L 8 AL 218/02

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 6 AL 93/00
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 8 AL 218/02
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 25. April 2002 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der 1939 geborene Kläger war vom 01.10.1975 bis 31.12. 1995 als Fertigungsplaner bei der Firma D. GmbH beschäftigt. Für den Verlust des Arbeitsplatzes erhielt er eine Abfindung in Höhe von DM 140.000,00.

Auf seine Arbeitslosmeldung vom 14.06.1996 wurde ihm antragsgemäß Arbeitslosengeld (Alg) bewilligt.

Vom 01.11.1998 bis 31.10.1999 bezog er eine Berufsunfähigkeits-Rente. Seit 01.11.1999 bezieht er eine vorgezogene Altersrente.

Nach Erschöpfung seines Alg-Anspruchs beantragte er am 31.03. 1999 Anschluss-Arbeitslosenhilfe (Alhi). Dabei gab er an, Zinserträge in Höhe von monatlich DM 302,00 zu haben. Sein Bankguthaben betrage DM 130.000,00. Weiteres Vermögen von rund DM 75.700,00 habe er auf einem Bausparkonto. Des Weiteren verfüge er über Haus- und Grundbesitz in A. , der jedoch keinen nennenswerten Verkehrswert habe, weil das Haus abbruchreif sei. Darüber hinaus gab er an, über eine Aktie über DM 915,00 zu verfügen.

Mit Bescheid vom 05.05.1999 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Der Kläger verfüge über ein Vermögen in Höhe von DM 136.218,88, das verwertbar und dessen Verwertung zumutbar sei. Unter Berücksichtigung der Freigrenze von DM 18.000,00 würden DM 118.218,88 verbleiben. Dieser Betrag sei bei der Prüfung der Bedürftigkeit zu berücksichtigen. Bei Teilung des zu berücksichtigenden Vermögens durch das wöchentliche Arbeitsentgelt, nach dem sich die Höhe der Alhi richte (DM 1.530,00), ergebe sich, dass der Kläger für einen Zeitraum von 77 Wochen nicht bedürftig sei.

Mit Widerspruch machte der Kläger geltend, seine Ersparnisse habe er angesammelt, um eine angemessene Alterssicherung zu gewährleisten. Bedingt durch das vorzeitige Ausscheiden aus dem Beruf würden ihm neun Beitragsjahre bei der gesetzlichen Rentenversicherung fehlen, was eine erhebliche Rentenminderung darstelle. Es werde insoweit auf das Urteil des BSG vom 22.10. 1998 - Az.: B 7 AL 118/97 R - verwiesen. Das Sparbuch mit der größeren Summe habe er 1980 mit dem Zweck eines Renditesparens angelegt. Die Sparsumme könne monatlich gekündigt werden. Das Festgeld sei im Mai 1998 angelegt worden. Auch hier bestehe eine monatliche Kündigungsmöglichkeit. Es handle sich um die Wiederanlage einer 1974 zur Alterssicherung abgeschlossenen Lebensversicherung. Die Lebensversicherungssumme habe sich um Gerichts-, Anwalts- und Wiederbeschaffungskosten für Haushalt und Kleidung nach erfolgter Scheidung verringert. Den Bausparvertrag habe er 1972 abgeschlossen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 11.02.2000 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Für die Bedeutung der Frage, ob Vermögen für die Alterssicherung bestimmt sei, müsse die vom Kläger getroffene Zweckbestimmung durch objektive Begleitumstände nachgewiesen werden. Er habe deshalb bereits vor dem 23.09.1998, dem Zeitpunkt der Antragstellung, das entsprechende Vermögen nach außen erkennbar, für die Alterssicherung bestimmt haben müssen. Es müsse unter Einbeziehung der Gesamtumstände überwiegend wahrscheinlich sein, dass er das Vermögen erst nach Eintritt in den Ruhestand zur Bestreitung des Lebensunterhaltes habe verwenden wollen. Das Gesamtvermögen des Klägers könne nicht als Vermögen für die Alterssicherung angesehen werden. Die beiden Sparbücher bei der Volksbank Fürstenfeldbruck seien auf eine gesetzliche Kündigungsfrist von drei Monaten angelegt. Das Termingeld bei der Volksbank L. sei am 13.05.1998 mit einer Laufzeit bzw. Kündigungsfrist von einem Monat angelegt worden. Diese Vermögensteile seien für den Kläger jederzeit zugänglich und seien somit nicht erkennbar von ihm für die Alterssicherung bestimmt. Außerdem habe er noch eine Aktie und sicher auch ein Girokonto. Auch Beträge auf diesen Konten könnten keinesfalls als Anlagen für die Alterssicherung anerkannt werden. So gebe der Kläger selbst an, dass er das Geld für den Abriss bzw. den Bau seines Hauses benötige. Insoweit sei auch keine Anlage für die Alterssicherung erkennbar.

Zur Begründung seiner dagegen zum Sozialgericht (SG) Landshut erhobenen Klage hat der Kläger vorgetragen, die von ihm gewählten Anlageformen, Renditesparen und Festgeld sei den Lebensumständen entsprechend die richtige Anlageform gewesen. Die Ungleichbehandlung von Bar- und Anlagevermögen in Form von Haus- und Grundbesitz sei nicht mit dem Grundgesetz vereinbar. Bei seinem Gebäude in A. handle es sich um ein altes Austragsanwesen mit Wohnbereich, Stallung und darüber liegenden Heu- und Strohboden. Der völlige Abriss stelle die wirtschaftlichste Lösung dar, um an gleicher Stelle ein Haus neu kostengünstig bauen zu können. Für die äußerliche Sanierung des Gebäudes ohne Abriss würden im Rahmen der Dorferneuerung die Mehrkosten bezuschusst werden. Bei seinem Sparguthaben handle es sich um die Abfindung seines Arbeitgebers und seine Lebensversicherung, die nach 25 Jahren ausbezahlt worden sei.

Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 25.04.2002 hat der Kläger erklärt, dass er sein Haus in A. bislang nicht abgerissen habe. Auch habe er bislang keine Renovierungsarbeiten vorgenommen.

Mit Urteil vom 25.04.2002 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es vollinhaltlich auf die Ausführungen der Beklagten in den angefochtenen Bescheiden, denen es sich angeschlossen hat, verwiesen.

Zur Begründung seiner Berufung führt der Kläger aus, zum Abriss seines alten Hauses und dessen Wiederaufbau sei ein Darlehen vonnöten. Aufgrund seiner Lebenslage, in der er sich zum Zeitpunkt der Antragstellung befunden habe, habe ihm keine Bank Geld geliehen. Dies sei die einfache Erklärung dafür, weshalb sein altes Haus noch stehe. Es sei nicht nachvollziehbar, dass ihm die Beklagte die beantragte Alhi in Form des Unterschiedsbetrages zur Berufsunfähigkeitsrente mit dem Hinweis auf sein kleines, der Alterssicherung dienendes Barvermögen nicht bewillige. Bei einem von ihm zum gleichen Zeitpunkt gestellten Antrag, allerdings auf "originäre Alhi", stünden ihm vom Alter her erhebliche Freibeträge von ca. DM 59.000,00 zu. Er sehe von daher in den von der Beklagten ihm zugebilligten Freibeträge von DM 18.000,00 eine nicht unerhebliche Ungleichbehandlung.

Der Kläger beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Landshut vom 25.04.2002 und des Bescheides vom 05.05.1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.02.2000 zu verurteilen, ihm im Anschluss an den Bezug von Arbeitslosengeld bis 31.01.1999 Arbeitslosenhilfe zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte vertritt die Auffassung, die Berufung sei unbegründet. Zwar sei infolge der geänderten Bemessungsgrundlage nach Erhöhung des Bemessungsentgelts um einen Pauschvertrag für bislang nicht berücksichtigte Sonderzuwendungen für die Zeit ab 12.10.1998 von einem wöchentlichen Bemessungsentgelt von DM 1.680,00 auszugehen, woraus sich eine fehlende Bedürftigkeit von 70 Kalenderwochen ergebe. Dies sei jedoch im Ergebnis nicht entscheidungserheblich. Wenn der Kläger vortrage, er habe sein Hausgrundstück nicht verwerten können, weil für den Abriss des baufälligen Hauses Bankdarlehen benötigt würden, trage er damit selbst vor, das Vermögen nicht für die Wiederherstellung der Verwertbarkeit des Hausgrundstücks einsetzen zu wollen bzw. dies nicht vorgehabt zu haben. Damit scheide aus, dass das Vermögen zum alsbaldigen Erwerb bzw. der Wiederherstellung eines angemessenen Hausgrundstücks bestimmt gewesen sei. Die gewählten Anlageformen des Klägers würden nicht den Kriterien genügen, die an eine Vermögenslage zur Aufrechterhaltung der Alterssicherung gestellt werden. Soweit der Kläger meine, mit einem Antrag auf so genannte Bund-Alhi wäre er rechtlich zum 12.10.1998 anders behandelt worden als mit seinem Antrag auf Anschluss-Alhi, habe er nicht Recht. Für die Bedürftigkeit zähle ein- und dieselbe rechtliche Grundlage. Allerdings sei die Alhi-VO vom 07.08.1974 durch Art.1 der 6. Verordnung zur Änderung der Alhi-VO, die ab 29.06.1999 in Kraft getreten sei, geändert worden. Danach sei gemäß § 6 Abs.4 Alhi-VO in der Fassung am 29.06.1999 ein Vermögen für die Alterssicherung u.a. bestimmt, wenn eine der Bestimmung entsprechende Vermögensdisposition getroffen worden sei, was hier nicht der Fall sei. Zur Frage, welcher Betrag angemessen für die oben genannte Bestimmung sei, komme es deshalb nicht.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird im Übrigen auf den Inhalt der Verwaltungsunterlagen der Beklagten und der Verfahrensakten beider Rechtszüge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -), ein Ausschließungsgrund (§ 144 Abs.1 SGG) liegt nicht vor.

In der Sache erweist sich das Rechtsmittel als unbegründet.

Zu Recht hat das SG Landshut mit Urteil vom 25.04.2002 die Klage abgewiesen, da die zugrunde liegenden Bescheide der Beklagten vom 05.05.1999 und 11.02.2000 nicht zu beanstanden sind.

Denn der Kläger hat keinen Anspruch auf Alhi, da er nicht bedürftig im Sinne des § 193 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) ist.

Nach § 193 Abs.2 SGB III ist Bedürftigkeit dann nicht gegeben, solange mit Rücksicht auf das Vermögen die Erbringung von Alhi nicht gerechtfertigt ist. Unter welchen Voraussetzungen dies der Fall ist, konkretisieren die auf der Ermächtigungsgrundlage des § 206 Ziffer 1 SGB III beruhenden §§ 6 ff. der Alhi-VO. Nach § 6 Abs.1 Alhi-VO ist u.a. das Vermögen des Arbeitslosen und seines nicht dauernd getrennt lebenden Ehegatten zu berücksichtigen, soweit es verwertbar, die Verwertung zumutbar und der Wert des Vermögens, dessen Verwertung zumutbar ist, jeweils DM 8.000,00 übersteigt.

Mit dieser Regelung bringt der Gesetzgeber zum Ausdruck, dass der Arbeitslose grundsätzlich auch die Substanz seines Vermögens zu verwerten hat, bevor er Leistungen der Alhi in Anspruch nimmt (vgl. BSG SozR 3-4220 § 6 Nr.4 S.5).

Das Vermögen, über das der Kläger verfügt, nämlich das Festgeld (mit monatlicher Kündigungsfrist) von DM 60.793,00 und die Sparkassenbücher in Höhe von DM 75.287,00 und DM 138,88 sind grundsätzlich verwertbar (§ 6 Abs.2 Alhi-VO).

Ob und in welchem Umfang die Verwertung zumutbar ist, bestimmt § 6 Abs.3 Alhi-VO. Nach Satz 1 ist die Verwertung dann zumutbar, wenn sie nicht offensichtlich unwirtschaftlich ist und wenn sie unter Berücksichtigung einer angemessenen Lebenshaltung des Inhabers des Vermögens billigerweise erwartet werden kann.

Nach § 6 Abs.3 Satz 2 Nr.3 3. Alternative Alhi-VO in der zum damaligen Zeitpunkt gültigen Fassung ist eine Verwertung des Vermögens, das zu einer angemessenen Alterssicherung bestimmt ist, nicht zumutbar.

Unter Berücksichtigung der hierzu ergangenen Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 22.10.1998 - B 7 AL 118/97 R und BSG SozR 3-4100 § 137 Nr.7 S.62; Nr.9 S.72) ist nicht davon auszugehen, dass der Kläger sein Vermögen zur Alterssicherung bestimmt hat. Es fehlt zum einen an der subjektiven Zweckbestimmung, und es sprechen auch die so genannten objektiven Begleitumstände gegen eine derartige Zweckbestimmung. Denn die Geldanlagen auf dem Festgeldkonto und den beiden Sparbüchern lassen nicht den Schluss zu, dass dieses Vermögen tatsächlich einer zusätzlichen Alterssicherung dienen sollte. Denn sowohl das Festgeldkonto als auch die Sparbücher haben jeweils eine monatliche Kündigungsfrist. Auch unter Berücksichtigung des Alters des Klägers wäre es jederzeit möglich gewesen, um diese (behauptete) Zweckbestimmung zu dokumentieren, dies bis zum 60. Lebensjahr weiterhin anzulegen. Das Festgeldkonto hat der Kläger im Mai 1998 angelegt. Zu diesem Zeitpunkt war er 58 Jahre alt. Ihm wäre es daher möglich gewesen, das Festgeld "fest" noch bis zum 60. Lebensjahr anzulegen, um damit die Alterssicherung zu dokumentieren. Dies gilt auch zumindest für das Sparbuch mit der Nr. 140113344. Bei dem Betrag von DM 75.287,00 ist es bei einer monatlichen Kündigungsfrist nicht nachvollziehbar, dass der Kläger dieses Vermögen zur Alterssicherung bestimmt hat.

Keine der vom Kläger gewählten Anlageformen spricht dafür, dass er sein Vermögen auf Dauer hat binden wollen. Ebenfalls gegen die Anlage des Vermögens zur Alterssicherung spricht, dass er selbst vorgetragen hat, dass er nach der Trennung von seiner geschiedenen Frau und Aufgabe des Wohnsitzes in der bisher ehelichen Wohnung in M. (im März 1996) Ausgaben für Beschaffung von Hausstand und Kleidung, Anwalts- und Scheidungskosten gehabt habe. Die Entnahmen im Zeitraum von Dezember 1996 bis Dezember 1998 (DM 45.000,00) stehen damit eindeutig im Zusammenhang.

Im Übrigen hat der Kläger insgesamt widersprüchliche Angaben gemacht, aufgrund derer seine Absicht der Alterssicherung gerade nicht nachgewiesen ist. So gab er im Widerspruchsverfahren an, er wolle das Haus doch nicht abreißen, sondern es nach umfangreichen Baumaßnahmen als Alterswohnsitz nutzen. Um die Handwerker korrekt bezahlen zu können, habe er kurzfristig auf sein Barvermögen und den Bausparvertrag zurückgreifen wollen. Damit widerlegt er selbst seine Absicht, das Vermögen zur Alterssicherung nutzen zu wollen. Diese Angabe konkretisierte er nochmals dahingehend, er habe die Ersparnisse deshalb kurzfristig angelegt, um nach Abriss ein neues Haus bauen zu wollen.

Auch auf Grund der neu geschaffenen gesetzlichen Grundlage des § 6 Abs.4 Alhi-VO, wonach je vollendetem Lebensjahr DM 1.000,00 für eine angemessene Alterssicherung anzuerkennen wären, führt zu keinem anderen Ergebnis. Denn es ist aus oben genannten Gründen gerade nicht nachgewiesen, dass er sein Vermögen zur Alterssicherung nutzen wollte.

Zum Vorhalt des Klägers, die Anrechnungszeit sei wegen falsch angesetzter Leistungsgruppe unrichtig, ist darauf hinzuweisen, dass die Teilung des verwertbaren Vermögens nicht durch den Leistungssatz erfolgt.

Wenn er weiter meint, mit einem Antrag auf so genannte Bund- Alhi wäre er rechtlich zum 12.10.1998 anders behandelt worden als mit seinem Antrag auf Anschluss-Alhi, so ist dies nicht richtig, da für die Bedürftigkeit ein- und dieselbe rechtliche Grundlage gilt.

Somit war die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 25.04.2002 zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Saved