ihrer Arbeit einen Karton, der nach ihren Angaben 30 bis 40 kg gewogen hat, von einer Palette aus etwa 1,70 m Höhe herunterholen. Dabei riss der Karton, der in die Ellenbeuge bzw. auf den Ellenbogen (rechts) der Klägerin fiel. Daraufhin stellte sich die Klägerin in der Kreisklinik B-Stadt vor, wo eine Zerrung des Ellenbogens rechts festgestellt wurde. Bei einer MRT-Untersuchung am 31.03.2009 wurde eine Entzündung des Knochenvorsprungs am Oberarm im Bereich des Ellenbogengelenks der Speiche rechts (Epicondylitis radialis humeri) festgestellt. Aufgrund dieser Diagnose wurde das Heilverfahren zu Lasten der Beklagten von den behandelnden Ärzten abgebrochen und die Heilbehandlung zu Lasten der Krankenkasse weitergeführt. Am 04.05.2009 wurde wegen der weiterhin bestehenden Beschwerden eine Operation durchgeführt. Mit Bericht vom 28.03.2010 informierte die Chirurgin J. die Beklagte davon, dass es sich bei der Klägerin um einen schwersten Sudeck, den Arm betreffend, handele. Trotz intensiver Therapie finde sich eine nicht beeinflussbare Gebrauchsminderung des rechten Arms. Es werde eine Vorstellung der Klägerin in einer Klinik der Beklagten empfohlen. Mit Bericht vom 05.05.2010 teilte Dr. N., Chefarzt der Unfall-, Hand- und Wiederherstellungschirurgie in der Kreisklinik B-Stadt, der Beklagten mit, dass eventuell doch von einem Zusammenhang zwischen dem Unfall vom 19.02.2009 und dem nun bestehenden Schmerzsyndrom auszugehen sei. Auf Veranlassung der Beklagten gab anschließend der Chirurg Dr. G. am 27.05.2010 eine beratungsärztliche Stellungnahme ab, in der er die Auffassung vertrat, dass ein Zusammenhang zwischen dem Morbus Sudeck und dem Ereignis vom 19.02.2009 gegeben sei, wenn kein relevanter Vorschaden nachzuweisen sei. Daraufhin veranlasste die Beklagte ein stationäres Heilverfahren in der Unfallklinik M., eine neurologisch-psychiatrische Begutachtung durch Prof. Dr. G. (Gutachten vom 11.10.2010) und eine Zusammenhangsbegutachtung durch Dr. N ... In seinem unfallchirurgischen Gutachten vom 15.12.2010 führte Dr. N. zusammenfassend aus, dass es aufgrund der Distorsion des rechten Ellenbogens im weiteren Verlauf zu einer Entzündungsreaktion gekommen sei, die letztendlich in einer Epicondylitis humeri radialis gemündet habe. Bei anhaltenden Beschwerden sei die Epicondylitis-Operation erfolgt, im weiteren Verlauf habe die Unfallversicherte ein CRPS Typ I entwickelt. Es lägen keine konkurrierenden Ursachen vor, es handele sich nicht um die Verschlimmerung eines vorbestehenden Leidens. Unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit und Behandlungsbedürftigkeit bestünden vom Unfalltag bis heute. Derzeit bestehe eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 30 %.

Mit Schriftsatz vom 16.02.2011 trug die Bevollmächtigte der Klägerin insbesondere vor, dass die Beklagte von einem nicht zutreffenden Sachverhalt ausgehe. Der Karton sei der Klägerin nicht in die rechte Ellenbeuge gefallen, sondern auf den Ellenbogen. Die Klägerin sei vor dem Unfallereignis bezüglich des Ellenbogens bewegungs- und schmerzfrei gewesen.

Nach Einholung einer Stellungnahme des Dr. N. vom 01.03.2011 erkannte die Beklagte mit Bescheid vom 20.04.2011 das Ereignis vom 19.02.2009 als Arbeitsunfall an und stellte weiterhin fest, dass ein Zusammenhang zwischen der festgestellten Entzündung des Knochenvorsprungs am Oberarm im Bereich des Ellenbogengelenks der Speiche rechts und dem Unfall vom 19.02.2009 nicht bestehe. Folglich bestehe auch kein Zusammenhang mit der daraufhin durchgeführten Operation am 04.05.2009 und dem sich daraus entwickelnden komplexen regionalen Schmerzsyndrom des rechten Arms. Daher bestehe auch kein Anspruch auf Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung über den 31.03.2009 hinaus. Die Vorschüsse auf Verletztengeld in Höhe von 450,00 Euro seien zu erstatten.

Hiergegen legte die Bevollmächtigte der Klägerin am 04.05.2011 unter Übersendung einer Stellungnahme des Physiotherapeuten D. (E. S.) vom 13.03.2011 Widerspruch ein und begründete ihn insbesondere damit, dass der Karton der Klägerin nicht in die Ellenbeuge, sondern auf den Ellenbogen gefallen sei.

Mit Widerspruchsbescheid vom 29.06.2011 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück. Erst nach Kenntnis des Schreibens der Beklagten vom 10.01.2011 an Dr. N. und nach Einsicht in die Unfallakte habe die Klägerin über ihre Bevollmächtigte den Unfallhergang dahingehend korrigiert, dass der Klägerin der Karton nicht in die Ellenbeuge, sondern auf das Ellenbogengelenk gefallen sei. Unter Berücksichtigung dieses Unfallhergangs sei es daher am 19.02.2009 zu einer Zerrung des rechten Ellenbogens gekommen, die mit Abbruch des Heilverfahrens durch Dr. N. am 31.03.2009 ausgeheilt gewesen sei. Die darüber hinausgehende Arbeitsunfähigkeit und Behandlungsbedürftigkeit sei auf die unfallunabhängige Diagnose der Epicondylitis zurückzuführen.

Hiergegen hat die Bevollmächtigte der Klägerin am 29.07.2011 Klage zum Sozialgericht Nürnberg (SG) erhoben. Zur Klagebegründung trägt sie mit Schriftsätzen vom 02.09.2011 und 20.09.2011 über ihr bisheriges Vorbringen hinaus insbesondere vor, dass der von der Beklagten selbst beauftragte Gutachter Prof. Dr. G. den richtigen Sachverhalt aufgenommen habe. Danach habe die Klägerin ihm gegenüber mitgeteilt, dass der Karton ins Rutschen gekommen und ihr auf den rechten Ellenbogen gefallen sei. In der Anamnese des freien unfallchirurgischen Zusammenhangsgutachten habe Dr. N. ausgeführt, dass ein direktes Trauma auf den Epicondylus stattgefunden habe.

Mit Schriftsatz vom 21.11.2011 hat die Bevollmächtigte der Klägerin dem SG 14 Röntgenbilder nebst CT sowie eine CD mit MRT-Aufnahmen vom 31.03.2009 übermittelt. Anschließend hat gemäß § 106 Sozialgerichtsgesetz (SGG) der Handchirurg und Orthopäde Dr. F. am 13.02.2012 aufgrund ambulanter Untersuchung der Klägerin vom 08.02.2012 ein Gutachten erstattet und darin insbesondere ausgeführt, dass sich bei der Untersuchung am gesamten rechten Arm eine massive Sudecksche Heilentgleisung mit aufgehobener Funktion des gesamten rechten Arms bei typischen klinischen und radiologischen Zeichen gezeigt habe. Eine Epicondylitis entstehe nicht durch ein reines Anpralltrauma. Aus dem Befund im Arztbericht vom 31.03.2009 lasse sich kein Hinweis auf eine Sudecksche Heilentgleisung finden. Die Funktion sei im Ellenbogengelenk noch deutlich eingeschränkt, dies könne jedoch auch auf die Gipsschienenruhigstellung zurückgeführt werden. Der Vollbeweis einer schwerwiegenden Verletzung durch das geschilderte Unfallgeschehen sei nicht möglich. Hier müsse auf den Kernspinbefund verwiesen werden. Der weitere Verlauf nach operativem Eingriff am Ellenbogengelenk rechts sei folglich nicht dem Unfallereignis anzulasten, ebensowenig die eingetretene Heilentgleisung mit einer jetzt noch bestehenden ausgeprägten Funktionsbehinderung. Eine unfallbedingte Gebrauchsbeeinträchtigung des rechten Arms bestehe nicht, es lägen keine Unfallfolgen vor.

Mit Schriftsätzen vom 13.04.2012 und 30.04.2012 wendet die Bevollmächtigte der Klägerin unter Übersendung des Schreibens der Chirurgin J. vom 25.04.2012 zum Gutachten des Dr. F. insbesondere ein, dass durch den Aufprall des Kartons ein Hämatom entstanden sei. Damit stehe fest, dass eine Prellung des Ellenbogens und nicht nur eine Zerrung in der Ellenbeuge stattgefunden habe. Festzustellen sei, dass der Morbus Sudeck bereits vor der OP vorhanden gewesen sei, jedoch fehlerhaft von dem Behandler nicht festgestellt worden sei. Zur weiteren Klagebegründung trägt sie mit Schriftsätzen vom 21.05.2012 und 31.07.2012 unter Hinweis auf das Urteil des BSG vom 05.07.2011 (B 2 U 17/10 R) insbesondere vor, dass ein ärztlicher Behandlungsfehler stattgefunden habe. Die lange Ruhigstellung unmittelbar nach dem Bagatelltrauma vom 19.02.2009, nämlich vom 26.02.2009 bis 31.03.2009 und bis vier Wochen nach der Operation hätte nicht erfolgen dürfen, da die Schmerzen im Ellenbogen trotz Gipsruhigstellung unverändert stark gewesen seien, so stark, dass sogar die normalerweise völlig schmerzfreie Anwendung einer Elektrotherapie wegen des Auftretens einer Schwellung nicht mehr habe weitergeführt werden können. Ebenso habe keinesfalls die Operation durchgeführt werden dürfen, mithin in den bereits vorhandenen Morbus Sudeck (jetzt: CRPS) "hinein operiert" werden dürfen. Dass der Morbus Sudeck bereits vor dem 31.03.2009 und vor dem 04.05.2009 vorhanden gewesen sei, ergebe sich auch aus den Feststellungen der Chirurgin Dipl.-Med. J. vom 16.06.2009, die zu diesem Zeitpunkt eine Überweisung in das Krankenhaus B-Stadt zur Schmerztherapie wegen Versteifung des Handgelenks, Ellenbogens und Schultergelenks, fehlendem Faustschluss bereits veranlasst gehabt habe, was eigentlich schon dem Stadium 2 des Morbus Sudeck entspreche. Das Stadium 1 des Morbus Sudeck sei mit einer Dauer von bis zu drei Monaten und länger vorausgegangen, sodass rückrechnend vom 16.06.2009 die Anzeichen für einen Morbus Sudeck bereits seit Anfang bis Mitte März 2009 bestanden haben müssten und von Seiten der behandelnden Ärzte der Kreisklinik B-Stadt fehlerhaft nicht festgestellt worden seien. Im Übrigen habe Dr. N. noch nachträglich mitgeteilt, dass es sich um einen BG-Fall gehandelt habe und die Beendigung der Behandlung zum 31.03.2009 unzutreffend gewesen sei. Soweit also mittelbare Unfallfolgen zu der schweren Folge der nunmehr bestehenden Funktionslosigkeit des rechten Arms der Klägerin geführt hätten, seien diese dem anerkannten Versicherungsfall im Sinne des § 11 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) zuzurechnen. Hierauf erwidert die Beklagte mit Schriftsatz vom 28.06.2012 insbesondere, dass - abgesehen davon, dass die Beklagte keine Anhaltspunkte auf tatsächlich stattgefundene ärztliche Behandlungsfehler sehen könne - darauf hingewiesen werden müsse, dass der Behandler spätestens ab dem 31.03.2009 nicht mehr für die Rechnung der Beklagten tätig gewesen sei, sondern die Behandlung zu Lasten der Beklagten abgebrochen worden sei. Somit könne der Gesundheitsschaden nicht Folge einer durch die Beklagte mittelbar angeordneten Heilbehandlung sein.

Anschließend hat auf Antrag der Klägerin (Schriftsatz vom 30.04.2012) der Orthopäde Dr. R. nach ambulanter Untersuchung der Klägerin vom 14.11.2012 am 17.12.2012 gemäß § 109 SGG ein Gutachten erstellt und darin insbesondere die Auffassung vertreten, dass die Operation am 04.05.2009 während eines beginnenden Morbus Sudeck durchgeführt worden sei. Das ursächliche Ereignis für den Morbus Sudeck habe am 19.02.2009 stattgefunden. Durch die erneute Gipsruhigstellung postoperativ habe sich dann das Vollbild eines Morbus Sudeck entwickelt. Die Gipsruhigstellung habe die beginnende Sudecksche Erkrankung nicht verhindert, sondern verstärkt. Die MdE müsse mit 100 % angenommen werden, da eine völlige Gebrauchsunfähigkeit des rechten Armes bestehe.

Hierauf entgegnet die Beklagte (Schriftsatz vom 09.01.2013), dass der kernspintomografische Befund vom 31.03.2009 eine mäßig ausgeprägte Epicondylitis ergeben habe, die weder nach der beratungsärztlichen Stellungnahme des Dr. G. noch nach dem im Klageverfahren eingeholten Gutachten des Dr. F. und auch nicht nach dem Gutachten des Dr. R. als unfallbedingt anerkannt werden könne. Von der Kreisklinik B-Stadt sei am 31.03.2009 ein unauffällig äußerer Befund festgestellt worden, keine Blauverfärbung, keine vermehrte Behaarung oder vermehrtes Schwitzen. Die Behandlung sei zu diesem Zeitpunkt folgerichtig zu Lasten der Beklagten beendet worden. Die weitere Behandlung des unfallunabhängigen chronischen Reizzustandes der Sehnenansätze sei dann zu Lasten der Krankenkasse erfolgt. Im Verlauf dieser Behandlung sei am 04.05.2009 eine Operation (Denervierung nach Wilhelm) durchgeführt worden, was zu einem chronischen Schmerzsyndrom geführt habe. Dem Bericht des Krankenhauses der B. in R. vom 23.10.2009 sei zu entnehmen, dass es nach der im Mai durchgeführten Operation zu einer Verschlechterung der Beschwerden am rechten Unterarm der Klägerin mit rezidivierender Schwellung sowie zu einer sympathischen Dysregulation im Sinne eines CRPS gekommen sei. Diese Operation sei allerdings nicht aufgrund von Unfallfolgen notwendig gewesen. Der Bewertung der MdE mit 100 v. H. durch Dr. R. sei nicht zu folgen, da selbst der Verlust eines ganzen Armes im Schultergelenk nicht zu einer MdE von 100 führen würde.

Mit Schriftsätzen vom 31.01.2013, 15.02.2013, 22.02.2013 und 14.03.2013 wendet die Bevollmächtigte der Klägerin unter Übersendung einer Stellungnahme der Chirurgin J. vom 05.03.2013 hiergegen ein, dass der Chefarzt Dr. N. schriftlich erklärt habe, dass die Behandlung zu Lasten der Beklagten am 31.03.2009 zu Unrecht abgeschlossen worden sei. Es sei nicht zutreffend, dass die Symptome nicht vor dem 31.03.2009 bestanden hätten. Im Juni 2009 seien bereits massive Anzeichen für einen Morbus Sudeck von der Chirurgin J. festgestellt worden. Dass sie im Krankenhaus nicht dokumentiert worden seien, spreche dafür, dass im Krankenhaus eine Fehldiagnose erfolgt sei. Die 12-wöchige Gipsruhigstellung nach dem 19.02.2009 habe das festgestellte CRPS-Syndrom ausgelöst. Diese Gipsruhigstellung sei anlässlich des Ereignisses am 19.02.2009 durch das Krankenhaus B-Stadt erfolgt. Allein daraus ergebe sich bereits, dass die nunmehr eingetretene Funktionslosigkeit des rechten Arms auf das Ereignis vom 19.02.2009 zurückzuführen sei.

Auf Veranlassung des Gerichts hat der gerichtliche Sachverständige Dr. F. ergänzend Stellung genommen. Die Bevollmächtigte der Klägerin hat sich hierzu mit Schriftsätzen vom 06.05.2013, 17.06.2013, 28.06.2013 und 19.07.2013 und die Beklagte mit Schriftsatz vom 13.05.2013 geäußert.

Gestützt auf eine Stellungnahme des Chirurgen/Unfallchirurgen und Orthopäden Dr. M. vom 07.07.2013 trägt die Beklagte mit Schriftsätzen vom 22.07.2013 und 21.08.2013 insbesondere vor, dass eine posttraumatische Epicondylitis humeri radialis nicht angenommen werden könne. Diese Epicondylitis stelle jedoch den einzigen objektivierbaren Befund dar, der bis auf die angegebene Bewegungseinschränkung im Bereich des Ellenbogengelenks der Klägerin objektiviert sei. Ein objektivierbarer Gesundheitserstschaden liege dementsprechend nicht vor. Auch durch eine Bagatellverletzung könne ein chronisch regionales Schmerzsyndrom entstehen. Allerdings sei dann zu klären, ob eine Bagatellverletzung, die derart gering gewesen sei, dass sie keine objektivierbare Läsion hinterlassen habe, nicht auch bei jeder anderen Gelegenheit eintreten könne. Sowohl die klinische Beschreibung am 31.03.2009 mit unauffälligem Kolorit der Haut und fehlender vermehrter Schweißneigung oder Behaarung als auch der kernspintomografische Befund vom 31.03.2009 ließen zu diesem Zeitpunkt keine Hinweise auf das Vorliegen eines chronisch regionalen Schmerzsyndroms zu, die objektivierbar wären. Gerade bildgebende Verfahren mit Röntgenaufnahmen oder Kernspintomografie hätten bereits zu einem früheren Zeitpunkt Veränderungen der Stoffwechselsituation im Knochen erkennen lassen, die auf das Vorliegen eines chronisch regionalen Schmerzsyndroms hinwiesen. Die Epicondylitis humeri radialis rechts, die nicht unfallbedingt sei, habe zur Durchführung der Operation geführt, sodass der weitere Verlauf mit der Entwicklung des chronisch regionalen Schmerzsyndroms und daraus resultierender Gebrauchsunfähigkeit als unfallunabhängig zu betrachten sei. Am 31.03.2009 hätten wieder völlig unauffällige Befunde vorgelegen (Schriftsatz vom 21.08.2013).

Hierauf entgegnet die Bevollmächtigte der Klägerin mit Schriftsatz vom 02.09.2013 insbesondere, dass der Krankengymnast E. S. ein direktes Trauma auf den Ellenbogen dokumentiert habe und die Behandlungen aufgrund der erheblichen Schmerzen der Klägerin, die sich bereits vor der Operation am 04.05.2009 gezeigt hätten, abgebrochen und die Klägerin dann wieder in das Krankenhaus verwiesen habe. Dort sei nur eine Ruhigstellung des Arms veranlasst worden. Aufgrund dieser - grob fehlerhaften - Ruhigstellung des Arms sei es dann zu der Ausbildung der Sudeckschen Erkrankung gekommen. Die Sudecksche Heilentgleisung sei bereits vor der Operation vorhanden gewesen, sodass es grob fehlerhaft gewesen sei, in diese bereits beginnende Heilentgleisung "hinein zu operieren". Durch die weitere Gipsruhigstellung, die nicht lege artis erfolgt sei, sei die Entwicklung des Schmerzsyndroms noch verschlimmert worden. Gegen die Ausbildung des Schmerzsyndroms erst bei der Operation am 04.05.2009 spreche, dass bereits Mitte Mai 2009 Dr. P. die Feststellungen eines Sudecks im Stadium 2 angestellt habe. Die Chirurgin Dipl.-Med. J. habe bereits am 15.06.2009 das Stadium 2 der Sudeckschen Heilentgleisung diagnostiziert. Wenn Dr. M. ausführe, dass das Stadium 1 in einem Zeitraum zwischen der ersten und siebten Woche eine starke Schmerzhaftigkeit auslöse, dann könne das Stadium 1 am 15.06.2009 wie auch am 24.05.2009 nicht mehr bestanden haben, denn zu diesen Zeitpunkten habe die Klägerin bereits länger als sieben Wochen starke Schmerzen gehabt.

Auf gerichtliche Veranlassung hat der gerichtliche Sachverständige Dr. F. am 16.01.2013 gemäß § 106 SGG erneut Stellung genommen.

Mit Schriftsatz vom 30.04.2014 weist die Beklagte demgegenüber darauf hin, dass auch Dr. F. in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 16.01.2013 korrekt wiedergegeben habe, dass der Bericht aus der Kreisklinik B-Stadt vom 31.03.2009, mit dem der Abbruch der Behandlung zu Lasten der Beklagten mitgeteilt worden sei, vom Oberarzt Dr. T. unterschrieben worden sei und nicht vom Chefarzt Dr. N. Insofern könne wohl keine Äußerung von Dr. N. hierzu erfolgen.

Gemäß Beweisanordnung vom 04.02.2015 i. V. m. dem Beschluss vom 06.11.2015 hat der Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie, spezielle Schmerzkrankheit Dr. I. nach ambulanter Untersuchung der Klägerin am 13.05.2015 gemäß § 106 SGG ein Gutachten erstattet, in dem er zusammenfassend die Auffassung vertreten hat, dass es unerheblich sei, ob es zu einer Zerrung des Ellenbogens gekommen sei oder ob ein schwerer Karton in die Ellenbeuge oder auf die Außenseite des Ellenbogengelenks gefallen sei. Die operierte "Epicondylopathie" sei in diesem Fall prinzipiell keine ausreichend gesicherte Diagnose. Wenn tatsächlich eine radiale Epicondylopathie vorgelegen hätte, so wäre sie keine Unfallfolge. Es sei eindeutig festzustellen, dass das Beschwerdebild und die Frequenz der Nachbehandlung einer normalen "Zerrung" oder "Prellung" nicht entsprächen. Derartige Banalverletzungen hätten auch die Behandlung mit einem Oberarmgips nicht notwendig gemacht. Das später diagnostizierte CRPS sei keine Operationsfolge gewesen, mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit habe es bereits vor dem Eingriff am 04.05.2009 vorgelegen. Eine konkrete Verschlechterung des sich entwickelnden CRPS durch den Eingriff sei zumindest nicht beweisbar. Ab dem Untersuchungstag (13.05.2015) sei die MdE mit 60 einzuschätzen.

Hiergegen wendet die Beklagte mit Schriftsatz vom 22.06.2015 unter Übersendung der Stellungnahme des Beratungsarztes Dr. M. vom 15.06.2015 insbesondere ein, dass für die Überzeugung des gerichtlichen Sachverständigen Dr. I., in der Zeit zwischen dem Trauma und der Operation am rechten Ellenbogengelenk habe sich ein CRPS entwickelt, jeglicher objektiver Nachweis fehle.

Daraufhin hat der gerichtliche Sachverständige Dr. I. in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 17.07.2015 gemäß § 106 SGG insbesondere dargelegt, dass das Ereignis zu einer Traumatisierung des rechten Ellenbogengelenks geführt habe, wenn auch ohne radiologisch sicher nachweisbare strukturelle Unfallschäden. Der fehlende konkrete Nachweis bedeute aber nicht, dass ein Unfallereignis nicht vorgelegen habe.

Hierzu äußert sich die Bevollmächtigte der Klägerin mit Schriftsatz vom 24.07.2015 insbesondere dahingehend, dass der Physiotherapeut E. S. die Behandlung Anfang März 2009 mit der Begründung abgebrochen habe, dass hier keine einfache Zerrung/Prellung vorgelegen habe, mithin stärkere Verletzungen vorgelegen haben müssten. Er habe auch ein Hämatom festgestellt. Des weiteren habe er festgestellt, dass vermehrtes Schwitzen vorliege und der Arm wohl ein beginnendes CRPS ausweise.

Hierzu entgegnet die Beklagte mit Schriftsatz vom 05.08.2015, dass E. S. in seiner Stellungnahme vom 13.03.2011 als sichtbaren Befund eine Schwellung und ein Hämatom im Bereich des Olecranon beschreibe. Die von der Bevollmächtigten der Klägerin erwähnten sichtbaren Befunde erwähne E. S. jedoch nicht. Deshalb sei nicht nachvollziehbar, wie diese Angaben zustande kämen. Es lägen keine Unterlagen vor, wonach E. S. ein vermehrtes Schwitzen aufgefallen sei.

Mit Schriftsatz vom 09.11.2015 trägt die Beklagte unter Übersendung einer beratungsärztlichen Stellungnahme des Univ. Prof. Dr. P. vom 03.11.2015 insbesondere vor, dass die radiologische Auswertung des MR vom 31.03.2009 ergeben habe, dass sich in diesem MR keine Hinweise auf ein beginnendes CRPS gefunden hätten. Es liege danach eine chronische Epicondylitis radialis vor, wodurch sich die chronischen Beschwerden der Klägerin zwanglos erklärten. Durch den Hinweis von Dr. I., dass es trotz der Banalität der Läsion schicksalshaft zu einer Heilentgleisung gekommen sei, werde bestätigt, dass es sich bei dem Ereignis vom 19.02.2009 um ein austauschbares Ereignis gehandelt habe, also die Diagnose CRPS nur gelegentlich des Ereignisses aufgetreten sei. Im Übrigen lasse sich die Diagnose CRPS erst nach dem nicht unfallbedingten operativen Eingriff am 04.05.2009 stellen.

Auf Veranlassung des Gerichts hat der gerichtliche Sachverständige Dr. I. am 19.11.2015 erneut ergänzend Stellung genommen und ausgeführt, dass der Kernspintomografie keine erhebliche Bedeutung beizumessen sei. Der Hinweis, dass es nach der Prellung des Ellenbogengelenks schicksalshaft zu einer Heilentgleisung gekommen sei, bedeute nicht, dass das Unfallereignis ein austauschbares Ereignis gewesen sei. Es sei auch kein Fall eines spontan ohne jedwedes Ereignis aufgetretenes CRPS bekannt.

Das Gericht hat die ärztlichen Unterlagen der Chirurgin J. beigezogen und den Physiotherapeuten E. S. als sachverständigen Zeugen sowie den gerichtlichen Sachverständigen Dr. I. in der öffentlichen Sitzung vom 27.11.2015 einvernommen.

Die Bevollmächtigte der Klägerin beantragt zuletzt (öffentliche Sitzung vom 27.11.2015):

1. Ziffern 2, 3 und 4 des Bescheides vom 20.04.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.06.2011 werden aufgehoben. 2. Es wird festgestellt, dass die Gesundheitsstörung "komplexes regionales Schmerzsyndrom" Folge des Arbeitsunfalls vom 19.02.2009 ist. 3. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin anlässlich des Arbeitsunfalls vom 19.02.2009 Verletztengeld nach den gesetzlichen Bestimmungen und im Anschluss daran Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 60 v. H. der Vollrente nach den gesetzlichen Bestimmungen zu zahlen.

Die Vertreterin der Beklagten beantragt, die Klage abzuweisen.

Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der beigezogenen Akten der Beklagten (Bände I und II) und der Gerichtsakte verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht erhobene Klage ist auch im Übrigen zulässig (§§ 51, 54 Abs. 1 Satz 1 1. und 2. HS und Abs. 4, 55 Abs. 1 Nr. 3, 57, 78, 87, 90 SGG).

Der von der Bevollmächtigten der Klägerin zuletzt gestellte Antrag (siehe öffentliche Sitzung vom 27.11.2015), festzustellen, dass die Gesundheitsstörung "komplexes regionales Schmerzsyndrom" Folge des Arbeitsunfalls vom 19.02.2009 ist, stellt gegenüber dem im Schriftsatz vom 29.07.2011 gestellten Feststellungsantrag eine im Sinne des § 99 Abs. 1 SGG zulässige Klageänderung im Sinne einer Klageerweiterung dar. Nach dieser Vorschrift ist eine Änderung der Klage nur zulässig, wenn die übrigen Beteiligten einwilligen oder das Gericht die Änderung für sachdienlich hält. Die Klageänderung ist hier zulässig, weil insoweit eine Klärung im Rahmen der hierfür erforderlichen medizinischen Sachverhaltsermittlung im Klageverfahren erfolgt ist und sie deshalb sachdienlich ist. Darüber hinaus hat die Beklagte ihre Einwilligung im Sinne des § 99 Abs. 1 SGG stillschweigend dadurch zum Ausdruck gebracht, dass sie sich ohne Widerspruch schriftsätzlich und in der öffentlichen Sitzung vom 27.11.2015 auf die geänderte Klage eingelassen hat.

Die Klage ist auch im Sinne des zuletzt gestellten Antrags begründet. Denn die Ziffern 2, 3 und 4 des Bescheides vom 20.04.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.06.2011 sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten, § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG. Unter Aufhebung der Ziffern 2, 3 und 4 der angefochtenen Bescheide war als Folge des Arbeitsunfalls vom 19.02.2009 ein "komplexes regionales Schmerzsyndrom" festzustellen und die Beklagte zu verpflichten, der Klägerin anlässlich des Arbeitsunfalls vom 19.02.2009 Verletztengeld nach den gesetzlichen Bestimmungen und im Anschluss daran Verletztenrente nach einer MdE von 60 v. H. der Vollrente nach den gesetzlichen Bestimmungen zu zahlen.

Zu dieser Überzeugung gelangte das Gericht aufgrund einer Gesamtwürdigung der in den Akten enthaltenen medizinischen Befunde und Stellungnahmen, insbesondere aufgrund der schlüssigen und überzeugenden Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen Dr. I. in seinem Gutachten vom 13.05.2015 einschließlich ergänzender Stellungnahmen vom 17.17.2015 und 19.11.2015 sowie aufgrund seiner Einvernahme und der Einvernahme des sachverständigen Zeugen E. S. in der öffentlichen Sitzung am 27.11.2015.

Die Anerkennung einer Gesundheitsstörung als Folge eines Arbeitsunfalles und ggf. die Entschädigung durch Zahlung einer Verletztenrente setzt voraus, dass die Gesundheitsstörung Folge eines Versicherungsfalles, d. h. eines Arbeitsunfalles, ist. Der Arbeitsunfall muss wesentlich an der Entstehung der Gesundheitsstörung mitgewirkt haben. Davon ist auszugehen, wenn er neben anderen Bedingungen bei wertender Betrachtung diejenige ist, die wegen ihrer besonderen qualitativen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich beigetragen hat (Theorie der wesentlichen Bedingung, ständige Rechtsprechung, vgl. z. B. BSG, Urteil vom 28.06.1988, BSGE 63, 277). Dabei müssen die anspruchsbegründenden Tatsachen, d. h. neben dem Arbeitsunfall auch die Gesundheitsstörung, mit an Gewissheit grenzender Wahrscheinlichkeit bewiesen sein (Vollbeweis). Ein vernünftiger, die Lebensverhältnisse klar überschauender Mensch darf keinen Zweifel mehr haben (BSG, Urteil vom 27.03.1958, BSGE 7, 103, 106). Demgegenüber ist hinreichende Wahrscheinlichkeit für den ursächlichen Zusammenhang zwischen dem schädigenden Ereignis und dem Gesundheits(erst)schaden (haftungsbegründende Kausalität) sowie den Folgeschäden (haftungsausfüllende Kausalität) ausreichend. Eine hinreichende Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs ist nur dann zu bejahen, wenn mehr für als gegen die jeweilige Tatsache spricht (BSG, Urteil vom 08.08.2001, B 9 U 23/01 R, Juris Rn. 4). Voraussetzung ist unter Würdigung des Beweisergebnisses ein solcher Grad von Wahrscheinlichkeit, dass ernste Zweifel hinsichtlich einer anderen Möglichkeit ausscheiden und nach der geltenden ärztlichen wissenschaftlichen Lehrmeinung deutlich mehr für als gegen einen ursächlichen Zusammenhang spricht (BSG, Urteil vom 08.08.2001, B 9 U 23/01 R, Juris Rn. 4 m.w.N.). Die Anforderungen an die hinreichende Wahrscheinlichkeit sind grundsätzlich höher als diejenigen an die Glaubhaftmachung (BSG, Urteil vom 08.08.2001, B 9 U 23/01 R, Juris Rn. 4). Bei der bei der Glaubhaftmachung zu fordernden hinreichenden Wahrscheinlichkeit genügt die gute Möglichkeit, dass sich der Vorgang so zugetragen hat, wobei gewisse Zweifel bestehen bleiben können.

Demgegenüber ist der sogenannte Vollbeweis erst dann erbracht, wenn eine Tatsache in so hohem Grade wahrscheinlich ist, dass alle Umstände des Falles nach vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens und nach der allgemeinen Lebenserfahrung geeignet sind, die volle richterliche Überzeugung, die bei an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit gegeben ist, zu begründen (vgl. BSG, Urteil vom 29.03.1963, 2 RU 75/61 = BSGE 19, 52; BSG, Urteil vom 22.09.1977, 10 RV 15/77 = BSGE 45, 1; vom 15.12.1999, B 9 VS 2/98 R = Breithaupt 2000, 390 f.; vom 08.08.2001, B 9 V 23/01 B = Breithaupt 2001, 967 und Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl. 2008, § 128 Rn. 3 c m.w.N.).

Ein im dargestellten Sinn mit hinreichender Wahrscheinlichkeit vorliegender Ursachenzusammenhang zwischen dem Ereignis vom 19.02.2009 und dem bei der Klägerin im Vollbeweis erwiesenen "komplexen regionalen Schmerzsyndrom" liegt vor. Der Abbruch der Heilbehandlung zu Lasten der Beklagten am 31.03.2009 erfolgte zu Unrecht.

Eine Gesamtwürdigung der in den Akten enthaltenen Befunde und Angaben über den Krankheitsverlauf sowie des Schadensbildes nach dem Unfall vom 19.02.2009 ergibt für das Gericht ohne Zweifel, dass das später diagnostizierte CRPS keine Operationsfolge war, sondern mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit bereits vor dem Eingriff vom 04.05.2009 vorlag, d. h. bereits vor diesem Zeitpunkt im Vollbeweis erwiesen ist.

Daher erübrigt sich eine Erörterung, ob das CRPS eine mittelbare Unfallfolge aufgrund der Operation am 04.05.2009 im Sinne des § 11 SGB VII ist, sodass es unerheblich ist, dass diese Operation am 04.05.2009 von der Krankenkasse veranlasst wurde.

Für das Vorliegen eines CRPS vor dem 04.05.2009 und dem hinreichend wahrscheinlichen Kausalzusammenhang zwischen dem CRPS und dem Arbeitsunfall vom 19.02.2009 sprechen nach der zutreffenden Beurteilung des gerichtlichen Sachverständigen Dr. I. folgende maßgeblichen Umstände:

Bereits zum Zeitpunkt des Abbruchs der Behandlung zu Lasten der Beklagten am 31.03.2009 bestanden bei der Klägerin "starke Berührungs- und Druckschmerzen mit Punctum maximum Außenseite rechter Ellenbogen". Der Karteikartenauszug vom 29.06.2011 über die berufsgenossenschaftliche Behandlung berichtet über den Verlauf nach dem Arbeitsunfall: "Weiterhin noch Beschwerden bei Belastung, Rotation etc.", "in Ruhe gut". Am 10.03.2009 wurde mit der Bemerkung "keine Besserung der Beschwerden" ein Oberarmcast angelegt. Der Oberarmcast wurde am 17.03.2009 entfernt, eingetragen wurde die Anmerkung "Schmerz wie Epicondylitis radialis und ulnaris". Der Cast wurde gepolstert. Voltarengel wurde zur Anwendung empfohlen.

In Übereinstimmung mit den gutachterlichen Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen Dr. I. geht auch das Gericht davon aus, dass aus den genannten Unterlagen eindeutig hervorgeht, dass die Klägerin nach dem Arbeitsunfall vom 19.02.2009 unter anhaltenden Schmerzen gelitten hat, sich wiederholt zur ärztlichen Behandlung vorgestellt hat, mit einer Oberarmschiene behandelt worden ist und therapieresistente Beschwerden geschildert hat, die im Verlauf zu Unrecht als Epicondylitis gewertet worden sind. Derartige Banalverletzungen hätten auch eine Behandlung mit einem Oberarmgips nicht notwendig gemacht.

Dies ergibt sich auch aus der Aussage des in der öffentlichen Sitzung vom 27.11.2015 einvernommenen sachverständigen Zeugen E. S. Dieser hat glaubhaft erklärt, dass die Klägerin bereits zwei Wochen nach dem Arbeitsunfall vom 19.02.2009 mit einer Verordnung der Kreisklinik B-Stadt zu ihm in die Praxis gekommen sei, die zweite Behandlung habe 4 Tage nach der ersten Behandlung, die dritte Behandlung habe ca. 3 Tage nach der ersten Behandlung stattgefunden. Während der drei Behandlungen war die Haut am Ellenbogen der Klägerin rechts bläulich-zyanotisch; die Haut sei glänzend gewesen, auch gelblich, so, als ob sich ein Bluterguss auflöse. Es habe eine Bewegungseinschränkung vorgelegen und die Klägerin habe unter starken Schmerzen gelitten, wobei der Schmerz während dieses Zeitraums der drei Behandlungen zunehmend gewesen sei. Er habe die Behandlung abgebrochen, weil er der Auffassung gewesen sei, dass man das Ganze nochmal genau untersuchen müsste. Somit entspricht das Beschwerdebild und die Frequenz der Nachbehandlung nicht einer normalen "Zerrung" oder "Prellung".

Hingegen spricht nicht gegen das Vorliegen eines CRPS, dass keine radiologisch und klinisch feststellbaren konkreten Strukturschäden des betroffenen Körperteils aufgetreten sind; ein CRPS kann nämlich auch ohne solche Strukturschäden auftreten.

In Übereinstimmung mit der zutreffenden Beurteilung des gerichtlichen Sachverständigen Dr. I. hat auch das behandelnde Krankenhaus nach Bekanntwerden des CRPS angenommen, dass der frühe Abbruch der Behandlung zu Lasten der Beklagten dem Verlauf nach nicht gerechtfertigt gewesen ist und zwischen dem später diagnostizierten CRPS I und dem Unfall ein hinreichender Zusammenhang besteht. Aus dem anamnestischen Verlauf und der medizinischen Dokumentation in den Akten zieht das Gericht den Schluss, dass ein beginnendes CRPS mit Beschwerden auch am Epicondylus als Epicon-dylitis gedeutet und operiert worden ist. Die Klägerin wurde nämlich am 04.05.2009 wegen einer vermuteten radialen Epicondylopathie rechts operativ behandelt. Wenn tatsächlich eine radiale Epicondylopathie vorgelegen hätte, so wäre sie - nach der zutreffenden übereinstimmenden Auffassung sämtlicher Gutachter - keine Unfallfolge. Denn eine traumatische Epicondylopathie - falls es sie überhaupt gibt - müsste - worauf Dr. I. in seinem Gutachten vom 13.05.2015 zu Recht hinweist - kernspintomografisch sekundäre Verletzungszeichen wie Knochenödem, Weichteilödem oder Einblutungen zeigen, was für alle Verletzungsfolgen des Bewegungsapparates gilt. Die Diagnose einer radialen Epicondylopathie wurde auch nicht ordnungsgemäß erarbeitet: Im Befundbericht vom 17.03.2009 ist die Rede von einem "Schmerz wie Epicondylitis radialis" mit einem nicht genauer lesbaren Zusatz ("und ulnar"?). Ein genauerer Befund fehlt, z. B. über eine Schmerzprovokation bei Betätigung der Unterarmstrecker.

Die von Dr. F. in seinem Gutachten vom 13.02.2012 vertretene Auffassung, dass der auf Blatt 6 der Unfallakte dokumentierte Befund gegen ein CRPS spreche, ist nicht stichhaltig. Es sei lediglich eine deutliche Bewegungsstörung notiert worden, was durch die Gipsruhigstellung bedingt sein könne. Insoweit verkennt Dr. F., dass - worauf Dr. I. in seinem Gutachten vom 13.05.2015 ebenfalls zu Recht hinweist - eine Ruhigstellung mit einer unter anderem zur Köperpflege abnehmbaren Schiene nicht zu einer erheblichen Bewegungsstörung mit Streckdefizit, Beugung lediglich bis zum rechten Winkel und weitgehend aufgehobener Außendrehfähigkeit des Unterarms führt, zumal die Schiene nur für kurze Zeit (10.03.2009 bis 31.03.2009) angelegt worden war. Vielmehr wurde in dem von Dr. F. zitierten Schriftstück eindeutig auf Schmerzen hingewiesen: Der Untersucher beschrieb starke Berührungs- und Druckschmerzen mit Punctum maximum auf der Außenseite des rechten Ellenbogengelenkes, also eindeutig nicht nur dort.

Der Einwand von Dr. F., dies sei nicht typisch für ein CRPS, ist nicht stichhaltig: Für ein CRPS sind nämlich die auf Blatt 6 der Akte der Beklagten notierten "starken Berührungs- und Druckschmerzen" typisch. Dass eine Blauverfärbung nicht beschrieben wurde, spricht ebenfalls nicht dagegen, auch nicht das Fehlen einer vermehrten Behaarung oder vermehrten Schwitzens. Die Hautanhangsgebilde ändern sich im Laufe des CRPS allmählich, hierfür gibt es keine präzise zeitliche Definition. Auch der weitere Einwand des Dr. P., der Vollbeweis einer schwerwiegenden Verletzung sei nicht möglich, ist nicht stichhaltig. Denn ein CRPS tritt regelmäßig auch ohne konkrete nachweisbare strukturelle Schäden auf, das Fehlen struktureller Schäden im vorliegenden Fall spricht bei diesem Krankheitsbild nicht gegen eine traumatische Läsion.

In diesem Sinne sind auch die Einwände der Chirurgin Dr. J. gegen das Gutachten des Dr. F. vom 03.01.2012, die starken Beschwerden der Klägerin nach dem Unfall seien weder durch eine Epicondylitis noch durch eine Prellung erklärbar, berechtigt. Letztlich ist aufgrund der Feststellungen der behandelnden Chirurgin J. vom 16.06.2009, es seien bereits massive Anzeichen für einen Morbus Sudeck vorhanden, und ihrer Überweisung der Klägerin in das Krankenhaus B-Stadt zur Schmerztherapie sowie aufgrund der Diagnose des Dr. P., der bereits Mitte Mai 2009 einen Morbus Sudeck im Stadium 2 festgestellt hat, der Rückschluss zu ziehen, dass der Morbus Sudeck im Stadium 1 bereits vor Abbruch der Heilbehandlung zu Lasten der Beklagten am 31.03.2009 vorgelegen hat.

Hingegen vermögen die Ausführungen des beratenden Arztes Dr. M. in seinen Stellungnahmen vom 07.07.2013 und 15.06.2015, auf die sich die Beklagte beruft, das Gericht nicht zu überzeugen. Das Gericht folgt nicht der Beurteilung von Dr. M. in seiner Stellungnahme vom 07.07.2013, ein objektivierbarer Gesundheitsschaden könne nicht angenommen werden, sodass ein Unfallereignis im Sinne des SGB VII nicht gegeben sei. Denn das Ereignis hat mit hinreichender Wahrscheinlichkeit - was der gerichtliche Sachverständige Dr. I. in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 17.07.2015 nochmals ausdrücklich hervorhebt - zu einer Traumatisierung des rechten Ellenbogengelenks geführt, wenn auch ohne radiologisch sicher nachweisbare strukturelle Unfallschäden. Insoweit stehen die Ausführungen des Dr. M. auch im Widerspruch zur Anerkennung des Ereignisses vom 19.02.2009 als Arbeitsunfall durch die Beklagte. Denn die Anerkennung eines Ereignisses als Arbeitsunfall setzt nach § 8 Abs. 1 Sätze 1 und 2 SGB VII voraus, dass ein Unfall im Sinne des § 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII vorliegt, d. h. ein Ereignis, das zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führt.

Soweit Dr. M. weiterhin ausführt, dass " ...zu klären ist, ob eine Bagatellverletzung, die derart gering war, dass sie keine objektivierbare Läsion hinterließ, nicht auch bei jeder anderen Gelegenheit eintreten kann ... dann handelt es sich ebenfalls nicht um einen Arbeitsunfall und dessen Folgen" und er damit von einer sogenannten "Gelegenheitsursache" ausgeht, ist seine Beurteilung ebenfalls nicht schlüssig.

Eine "Gelegenheitsursache" liegt vor, wenn unfallunabhängige Faktoren bei vernünftiger, lebensnaher Betrachtung die tatsächlich und auch rechtlich allein wesentliche Bedingung für den Eintritt des Gesundheitsschadens darstellen. Für den Fall, dass die kausale Bedeutung einer äußeren Einwirkung mit derjenigen einer bereits vorhandenen krankhaften Anlage zu vergleichen und abzuwägen ist, ist darauf abzustellen, ob die Krankheitsanlage so stark oder so leicht ansprechbar war, dass die "Auslösung" akuter Erscheinungen aus ihr nicht besonderer, in ihrer Art unersetzlicher äußerer Einwirkungen bedurfte, sondern das jedes andere alltäglich vorkommende Ereignis zu derselben Zeit die Erscheinung ausgelöst hätte. Gesichtspunkte für die Beurteilung der Wesentlichkeit einer Ursache sind insbesondere die versicherte Ursache bzw. das Ereignis als solches, also Art und Ausmaß der Einwirkung, konkurrierende Ursachen unter Berücksichtigung ihrer Art und ihrer Krankengeschichte (BSG, Urteil vom 30.01.2007, B 2 U 8/06 R, Juris Rn. 20). "Wesentlich" ist nicht gleichzusetzen mit "gleichwertig" oder "annähernd gleichwertig". Auch eine nicht annähernd gleichwertige, sondern rechnerisch verhältnismäßig niedriger zu bewertende Ursache kann für den Erfolg rechtlich wesentlich sein, solange die andere Ursache keine überragende Bedeutung hat und als rechtlich allein wesentliche Ursache anzusehen ist. Eine naturwissenschaftliche Ursache, die nicht als wesentlich anzusehen ist und damit keine Ursache im Sinne der Theorie der wesentlichen Bedingung ist, kann als Gelegenheitsursache bezeichnet werden (BSG, Urteil vom 30.01.2007, B 2 U 23/05 R, Juris Rn. 18).

Wie bereits dargestellt, kann ein CRPS ohne nachweisbaren strukturellen Schaden auftreten. Daraus lässt sich jedoch nicht - worauf Dr. I. in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 19.11.2015 zu Recht hinweist - der Umkehrschluss ziehen, dass es ohne Trauma bei der Klägerin aufgetreten wäre oder dem CRPS keine traumatische Ursache zugrunde gelegen hat.

Insoweit begründet Dr. M. auch nicht, welche der "beiden Ursachen" im naturwissenschaftlich-philosophischen Sinn welchen Gesundheitsschaden verursacht haben und welche unfallunabhängige Ursache die rechtlich allein wesentliche Bedingung für welchen Gesundheitsschaden war.

Soweit Dr. M. einwendet, Dr. I. habe auf Seite 3 seines Gutachtens festgestellt, dass die Behandlung mit Ruhigstellung des Arms im Ellenbogengelenk zu einer nahezu schmerzfreien Situation geführt habe, dies spreche dafür, dass eine Epicondylitis humeri radialis vorgelegen habe und ein CRPS nicht angenommen werden könne, ist dies ebenfalls unzutreffend. Dr. I. hat in seinem Gutachten gerade nicht mitgeteilt, dass im Gips eine Beschwerdebesserung aufgetreten ist. Hierzu wird ausdrücklich auf die Blätter 3 und 25 des Gutachtens von Dr. I. verwiesen.

Der Auffassung von Dr. M., dass eine Epicondylitis humeri radialis bestanden habe, vermag das Gericht ebensowenig zu folgen wie seine Behauptung, dass bei der Klägerin eine Hyperurikämie vorgelegen habe, die auch eine Schmerzsymptomatik im Bereich des Ellenbogengelenks im Sinne einer Epicondylopathie ermögliche. Denn damit können die massiven Beschwerden der Klägerin seit dem Arbeitsunfall am 19.02.2009 nicht erklärt werden.

Gegen das Vorliegen einer radialen Epicondylopathie spricht vor allem, dass ein solches Krankheitsbild regelmäßig im Gips erfolgreich behandelt wird und solche Patienten im Gips sogar beschwerdefrei sind. Die Klägerin war dies jedoch nicht. Dass eine radiale Epicondylopathie während der Ruhigstellung im Gips hat entstehen können, ist schon deshalb nicht anzunehmen, weil dieses Krankheitsbild Folge ständiger respektiver Gewichtsbelastungen des betroffenen Arms mit Betätigung der Unterarmstrecker ist.

Das Gericht vermag der Auffassung des Dr. M., das Fehlen intraoperativer Befunde spreche gegen die Annahme eines CRPS, nicht zu folgen. Es gibt nämlich keine intraoperativen Befunde, die für ein CRPS typisch sind. Dass sich im Operationsbericht vom 04.05.2009 keine Hinweise auf das Vorliegen eines CRPS I finden, versteht sich daher von selbst. Ferner entspricht die Tatsache, dass bei der Klägerin klinisch symptomlose Sehnenveränderungen kernspintomografisch erkennbar waren, einem nahezu physiologischen Phänomen, das für zahlreiche, nicht symptomatische Sehnenerkrankungen beispielsweise an der Achillessehne, der Drehmanschette, den Bandscheiben und dem Meniskus bekannt ist. Die Beurteilung des Dr. M. ist auch insoweit nicht nachvollziehbar, als dieser die Frage stellt, warum das Ereignis vom 19.02.2009 das maßgebliche Ereignis gewesen seien solle und nicht die Operation. Denn die Klägerin hat trotz der Ruhigstellung ihres Arms an anhaltenden Beschwerden gelitten, was eine Epicondylopathie ausschließt; vielmehr weisen die dokumentierten Schmerzen auf ein bereits vor der Operation bestehendes CRPS hin. Der Schmerzzustand am rechten Arm wurde lediglich irrtümlicherweise als radiale Epicondylopathie gewertet und operiert.

Soweit die Beklagte in ihrer Stellungnahme vom 21.06.2015 die Auffassung vertritt, dass es bei der Klärung des ursächlichen Zusammenhangs zwischen einem Unfallereignis und der Diagnose eines CRPS dann zu keinen großen Schwierigkeiten komme, wenn das CRPS im Anschluss an eine erhebliche Verletzung aufgetreten sei, ist dies zweifellos zutreffend. Der weitere Hinweis der Beklagten, dass es bei geringfügigen Verletzungen (z. B. leichten Prellungen) gelte, stets den Grad der Mitwirkung des Traumas an der Entstehung eines CRPS sorgfältig abzuwägen und Stellung zu nehmen, ob und warum eine leichte Gewebeschädigung ausnahmsweise wesentliche Teilursache oder ob sie vielmehr rechtsunerhebliche Gelegenheitsursache sei, ist zwar ebenfalls zutreffend formuliert, kann jedoch im vorliegenden Fall die Verneinung eines hinreichenden Kausalzusammenhangs zwischen dem bei der Klägerin diagnostizierten CRPS und dem Unfallereignis vom 19.02.2009 nicht begründen. Zum einen ist bekannt - worauf Dr. I. in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 17.07.2015 zutreffend hinweist - dass ein CRPS nicht selten nach einer Bagatellverletzung ohne konkreten strukturellen Schaden auftreten kann, beispielsweise nach harmlosen kleinen Prellungen oder Stauchungen. Zum anderen setzt die Annahme, der Arbeitsunfall vom 19.02.2009 stelle eine Gelegenheitsursache dar, voraus, dass zum Zeitpunkt des Arbeitsunfalls vom 19.02.2009 bereits ein Vorschaden vorgelegen hat, d. h. neben dem Arbeitsunfall eine weitere Ursache, die im naturwissenschaftlich-philosophischen Sinn für das Entstehen des Gesundheitsschadens CRPS ursächlich war. Einen solchen Vorschaden, der zum Zeitpunkt des Unfallereignisses am 19.02.2009 bereits vorgelegen haben soll, hat auch Dr. M. nicht benannt.

Auch die Stellungnahme des Radiologen Univ. Prof. Dr. P. vom 03.11.2015, auf die sich die Beklagte mit Schriftsatz vom 0911.2015 beruft, überzeugt das Gericht nicht. Dieser führt aus, dass im MR vom 31.03.2009 keine Hinweise auf ein beginnendes CRPS zu sehen gewesen seien und eine chronische Epicondylitis radialis vorgelegen habe, die die chronischen Beschwerden der Klägerin zwanglos erklärten. Zur MR-Untersuchung vom 31.03.2009 führt er im Einzelnen aus: "Deutliche Ödembildung am Ansatz der Extensoren am Epicondylitis lateralis. Nach Kontrastmittelgabe findet sich hier am gemeinsamen Ansatz der Extensoren eine Kontrastmittelanreicherung. Auch die umgebene Synovialis in diesem Bereich zeigt eine KM-Anreicherung, die bis zum Olecranon reicht mit einem geringen Erguss im Ellenbogengelenk."

Zu Recht weist der gerichtliche Sachverständige Dr. I. in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 19.11.2015 in diesem Zusammenhang darauf hin, dass man ein Ödem vor allem in der Gegend des Olecranons sieht, das nichts mit einer Epicondylopathie zu tun hat. Am Ursprung der Extensoren sieht man eine kleine verwaschene Ödemzone (von dem befunderhebenden Radiologen am 31.03.2009 als "mäßig" bezeichnet). Außerdem sieht man ein Ödem im proximalen Unterarm sowohl in der Speiche als auch in der Elle (Image 8, SER.901, T1W TSE SPAIR post GD). Dieser Befund ist nicht beweisend für eine Epicondylitis radialis. Signalstörungen in den Sehnen finden sich auch bei symptomlosen Individuen überaus häufig, wie dies nicht erst seit der Boden-Studie von 1991 bekannt ist. Die Erklärung nicht bekannter Beschwerden mit dem radiologischen Befund ist definitiv nicht zulässig. Die Kernspintomografie hat hier keine Beweiskraft, radiologische Befunde und klinische Befunde korrelieren eben sehr häufig nicht. Im Übrigen ist im MR vom 31.03.2009 ein Weichteilödem, noch relativ begrenzt, in der Region des Ellenbogengelenkes streckseitig zu sehen, was einen Hinweis auf einen Sturz auf das Ellenbogengelenk darstellen könnte. Allerdings kommt diesem Befund in der Kernspintomografie keine erhebliche Bedeutung zu.

Entgegen der Anregung der Beklagten im Schriftsatz vom 09.11.2015 war das Gericht nicht gehalten, ein schmerztherapeutisches Gutachten gemäß § 106 SGG einzuholen. Denn im vorliegenden Fall ist die Kausalitätsfrage umstritten sowie der Zeitpunkt, ab dem ein CRPS im Vollbeweis erwiesen ist; für diese streitentscheidenden Fragen ist der langjährig erfahrene gerichtliche Sachverständige Dr. I. aufgrund seiner fachlichen Qualifikation durchaus kompetent.

Zusammenfassend ist nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme davon auszugehen, dass bereits vor dem operativen Eingriff am 04.05.2009 und letztlich auch vor dem Abbruch der Heilbehandlung am 31.03.2009 ein CRPS im Vollbeweis erwiesen und mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf den Arbeitsunfall vom 19.02.2009 zurückzuführen ist. Ob der operative Eingriff auf die Entwicklung der Symptome einen negativen Einfluss hatte, kann daher allenfalls für die Höhe der MdE Bedeutung haben. Der Arbeitsunfall vom 19.02.2009 hat nicht zu einer radialen Epicondylopathie geführt, sondern zu einer Prellung bzw. Zerrung des rechten Ellenbogengelenks ohne nachgewiesenen strukturellen Schaden. Ob es sich hierbei um eine Prellung oder Zerrung gehandelt hat, ist für die streitentscheidenden Fragen unerheblich. Schicksalshaft kam es dann trotz der Banalität der Läsion zu der Entwicklung einer Heilentgleisung. Das Unfallereignis war zur Überzeugung des Gerichts kein austauschbares Ereignis für die Entstehung des CRPS. Der Abbruch der Heilbehandlung zu Lasten der Beklagten am 31.03.2009 erfolgte zu Unrecht.

Die Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen Dr. I. sind auch insoweit überzeugend, als dieser die MdE mit 60 v. H. einschätzt. In diesem Zusammenhang führt er anlässlich seiner Befragung in der öffentlichen Sitzung vom 27.11.2015 schlüssig aus, dass die MdE von 60 v. H. den Funktionsverlust mit den üblichen Schmerzen umfasst, besondere Schmerzen sind dabei in der MdE-Bewertung nicht berücksichtigt worden, weil sie rückblickend im Hinblick auf eine höhere MdE-Bewertung nicht ausreichend objektivierbar sind und aktuell nicht mehr im Vordergrund stehen. Die Stadien CRPS I, II und III wirken sich nicht auf eine MdE-Bewertung aus, sondern beschreiben lediglich den zeitlichen Ablauf des CRPS. Bei der Untersuchung der Klägerin durch Dr. I. war die Funktion des rechten Arms im Schultergelenk ganz erheblich eingeschränkt, im Ellenbogengelenk eingeschränkt, bezüglich der Unterarmdrehbeweglichkeit und der Handgelenksbeweglichkeit weniger ausgeprägt eingeschränkt, die aktive Funktion der Finger war bei passiver relativ weit möglicher Beugbarkeit ebenfalls weitestgehend eingeschränkt (Seite 33 seines Gutachtens). Daher ist die Bewertung der MdE mit 30 v. H. im von der Beklagten beauftragten Zusammenhangsgutachten vom 15.12.2010 nicht angemessen.

Ebensowenig ist der Einschätzung der MdE mit 100 v. H. durch den gemäß § 109 SGG gehörten Gutachter Dr. R. in seinem Gutachten vom 17.12.2012 zu folgen. Der komplette Verlust des Arms im Schultergelenk wäre mit einer MdE von 70 v. H. verbunden. Ein derartiger Befund liegt jedoch bei der Klägerin anatomisch nicht vor. Der aktuelle Befund kommt allerdings einer Amputation im Schultergelenk nahe, wobei ein solcher Zustand in bestimmten Situationen u. U. sogar günstiger wäre. Die rechte obere Extremität der Klägerin kann mit starken Einschränkungen nur zu geringen Tätigkeiten herbeigezogen werden. Ihre rechte Hand kann bei in Streckstellung eingesteiftem Ellenbogengelenk nur unter bestimmten Bedingungen als Gegenhand genutzt werden, ist also de facto nicht für Tätigkeiten geeignet. Die Feinmotorik ist nahezu aufgehoben. In der Praxis von Dr. I. unterzeichnete die Klägerin an der Anmeldung ein Dokument mit gestrecktem Arm mit der rechten Hand mit krakeliger Unterschrift; dabei wurde der Kugelschreiber mit der linken Hand in die rechte geführt, der Kugelschreiber wurde zwischen dem Daumen und dem gestreckten Zeigefinger eingeklemmt. Zu berücksichtigen ist jedoch auch, dass der lang andauernde starke Schmerz bis zur Untersuchung der Klägerin durch Dr. I. am 13.05.2015 zurückgegangen ist. Ferner steht nicht fest und ist auch nicht beweisbar, dass der Eingriff am 04.05.2009 eine wesentliche Verschlechterung des CRPS im Sinne einer höheren MdE bedingt hat.

Aus den dargelegten Gründen ergibt sich, dass die Gesundheitsstörung "komplexes regionales Schmerzsyndrom" als Folge des Arbeitsunfalls vom 19.02.2009 festzustellen ist und die Beklagte unter Aufhebung der Ziffern 2, 3 und 4 (= Erstattung der Vorschüsse auf Verletztengeld in Höhe von 450,00 Euro) des Bescheides vom 20.04.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.06.2011 zu verurteilen war, die entsprechenden gesetzlichen Leistungen (§§ 45 ff., 56 ff. SGB VII) nach den gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 183, 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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