L 14 KG 2/02

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Kindergeld-/Erziehungsgeldangelegenheiten
Abteilung
14
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 6 KG 13/00
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 14 KG 2/02
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 10 KG 9/04 B
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts München vom 7. Dezember 2001 aufgehoben und die Klage gegen die Bescheide vom 12. Juli und 28. September 1999 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 30. August 2000 abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten beider Rechtszüge sind dem Kläger nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Beklagte es zu Recht mit Bescheid vom 12.07.1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.08.2000 abgelehnt hat, den Bescheid vom 16.04. 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.09.1998 (Aufhebung der Bewilligung des Kindergelds für C. im Zeitraum von Oktober 1994 bis einschließlich August 1995 und Rückforderung von 1.540,00 DM) zurückzunehmen und nachträglich die Leistungen wieder zu erbringen.

Der Kläger bezog vom Beklagten Kindergeld für zwei Kinder, unter anderem für den 1972 geborenen Sohn C. , der das Gymnasium in Bad T. besuchte; eine Bescheinigung für die 13. Klasse (Schuljahr 1993/94) lag vor. In der Folgezeit reichte der Kläger beim Beklagten eine Bescheinigung der Fachoberschule Bad T. vom 13.09.1994 über eine dortige Ausbildung im Schuljahr 1994/95 ab 13.09.1994 bis voraussichtlich Juli 1995 und später noch eine Bescheinigung vom 14.09.1995 über eine Ausbildung im Schuljahr 1995/96 bis voraussichtlich Juli 1996 ein. Den Abbruch der an der Fachoberschule am 13.09.1994 begonnenen Ausbildung im Schuljahr 1994/95 bereits zum 30.09.1994 teilte er dem Beklagten nicht mit. Vielmehr gab er in einem am 07.10.1994 ausgefüllten Fragebogen unter Vorlage einer bereits überholten Schulbescheinigung der Fachoberschule an, sein Sohn absolviere dort bis zum 31.07.1995 eine Ausbildung. In dem am 29.09.1995 ausgefüllten Fragebogen teilte er mit, C. befinde sich noch bis Juli 1996 in Schulausbildung, und verschwieg, dass C. diese Ausbildung erst ab September 1995 wieder aufgenommen hatte.

Ab August 1996 ermittelte der Beklagte erneut zur Kindergeldberechtigung des Klägers, wobei dieser für C. eine Immatrikulationsbescheinigung (Mathematik an der Ludwig-Maximilian-Universität M. ab 01.10.1996) vorlegte, aber die verlangten Angaben über die Dauer des Besuchs der Fachoberschule nicht machte und das angeforderte Abschlusszeugnis der Fachoberschule nicht vorlegte. Nach mehrmaliger Nachfrage des Beklagten ergab sich folgender Sachverhalt: C. hatte die Abiturprüfung am Gymnasium in Bad T. im Juli 1994 nicht bestanden. Die Fachoberschule Bad T. besuchte er zunächst nur vom 13. bis 30.09.1994. Am 18.12.1994 meldete er sich am Gymnasium in S. "als Nichtschüler" bzw. "anderer Bewerber" zur Abiturprüfung 1995 an und wurde mit Schreiben der Schule vom 21.12.1994 hierzu zugelassen, wobei der Unterrichtsbesuch nicht gestattet war. Die im Juni 1995 abgelegte Abiturprüfung wurde nicht bestanden, so dass C. im September 1995 erneut die 12. Klasse der Fachoberschule besuchte. Ende Februar 1996 wurde infolge der von C. veranlassten Nachprüfung seitens des Kultusministeriums die Reifeprüfung als bestanden gewertet und diesem nachträglich das Abiturzeugnis mit Datum 30.06.1995 ausgestellt. Ungeklärt blieb, ob C. ab Dezember 1995 die Fachoberschule noch besucht hatte oder sich ausschließlich im Dezember 1995 bis Ende Januar 1996 am Lehrinstitut Bencic auf die Externistenmatura in Österreich vorbereitete und - bei Bekanntwerden der zuerkannten Hochschulreife - wohl kaum noch Interesse am Besuch der Fachoberschule hatte; ein Abschlusszeugnis von dort hat er jedenfalls nicht erhalten.

Nach mündlicher Anhörung des Klägers am 03.04.1998 hob der Beklagte mit Bescheid vom 16.04.1998 die Bewilligung des Kindergelds für C. im Zeitraum Oktober 1994 bis einschließlich August 1995 wegen wesentlicher Änderung der Verhältnisse auf und forderte das Kindergeld in Höhe von 1.540,00 DM (140,00 DM x 11 Monate) gemäß §§ 48, 50 Sozialgesetzbuch Teil X (SGB X) zurück. Der gegen den nachweislich am 20.04.1998 zur Post gegebenen Bescheid am 10.06.1998 eingelegte Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 30.09.1998 zurückgewiesen; der Widerspruch sei verfristet und damit unzulässig. Im Übrigen wäre er auch als unbegründet zurückzuweisen gewesen. Die kindergeld- rechtliche Berücksichtigung der Vorbereitung auf die Nichtschülerprüfung als Schulausbildung sei nur dort gegeben, wo die Vermittlung allgemeinbildenden Wissens nach staatlichen oder staatlich anerkannten Lehrplänen erfolge. Dies setze voraus, dass der Schüler in eine schulische Mindestorganisation eingebunden sei, die eine gewisse Lernkontrolle ermögliche, die Ausbildung nicht überwiegend in seine Gestaltungsfreiheit falle und ein gewisser Kontakt und Austausch zwischen ihm und dem Lehrer bestehe. Hänge dagegen die Intensität des Ausbildungsgangs im Wesentlichen von der Entscheidung und Selbstverantwortung des Schülers ab, liege keine Schulausbildung im Sinne des BKGG vor. Auch die Teilnahme am Nachhilfeunterricht könne zu keiner anderen Auffassung führen, denn die Teilnahme an diesem Unterricht unterliege keiner Kontrolle, sondern sei lediglich ein Teil des selbstverantwortlich gestalteten Erwerbs des Prüfungsstoffs. Eine Schulausbildung könne nicht anerkannt werden, weil C. in der fraglichen Zeit nicht in eine schulische Mindestorganisation eingebunden gewesen sei.

Die hiergegen beim Sozialgericht München erhobene Klage (S 6 KG 84/98) stützte der Kläger unter anderem darauf, dass sein Sohn ja schließlich das Abitur bestanden habe und es ihm "vom Gesetzgeber her - Kultusministerium" nicht möglich gewesen sei, "an einer schulischen Mindestorganisation mit Lernkontrolle" teilzunehmen bzw. diese zu besuchen. Der Beklagte fragte beim Gymnasium S. nach und führte in den Rechtsstreit die Antwort vom 19.02.1999 ein, dass dem Sohn des Klägers bei der Anmeldung zur Abiturprüfung für andere Bewerber im Dezember 1994 angeraten worden sei, an einzelnen Unterrichtsstunden in seinen Prüfungsfächern nach Absprache mit den Kursleitern teilzunehmen sowie mit einigen seiner Prüfer Kontakt aufzunehmen. In welchem Umfang dies geschehen sei, könne von hier aus nicht beurteilt werden. Ein Einbindung in eine schulische Mindestorganisation mit Lernkontrolle habe nicht stattgefunden. Im Mai 1999 nahm der Kläger die Klage zurück und stellte am 11.05.1999 beim Beklagten Antrag auf Überprüfung des Bescheids vom 16.04.1998 gemäß § 44 SGB X. Dies lehnte der Beklagte mit streitgegenständlichem Bescheid vom 12.07.1999 ab, weiterhin nochmals mit (formlosem) Bescheid vom 28.09.1999. Der hiergegen eingelegte Widerspruch unter Vorlage einer Bescheinigung des Gymnasiums S. , dass C. von Oktober 1994 bis Juli 1995 nicht am regulären Unterricht teilnehmen habe dürfen, wurde mit Widerspruchsbescheid vom 30.08.2000 zurückgewiesen.

Im anschließenden Klageverfahren vor dem Sozialgericht München (S 6 KG 13/00) vertrat der Kläger die Ansicht, C. sei als externer Schüler in eine schulische Mindestorganisation eingebunden gewesen, und trug auf Befragung des Gerichts vor, sein Sohn habe sich täglich sechs bis acht Stunden auf die Abiturprüfung vorbereitet und auch Nachhilfestunden in Französisch nehmen müssen. Erstmals behauptete er, C. habe sich in ständigem Kontakt mit den maßgeblichen Lehrkräften befunden.

Das Sozialgericht verurteilte am 07.12.2001 den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 12.07.1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.08.2000, den Überprüfungsantrag des Klägers vom 6. Mai 1999 (Überprüfung der Entscheidung vom 16. April 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. September 1998) unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu verbescheiden und dem Kläger die notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten. Es ging von der Richtigkeit der Angaben des Klägers aus und hielt eine Schulausbildung ab Dezember 1994 sowie eine gemäß § 2 Abs.2 Satz 5 Bundeskindergeldgesetz alte Fassung (BKGG a.F.) zu berücksichtigende Übergangszeit zwischen zwei Ausbildungsabschnitten im Oktober/November 1994 für gegeben. Es schade im vorliegenden besonders gelagerten Falle nicht, dass eine feste Einbindung in den Schulbetrieb durch regelmäßige Teilnahme am Unterricht und durch Prüfungskontrollen in Form von Schulaufgaben aufgrund der Bayerischen Schulordnung nicht möglich gewesen sei. Da es sich um einen relativ kurzen, von vornherein fest umrissenen Zeitrahmen handele, müsse es ausreichen, wenn sich C. von der Anmeldung im Dezember 1994 bis zur Abiturprüfung im Juli 1995 im Rahmen des von der Schulordnung Zugelassenen ohne strikte Lernzielkontrolle und feste Unterrichtsstunden im Wesentlichen selbständig auf die Abiturprüfung vorbereitet habe, sich dabei in ständigem Kontakt mit den Lehrkräften des Gymnasiums befunden habe und - weitere schulische Hilfe sei nicht zulässig gewesen - anstelle des schulischen Unterrichts private Nachhilfestunden in Anspruch nehmen habe müssen. Darüber hinaus sei aufgrund des zeitlichen Lernaufwandes von täglich sechs bis acht Stunden das Erfordernis der "überwiegenden Inanspruchnahme" (gemeint: der Arbeitskraft des Kindes durch die Ausbildung) erfüllt. Wegen des nach § 44 SGB X i.V.m. § 25 Abs.2 BKGG a.F. dem Beklagten eingeräumten Ermessens, einen Verwaltungsakt ganz oder teilweise für die Vergangenheit zurückzunehmen, könne das Sozialgericht Leistungen rückwirkend für die Vergangenheit nicht zusprechen, sondern lediglich den Beklagten verurteilen, unter Zugrundelegung der Rechtsauffassung des Gerichts nach Ausübung pflichtgemäßen Ermessens zu entscheiden.

Mit dem Rechtsmittel der Berufung macht der Beklagte geltend, vorliegend fehle es am Tatbestand der Schulausbildung. C. habe sich weitgehend selbständig ohne Einbindung in eine schulische Mindestorganisation mit Lernkontrolle auf die Reifeprüfung vorbereitet. Ein Nachweis, dass C. private Nachhilfestunden in Anspruch genommen habe, sei nicht geführt worden. Im Übrigen wären auch Nachhilfestunden nicht ausreichend, da auch hier keine Kontrolle des Prüfungsstoffes stattfinde. Das Sozialgericht führe zu Unrecht an, dass sich C. in ständigem Kontakt zu den Lehrkräften des Gymnasiums S. befunden habe. Richtig sei vielmehr, dass diesem die Aufnahme des Kontakts empfohlen worden sei. Das Gymnasium S. habe sich jedoch nicht zur Beurteilung in der Lage gesehen, in welchem Umfang dies von C. umgesetzt worden sei. Ein Nachweis hierüber sei auch seitens des Klägers nicht erfolgt. Das Gymnasium S. stelle dagegen ausdrücklich fest, dass eine Einbindung in eine schulische Mindestorganisation mit Lernkontrolle nicht stattgefunden habe. Es sei festzuhalten, dass der Kläger in seinen allgemeinen Ausführungen nicht konkretisiere, wie im Einzelnen der behauptete Kontakt ausgesehen haben solle.

Der Kläger trägt wiederum vor, dass sein Sohn nicht am Unterricht teilnehmen habe können, aber dass das Bestehen des Abiturs eindeutig beweise, dass jener gewissenhaft, konsequent und mit viel Zeitaufwand für seine Prüfung gearbeitet habe; während dieser Zeit sei er in ständigem Kontakt mit Lehrkräften des Gymnasium S. gewesen. Er verweist ferner auf ein Urteil des Finanzgerichts Baden-Württemberg vom 26.11.1998 - 8 K 268/97, das die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zur Schulausbildung in Hinblick auf die neue Regelung des Kindergelds als Familienlastenausgleich (steuerliche Entlastung) durch das Jahressteuergesetz 1996 vom 11.10.1995 als überholt ansah; die ab 01.01.1996 geänderte Zielrichtung im Kindergeldrecht rechtfertige eine stärkere Berücksichtigung der unterhaltsrechtlichen Gegebenheiten und eine andere Auslegung des Begriffs Ausbildung, so dass ein Selbststudium zur Vorbereitung auf die Schulfremdenprüfung zum Erwerb des Abschlusszeugnisses in der Hauptschule als Ausbildung im Sinne von § 32 Abs.4 Satz 1 Einkommensteuergesetz (EStG) anzusehen sei. Maßgebend hierfür seien ernsthafte Vorbereitungen sowie ihre Eigenschaft, für das angestrebte Berufsziel förderlich zu sein.

Der Beklagte und Berufungskläger beantragt, das Urteil des Sozialgerichts München vom 07.12.2001 aufzuheben und die Klage gegen die Bescheide vom 12.07.1999 und vom 28.09.1999 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 30.08.2000 abzuweisen.

Der Kläger und Berufungsbeklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Dem Senat lagen zur Entscheidung die Prozessakten beider Rechtszüge, die bereits abgeschlossenen Klageakten des Sozialgericht München S 6 KG 84/98 und S 6 KG 37/99 sowie die Kindergeldakte des Beklagten vor. Zur Ergänzung des Tatbestands im Einzelnen wird hierauf Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§§ 143 ff., 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) ist zulässig und in der Hauptsache begründet.

Der Senat ist zu der Überzeugung gekommen, dass dem Kläger im Zeitraum von Oktober 1994 bis August 1995 ein Kindergeldanspruch nicht zusteht und ihm daher auch nicht zu Unrecht So- zialleistungen vorenthalten worden sind. Gemäß § 2 Abs.2 Satz 1 Nr.1 und Satz 2 BKGG in der in den Jahren 1994 und 1995 geltenden Fassung (siehe neue Bekanntmachung vom 31.01.1994 in BGBl.I, S.168) besteht Anspruch auf Kindergeld für Kinder, die das 16. Lebensjahr vollendet haben, nur dann, wenn sie sich in Schul- oder Berufsausbildung befinden und das von ihnen gegebenenfalls erzielte Entgelt bestimmte Einkommensgrenzen nicht übersteigt. Der Begriff der Schulausbildung wurde und wird im BKGG a.F. und im Sozialversicherungsrecht (siehe dort zum Kinderzuschuss zu den vor dem 01.01.1984 entstandenen Rentenansprüchen und zu den Waisenrenten nach der Reichsversicherungsordnung und dem Angestelltenversicherungsgesetz bzw. dem ab 01.01.1992 geltenden Sozialgesetzbuch Teil VI) stets einheitlich orientierend am allgemeinen Sprachgebrauch dahingehend verstanden, dass es sich um eine Ausbildung an allgemeinbildenden öffentlichen und privaten Schulen handelt, deren Unterricht nach staatlich genehmigten Lehrplänen erteilt wird oder nach den staatlich genehmigten Lehrplänen für öffentliche Schulen gestaltet wird (und die Zeit und Arbeitskraft des Kindes überwiegend in Anspruch nimmt). Der Begriff der Schulausbildung ist zwar ständig im Wandel begriffen und wurde daher vom Bundessozialgericht in vorsichtiger Handhabung der bishe- rigen Grundsätze in neu diskutierten Fällen (Abendgymnasium, Fernunterricht, Nichtschülerreifeprüfung, Gasthörer an Universitäten) in engen Grenzen erweitert; aber auch hier genügte nicht die Eigenschaft als bloße Ausbildung oder Weiterbildung, die die Arbeitskraft des Kindes überwiegend beanspruchte; festgehalten wurde am "schulischen Zusammenhang" (BSG vom 07.09. 1988 - 10 RKg 6/87). Der Inhalt der Ausbildung reichte auch nicht aus. Wesentlich erschien nach wie vor die Form der Darbietung des Lernangebots. Kennzeichnend für eine Schulausbildung blieb weiterhin die Vermittlung allgemeinbildenden Wissens an einer schulischen Einrichtung. Dies setzt voraus, dass der Schüler in eine schulische Mindestorganisation eingebunden ist, die eine gewisse dauernde Lernkontrolle ermöglicht. Die bereits frühzeitig zum Fernunterricht durch die Rechtsprechung entwi- ckelten und seitdem unverändert weiterbestehenden Grundsätze (vgl. BSG vom 25.11.1976 - 11 RA 146/75 in BSGE 43, 44) verdeutlichen, dass Schulausbildung in diesem Sinne nur dort ge- geben ist, wo die Ausbildung nicht überwiegend in die Gestaltungsfreiheit des Lehrgangsteilnehmers fällt, wo Leistungs- kontrollen stattfinden und ein gewisser Kontakt und Austausch zwischen Lehrern und Schülern besteht. Diese Grenze wird überschritten, wenn Dauer und Intensität des Ausbildungsgangs im Wesentlichen von der Entscheidung und Selbstverantwortung des Schülers abhängen. Dagegen kann nicht auf das ins Auge gefasste Lernziel und dessen fristgerechtes Erreichen abgestellt werden (BSG vom 07.09.1988 - 10 RKg 6/87).

Diesen Voraussetzungen wird die Selbstausbildung des Sohnes des Klägers nicht gerecht. Zunächst war ihm der Lern- und Prüfstoff nicht, wie das Sozialgericht meinte, vorgegeben durch die Bayerische Schulordnung, die den Prüfungsstoff für das Bayerische Abitur klar festlegt. Bei einem solchen Argument wäre eine schulische Ausbildung von bis zu 13 Jahren im herkömmlichen Sinne nicht mehr notwendig, da ja der Prüfstoff des Abiturs ohnehin feststeht. Maßgeblich vielmehr ist hier zum einen, dass der Lehrstoff in der 13. Klasse über ein Jahr lang hinweg festgeschrieben ist und in festgelegten Zeiträumen vermittelt wird, wodurch ein schrittweises systematisches Vorgehen gewährleistet ist und der Schüler "fremdbestimmt" durch den Stoff geleitet wird. Der Kläger hat nicht dargelegt, dass sein Sohn entsprechend den für das Schuljahr geltenden Lehrplan vorgegangen ist oder nach einem von der Schulorganisation oder von Lehrern speziell für ihn erstellten Plan. Eine Anleitung und Führung "überwiegend in der Entscheidung und Verantwortung" der Schule, um das Argument des Bundessozialgerichts anders zu formulieren, haben nicht vorgelegen. Ein vorgegebener Stoffplan oder zumindest allgemeine Richtlinien ("Rahmenplan") oder eine Vielzahl von einzelnen vorgegebenen Schritten, wie sie beim Fernunterricht vorliegen, waren nicht gegeben, ebenso wenig die Verpflichtung des Sohnes des Klägers, dementsprechend vorzugehen. Darüber hinaus fehlt es daran, dass der systematisch oder zumindest vorgeschriebene angebotene Lehrstoff vom Sohn des Klägers auch angenommen worden ist. Vorliegend mangelt es nicht nur an der (nicht so wesentlichen) Kontrolle des zeitlichen Arbeitsaufwands, sondern der stetigen Leistungskontrolle. Schriftliche oder auch nur mündliche Prüfungen haben nicht stattgefunden, ein mündlicher Unterricht in der Form, dass die Mitarbeit im Rahmen des angebotenen oder in zeitlichen Schritten in Hausarbeit zu bewältigenden Stoffes durch Verständnisfragen, Nachfragen und Beurteilung des Verhaltens und Reaktionen des Schülers möglich gewesen wäre, auch nicht.

Der angeblich ständige Kontakt mit Lehrern, den der Kläger früher trotz entsprechender Hinweise des Beklagten über Jahre hinweg nicht angegeben und dann sehr spät pauschal behauptet hat, aber nicht konkretisieren konnte, hilft hier nicht weiter. Das Lehrpersonal, das dem Sohn des Klägers zu Beginn des einschlägigen Schuljahrs nicht bekannt sein konnte, hat jedenfalls für ihn nicht einen Lehrplan aufgestellt oder zumindest allgemeine einzuhaltende Richtlinien; es hat auch weder "Privatunterricht" erteilt noch das Lernen nach vorgegebenen systematischen Grundsätzen überprüft. C. konnte mit Duldung einzelner Lehrpersonen am Unterricht in bestimmten Fächern stundenweise teilnehmen, aber nur als passiver Zuhörer. Sein Vorgehen blieb hinsichtlich des konkret zu bearbeitenden Stoffs, der Schwerpunkte und des Umfangs nach ihm überlassen, war nicht in wesentlichen Zügen geregelt und überwacht. Eine generelle (seitens der Schule geleistete) Gewähr für eine der herkömmlichen Schulausbildung vergleichbare Stetigkeit und Regelmäßigkeit der Ausbildung war nicht gegeben, wie sie der Begriff der Schulausbildung im BKGG erfordert (vgl. BSG vom 25.11.1976, a.a.O., vom 17.05.1989 - 10 RKg 11/88, vom 07.09.1988, a.a.O. und vom 31.08.2000 - B 4 RA 5/00 R in SozR 3-2600 § 48 Nr.4). Im Urteil zum Fernunterricht als Vorbereitung auf das Abitur hat das BSG im Urteil vom 25.11.1976 (a.a.O.) herausgestellt, dass der erste Ausbildungsabschnitt - trotz Vorgabe eines Stoffplans - noch nicht als Schulausbildung anzusehen ist, sondern erst der zweite, wenn der erste Ausbildungsabschnitt erfolgreich bestanden und im zweiten Ausbildungsabschnitt zum Fernunterricht zusätzlich mündlicher Unterricht erteilt worden ist; vorher sei die Ausbildung und Ausbildungsdauer der Verantwortung des Schülers weitgehend überlassen worden. Ähnlich entschied das Bundessozialgericht mit Urteil vom 22.11.1994 - 10 RKg 3/93 (SozR 3-5870 § 2 Nr.30) zu dem Fall, dass ein Kind als Gasthörer an der Universität Sprachkurse (mit Hausarbeiten und Leistungskontrolle, jedoch ohne Zulassung an den Abschlussklausuren) zur Erlangung der allgemeinen Hochschulreife besuchte. Dies sei kein Teil eines schulmäßig organisierten Kurses zur Vorbereitung auf das Abitur gewesen, sondern eine ausschließlich selbstbestimmte Prüfungsvorbereitung. Der "faktische Druck" zum programmgemäßen Abschluss durch die aufeinander aufbauenden Kurse reichten nicht aus, die "Selbstverantwortung" zu verneinen. Ebenso sei es nicht erheblich, wenn das Kind nach der hierfür vorgesehenen Zeit sein Lernziel erfolgreich erreicht habe.

Das zweite vom Sozialgericht verwendete Argument für das Vorliegen einer Ausbildung, der Ersatz des schulischen Unterrichts durch Privatunterricht, ist ebenfalls nicht zutreffend. Die behaupteten und bisher nicht nachgewiesenen Privatstunden betrafen nur eines von zwei Fächern, in denen sich C. verbessern musste, deckten also ohnehin nicht den Gesamtbereich ab. Abgesehen davon erteilt ein Privatlehrer nicht ähnlich wie an einer öffentlichen Schule oder einer privaten, als allgemeinbildend anerkannten Schule Unterricht. Es besteht keine Bindung an Lehrpläne, und ob und in welchem Umfang ein solcher Unterricht stattfindet, entscheidet der Schüler. Mit dem Argument der selbstbestimmten "Ausbildung" und des Vollzugs der "Ausbildung" außerhalb einer herkömmlich überwachten Organisationsform mit entsprechend staatlich genehmigten Lehrplänen hat das Bundessozialgericht den Besuch einer privaten Vorbereitungsschule für die Universitätsaufnahmeprüfung nicht als Ausbildung im Sinne von § 2 Abs.2 BKGG a.F. gewertet (Urteil vom 17.05.1989 - 10 RKg 11/88). Eine Abweichung hierzu ist auch nicht im Urteil des Bundessozialgerichts vom 25.11.1976 (a.a.O.) zum Fernunterricht zu sehen. Eine Ausbildung wurde dort zwar nicht wegen der Struktur und Vorgehensweise des Ausbildungsinstituts verneint, weil der Fernunterricht nach §§ 12, 13 des Gesetzes zum Schutze des Fernunterrichtsteilnehmer vom 26.08.1976 (BGBl. 1976 I, S.2525) zulassungspflichtig war und im Übrigen auch gemäß § 3 Bundesausbildungsförderungsgesetz unter bestimmten Voraussetzungen förderungsfähig; in der ersten Phase des Fernunterrichts war es jedoch weitgehend dem Schüler selbst überlassen, den Unterrichtsstoff durchzuarbeiten. Im weiteren Urteil vom 07.09.1988 (a.a.O.) zur Vorbereitung auf das Externenabitur wertete das Bundessozialgericht den Nachhilfeunterricht an einem Pädagogischem Zentrum e.V. (Projekt arbeitsloser Lehrer) nicht als Ausbildungstatbestand, weil die (schulische) Kontrolle fehle und sich die Teilnahme an den Nachhilfestunden als Teil des selbstverantwortlich gestalteten Erwerbs des Prüfungsstoffes darstelle.

Die Tatsache, dass ein "Externer" gegen seinen Willen von dem Schulunterricht und der schulischen Kontrolle ausgeschlossen gewesen ist, hat das Bundessozialgericht als unerheblich angesehen. Einem solchen Umstand kann auch nach Überzeugung des jetzt entscheidenden Senats keine andere Bedeutung als ein Argument gegen das Vorliegen einer Schulausbildung zugemessen werden. Wer die Voraussetzungen für einen Sozialleistungsanspruch nicht erfüllt oder wegen tatsächlicher Hindernisse (z.B. Krankheit) oder rechtlicher Schranken (z.B. Verbote) nicht erfüllen kann, befindet sich gleichermaßen nicht in Ausbildung und kann sich eben nicht darauf berufen, dass er eine Tatbestandsvoraussetzung für den Leistungsbezug nicht erfüllen konnte.

Der Gesetzgeber hatte es in der Hand, die kindergeldrechtlichen Tatbestände zu bestimmen. Eine Zeit zwischen zwei Ausbildungsabschnitten wurde früher von der Rechtsprechung als kindergeld- rechtliche Übergangszeit angesehen, wenn ein objektives Hindernis für die Unterbrechung bzw. die verspätete Wideraufnahme einer Ausbildung vorlag und das Kind hieran kein Verschulden traf. Der Gesetzgeber hat dies dahingehend korrigiert, dass Übergangszeiten zwischen zwei Ausbildungsabschnitten nur dann kindergeldrechtlich zu berücksichtigen sind, wenn Ausbildungswilligkeit besteht und der nächste Ausbildungsabschnitt spätestens im vierten auf die Beendigung des vorherigen Ausbildungsabschnitts folgenden Monat beginnt (§ 2 Abs.2 Satz 5 BKGG a.F.); darüber hinaus war für Kinder, die das 16., aber noch nicht das 18. Lebensjahr vollendet haben, Kindergeld zu gewähren, wenn sie eine Berufsausbildung mangels Ausbildungsplatzes nicht beginnen oder fortsetzen konnten oder als Arbeitslose der Arbeitsvermittlung zur Verfügung standen. Dieser abschließende Katalog zeigt auf, dass eine andere oder zeitlich weitergehende Unterbrechung bzw. Verhinderung an einer Ausbildung nicht mit Kindergeld gefördert werden sollte und daher auch nicht eine Lücke bestand, die dadurch geschlossen werden kann, dass ent- gegen dem Ausbildungsbegriff ausnahmsweise die Voraussetzungen eines Kindergeldanspruchs angenommen werden dürfen, weil das Kind ja an der schulischen Ausbildung verhindert gewesen sei.

Die Hinweise des Klägers auf das Urteil des Finanzgerichts Baden-Württemberg vom 26.11.1998 vermochten den Senat schon deshalb nicht zu überzeugen, weil - der Kläger ist im Laufe des Berufungsverfahrens vom Senat darauf hingewiesen worden - bereits dort angeführt ist, dass wegen der unterschiedlichen Rechtsmaterie des bis zum 31.12.1995 geltenden BKGG a.F. und des ab 01.01.1996 neu gefassten EStG der Begriff der Ausbildung anders als bisher ausgelegt werden dürfe. Dies ist durch die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (vgl. u.a. Urteil vom 09.06.1999 - VI R 16/99 in BFHE 189, 113) gesichert, der verneinte, dass es sich bei § 2 Abs.2 BKGG a.F. und § 32 Abs.4 Satz 1 Nr.2 EStG n.F. um Rechtsvorschriften (mit Rechtsbegriffen) handele, die ihrem Wortlaut nach im Wesentlichen und im Regelungsgehalt nach gänzlich übereinstimmten und deshalb nach denselben Prinzipien auszulegen seien; vorrangig sei im Steuerrecht in erster Linie die steuerliche Freistellung des Existenzminimums des Kindes bei den Einkünften der Eltern, so dass eine Erweiterung des Ausbildungsbegriffs unter besonderer Berücksichtigung der Unterhaltspflichten der Eltern gerechtfertigt sei. Unter Berücksichtigung dessen gibt es keine Veranlassung, den sozialrechtlichen Begriff der Ausbildung anders als bisher zu werten. Das Bundessozialgericht hat nicht nur in mehreren Urteilen nach dem 01.01.1996 wie bisher entschieden, sondern darüber hinaus unter Erwähnung der finanzgerichtlichen Rechtsprechung ausdrücklich an seiner bisherigen Rechtsprechung festgehalten (BSG vom 31.08.2000 - B 4 RA 5/00 R in SozR 3-2600 § 48 Nr.4, und vom 18.06.2003 - B 4 RA 37/02 R) und im Sozialrechtsbereich die zu § 32 EStG in der ab 01.01.1996 geltenden Fassung ergangene Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs als nicht einschlägig betrachtet.

Einen Verstoß gegen Art.3 des Grundgesetzes (GG) kann der Kläger nicht rügen; die unterschiedliche Behandlung von Fällen vor und nach einem bestimmten Stichtag ist, wie das Bundesverfassungsgericht wiederholt festgestellt hat, jederzeit möglich, abgesehen davon, dass im vorliegenden Falle unterschiedlich zu gewichtende Zielsetzungen des Gesetzes bis 31.12.1995 und ab 01.01.1996 vorliegen und daher auch aus anderem Grunde eine andere Behandlung rechtfertigen. Im Übrigen stand es dem Gesetzgeber vor dem 01.01.1996 frei, ob und unter welchen Voraussetzungen er Kindergeld gewähren wollte; insbesondere für Kinder (wie C.) über 16 bzw. 18 Jahre musste nicht uneingeschränkt Kindergeld bewilligt werden. Ein generelles Auslaufen der Sozialleistung mit dem 18. Lebensjahr hätte ebenso wenig gegen die Verfassung verstoßen wie die Berücksichtigung von älteren Kindern nur in besonders gelagerten Fällen, die der Gesetzgeber unter anderem mit einer Ausbildung bis zum 27. Lebensjahr umschrieben hat. Trotz mehrerer Gesetzesänderungen - dem Gesetzgeber war die jahrzehntelange höchstrichterliche Rechtsprechung des Bundessozialgerichts bekannt - wurde keine Veranlassung gesehen, die Zugangsvoraussetzungen zum Kindergeld nach dem BKGG a.F. zu erweitern oder den Ausbildungsbegriff (extensiv) gesetzlich zu definieren; vielmehr hat der Gesetzgeber lediglich kürzere Unterbrechungen in der Ausbildung zum Teil als förderungsfähig oder förderungswürdig angesehen und die hierfür geltenden Schranken durch ergänzende Vorschriften wesentlich enger als die frühere Rechtsprechung gezogen. Damit war die Auslegung des Begriffs Schulausbildung vom Wortsinne her auch vom Willen des Gesetzgebers gedeckt.

Dem vom Bundesverfassungsgericht im Bereich des Sozialrechts wiederholt betonten freiem Ermessen des Gesetzgebers bei der Gewährung von "nicht mit Beiträgen erkauften" Sozialleistungen waren nur insoweit Schranken gezogen, als er nicht ohne sachlichen Grund durch Sondertatbestände einen bestimmten Personenkreis gegenüber einem anderen bevorzugen durfte (Art.3 GG). Die Schranken der Willkür sind jedoch nicht dann überschritten, wenn bestimmte anerkannte Formen der Schul- und Berufsausbildung und nicht jede andere Ausbildung, insbesondere eine Selbstausbildung, gefördert werden. Ein in bestimmten Formen durch staatliche Gesetze und Verordnungen gesichertes Lernen, dem eine Lehre mit Gewährleistung des Lernstoffs und der Leistungskontrolle gegenüber steht, stellt einen sachlichen und im Übrigen in der Verwaltung praktikablen Tatbestand dar. Ob der Gesetzgeber die zweckmäßigste, beste oder "gerechteste" Lösung vorgesehen hat, ist hingegen von der Rechtsprechung auch des Bundesverfassungsgerichts nicht zu prüfen.

Daher hatte die Berufung der Beklagten Erfolg und war die Klage unter Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils mit der Kostenfolge aus § 193 SGG abzuweisen.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG sind nicht ersichtlich. Es liegt weder eine "Divergenzentscheidung" vor noch eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung; das vom Kläger vorgebrachte "Problem" ist bereits höchstrichterlich geklärt, und ein allgemeines Interesse an der Herbeiführung einer (weiteren) Entscheidung des Bundessozialgerichts zu einem außer Kraft getretenen Gesetz und zur Förderung der Weiterentwicklung des Rechts muss verneint werden.
Rechtskraft
Aus
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