L 8 AL 237/02

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 6 AL 96/00
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 8 AL 237/02
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 25. April 2002 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Höhe des Arbeitslosengeldes streitig.

Der 1939 geborene Kläger, der vom 01.10.1975 bis 31.12.1995 als Fertigungsplaner bei der Firma D. gearbeitet hat, meldete sich am 02.01.1996 bei der Beklagten arbeitslos und beantragte die Bewilligung von Arbeitslosengeld (Alg). Bei der Antragstellung gab er als Anschrift "B.-Straße , M." an. Mit Bescheid vom 31.03.1996 wurde ihm ab 02.01.1996 Alg in Höhe von wöchentlich DM 531,60 nach einem Bemessungsentgelt von DM 1.500,00 mit einem erhöhten Leistungssatz nach Leistunsgruppe A bewilligt. Hierzu hatte der Kläger angegeben, zu Beginn der Arbeitslosmeldung im Jahre 1996 auf der Lohnsteuerkarte den Eintrag "I/0,5" zu haben. Mit Schreiben vom 12.06.1996 teilte er der Beklagten mit, dass er seit dem 01.05.1996 in L. , A.weg, wohne. Mit Bescheid vom 17.07.1996 hob die Beklagte die Bewilligung von Alg mit Wirkung ab 01.05.1996 auf, da der Kläger seit diesem Zeitpunkt der Arbeitsvermittlung nicht zur Verfügung gestanden habe. Der dagen eingelegte Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 11.11.1996 zurückgewiesen. Die dagegen erhobene Klage wies das Sozialgericht (SG) Landshut mit Urteil vom 14.11.1997 ab (S 10 AL 2779/96). Die dagegen eingelegte Berufung wies das Bayer. Landessozialgericht mit Urteil vom 29.07.1999 (L 9 AL 40/98) zurück.

Am 14.06.1996 meldete sich der Kläger erneut arbeitslos und beantragte die Bewilligung von Alg. Auf seinem Antrag gab er an, seine Lohnsteuerkarte sei im Laufe des Jahres mit Wirkung ab 01.01.1996 geändert worden (Grund: Kinderfreibetrag).

Mit Bescheid vom 02.08.1996 bewilligte die Beklagte ab 14.06. 1996 Alg in vorläufiger Höhe nach dem allgemeinen Leistungssatz, also ohne lohnsteuerrechtliche Berücksichtigung des Kindes, nachdem der Kläger in seinem Antrag bezüglich der weiteren Berufsausbildung des Kindes ein Fragezeichen gemacht hatte.

Gegen den vorläufigen Bewilligungsbescheid sowie den "zu ergehenden endgültigen Bescheid" legte der Kläger Widerspruch ein. Nach dem Bewilligungsbescheid vom 01.02.1996 würden ihm aufgrund der Leistungsvoraussetzungen DM 531,60 pro Woche zustehen. Mit Widerspruchsbescheid vom 01.10.1996 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück.

Nach weiteren Ermittlungen bewilligte die Beklagte mit Bescheid vom 09.08.1999 Alg für die Zeit vom 02.07.1996 bis 30.08.1996 in Höhe von wöchentlich DM 531,60 (Berechnungsgrundlagen wie im Bescheid vom 17.05.1999). Mit weiterem Änderungsbescheid vom 24.09.1999 wurde dem Kläger Alg zusätzlich für den 31.08.1996 (Berechnunggrundlagen wie die vorausgegangenen Bescheide) bewilligt.

Mit weiterem Bescheid vom 24.08.1999 bewilligte die Beklagte auch für die Zeit vom 01.07.1997 bis 31.12.1997 Alg nach einem Bemessungsentgelt von DM 1.500,00, der Leistungsgruppe A, dem erhöhten Leistungssatz und der Leistungstabelle 1997, nachdem der Sohn des Klägers in der Zeit vom 01.09.1996 bis 30.06.1997 seinen Grundwehrdienst geleistet hatte.

Des Weiteren wurde mit Bescheid vom 24.08.1999 Alg für die Zeit vom 01.01.1998 bis 22.09.1998 (Erschöpfung des Anspruchs) ausgehend von dem dynamisierten Bemessungsentgelt von DM 1.530,00 wöchentlich, der Leistungsgruppe A der Leistungsverordnung 1998 und dem erhöhten Leistungssatz bewilligt. Dieselbe Entscheidung hatte die Beklagte schon mit Bescheid vom 17.05.1999 getroffen. Mit einer Verrechnung dieser "Doppelzahlung" erklärte der Kläger mit Schreiben vom 25.03.2000 sein Einverständnis.

Mit Widerspruchsbescheid vom 11.02.2000 wurde unter Berücksichtigung der ergangenen Änderungsbescheide die Höhe des Alg auf den erhöhten Leistungssatz für die Zeit vom 14.06.1996 bis 31.08.1996 und 01.07.1997 bis 31.12.1997 abgeändert und dem Widerspruch insoweit stattgegeben. Im Übrigen wurde er als unbegründet zurückgewiesen. Die Höhe des Alg hänge von der auf der Lohnsteuerkarte des Arbeitslosen eingetragenen Lohnsteuerklasse ab. Maßgebend sei die Lohnsteuerklasse, die zu Beginn des Kalenderjahres eingetragen gewesen sei, in dem der Anspruch entstanden sei. Einmalzahlungen würden nicht berücksichtigt. Aufgrund des vor dem Bayer. Landessozialgericht abgeschlossenen Vergleichs werde die Beklagte aber bei einer für den Kläger günstigen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über die zusätzliche Berücksichtigung von einmalig gezahlten Leistungen neu entscheiden. Die Beteiligten hatten insoweit vor dem Bayer. Landessozialgericht im Verfahren L 9 AL 40/98 am 29.07.1999 einen Teilvergleich dahingehend geschlossen, dass die Beklagte bei einer für den Kläger günstigen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts hinsichtlich der Frage der einmalig gezahlten Leistung bzw. Zuwendung nach § 112 Abs.1 Satz 2 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) bei der Bemessung von Alg für die Zeiträume ab 01.01.1997 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Bundesverfassungsgerichts neu entscheiden werde.

Mit seiner gegen den Widerspruchsbescheid vom 11.02.2000 zum SG Landshut erhobenen Klage hat der Kläger die Zuerkennung der "Leistungsklasse B/1" beantragt. Zudem hat er beantragt, "das Verfahren bis zum Abschluss des Verfahrens vor der Finanzbehörde ruhen zu lassen". Vom Finanzamt F. sei ihm - zuletzt im Dezember 1995 - die Eintragung der Lohnsteuerklasse II/1 verweigert worden. Im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 25.04.2002 hat der Kläger auf ausdrückliches Nachfragen "lediglich" den Antrag auf die Anordnung des Ruhens des Verfahrens bis zur Entscheidung des Finanzgerichts über die richtige Lohnsteuerklasse auf den Lohnsteuerkarten 1996 bis 1999 beantragt. Weitere Anträge wurden von ihm ausdrücklich nicht gestellt.

Mit Urteil vom 25.04.2002 hat das SG die Klage abgewiesen. Strei- tig sei im Verfahren nur noch die Höhe der Leistung, soweit sie von der Leistungsgruppe und damit der Lohnsteuerklasse abhänge. Das Gericht sei nicht gehalten, dem "Ruhensantrag" des Klägers nachzukommen. Die Entscheidung über eine Aussetzung des Verfahrens gemäß § 114 Sozialgerichtsgesetz (SGG), die hier allein in Frage komme, stehe im Ermessen des Gerichts. Die Kammer sei der Auffassung, dass eine Aussetzung des Verfahrens nicht in Betracht komme. Denn sie verkenne nicht die Tatbestandswirkung der auf der Lohnsteuerkarte eingetragenen Lohnsteuerklasse. Zur Berechnung des Alg solle aber gerade die Lohnsteuerkarte zugrunde gelegt werden, die der Kläger vor seiner Arbeitslosigkeit tatsächlich gehabt habe. Sollte diese Lohnsteuerklasse vom Finanzgericht rückwirkend abgeändert werden, habe der Kläger zum einen die Möglichkeit, einen Antrag auf Überprüfung der streitigen Entscheidung nach § 44 Zehnes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) zu stellen. Soweit er unter Umständen wegen Ablaufs der 4-Jahresfrist nicht mehr alle Leistungsansprüche geltend machen könne, müsse er sich auf einen gegebenenfalls vorhandenen Schadensersatzanspruch gegenüber der die Lohnsteuerkarte ausstellenden Behörde verweisen lassen. Im Übrigen werde rein vorsorglich auf die Ausführungen der Beklagten in den angefochtenen Bescheiden verwiesen, denen sich die Kammer nach § 136 Abs.3 SGG anschließe. Des Weiteren habe die Beklagte entsprechend dem vor dem Bayer. Landessozialgericht geschlossenen Teilvergleich nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts dem Kläger Alg unter Berücksichtigung der Einmalzahlungen bewilligt.

Mit seiner Berufung begehrt der Kläger weiterhin, dass ihm Leistungen nach der Leistungsgruppe B/1 zu bewilligen seien und dem- entsprechend sämtliche ergangene Bescheide, beginnend ab 17.07. 1996, entsprechend zu berichtigen. Durch die Anwendung der auf seiner Lohnsteuerkarte eingetragenen Steuerklasse zur Festlegung der Höhe seines Alg sei er in seinen Rechten erheblich verletzt. Besonders deutlich stelle sich die Missachtung der Eintragungen auf der Lohnsteuerkarte nach § 113 Abs.2 AFG dar. Hier werde willkürlich die vom Finanzamt oder der Gemeinde vorgenommene rechtmäßige Steuerklassenzahl für nichtig erklärt und in grober Weise in die Zuständigkeit der Finanzverwaltung eingegriffen.

Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 28.05.2004 wurde zwischen den Beteiligten Einigkeit darüber erzielt, als "lediglich" die Bescheide vom 17.05., 09.08. und 24.08.1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.02.2000 Streitgegenstand des Verfahrens sein sollen.

Der Kläger beantragt, die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Landshut vom 25.04.2002 sowie der Bescheide vom 17.05., 09.08. und 24.08.1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.02.2000 zu verurteilen, ihm höheres Arbeitslosengeld zu bewilligen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie schließt sich der Begründung im angefochtenen Urteil an.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird im Übrigen auf den Inhalt der Verwaltungsunterlagen der Beklagten und der Verfahrensakten beider Rechtszüge sowie die Berufungsakte im Verfahren L 9 AL 40/98 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 151 SGG), ein Auschließungsgrund (§ 144 Abs.1 SGG) liegt nicht vor.

In der Sache erweist sich das Rechtsmittel als unbegründet.

Zu Recht hat das SG Landshut mit Urteil vom 25.04.2002 die Klage abgewiesen, da die zugrundeliegenden Bescheide der Beklagten vom 17.05., 09.08. und 24.08.1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.02.2000 nicht zu bestanden sind.

Hinzuweisen ist zunächst darauf, dass die Beklagte für die maß- geblichen Zeiträume vom 14.06.1996 bis 31.08.1996 und vom 01.07. 1997 bis 31.12.1997 nachträglich unter Berücksichtigung des Soh- nes des Klägers Leistungen nach dem "erhöhten" Leistungssatz bewilligt hat.

Dem Kläger stehen aber für die genannten Zeiträume wegen seiner Lohnsteuerklasse Leistungen nach Leistungsgruppe "B" nicht zu.

Nach § 111 Abs.1 Nr.2 AFG haben Arbeitslose, die mindestens ein Kind im Sinne des § 32 Abs.1, 4 und 5 des Einkommensteuergesetzes haben, Anspruch auf 67 v.H. des um die bei Arbeitnehmern gewöhnlich anfallenden gesetzlichen Abzüge verminderten Arbeitsentgelt im Sinne des § 112 AFG.

Die Leistungssätze bestimmt der Bundesminister für Arbeit jeweils für ein Kalenderjahr nach Leistungsgruppen (A bis E), denen die Lohnsteuerklassen I bis VI entsprechen (§ 111 Abs.2 Satz 1 und 2 AFG). Die nach Leistungsgruppen differenzierten Leistungssätze berücksichtigen den nach den jeweils maßgebenden Steuerklassen gewöhnlich anfallenden gesetzlichen Steuerabzug. Welche Steuerklasse der Leistungsberechnung zugrunde zu legen ist, ist in § 113 Abs.1 AFG geregelt. Maßgebend ist die zu Beginn des Jahres, in welchem der Anspruch entstanden ist, auf der Lohnsteuerkarte des Arbeitslosen eingetragene Steuerklasse. Spätere Änderungen der Eintragung werden von dem Zeitpunkt an berücksichtigt, zu dem die Änderungen eingetreten sind. Damit steht fest, dass die Eintragungen auf der Lohnsteuerkarte für die Beklagte verbindlich sind. Die Feststellungen von Leistungen bei Arbeitslosigkeit wird somit von Überlegungen über die "richtige" Steuerklasse entlastet (vgl. BSG SozR 3-4100 § 111 Nr.3, S.11).

Unstreitig war auf der Lohnsteuerkarte des Klägers von Anfang an (1996) die Steuerklasse I eingetragen, welche gemäß § 111 Abs.2 Satz 2 Nr.1a AFG mit der Leistungsgruppe A korrespondiert. Unstreitig ist auch aufgrund des eigenen Vorbringens des Klägers keine Änderung eingetreten.

Somit war die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG Landshut vom 25.04.2002 zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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