L 1 U 3312/17

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 1 U 3683/15
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 1 U 3312/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 28.07.2017 aufgehoben und die Klage wird abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind für beide Rechtszüge nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens nach § 44 SGB X umstritten, ob Gesundheitsstörungen im Bereich des rechten Schultergelenks als - weitere - Folgen eines Arbeitsunfalls festzustellen sind und der Kläger Anspruch auf Verletztenrente aus Mitteln der gesetzlichen Unfallversicherung hat.

An Vorbefunden der Schulter ist in der Beklagtenakte eine sachverständige Zeugenaussage des Orthopäden Dr. Sch. enthalten, der im Rahmen eines vor dem Sozialgericht Karlsruhe geführten Schwerbehindertenverfahrens (S 12 SB 5410/08) über eine gutachterliche Untersuchung des Klägers vom 10.01.2008 berichtete. Der Kläger habe über beidseitige Beschwerden in den Schultern berichtet. Die Beweglichkeit sei in den Schultergelenken beidseits endgradig eingeschränkt, ansonsten aber passiv und aktiv ohne wesentliche Einschränkung zu sehen gewesen. Dr. Sch. diagnostizierte damals einen Verschleiß der Weichteile in der Schulterumgebung mit zeitweisen Sehnenengpasserscheinungen (Impingement Syndrom). Aufgrund der schon länger bestehenden Schulterbeschwerden seien Arbeiten, bei denen die Arme oberhalb der Horizontalen gehalten werden müssten, nicht leidensgerecht. Am 11.06.2008 wurde in der Radiologischen Gemeinschaftspraxis M. ein MRT des rechten Schultergelenks durchgeführt.

Am 20.01.2011 erlitt der 1954 geborene und als Lagerist beschäftigt gewesene Kläger einen Arbeitsunfall. Beim Anbringen eines Wandregals verfehlte er um 16:20 Uhr (kurz vor Feierabend um 17 Uhr) beim Hochsteigen einer Leiter eine Stufe und fiel aus etwa 80 cm Höhe auf den rechten Ellenbogen. Der Kläger arbeitete zunächst zu Ende, stellte sich dann aber noch am Unfalltag bei dem Chirurg PD Dr. M. wegen zunehmender Schwellung im Ellenbogenbereich vor. Im Durchgangsarztbericht vom 21.01.2011 führte PD Dr. M. aus, beim Kläger bestehe eine Schwellung sowie Hämatombildung und ein Druckschmerz über dem rechten Ellenbogen und eine Streckhemmung des Gelenkes von 30° bei intakter peripherer Durchblutung, Motorik und Sensibilität, außerdem eine diskrete Prellmarke sowie ein Druckschmerz und eine endgradige Bewegungseinschränkung des rechten Hüftgelenks. Die Röntgenuntersuchung des rechten Ellenbogengelenks und der rechten Hüfte ergab keinen Hinweis für eine knöcherne Verletzung. Er diagnostizierte eine Ellenbogenprellung rechts mit eingebluteter Bursa und eine Hüftgelenksprellung rechts. Es erfolgte eine Ruhigstellung mittels Oberarmgipsschiene.

Nachdem der Kläger im Nachgang auch über Schmerzen in der rechten Schulter berichtete, veranlasste PD Dr. M. eine kernspintomographische Untersuchung durch den Radiologen Dr. N ... Dieser führte in seinem Arztbrief vom 04.02.2012 aus, es bestehe eine chronische Tendinopathie der Supra- und Infraspinatussehne bei Impingement durch eine AC-Gelenksarthrose. In der Supraspinatussehe finde sich weit ventral, ansatznah eine kleine, transtendinöse Ruptur; in den übrigen Abschnitten und in der Infraspinatussehne dürften ebenfalls kleine, intratendinöse Partialrupturen vorliegen. Differentialdiagnostisch könnten die Veränderungen zum Teil Korrelat einer Distorsion sein, die kleine, transtendinöse Ruptur in der Supraspinatussehne imponiere jedoch als eher degenerativ bedingt, könne jedoch auch eine akute Traumafolge sein.

Am 17.02.2011 erfolgte in den Kliniken C. eine diagnostische Schultergelenksarthroskopie rechts. Im endgültigen Zwischenbericht vom 22.02.2011 führten PD Dr. M. und Dr. N. aus, der intraoperative Befund sowie der Unfallmechanismus sprächen für eine unfallbedingte traumatische frische Rissbildung. Im OP Bericht vom 17.02.2011 führte Dr. N. aus, im Schultergelenk fänden sich leichte degenerative Veränderungen des Muskulus subscapularis ohne frische traumatische Rupturstelle. Nach Öffnen der Gelenkkapsel komme der Manschettendefekt als eher frisch traumatische Ruptur zur Darstellung; degenerative wesentliche Veränderungen in der Umgebung lägen nicht vor. Ebenso bestehe keine klassische Impingementsymptomatik.

PD Dr. B. führte in einem histo-pathologischen Gutachten vom 22.02.2011 aus, der Untersuchungsbefund der Supraspinatussehne habe sowohl für alt degenerative als auch frisch traumatische Veränderungen gesprochen.

In der Zeit vom 10.05. bis zum 15.06.2011 befand sich der Kläger in einer komplexen stationären Rehabilitation in der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik Tübingen. Der dortige von Prof. Dr. K. unterzeichnete Entlassbericht vom 27.06.2011 enthält die Diagnose eines Belastungs- und Bewegungsdefizits der rechten Schulter nach Rotatorenmanschettenrefixation sowie aktuell eine Reruptur der Supraspinatussehne und der Subscapularissehne sowie Bewegungseinschränkung des rechten Ellenbogens bei volarem freiem Gelenkkörper.

Eine berufsgenossenschaftliche stationäre Weiterbehandlung erfolgte sodann in der Klinik F., B. H., im Zeitraum vom 12.07. bis zum 09.08.2011.

In einer beratungsärztlichen Stellungnahme vom 06.10.2011 führte Dr. L. aus, das Unfallereignis im Sinne einer axialen Einstauchung des Oberarms sei nicht geeignet gewesen, eine frische traumatische Verletzung der Rotatorenmanschette zu bewirken. Auch die nach dem Unfallereignis erhobenen histo-pathologischen und bildgebenden Befunde belegten insgesamt degenerative Schultergelenksveränderungen.

Die Beklagte holte sodann zur weiteren Aufklärung des Sachverhaltes ein Gutachten bei dem Orthopäden Dr. B. ein. Dieser diagnostizierte in seinem Gutachten vom 04.01.2012 als Gesundheitsstörungen eine stattgehabte Teilruptur des Muskulus supraspinatus rechts, eine Ellenbogenprellung rechts mit eingebluteter Bursa sowie eine Hüftgelenksprellung rechts. Die Prellungen des Ellenbogens und der Hüfte seien allein auf das Unfallereignis zurückzuführen. Das Unfallereignis sei indes nicht (das Wort nicht fehlte zunächst, laut nachgereichter Auskunft Dr. B. handelte es sich hierbei um einen Schreibfehler) als wesentliche Teilursache der Rotatorenmanschettenruptur anzusehen, vielmehr sei der Muskulus supraspinatus bereits vorgeschädigt gewesen. Andernfalls hätte bereits bei der ersten ärztlichen Untersuchung ein krankhafter Befund im Bereich des rechten Schultergelenks objektivierbar sein müssen. Schmerzen und eine Bewegungseinschränkung habe der Kläger jedoch erst wenige Tage nach dem eigentlichen Unfallereignis verspürt. Die unfallbedingte MdE bewertete Dr. B. unter der Annahme einer fiktiven Arbeitsunfähigkeit bis zum 31.06.2011 mit 10 v.H.

Die Beklagte teilte dem Kläger mit Bescheid vom 25.05.2012 mit, der Unfall vom 20.01.2011 werde als Arbeitsunfall anerkannt. Als Folge des Arbeitsunfalls anerkannte die Beklagte: "Folgenlos ausgeheilte Prellung des rechten Ellenbogens mit eingeblutetem Schleimbeutel und eine folgenlos ausgeheilte Prellung der rechten Hüfte." Die Beschwerden im Bereich des rechten Schultergelenks, des rechten Ellenbogens und des rechten Handgelenks seien keine Folgen des Arbeitsunfalls. Ein Anspruch auf Leistungen, insbesondere Heilbehandlung oder sonstige Leistungen, über den 16.02.2011 hinaus bestehe nicht. Auch habe der Kläger keinen Anspruch auf Verletztenrente oder sonstige Rehabilitationsleistungen.

Einen hiergegen erhobenen Widerspruch, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 14.02.2013 als zulässig, aber sachlich unbegründet zurück. Die damalige Entscheidung wurde bestandskräftig.

Am 30.01.2014 stellte der Kläger einen Überprüfungsantrag nach § 44 SGB X. Zur Stützung seines Begehrens legte der Kläger ein Attest des Orthopäden Dr. H. vom Dezember 2013 und ein für seine private Unfallversicherung erstelltes Gutachten des Chirurgen Dr. Sch. vom Januar 2012 vor. Dr. H. führte - ohne weitere Begründung - aus, er beurteile die Schulterpathologie als Folge des Unfalls. Dr. Sch. führte in seinem Gutachten aus, es sei von einer frischen und akuten Verletzung der Rotatorenmanschette auszugehen. Hierfür sprächen die von Dr. Sch. im Jahr 2008 erhobenen Befunde, die kernspintomographisch und auch klinisch eine intakte Funktion der rechten Schulter nachgewiesen hätten. Auch die feingewebliche Untersuchung belege eine frische Läsion neben vorbestehenden degenerativen Veränderungen.

Mit Bescheid vom 17.02.2015 hielt die Beklagte an der Bestandskraft ihres Bescheides vom 25.05.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.02.2013 fest und lehnte dessen Rücknahme ab. Einen hiergegen eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 09.10.2015 zurück

Am 13.11.2015 hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhoben.

Das SG hat sodann ein Sachverständigengutachten des Orthopäden Prof. Dr. L. eingeholt und auf dessen Anregung die Behandlungsunterlagen der Kliniken C. beigezogen. Dieser hat in seinem Gutachten vom 22.08.2016 sowie seiner ergänzenden Stellungnahme vom 13.03.2017 ausgeführt, als Unfallfolge im Bereich der rechten Schulter bestehe eine Narbenbildung, eine aktive und passive Bewegungseinschränkung, eine Kraftminderung bei Rotatorenmanschettenläsion sowie ein leichtgradiger Gelenkverschleiß. Hierfür sei eine unfallbedingte MdE um 20 v.H. anzunehmen. Es sei zeitnah nach dem Unfallereignis eine Zusammenhangsdurchtrennung der Obergrätenmuskelsehne mittels MRT festgestellt worden. Auch wenn Hinweise auf einen Vorschaden bestünden, so überwögen dennoch die Hinweise, die für einen Unfallzusammenhang sprächen. Für eine durch den Unfall hervorgerufene frische Verletzung sprächen einerseits der Verletzungsmechanismus und die MRT Untersuchung, welche 1 Woche nach dem Unfall posttraumatisch angefertigt wurde und eine Ergussbildung, ein Kinking der Supraspintussehne sowie keine Atrophie der Muskelbäuche zeige. Ebenfalls für eine frische Läsion sprächen Teile des histologischen Befundes. Gegen eine frische Läsion sprächen eine Vorschädigung, welche im MRT aus dem Jahr 2008 zu erkennen sei, eine vorhandene Schadensanlage mit Ausbildung eines subacrominalen Sporns, ein fehlendes Erwähnen der Beschwerdesympotmatik des Schultergelenks bei der Erstuntersuchung sowie Teile des histopahtologischen Befundes, welche ebenfalls degenerative Veränderung gefunden hätten. Nach den Befunden sei es nicht auszuschließen, dass ein struktureller Schaden zum Unfallzeitpunkt bereits bestanden habe, es habe allerdings eine weitgehende Beschwerdefreiheit sowie noch gut erhaltene Beweglichkeit beider Schultergelenke bestanden. Es sei nicht wahrscheinlich anzunehmen, dass ohne den Unfall ein symptomatisches Beschwerdebild eingetreten und eine operative Therapie notwendig geworden wäre. Durch das Unfallereignis vom Januar 2011 habe der Kläger eine richtungweisende Verschlimmerung eines bereits bestehenden Vorschadens erlitten.

Die Ärztin Dr. H. hat in einer beratungsärztlichen Stellungnahme vom 30.01.2017 verschiedene Einwendungen gegen das Gutachten des Prof. Dr. L. erhoben. An seiner im Gutachten vertretenen Auffassung hat Prof. Dr. L. auch in Kenntnis der Ausführungen von Dr. H. festgehalten und sich in einer ergänzenden Stellungnahme vom 13.03.2017 hiermit auseinandergesetzt gesetzt.

Am 21.06.2017 hat die Beklagte sodann noch eine Stellungnahme des Beratungsarztes Prof. Dr. D. vorgelegt, worin dieser ausführt, die vorhandenen Läsionen seien dem Unfallereignis zeitlich vorzulagern.

Mit Urteil vom 28.07.2017 hat das SG der Klage stattgegeben und die Beklagte verurteilt, unter Abänderung des Bescheides vom 25.05.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.02.2013 als weitere Folgen des Arbeitsunfalls vom 20.01.2011 eine "Narbenbildung, aktive und passive Bewegungseinschränkung des rechten Schultergelenks, Kraftminderung bei Rotatorenmanschettenläsion, leichtgradiger Gelenkverschleiß" anzuerkennen und dem Kläger wegen der Folgen des Arbeitsunfalls ab der 27. Woche nach dem Unfallereignis Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit um 20 v.H. der Vollrente zu gewähren. Zur Begründung hat das SG sich im Wesentlichen auf das Gutachten des Prof. Dr. L., den OP Bericht des Chirurgen Dr. N. sowie das Gutachten des Pathologen Dr. B. gestützt.

Hiergegen hat die Beklagte am 24.08.2017 Berufung eingelegt und zur Begründung ausgeführt, bereits der ausgeurteilte Beginn der Rente, nämlich ab der 27. Woche nach dem Unfallereignis (und damit Ende Juli 2011), könne nicht nachvollzogen werden. Das SG verkenne, dass seitens der Beklagten Verletztengeld bis einschließlich 24.01.2012 sowie im Anschluss daran noch Krankengeld gezahlt worden sei. Nach Auffassung der Beklagten liege keine unfallbedingte Ruptur der Supraspinatussehne vor, sondern eine teilweise und dann noch eine ansatznahe, wie sie für einen verschleißbedingten Schaden charakteristisch sei. Soweit das SG auf den intraoperativen Befund verweise, den Dr. N. als "eher frische traumatische Ruptur" bezeichnet habe, so sei dies nach Auffassung der Beklagten nicht eindeutig. "Eher frisch" dürfte doch wohl ebenfalls mit einer gewissen Unsicherheit behaftet sein. Ebenfalls sprächen der Unfallhergang, der Primärbefund und der Verlauf gegen eine unfallbedingte Ruptur der Supraspinatussehne. Sie stütze sich hierbei auf die Stellungnahmen von Dr. H., Dr. D. und Dr. L ... Ergänzend hat die Beklagte ausgeführt, das Urteil des SG sei zudem bereits deshalb unrichtig, da bei der Begutachtung durch Dr. B. am 29.11.2011 die Vorwärts- und Seitwärtshebung der rechten Schulter allerdings jeweils 130° betragen habe, was keine MdE von 20 bedinge. Es sei zudem nicht klar erkennbar, von welchem Gesundheitserstschaden das SG ausgehe, wenn es in der Tenorierung "bei Rotatorenmanschettenläsion" formuliere. Schließlich hat die Beklagte noch vorgetragen, dass Fallkonstellationen, in denen bei unveränderter "Beweislage" und zutreffenden rechtlichen Prämissen lediglich gerügt werde, das Ergebnis der Subsumtion sei falsch, nicht unter § 44 SGB X fielen.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 28.07.2017 aufzuheben und die Klage abzuweisen, hilfsweise den Rentenbeginn nach dem Ende des Anspruchs auf Verletztengeld festzusetzen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Er hält die Entscheidung des SG für zutreffend.

Der Berichterstatter hat den Sach- und Streitsand am 25.01.2018 mit den Beteiligten erörtert.

Der Senat hat hiernach ein weiteres Zusammenhangsgutachten bei dem Leiter der Sektion Obere Extremität der Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie des Universitätsklinikums H., Prof. Dr. Z., eingeholt, welches dieser am 03.05.2018 erstattet hat. Der Unfall (vom 20.01.2011) habe zu einer schweren Prellung/Stauchung der linken Schulter bei vorbestehender degenerativer Rotatorenmanschettenläsion geführt. Zusammenfassend sprächen die Befunde für eine deutliche vorbestehende degenerative Sehnenschädigung der Subscapularissehne und Supraspinatussehne. Die nachgewiesene Sehnenruptur sei eher degenerativ als traumatisch bedingt. Die MRT Untersuchung zeige deutliche, nicht nur eine, sondern zwei Sehnen der Rotatorenmanschette betreffende degenerative Veränderungen (Höhenminderung des Sehnenkalibers, deutliche Tendinose) sowie eine Hypotrophie des Subscapulrismuskelbauchs auf. Bei der Beschwerdefreiheit vor dem Unfall, dem Unfallhergang und der nicht klar zu beantwortenden Frage, ob ein vollständiger Funktionsausfall der Schulter in den ersten Tagen nach dem Unfall bestand, handle es sich vorliegend um nicht ausreichend objektivierbare Faktoren. Die von Prof. Dr. L. beschriebene traumatisch bedingte Ergussbildung sei so nicht nachzuvollziehen, da in den MRT Aufnahmen keine Unterscheidung getroffen werden könne, ob es sich um Blut oder um einen Erguss bei chronischer Schleimbeutelentzündung handle. Darüber hinaus sei darauf hinzuweisen, dass die histologische Aufarbeitung des im Rahmen der Operation gewonnen Sehnenpräparates ausweislich des Nachberichtes Hinweise für eine Sehnenvorschädigung und nicht für eine frische Sehnenverletzung ergeben hätten. Zu berücksichtigen sei auch, dass bereits im Jahr 2008 Beschwerden im Bereich der rechten Schulter bestanden, weswegen damals eine MRT Untersuchung durchgeführt worden sei.

Mit Stellungnahme vom 13.06.2018 hat sich die Beklagte dem Gutachten des Prof. Dr. Z. angeschlossen.

Der Kläger hat Einwendungen zu Details des Gutachtens des Prof. Dr. Z. vorgetragen und mit Schreiben vom 20.06.2018 ausgeführt, entgegen dem Gutachten des Prof. Dr. Z. hätten vor dem Unfall keine degenerativen Veränderungen bestanden. Selbst bei Bestehen einer Vorschädigung, sei diese jedenfalls durch das Unfallereignis verschlimmert worden. Das Gutachten des Prof. Z. weise erhebliche Fehler auf, sei oberflächlich und gehe auf die wesentlichen Fragen nicht ein.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten und der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten und die Prozessakten erster und zweiter Instanz verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die nach den §§ 143, 144, 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten ist statthaft und zulässig. Sie ist auch begründet.

Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage zulässig (vgl. BSG, Urteil vom 13.02.2014 – B 4 AS 22/13 R –, BSGE 115, 126-131, SozR 4-1300 § 44 Nr. 28), aber unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Rücknahme des Bescheides vom 25.05.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.02.2013. Der Bescheid der Beklagten vom 17.02.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.10.2015 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.

Rechtsgrundlage für das Begehren des Klägers auf Abänderung des bestandskräftig gewordenen Bescheids vom 25.05.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.02.2013 ist § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Hiernach ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass des Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind. Ziel des § 44 SGB X ist es, die Konfliktsituation zwischen der Bindungswirkung (§ 77 SGG) eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes und der materiellen Gerechtigkeit zu Gunsten letzterer aufzulösen (BSG, Urteil vom 04.02.1998 - B 9 V 16/96 R = SozR 3-1300 § 44 Nr. 24). Ist ein Verwaltungsakt rechtswidrig, hat der betroffene Bürger einen einklagbaren Anspruch auf Rücknahme des Verwaltungsaktes unabhängig davon, ob der Verwaltungsakt durch ein rechtskräftiges Urteil bestätigt wurde (BSG, Urteil vom 28.01.1981 - 9 RV 29/80 = BSGE 51, 139, 141 = SozR 3900 § 40 Nr. 5; BSG SozR 2200 § 1268 Nr. 29). Entsprechend dem Umfang des Vorbringens des Versicherten muss die Verwaltung in eine erneute Prüfung eintreten und den Antragsteller bescheiden (BSG, Urteil vom 25.09.2006 - B 2 U 24/05 R = BSGE 97, 54 = juris, RdNr. 12 m.w.N.). § 44 Abs.1 Satz 1 SGB X führt zwei Alternativen an, weswegen ein Verwaltungsakt zurückzunehmen sein kann: Das Recht kann unrichtig angewandt oder es kann von einem Sachverhalt ausgegangen worden sein, der sich als unrichtig erweist. Nur für die zweite Alternative kommt es auf die Benennung neuer Tatsachen und Beweismittel an, woran sich ggf. ein abgestuftes Prüfungsverfahren (Vorlage neuer Tatsachen oder Erkenntnisse – Prüfung derselben, insbesondere ob sie erheblich sind – Prüfung, ob Rücknahme zu erfolgen hat – neue Entscheidung) anschließt (BSG, Urteil vom 25.09.2006, a.a.O., RdNr. 13). Bei der ersten Alternative handelt es sich demgegenüber um eine rein juristische Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Entscheidung, zu der von Seiten des Klägers zwar Gesichtspunkte beigesteuert werden können, die aber letztlich umfassend von Amts wegen zu erfolgen hat. Den Kläger, der sich auf § 44 SGB X beruft, trifft hierbei die volle Beweislast, dass das Recht unrichtig angewandt wurde oder von einem unzutreffenden Sachverhalt ausgegangen wurde. Allerdings ist aus Sicht des Senates damit keine Änderung des erforderlichen Beweisgrades für die Anwendung des materiellen Rechts verbunden (vgl. auch Bayerisches LSG, Urteil vom 30.03.2017 – L 19 R 866/14 –, Rn. 29, juris).

Entgegen der in der Berufungsschrift vertretene Auffassung der Beklagten ist § 44 SGB X nicht als Präklusionsnorm des Inhaltes zu verstehen, dass nur neu vorgetragene Tatsachen eine Rücknahme eines bestandskräftigen Verwaltungsaktes rechtfertigen. Zwar postuliert der Wortlaut des § 44 Abs. 1 S 1. Halbs. 1 SGB X, dass sich eine Entscheidung als fehlerhaft "ergibt" bzw. "erweist", jedoch wird damit nur festgelegt, dass zur Beurteilung der Fehlerhaftigkeit des Verwaltungsaktes nicht auf den Stand der Erkenntnis bei Erlass, sondern bei Überprüfung abzustellen ist, weshalb stets eine Rückschau unter Beachtung einer evtl. geläuterten Rechtsauffassung auf die zum Zeitpunkt des Erlasses des zu überprüfenden Verwaltungsakts geltenden Sach- und Rechtslage erforderlich ist. Die Rechtswidrigkeit beurteilt sich demnach nach der damaligen Sach- und Rechtslage aus heutiger Sicht. Eine Beschränkung der Überprüfung auf neuen Sachvortrag enthält die Norm de lege lata nicht (vgl. Hessisches LSG, Urteil vom 30.09.2011 – L 9 U 46/10 –, juris).

Allerdings sind die Voraussetzungen für eine Korrektur der angegriffenen Entscheidung der Beklagten nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X vorliegend nicht erfüllt. Anhaltspunkte für eine unrichtige Rechtsanwendung oder für einen neuen Sachverhalt liegen nicht vor. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Feststellung der Narbenbildung, der aktiven und passiven Bewegungseinschränkung des rechten Schultergelenks, der Kraftminderung bei Rotatorenmanschettenläsion sowie des leichtgradigen Gelenkverschleißes als weitere Folgen des Arbeitsunfalls vom 20.01.2011 sowie auf Gewährung einer Verletztenrente nach einer MdE um 20. Das entgegenstehende Urteil des SG war deshalb aufzuheben und die Klage insgesamt abzuweisen.

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme hat sich der Kläger zur Überzeugung des Senats infolge des Unfalls eine schwere Schulterprellung/Stauchung bei vorbestehender degenerativer Rotatorenmanschettenläsion zugezogen. Der Arbeitsunfall vom 20.01.2011 ist hingegen nicht mit Wahrscheinlichkeit die wesentliche Ursache für die Läsion der Rotatorenmanschette und der damit einhergehenden Funktionsbeeinträchtigungen und des Gelenkverschleisses.

§ 102 SGB VII ist Ermächtigungsnorm und zugleich Anspruchsgrundlage für den Versicherten. Die Regelung begründet einen öffentlich-rechtlichen Anspruch, weil er nicht nur dem öffentlichen Interesse dienen soll, sondern auch dem Interesse eines auch der Norm abgrenzbaren Kreises von Versicherten. Ermächtigung und Anspruchsgrundlage erfassen aber nicht nur die abschließende Entscheidung über den Leistungsanspruch, sondern ausnahmsweise auch die über einzelne Anspruchselemente. Auch § 55 Abs. 1 S. 3 SGG setzt die Möglichkeit voraus, dass ein Versicherungsträger über eine Gesundheitsstörung oder den Tod als Folge eines Arbeitsunfalls oder einer BK entscheidet und der Versicherte hierauf zulässigerweise eine Feststellungsklage richten kann.

Versicherungsfälle sind nach § 7 Abs. 1 SGB VII Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten. Bei dem Sturz des Klägers am 20.01.2011, als er im Rahmen seiner versicherungspflichtigen Beschäftigung beim Anbringen eines Wandregals eine Leiterstufe verfehlte und aus etwa 80 cm auf den rechten Ellenbogen stürzte, hat es sich um einen Arbeitsunfall gehandelt. Die Beklagte hat das Ereignis vom 20.01.2011 mit dem zur Überprüfung stehenden Bescheid vom 25.05.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.02.2013 als Arbeitsunfall anerkannt und das Vorliegen eines Arbeitsunfalls ist demgemäß zwischen den Beteiligten auch nicht streitig.

Der Senat vermag indessen nicht festzustellen, dass die Narbenbildung, aktive und passive Bewegungseinschränkung des rechten Schultergelenks, Kraftminderung bei Rotatorenmanschettenläsion sowie der leichtgradige Gelenkverschleiß, zu dessen Feststellung als weitere Unfallfolge das SG die Beklagte auf Antrag des Klägers verpflichtet hat, auf den Anprall mit dem rechten Ellenbogen als wesentliche Ursache zurückzuführen ist.

Eine Gesundheitsstörung ist Unfallfolge (im engeren Sinne) eines Versicherungsfalls im Sinne des § 8 SGB VII, wenn sie spezifisch durch den Gesundheitserstschaden des Arbeitsunfalls wesentlich verursacht worden ist. Der Anspruch setzt grundsätzlich das "objektive", d.h. aus der nachträglichen Sicht eines optimalen Beobachters gegebene Vorliegen einer Gesundheitsstörung voraus, die spezifisch durch den Gesundheitserstschaden des Arbeitsunfalls wesentlich verursacht worden ist. Da der Gesundheitserstschaden (Gesundheitsbeeinträchtigung, Tod oder Krankheit) eine den Versicherungsfall selbst begründende Tatbestandsvoraussetzung und damit keine Folge des Arbeitsunfalls ist, muss er grundsätzlich bei der Feststellung des Versicherungsfalls benannt werden. Ob ein Gesundheitsschaden dem Gesundheitserstschaden des Arbeitsunfalls als Unfallfolge im engeren Sinne zuzurechnen ist (sog. haftungsausfüllende Kausalität), beurteilt sich nach der Zurechnungslehre der Theorie der wesentlichen Bedingung (st. Rspr., vgl. stellvertretend BSG, Urteil vom 05.07.2011 - B 2 U 17/10 R = BSGE 108, 274 = SozR 4-2700 § 11 Nr. 1 Rn. 28 ff. m.w.N.). Die Zurechnung erfolgt danach in zwei Schritten: Erstens ist die Verursachung der weiteren Schädigung durch den Gesundheitserstschaden im naturwissenschaftlich-naturphilosophischen Sinne festzustellen. Ob die Ursache-Wirkung-Beziehung besteht, beurteilt sich nach der Bedingungstheorie. Nach ihr ist eine Bedingung dann notwendige Ursache einer Wirkung, wenn sie aus dem konkret vorliegenden Geschehensablauf nach dem jeweiligen Stand der einschlägigen wissenschaftlichen Erkenntnisse (Erfahrungssätze) nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele (conditio sine-qua-non). Auf dieser ersten Stufe sind alle derartigen notwendigen Bedingungen grundsätzlich rechtlich gleichwertig (äquivalent). Alle festgestellten anderen Bedingungen (und kein Ereignis ist monokausal), die in diesem Sinn nicht notwendig sind, dürfen hingegen bei der nachfolgenden Zurechnungsprüfung nicht berücksichtigt werden.

Ist der Gesundheitserstschaden in diesem Sinne eine notwendige Bedingung des weiteren Gesundheitsschadens, wird dieser ihm aber nur dann zugerechnet, wenn er ihn wesentlich (ausreichend: mit-) verursacht hat. "Wesentlich" (zurechnungsbegründend) ist der Gesundheitserstschaden für den weiteren Gesundheitsschaden nach der in der Rechtsprechung des BSG gebräuchlichen Formel, wenn er eine besondere Beziehung zum Eintritt dieses Schadens hatte (vgl. nur BSG, Urteil vom 9.5.2006 - B 2 U 1/05 R - BSGE 96, 196 = SozR 4-2700 § 8 Nr. 17 Rn. 15 ff. m.w.N.). Ob eine konkurrierende (Mit-)Ursache auch wesentlich war, ist unerheblich. Ist jedoch eine Ursache oder sind mehrere Ursachen gemeinsam gegenüber einer anderen von überragender Bedeutung, so ist oder sind nur die erstgenannte(n) Ursache(n) "wesentlich" und damit Ursache(n) im Sinne des Sozialrechts. Die andere Ursache, die zwar naturwissenschaftlich ursächlich ist, aber (im zweiten Prüfungsschritt) nicht als "wesentlich" anzusehen ist und damit als Ursache nach der Theorie der wesentlichen Bedingung und im Sinne des Sozialrechts ausscheidet, kann in bestimmten Fallgestaltungen als "Gelegenheitsursache" oder Auslöser bezeichnet werden. Für den Fall, dass die kausale Bedeutung einer äußeren Einwirkung mit derjenigen einer bereits vorhandenen krankhaften Anlage zu vergleichen und abzuwägen ist, ist darauf abzustellen, ob die Krankheitsanlage so stark oder so leicht ansprechbar war, dass die "Auslösung" akuter Erscheinungen aus ihr nicht besonderer, in ihrer Art unersetzlicher äußerer Einwirkungen bedurfte, sondern dass jedes andere alltäglich vorkommende Ereignis zu derselben Zeit die Erscheinung ausgelöst hätte. Bei der Abwägung kann der Schwere des Unfallereignisses Bedeutung zukommen (vgl. zum Vorstehenden insgesamt BSG, a.a.O.).

Die anspruchsbegründenden Tatsachen, nämlich die versicherte Tätigkeit, die schädigende Einwirkung und die als Unfallfolge geltend gemachte - konkrete und klar definierte (BSG, Urteil vom 09.05.2006, a.a.O.) - Gesundheitsstörung müssen i.S. eines Vollbeweises erwiesen sein, d.h. bei vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens muss der volle Beweis für das Vorliegen der genannten Tatsachen als erbracht angesehen werden können (vgl. u.a. BSG, Urteil vom 30.04.1985, 2 RU 43/84, SozR 2200 § 555a Nr. 1). Hingegen genügt für die haftungsbegründende und haftungsausfüllende Kausalität hinreichende Wahrscheinlichkeit (BSG, Urteil vom 09.05.2006, a.a.O., Rn. 20 auch zum Nachfolgenden).

Ausgehend von diesen Grundsätzen bestehen keine über die (nicht zur Feststellung begehrte) Schulterprellung hinaus als weitere Unfallfolgen festzustellende Gesundheitsstörungen im Bereich der rechten Schulter.

Zwar ist beim Kläger eine Läsion der Rotatorenmanschette und die damit einhergehenden Funktionsbeeinträchtigungen im Vollbeweis nachgewiesen worden. Diese Gesundheitsstörungen lassen sich aber nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit auf den Geschehensablauf vom 20.01.2011 und die dadurch verursachten Gesundheitserstschäden zurückführen. Der Senat stützt seine Überzeugung auf die Ausführungen von Prof. Dr. Z. in dessen Gutachten vom 03.05.2018. Dieser geht - wie bereits zuvor Prof. Dr. L. - zutreffend davon aus, dass die Frage, ob es sich um eine traumatische oder nicht traumatische Rotatorenmanschettenruptur gehandelt hat, nur aufgrund einer multifaktoriellen Analyse beantwortet werden kann, die neben der Vorgeschichte auch das potentiell schädigende Ereignis, das unfallnahe Verletzungsbild mit dem klinischen Primärbefund und weiteren Verlauf sowie die Bildgebung, den OP-Befund und histologischen Befund berücksichtigt. Diese Herangehensweise entspricht dem neuesten anerkannten Stand des unfallmedizinischen Erfahrungswissens (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 9. Auflage 2017, 8.2.5.3 (S. 433 bis 436): Vier-Säulen-Prinzip), welcher Kausalitätsbeurteilungen stets zugrunde zu legen ist (BSG, Urteil vom 24.07.2012 – B 2 U 9/11 R – SozR 4-2700 § 8 Nr. 44, juris, Rn. 61 f. und 67 f.).

Legt man diesen Maßstab zugrunde, gibt es vorliegend eine Vielzahl mehrdeutiger Indizien, letztlich überwiegen hier bei einer umfassenden Abwägung und Gewichtung jedoch die Indizien, die gegen eine frische unfallbedingte Rotatorenmanschettenruptur sprechen.

Mit Blick auf die tatsächliche Beschwerdefreiheit vor dem Unfall, den Unfallhergang und die nicht klar zu beantwortende Frage, ob ein vollständiger Funktionsausfall der Schulter in den ersten Tagen nach dem Unfall bestand, hat Prof. Dr. Z. zutreffend und überzeugend ausgeführt, dass diese Punkte vorliegend nicht ausreichend objektivierbar sind, so dass ihnen bei der Kausalitätsbewertung auch keine ausschlaggebende Funktion zukommt. Zu der von Prof. Dr. L. angenommenen und als ganz maßgeblich gewichteten tatsächlichen Beschwerdefreiheit vor dem Unfall ist anzumerken, dass der Kläger anlässlich der Begutachtung durch Dr. Sch. im Januar 2008 über beidseitige Beschwerden in den Schultern berichtet und explizit angeben hat, er empfinde ein Ziehen und Stechen und bekomme den Arm nicht hoch. Zwar ist es zutreffend, dass bei den im Jahr 2008 von Dr. Sch. erhobenen Befunden keine maßgeblichen Funktionsbeeinträchtigungen im Bereich der rechten Schulter objektiviert werden konnten und tatsächliche massive Funktionsbeeinträchtigungen erstmals nach dem Unfall dokumentiert sind, dennoch bestätigte Dr. Sch. bereits im Januar 2008, dass die Beweglichkeit in den Schultergelenken beidseits endgradig eingeschränkt war und er diagnostizierte einen Verschleiß der Weichteile in der Schulterumgebung mit zeitweisen Sehnenengpasserscheinungen (Impingement Syndrom). Aufgrund dieser schon länger bestehenden Schulterbeschwerden seien Arbeiten, bei denen die Arme oberhalb der Horizontalen gehalten werden müssten nicht leidensgerecht. Vor diesem Hintergrund erscheint die tatsächliche Beschwerdefreiheit in der rechten Schulter vor dem Unfall zumindest als sehr zweifelhaft und kann daher – entgegen den Ausführungen des Prof. Dr. L. – nicht als maßgebliches Argument für eine unfallbedingte Verursachung oder Verschlimmerung der nunmehr objektivierten Schulterschädigung angesehen werden.

Soweit Prof. Dr. L. von einem potentiell geeigneten Verletzungsmechanismus ausging und diesen bei der Beurteilung als maßgeblich für einen Kausalzusammenhang sprechend mitberücksichtigt hat, vermögen die diesbezüglichen Ausführungen den Senat ebenfalls nicht zu überzeugen. Ein geeigneter Unfallhergang ist u.a. ein Sturz auf den nach hinten ausgestreckten Arm mit Aufprall auf Hand oder Ellenbogen, wohingegen es sich beim Sturz auf den angewinkelten Ellenbogen zum einen ungeeigneten Unfallhergang handelt (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O., S. 433). Prof. Dr. L. ging in seinem Gutachten von einem rückwärtigen Sturz auf den Ellenbogen mit nach hinten ausgestreckten Arm und damit insoweit in sich schlüssig von einem geeigneten Unfallmechanismus aus. Allerdings hat Prof. Dr. L. bei dieser Betrachtung die Angabe des Klägers im Fragebogen vom 10.02.2011 gänzlich unbeachtet gelassen, er sei nach hinten mit gebeugtem Ellenbogen (und nicht mit gestrecktem Arm) gestürzt. Der Unfallhergang kann bei dieser Sachlage nicht als maßgebliches Indiz für einen Kausalzusammenhang gewertet werden.

Des Weiteren kann auch nicht eindeutig geklärt werden, ob ein vollständiger Funktionsausfall der Schulter bereits in den ersten Tagen nach dem Unfall bestand. Zwar sind im Durchgangsarztbericht vom 21.01.2011 allein die Ellenbogen- und Hüftgelenksprellung diagnostiziert worden und die Schulterbeschwerden wurden erst einige Tage später thematisiert, wobei der genaue Zeitpunkt den Akten nicht entnommen werden kann. In Anbetracht der Tatsache, dass bereits am 20.01.2011 eine Ruhigstellung des rechten Armes mittels Oberarmgipsschiene erfolgte, spricht dieser Geschehensablauf allerdings weder eindeutig für noch gegen eine unfallbedingte Schulterschädigung.

Schließlich sind auch die von PD Dr. B. mitgeteilten histologisch-pathologischen Befunde sowie der von Dr. N. erstellte OP-Bericht über die am 17.02.2011 durchgeführte Schultergelenksarthroskopie nicht eindeutig und vermögen daher die Beurteilung, ob eine frische unfallbedingte Rotatorenmanschettenruptur vorlag, im vorliegenden Fall nicht maßgeblich zu beeinflussen. Dr. N. hat zwar im OP Bericht vom 17.02.2011 von einer "eher frischen" traumatischen Ruptur im Rahmen des Manschettendefektes gesprochen und wesentliche degenerative Veränderung in der Umgebung verneint, allerdings lässt die verwendete Formulierung "eher frisch" doch eine erhebliche Unsicherheit erkennen. PD Dr. B. wiederum hat in dem von ihm mitgeteilten histologisch-pathologischen Befund ausgeführt, der Befund spreche sowohl für alt degenerative als auch für frische traumatische Veränderungen. Beide genannten Befunde sind daher weder in die eine noch in die andere Richtung eindeutig.

Gegen eine unfallbedingte frische Läsion der Rotatorenmanschette spricht hingegen, dass der Kläger nach eigenen Angaben gegenüber dem Durchgangsarzt zunächst zu Ende gearbeitet hat und keine sofortige Arbeitsniederlegung erfolgt ist (vgl. zu diesem Kriterium: Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O., S. 435). Allerdings ist hierbei wiederum zu berücksichtigen, dass sich der Unfall um 16:20 Uhr ereignet hat und die Arbeitszeit des Klägers ohnehin um 17 Uhr endete, so dass auch diesem Kriterium keine ausschlaggebende Funktion zukommt.

Nach alledem folgt der Senat der Beurteilung Prof. Dr. Z., wonach der unfallnahen MRT Untersuchung vom 02.02.2011 im vorliegenden Fall eine besondere Bedeutung zukommt. Insoweit überwiegen jedoch die Indizien, die gegen eine durch den streitbefangenen Geschehensablauf verursachte traumatische Zerreißung der Rotatorenmanschette sprechen. Zwar hat Prof. Dr. L. im MRT ein Kinking (eine Schlängelung) der Sehne erkannt, welches für eine frische Ruptur sprechen könnte, wohingegen Prof. Dr. Z. den Nachweis eines Kinkings auf den MRT Aufnahmen als "fraglich" bewertet hat. Ganz maßgeblich gegen einen Kausalzusammenhang spricht jedoch, dass der MRT Befund laut den Ausführungen Prof. Dr. Z.s deutliche, nicht nur eine, sondern zwei Sehnen der Rotatorenmanschette betreffende degenerative Veränderungen (Höhenminderung des Sehnenkalibers, deutliche Tendinose) sowie eine Hypotrophie des Subsapulrismuskelbauchs aufzeigt. Prof. Dr. Z. hat überzeugend herausgearbeitet, dass sich der Subscapularismuskelbauch vor allen in den oberen Anteilen hypotroph gezeigt hat, wobei eine solche Verschmächtigung des Muskelbauchs nicht innerhalb weniger Tage eintritt, so dass der Senat eine Vorschädigung der Subscapularissehne als nachgewiesen erachtet. Zudem ist auch der von Prof. Dr. Z. mitgeteilte Ansatz der Subscapularissehne mit einer deutlichen Tendinose und fraglicher Partialruptur eine typische Veränderung, die für eine degenerative Vorschädigung spricht. Schließlich wies auch die Supraspinatussehne typische Anzeichen für degenerative Veränderungen auf. Dort zeigte sich keine vollständige Ruptur, sondern lediglich eine deutliche Sehnenentzündung, Höhenminderung des Sehnenkalibers und eine in der Sehne längs verlaufende Rissbildung, die typisch für eine degenerative Sehnenschädigung ist. Die degenerativen Veränderungen zweier Sehnen der Rotatorenmanschette sind ein weiterer Hinweis für eine degenerative Sehnenruptur. Der Senat folgt der zusammenfassenden Bewertung Prof. Dr. Z., dass die degenerativen Veränderungen nicht nur der Supra-, sondern auch der Infraspinatus und Subscapularissehne sowie der Erguss um die lange Bizepssehne Hinweise auf massive degenerative Vorschäden im Bereich der Rotatorenmanschette darstellen.

Soweit demgegenüber Prof. Dr. L. argumentiert, durch das Unfallereignis vom Januar 2011 habe der Kläger eine richtungweisende Verschlimmerung eines bereits bestehenden Vorschadens erlitten, vermochte dies den Senat nicht zu überzeugen. Eine richtungsgebende Verschlimmerung liegt dann vor, wenn der ganze Ablauf des Leidens offensichtlich nachhaltig beschleunigt und gefördert wurde und einen anderen, schwereren Verlauf nimmt (Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O., S. 39). Hiervon vermochte sich der Senat nicht zu überzeugen. Vielmehr hat Prof. Dr. Z. nachvollziehbar darauf hingewiesen, dass bereits die im Jahr 2008 durchgeführte MRT Untersuchung eine Sehnenentzündung und Partialläsion gezeigt hat und es bei einem solchen Ausgangsbefund im weiteren Verlauf häufig zu einer Zunahme der Sehnenschädigung bis hin zu einer intratendinösen oder vollständigen Ruptur kommt. Nach den Ausführungen Prof. Dr. Z. treten bei einem derartigen Ausgangsbefund zunächst häufig keine klinischen Symptome auf, sondern zu diesen kommt es dann unvermittelt oder auch nach einem Sturzereignis, bei dem es nicht zu einer Sehnenverletzung, sondern zu einer Schulterprellung gekommen ist. Der streitbefangene Geschehensablauf vom 20.01.2011 war nach alledem nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit die wesentliche Ursache der danach festgestellten Rotatorenmanschettenruptur an der rechten Schulter des Klägers.

Aufgrund der somit allein hinreichend wahrscheinlichen Unfallfolge einer schweren Schulterprellung/Stauchung bei vorbestehender degenerative Rotatorenmanschettenläsion hat der Kläger auch keinen Anspruch auf die Gewährung von Verletztenrente. Nach § 26 Abs. 1 SGB VII haben Versicherte wegen nachgewiesener Gesundheitsschäden, deren wesentliche Ursache mit überwiegender Wahrscheinlichkeit ein Versicherungsfall ist, Anspruch auf Entschädigungsleistungen u. a. in Form von Heilbehandlung (§ 27 SGB VII) oder Geldleistungen (Verletztengeld, § 45 SGB VII, und Verletztenrente, § 56 SGB VII). Nach § 56 Abs. 1 SGB VII erhalten Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v.H. gemindert ist, eine Rente. Versicherungsfälle sind Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten (§ 7 Abs. 1 SGB VII). Ist die Erwerbsfähigkeit infolge mehrerer Versicherungsfälle gemindert und erreichen die Vomhundertsätze zusammen wenigstens die Zahl 20, besteht für jeden, auch für einen früheren Versicherungsfall, Anspruch auf Rente; die Folgen eines Versicherungsfalls sind nur zu berücksichtigen, wenn sie die Erwerbsfähigkeit um wenigstens 10 v.H. mindern, § 56 Abs. 1 Satz 2 und 3 SGB VII. Die unfallbedingte Gesundheitsstörung in Form einer schweren Schulterprellung/Stauchung, war nach den in sich schlüssigen und überzeugenden Ausführungen Prof. Dr. Z. spätestens am 19.05.2011, abgeheilt. Die weiteren Gesundheitsstörungen im Bereich der rechten Schulter lassen sich, wie dargelegt, nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit auf den streitbefangenen Geschehensablauf vom 20.01.2011 zurückführen, so dass der Senat gestützt auf die auch insoweit zutreffende Einschätzung von Prof. Dr. Z. davon überzeugt ist, dass eine MdE über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus nicht verblieben ist. Auch die erlittene Ellenbogenprellung führt - weder nach dem Gutachten des Prof. R. L. noch nach dem Gutachten des Dr. Z. - zu einer rentenrelevanten MdE von mindestens 20. Für das Bestehen sogenannter Stützrententatbestände gibt es keinerlei Anhaltspunkte.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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