L 10 AL 144/01

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 5 AL 278/00
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 10 AL 144/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 11 AL 175/04 B
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 30.01.2001 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger für die Zeit vom 20.11.1999 bis 31.05.2000 die Gewährung von Arbeitslosenhilfe (Alhi) beanspruchen kann.

Der 1939 geborene Kläger bezog Arbeitslosengeld (Alg) bis zur Erschöpfung des Anspruches am 20.11.1999. Die rückwirkende Bewilligung des Alg für die Zeit vom 20.09.1999 erfolgte erst am 31.01.2000, da die Beklagte u.a. noch über die Feststellung einer Sperrzeit zu entscheiden hatte. Mit Antrag vom 09.02.2000 beantragte der Kläger die Gewährung von Alhi ab dem 20.11.1999. Zu seinem Vermögen gab er an, dass er Wertpapiere zum derzeitigen Kurswert von 10.000,- DM sowie von 3.500,- DM besitze. Er habe zwei Kapitallebensversicherungen abgeschlossen (Fälligkeit der Auszahlung am 01.01.2005 bzw 01.02.2010). Er verfüge über zwei Bausparverträge mit Guthaben von 8.981,- DM (Vertragsbeginn am 31.12.1986) bzw 8.868,- DM (Vertragsbeginn am 04.11.1992). Weiter führte er an, dass er eine nicht selbstbewohnte Eigentumswohnung mit einem Verkehrswert von 10.000,- DM besitze. Die Wohnung sei leerstehend und kaum noch vermietbar. Sie sei auch unverkäuflich, wie er bei mehreren Verkaufsversuchen hätte erfahren müssen. Die Bausparverträge benötige er für laufende und zukünftige Instandhaltungs- und Renovierungskosten der Eigentumswohnung. Für die Eigentumswohnung habe er Hausgeld bzw Betriebskosten in Höhe von 519,- DM monatlich zu zahlen. Er habe weitere monatliche Ausgaben, wie u.a. für Versicherungsbeiträge, Miete, Telefon und Kreditkosten für den beanspruchten Dispokredit.

Auf Nachfrage der Beklagten übermittelte der Kläger der Beklagten eine Bestätigung der Raiffeisenbank R. über den Bestand seines Aktiendepots. Danach verfügte er zum Stand 28.02.2000 über 13 Aktien der Deutschen Telekom AG zum Kurswert von insgesamt 2.191,20 DM. Eine fernmündliche Nachfrage der Beklagten bei der Bank hat ergeben, dass am 30.12.1999, dem letzten bei der Bank abrufbaren Tag, im Depot des Klägers 120 Aktien der Deutschen Telekom AG (Wert: 16.417,24 DM) und 100 Aktien der Lufthansa AG (Wert: 4.596,20 DM) vorhanden gewesen seien.

Mit Bescheid vom 03.04.2000 lehnte die Beklagte den Alhi-Antrag ab, weil der Kläger über ein Vermögen von 48.862,96 DM verfüge, das nach Abzug eines Freibetrages von 8.000,- DM bei der Prüfung der Bedürftigkeit zu berücksichtigen sei. Er sei daher für 48 Wochen - bis zum 20.10.2000 - nicht bedürftig (40.862,96 DM: 840,- DM wöchentliches Arbeitsentgelt).

Hiergegen hat der Kläger Widerspruch erhoben, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 26.07.2000 zurückgewiesen hat. Die Verwertung des Aktienvermögens und der Bausparverträge sei dem Kläger zumutbar. Das Aktienvermögen sei aufgrund der spekulativen Anlageform nicht als angemessene Alterssicherung zu berücksichtigen. Ein Verlust der Bausparprämie oder der Arbeitnehmersparzulage sei bei der Verwertung der Bausparverträge nicht zu befürchten, da deren Vertragsdauer bereits mehr als sieben Jahre betragen habe. Der vom Kläger selbst bestimmte Wert der Eigentumswohnung in Höhe von 10.000,- DM sei wohl eher zu niedrig als zu hoch angesetzt worden.

Am 05.04.2000 hat der Kläger, der am 01.06.2000 eine bis zum 30.11.2000 befristete Beschäftigung als Omnibusfahrer aufgenommen hat, Klage beim Sozialgericht Nürnberg (SG) erhoben und gleichzeitig den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt (Az: S 5 AL 260/00 ER). Er hat vorgebracht, dass ihm ein Freibetrag von 1.000,- DM je vollendeten Lebensjahres zur angemessenen Alterssicherung zustehe. Bei der Berechnung des Vermögens seien auch die vorhandenen Schulden zu berücksichtigen. Für die Wertberechnung seiner Wertpapiere sei auf den Kurswert zum Zeitpunkt der Antragstellung im Februar 2000 abzustellen.

Das SG hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung durch Beschluss vom 19.04.2000 zurückgewiesen. In der Hauptsache hat das SG eine Auskunft des Wohnungsverwalters D. B. vom 05.01.2001 zum Verkehrswert der Eigentumswohnung eingeholt und die Klage gegen den Bescheid vom 03.04.2000 - der Widerspruchsbescheid vom 26.07.2000 war nicht zu den Akten des SG gelangt - mit Urteil vom 30.01.2001 abgewiesen. Der Kläger habe nicht nachgewiesen, dass sein Vermögen oder ein erkennbar abgegrenzter Teil seines Vermögens der Alterssicherung gedient habe. Notwendig sei eine Bindung des Betroffenen, die etwa anhand einer vertraglichen Gestaltung als Gesamtplan ein sinnvolles Altersvorsorgekonzept erkennen lasse. Daran fehle es beim Kläger, so dass die Bausparverträge und die Wertpapiere verwertbar seien. Das Vermögen des Klägers sei eher noch höher anzusetzen, als von der Beklagten angenommen. Der Kläger habe den Verkehrswert für die Eigentumswohnung zu niedrig angesetzt. Dies zeige die Auskunft des Wohnungsverwalters D. B ...

Gegen das Urteil hat der Kläger am 26.03.2001 Berufung beim Bayer. Landessozialgericht eingelegt. Bei der Berechnung seines Wertpapiervermögens sei nicht auf den Wert seiner Aktien am 31.12.1999, sondern auf den Wert am 28.02.2000 abzustellen. Der Kurswert am 31.12.1999 habe den absoluten Höchstwert seines Aktiendepots dargestellt. Maßgebend sei das Datum der Antragstellung. Bis zu diesem Zeitpunkt habe er die Aktien wegen fallender Börsenkurse und zum Ausgleich seiner Schulden weitgehend verkauft. Hinsichtlich der Eigentumswohnung sei von einem tatsächlichen Verkehrswert von 0,00 DM auszugehen, da die Wohnung Teil einer völlig heruntergekommenen Wohnanlage sei. Er habe mehrfach versucht, die Wohnung zu verkaufen. Sie sei jedoch praktisch unverkäuflich. Langfristig betrachtet sei eine Verwertung zum derzeitigen Zeitpunkt als unwirtschaftlich anzusehen. Es sei sinnvoll abzuwarten, ob sich die allgemeine Lage an dem Objekt bessere, um dann ggf. die Wohnung zu renovieren und neu zu vermieten. Zur Sanierung der Eigentumswohnung sei er auf das Bausparguthaben und -darlehen angewiesen. Aus der Gesamtschau seiner Vermögenswerte sei zu erkennen, dass er über ein Anlagekonzept zur Altersvorsorge verfüge. Es bestehe eine Mischung aus einer Eigentumswohnung bzw im Alter zur Verfügung stehenden Mieterträgen, Lebensversicherungen, nach dem 60. Lebensjahr auszahlungsreifen Bausparverträgen und einem als konservativ einzuschätzenden Aktiendepot. Er sehe sich aus Krankheitsgründen nicht in der Lage, Weiteres zur Begründung seiner Berufung vorzutragen. Insbesondere halte er es für erforderlich, zum Verkehrswert der Eigentumswohnung weiter Stellung zu nehmen.

Der Kläger beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 30.01.2001 und den Bescheid vom 03.04.2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.07.2000 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm Arbeitslosenhilfe vom 20.11.1999 bis 31.05.2000 zu gewähren, hilfsweise das Verfahren wegen der Erkrankung des Klägers auszusetzen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Hinsichtlich des Aktiendepots sei zumindest zu berücksichtigen, dass der Kläger bei der Antragstellung den Kurswert der Wertpapiere mit insgesamt 13.500,- DM angegeben habe. Es sei weiter zweifelhaft, ob die Vermögenswerte des Klägers zur Alterssicherung bestimmt seien. Die Bausparverträge seien dazu vorgesehen, den Sanierungsbedarf an der Eigentumswohnung abzudecken. Die Aktien seien zur Tilgung von Verbindlichkeiten eingesetzt worden.

Der Kläger hat sich am 04.12.2000 erneut arbeitslos gemeldet und die Gewährung von Alg beantragt. Daraufhin hat die Beklagte Alg ab dem 04.12.2000 für 240 Kalendertage bewilligt. Im Anschluss hat der Kläger Alhi ab dem 01.08.20001 beantragt (Antrag vom 01.07.2001). Er führte u.a. an, dass ein erneuter Versuch, die Eigentumswohnung mit Hilfe von Immobilienmaklern zu verkaufen, als aussichtlos abgelehnt worden sei.

Die Beklagte hat mit Bescheid vom 06.08.2001, den sie zum Gegenstand des Verfahrens erklärt hat, den Antrag abgelehnt. Unter Berücksichtigung des Verkehrswertes der Eigentumswohnung ergebe sich ein verfügbares Vermögen, das zum Ausschluss der Bedürftigkeit des Klägers für 23 Wochen führe. Hiergegen hat der Kläger Widerspruch eingelegt.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die beigezogene Akte der Beklagten sowie auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -), aber unbegründet.

Das SG hat im Ergebnis zutreffend entschieden, dass die Klage zulässig ist. Mit dem Erlass des Widerspruchsbescheides vom 26.07.2000 ist die Klage zulässig geworden. Der Widerspruchsbescheid ist auch Gegenstand des erstinstanzlichen Verfahrens geworden (§ 95 SGG).

Allerdings ist nicht zu entscheiden über den im Laufe des Berufungsverfahrens erlassenen Bescheid der Beklagten vom 06.08.2001 über die Ablehnung der Alhi ab dem 01.08.2001. Dieser Bescheid ist nicht Gegenstand des Berufungsverfahrens geworden. Die §§ 96 Abs 1, 153 Abs 1 SGG sind entsprechend anzuwenden, wenn ein neuer Verwaltungsakt, der - auch wenn er nicht denselben Streitgegenstand betrifft - im Rahmen eines Dauerrechtsverhältnisses ergeht und einen weiteren Zeitraum erfasst. Die Einbeziehung des neuen Verwaltungsaktes rechtfertigt sich in diesen Fällen aufgrund eines inneren Zusammenhanges zwischen dem ursprünglichen und dem neuen Verwaltungsakt, der sich daraus ergibt, dass beide Bescheide aus den gleichen Gründen angefochten werden (vgl Urteil des BSG vom 30.11.1978, Az: 12 RK 33/76, SozR 1500 § 96 Nr 14 S 22 f). Zwar geht es bei dem Bescheid vom 06.08.2001 ebenfalls um die Frage der Berücksichtigung der Eigentumswohnung bei der Prüfung der Bedürftigkeit des Klägers, jedoch steht der Einbeziehung des neuen Bescheides entgegen, dass beide Bescheide nicht im Rahmen eines einheitlichen Dauerrechtsverhältnisses ergangen sind. Nach der Zwischenbeschäftigung des Klägers vom 01.06.2000 bis zum 30.11.2000 hat der Kläger auf seine Arbeitslosmeldung am 04.12.2000 Alg erhalten und zugleich ein neues Dauerrechtsverhältnis begründet, aus dem sich der ab dem 01.08.2001 geltend gemachte Alhi-Anspruch des Klägers herleitet. Es entspräche auch nicht dem Gesichtspunkt der Prozessökonomie, der bei der entsprechenden Anwendung des § 96 Abs 1 SGG maßgeblich ist, den Bescheid in das Verfahren mit einzubeziehen. Es müssten sämtliche Voraussetzungen für den erneuten Anspruch auf Alhi überprüft werden, wobei sich die Sach- und Rechtslage geändert haben könnte.

Die Klage gegen den Bescheid vom 03.04.2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.07.2000 hat das SG zu Recht abgewiesen, denn es ist nicht zu beanstanden, dass die Beklagte die Bewilligung von Alhi ab dem 20.11.1999 wegen Fehlens der Bedürftigkeit abgelehnt hat.

Voraussetzung für einen Anspruch auf Alhi ist u.a. die Bedürftigkeit des Arbeitslosen (§ 190 Abs 1 Nr 5 Drittes Buch Sozialgesetzbuch - SGB III -). Bedürftig ist nach § 193 Abs 1 SGB III in der ab 01.01.1998 gültigen Fassung ein Arbeitsloser, soweit er seinen Lebensunterhalt nicht auf andere Weise als durch Alhi bestreitet oder bestreiten kann und das zu berücksichtigende Einkommen die Alhi nicht erreicht. Nicht bedürftig ist nach Abs 2 dieser Vorschrift ein Arbeitsloser, solange mit Rücksicht auf sein Vermögen oder das Vermögen seines nicht dauernd getrennt lebenden Ehegatten oder das Vermögen einer Person, die mit dem Arbeitslosen in eheähnlicher Gemeinschaft lebt, die Erbringung von Alhi nicht gerechtfertigt ist. Unter welchen Voraussetzungen dies der Fall ist, konkretisiert die auf der Ermächtigungsgrundlage des § 137 Abs 3 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) erlassene und gemäß Art 81 Satz 1 AFRG unter der Geltung des SGB III fortgeltende Arbeitslosenhilfe-Verordnung vom 07.08.1974 (AlhiV). Die AlhiV, die insgesamt mit höherrangigem Recht vereinbar war (vgl. Urteil des BSG vom 27.05.2003, Az: B 7 AL 104/02 R, SozR 4-4220 § 6 Nr 1 S. 4), ist am 01.01.2002 außer Kraft getreten (§ 5 Satz 2 Arbeitslosenhilfe Verordnung vom 13.12.2001 - AlhiV 2002 -).

Nach § 6 Abs 1 AlhiV in der Fassung vom 18.06.1999, gültig ab 29.06.1999 bis 31.07.2001, ist Vermögen des Arbeitslosen und seines nicht dauernd getrennt lebenden Ehegatten zu berücksichtigen, soweit es verwertbar ist, die Verwertung zumutbar ist und der Wert des Vermögens, dessen Verwertung zumutbar ist, jeweils 8.000,00 DM übersteigt. Vermögen ist insbesondere verwertbar, soweit seine Gegenstände verbraucht, übertragen oder belastet werden können. Es ist nicht verwertbar, soweit der Inhaber des Vermögens in der Verfügung beschränkt ist und die Aufhebung der Beschränkung nicht erreichen kann (Abs 2).

Die Beklagte hat zutreffend die Wertpapiere des Klägers als vorhandenes Vermögen angesehen und bei der Vermögensberechnung mit einem Wert von 21.013,44 DM berücksichtigt. Entgegen der Auffassung des Klägers ist für die Vermögensberechnung nicht auf den Stand seines Aktiendepots am 28.02.2000 abzustellen. Er führt selbst aus, dass der Zeitpunkt der Antragstellung maßgebend sei. Dies entspricht auch der Systematik der §§ 6 bis 9 AlhiV und wird mit der Regelung des § 8 Satz 2 AlhiV, die den Stichtag für die Vermögensfeststellung als den Zeitpunkt bestimmt, in dem der Antrag auf Alhi gestellt wird, ausdrücklich angeordnet (Rechtsprechung des 11. Senats des BSG, vgl. Urteil vom 02.11.2000, Az: B 11 AL 35/00 R, SozR 3-4220 § 6 Nr 8 S. 29). Dies gilt jedoch nur für den Regelfall der Antragstellung vor Eintritt des Leistungsfalls. Insofern werden Leistungen der Arbeitsförderung auch nur erbracht, wenn sie vor Eintritt des leistungsbegründenden Ereignisses beantragt werden (§ 324 Abs 1 Satz 1 SGB III). Soweit allerdings - wie vorliegend - die Beklagte eine verspätete Antragstellung zugelassen hat (§ 324 Abs 1 Satz 2 SGB III), und wie hier die Alhi rückwirkend erbracht wird, ist darauf abzustellen, für welche Zeit die Alhi beantragt wird. Mit der nachträglichen Zulassung wird der Kläger so gestellt, als habe er den Antrag auf Alhi vor Beginn der Leistung gestellt. In diesem Fall kann jedoch eine Prognoseentscheidung über die zukünftige Dauer der Bedürftigkeit (vgl. § 9 AlhiV), die bei der Antragstellung vor der Alhi-Gewährung vorzunehmen ist, nicht mehr getroffen werden. Vielmehr ist nunmehr auf das tatsächlich vorhandene Vermögen abzustellen, über das der Arbeitslose in der Zeit, für die rückwirkend Alhi zu gewähren ist, verfügen konnte. Dies rechtfertigt sich aus dem Zweck der Alhi, den Lebensunterhalt des Arbeitslosen für den jeweiligen Zeitraum sicherzustellen, für den Alhi beansprucht wird. In diesem Sinne hat die Rechtsprechung des 7. Senats des BSG allgemein die Bedürftigkeitsprüfung nicht auf einen bestimmten Zeitpunkt begrenzt (vgl. Urteil vom 29.03.2001, Az: B 7 AL 26/00 R, SozR 3-4100 § 138 Nr 17 S. 91). Bei der Feststellung des Vermögens des Klägers ist daher zu berücksichtigen, ob in der Zeit ab dem 20.11.1999 Vermögen vorhanden war, dass nach der AlhiV anzurechnen ist. Dies war hinsichtlich der Wertpapiere der Fall. Nach der fernmündlichen Auskunft der Bank verfügte der Kläger am 30.12.1999 über einen Aktienbesitz zum Kurswert von 21.013,44 DM. Mangels näherer Angaben zum Wert des Aktienvermögens ab Beginn des Alhi-Zeitraums, ist davon auszugehen, dass der Kläger innerhalb dieses Zeitraums noch zum 30.12.1999 über einen Aktienbestand zum Kurswert von 21.013,44 DM verfügen und während des hier streitigen Alhi-Zeitraums für seinen Lebensunterhalt einsetzen konnte.

Die Verwertung des Aktienbesitzes war dem Kläger auch zumutbar. Nicht zumutbar ist insbesondere die Verwertung von Vermögen, das zur Aufrechterhaltung einer angemessenen Alterssicherung bestimmt ist (vgl. § 6 Abs 3 Satz 2 Nr 3 AlhiV). Hierzu regelt § 6 Abs 4 Nr 1 AlhiV (eingefügt durch Art 1 VO vom 18.06.1999 - BGBl I S. 1433 - mWv 29.06.1999), dass Vermögen dann zur Alterssicherung bestimmt ist, wenn der Arbeitslose dieses nach Eintritt in den Ruhestand zur Bestreitung seines Lebensunterhaltes verwenden will und er eine der Bestimmung entsprechende Vermögensdisposition getroffen hat. Dies war beim Kläger nicht der Fall, denn er hat das Aktienvermögen nicht für die Verwendung nach Eintritt des Ruhestandes vorgehalten. Allein die Behauptung des Klägers, er habe eine Verwendung zur Alterssicherung beabsichtigt, genügt nicht. § 6 Abs 4 Nr 1 AlhiV setzt zur Glaubhaftmachung der Zweckbestimmung eine spezifische, auf eine erst spätere Vermögensnutzung zielende Vermögensdisposition voraus. Erforderlich ist eine Vermögensdisposition, die es - wie z.B. die Festlegung einer Kapitalanlage für eine bestimmte Dauer - zumindest erschwert, vor dem für die Alterssicherung relevanten Zeitpunkt auf das Vermögen zuzugreifen (vgl. Ebsen in Gagel, SGB III, § 193 RdNr 163 f). Eine derartige Vermögensdisposition kann nicht allein in dem Besitz von Aktien gesehen werden, denn der Kläger kann jederzeit ohne Beschränkungen über die Aktien verfügen. Eine erkennbare Vermögensdisposition ergibt sich auch nicht aus dem vom Kläger dargelegten Anlagekonzept zur Alterssicherung, das in der Mischung seiner Vemögenswerte bestanden haben soll. Aus den objektivierbaren Umständen ergeben sich mit Ausnahme der vorhandenen Lebensversicherungen allerdings keine Anhaltspunkte für die Absicht einer zukünftigen Vermögensnutzung. Der Kläger gibt zwar an, die Eigentumswohnung diene mit der Erzielung von Mieteinnahmen der Aufrechterhaltung einer angemessenen Alterssicherung. Er beabsichtige auch, das Bausparguthaben für Renovierungs- oder Instandhaltungsarbeiten seiner Eigentumswohnung einzusetzen, um die Nutzung der Eigentumswohnung aufrecht zu erhalten. Jedoch hat der Kläger mehrfach versucht, die Eigentumswohnung zu veräußern. Er hat bei der Alhi-Beantragung am 09.02.2000 angegeben, dass die Wohnung unverkäuflich sei, wie er bei mehreren Verkaufsversuchen hätte erfahren müssen. Anläßlich seines Antrags vom 04.12.2000 hat er ausgeführt, dass er einen erneuten Versuch unternommen habe, die Wohnung mit Hilfe von Immobilienmaklern zu verkaufen. Dies zeigt nicht sein Bestreben, die Wohnung und das Bausparguthaben zur Aufrechterhaltung einer angemessenen Alterssicherung beizubehalten. Der Aktienbesitz des Klägers kann daher nicht als Teil eines umfassenden Anlagekonzeptes zur Alterssicherung gesehen werden. Weiter hat die Beklagte zutreffend das Bausparguthaben des Klägers als verwertbares Vermögen angesehen. Der Kläger verfügte über zwei Bausparverträge mit Guthaben jeweils am 31.12.1999 in Höhe von 8.981,00 DM (Vertragsbeginn am 31.12.1986) bzw. 8.868,00 DM (Vertragsbeginn 04.11.1992), also insgesamt über ein Guthaben in Höhe von 17.849,00 DM. Das Bausparguthaben ist - ähnlich wie Bankguthaben (vgl. Urteil des BSG vom 04.09.1979, Az: 7 RAr 115/78, SozR 4220 § 6 Nr 3 S. 4) - nach § 6 Abs 2 AlhiV verwertbar, weil es verbraucht, übertragen oder belastet werden kann. Aus § 7 Abs 2 Nr 1 AlhiV ergeben sich keine Ausnahmen von der Verwertbarkeit. Nach dieser Vorschrift gilt Vermögen, das aus der prämienbegünstigten Anlage nach dem Wohnungsbau-Prämiengesetz oder aus der zulagebegünstigten Anlage nach dem Fünften Vermögensbildungsgesetz (5. VermBG) sowie aus den Erträgnissen hieraus herrührt, als nicht verwertbar, solange der Inhaber des Vermögens in der Verfügung beschränkt ist und die Aufhebung dieser Beschränkung nur unter wirtschaftlichen oder rechtlichen Nachteilen erreichen kann. Dies war hier beim Kläger nicht mehr der Fall, da zum Zeitpunkt des Beginns des Zeitraums, für den Alhi beansprucht wird, die sog. Sperrfrist von sieben Jahren nach dem jeweiligen Vertragsabschluss abgelaufen war. Bei einer Verfügung über das Bausparguthaben nach Ablauf dieser Sperrfrist geht der Anspruch auf die Prämienbegünstigung oder auf die Arbeitnehmer-Sparzulage nicht verloren (§ 2 Abs 2 Satz 1 Wohnungsbau-Prämiengesetz, § 13 Abs 5 Satz 1 5. VermBG), so dass dem Kläger Nachteile bei der Verwertung der Bausparguthaben nicht entstehen.

Die Verwertung des Bausparguthabens ist dem Kläger auch zumutbar. Es dient nicht nachweislich zum alsbaldigen Erwerb eines eigenem Wohnbedarf dienenden Grundstücks oder einer solchen Eigentumswohnung (vgl. § 6 Abs 3 Satz 2 Nr 7 AlhiV). Das Bausparguthaben war auch nicht dazu bestimmt, den Aufbau oder der Sicherung einer angemessenen Lebensgrundlage oder der Aufrechterhaltung einer angemessenen Alterssicherung nach § 6 Abs 3 Satz 2 Nr 3 AlhiV zu dienen. Dem steht der angestrebte Verkauf der Eigentumswohnung entgegen, so dass die beabsichtigte Verwendung des Bausparguthabens für Renovierungs- oder Instandhaltungsarbeiten nicht dazu geeignet ist, der Erzielung von Mieteinnahmen zur Alterssicherung zu dienen.

Auch nach dem sog. Auffangtatbestand des § 6 Abs 3 Satz 1 AlhiV ist die Verwertung des Aktienvermögens und des Bausparguthabens zumutbar. Diese Vorschrift bestimmt, dass die Verwertung zumutbar ist, wenn sie nicht offensichtlich unwirtschaftlich ist und wenn sie unter Berücksichtigung einer angemessenen Lebenshaltung des Inhabers des Vermögens und seiner Angehörigen billigerweise erwartet werden kann. Von einer offensichtlichen Unwirtschaftlichkeit oder Verwertung des Bausparguthabens oder der Aktien ist nicht auszugehen, da die Kündigung des Bausparvertrages nur zum Verlust zukünftiger Zinseinkünfte führt und die Aktien börsentäglich zum aktuellen Kurswert veräußert werden können. Auch nach den persönlichen Lebensumständen des alleinstehenden Klägers war die Verwertung des den Freibetrag von 8.000,00 DM übersteigenden Vermögens zumutbar. Soweit der Kläger auf seine laufenden Ausgaben und Verbindlichkeiten hinweist, die seinem Vermögen gegenüber zu stellen seien, verbleibt es dennoch bei der Zumutbarkeit der Verwertung seines Aktien- und Bausparvermögens. Die Berücksichtigung von Verbindlichkeiten kommt im Rahmen der nach § 6 Abs 3 AlhiV anzustellenden Billigkeitsprüfung nur dann in Betracht, wenn Vermögensbestandteile und Verbindlichkeiten bei wirtschaftlicher Betrachtung als eine Einheit anzusehen sind. Beide müssen in einem ursächlichen Zusammenhang stehen, der bei den vom Kläger genannten Verbindlichkeiten und Ausgaben nicht erkennbar ist.

Bereits aufgrund des Aktienbesitzes und der Bausparguthaben ergibt sich ein zumutbar verwertbares Vermögen des Klägers in Höhe von 38.862,44 DM, das nach Abzug eines Freibetrages von 8.000,00 DM bei der Prüfung der Bedürftigkeit zu berücksichtigen ist. Der Kläger ist über den hier streitigen Zeitraum vom 20.11.1999 bis 31.05.2000 hinaus, und zwar für insgesamt 36 Wochen nicht bedürftig (30.862,44 DM: 840,00 DM wöchentliches Arbeitsentgelt, § 9 AlhiV). Es kommt daher nicht mehr darauf an, ob und mit welchem Wert die Eigentumswohnung des Klägers als zumutbar verwertbares Vermögen bei der Bedürftigkeitsprüfung zu berücksichtigen ist.

Gründe für eine Aussetzung des gerichtlichen Verfahrens sind nicht ersichtlich (vgl. § 114 SGG, § 202 SGG iVm §§ 245 bis 247 Zivilprozessordnung), so dass dem hilfsweise gestellten Antrag auf Anordnung der Aussetzung nicht zu folgen war. Insbesondere stellt die Erkrankung des Klägers keinen Grund zur Aussetzung dar. Auch ist der vom Kläger beabsichtigte weitere Vortrag zum Verkehrswert der Eigentumswohnung für die Entscheidung nicht erheblich.

Nach alledem ist das Urteil des SG nicht zu beanstanden und die Berufung zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich (§ 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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