Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 40 U 207/16
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 2 U 13/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Auf die Berufung der Klägerin werden der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hamburg vom 21. Februar 2017 sowie der Bescheid der Beklagten vom 18. März 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30. Juni 2016 aufgehoben. Es wird festgestellt, dass die Klägerin am 18. Dezember 2015 einen Arbeitsunfall erlitten hat. 2. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Klägerin in beiden Rechtszügen. 3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Im Streit ist, ob die Klägerin einen in der gesetzlichen Unfallversicherung versicherten Wegeunfall erlitten hat.
Die 1983 geborene Klägerin ist als Anlageberaterin bei der D. AG in deren Filiale I. in H., A., beschäftigt. Die Belegschaft der Filiale umfasste neun Personen, als am 17. Dezember 2015, einem Donnerstag, ab 18.00 Uhr zum Jahresabschluss und zur Förderung des Betriebsklimas deren betriebliche Weihnachtsfeier in dem Lokal "C." im sogenannten H. Portugiesenviertel, , stattfand. Hieran nahm die gesamte Belegschaft – und auch nur diese – teil (Auskunft der ebenfalls teilnehmenden Filialdirektorin vom 7. März 2016, in deren Auftrag die Weihnachtsfeier organisiert und allen Filialangehörigen angekündigt worden war).
Zum Ende der Veranstaltung gegen 1.00 Uhr nachts verließ die damals in H. S., , wohnhafte Klägerin mit zwei ihrer Kollegen, Herrn V. und Frau K., das Lokal, um sich auf den Weg zu ihrer Wohnung zu machen. Die Klägerin war morgens aus Zeitnot spontan und, ohne sich Gedanken über den Heimweg nach der Weihnachtsfeier zu machen, mit dem Fahrrad zur Arbeit gefahren. Da sie das Fahrrad nicht am Arbeitsplatz hatte lassen können, hatte sie es mit ins Portugiesenviertel genommen. Zunächst begleiteten die Klägerin und Herr V. Frau K. zur U-Bahn-Station am B1 (U-Bahnen fuhren zu dieser Nachtzeit nicht mehr), von wo Letztere ihre Heimfahrt mit dem Taxi antrat. Anschließend gingen die Klägerin, ihr Fahrrad schiebend, und der in H. wohnhafte Herr V. gemeinsam bis zum S2, wo sich ihre Wege trennten.
Die Klägerin setzte ihren Heimweg über die E. in Richtung L. fort. Kurz vor Erreichen der Brücke stürzte sie, fiel auf ihr Gesicht und zog sich dabei laut ärztlichen Feststellungen eine Gesichtsschädelprellung, eine Zerrung der Hals- und Nackenmuskulatur und eine komplizierte Zahnfraktur zu.
Anschließend begab sie sich nach Hause und rief von dort die Polizei, welche dann einen Bericht zum Verkehrsunfall mit Verkehrsunfallanzeige aufnahm (014/4V/0845685/2015) und einen Rettungstransportwagen rief, der die Klägerin ins Universitätsklinikum E. (U.) brachte, wo sie in der Zentralen Notaufnahme ambulant behandelt wurde. Die Polizei vermerkte u.a., dass die stark weinende Klägerin unter dem Eindruck des Geschehens gestanden habe und offensichtlich alkoholisiert gewesen sei. Ein freiwilliger Atemalkoholtest um 2.29 Uhr ergab einen Wert von 1,82 Promille. Die Klägerin habe angegeben, dass es zu dem Sturz gekommen sei, als ein von hinten kommender Fahrradfahrer beim Vorbeifahren mit ihr, die ihr Fahrrad geschoben habe, kollidiert sei. Dieser habe sich vom Unfallort entfernt, während sie, nachdem sie sich aufgerichtet und festgestellt habe, dass sie sich durch den Schock eingenässt gehabt habe, mit dem Fahrrad schnellstmöglich nach Hause gefahren sei, um sich möglichst schnell umzuziehen. Das Rennrad der Klägerin wies nach Angaben der Polizei keine sichtbaren Neuschäden auf; lediglich der Lenker sei leicht verschoben gewesen und an der linken Handbremse hätten sich etwas Sand und Gras befunden.
Das daraufhin gegen unbekannt eingeleitete Ermittlungsverfahrens wegen eines Verkehrsunfalls in Verbindung mit dem Verdacht des unerlaubten Entfernens vom Unfallort wurde von der Staatsanwaltschaft H. eingestellt, weil der Täter nicht ermittelt werden konnte (87 UJs 922/16). Das gegen die Klägerin eingeleitete Ermittlungsverfahren wegen des Vorwurfs der Trunkenheit im Verkehr wurde gemäß § 170 Abs. 2 Strafprozessordnung eingestellt (2404 Js 107/16).
In der Unfallanzeige vom 24. Dezember 2015 schilderte die Klägerin den Unfallhergang dahingehend, dass ein von hinten angerast kommender Radfahrer ihren Weg geschnitten habe, sodass sie gestürzt sei. Entsprechende Angaben machte sie in Unfallfragebögen gegenüber der Beklagten (23./28. Dezember 2015) und ihrer gesetzlichen Krankenkasse (2. August 2016). Im Entlassungsbericht der Zentralen Notaufnahme des U. wurde der Unfallhergang auf Seite 1 unter der Überschrift Anamnese ebenso geschildert, auf Seite 2 jedoch dahingehend wiedergegeben, dass die Klägerin von einem Fahrradfahrer umgefahren worden sei.
Mit Bescheid vom 18. März 2016 lehnte die Beklagte die Anerkennung des Ereignisses vom 18. Dezember 2015 als Arbeitsunfall sowie die Gewährung von Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung mit der Begründung ab, es fehle an dem erforderlichen inneren Zusammenhang der konkreten zum Unfall führenden Tätigkeit mit dem Zurücklegen des mit der eigentlichen versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit. Die Klägerin habe sich zum Unfallzeitpunkt nicht auf dem direkten Weg von dem Ort der Weihnachtsfeier zu ihrer Wohnung befunden, sondern auf einem gegenüber dem unmittelbaren direkten Weg unverhältnismäßig langen und von ihr aus eigenwirtschaftlichen Gründen gewählten Umweg. Betriebliche Gründe für die Wahl des Umweges seien nicht geltend gemacht worden und auch nicht erkennbar.
Mit dem hiergegen am 12. April 2016 eingelegten Widerspruch machte die Klägerin eben solche betrieblichen Gründe geltend. Zum einen sei ihr der von der Beklagten als direkt angesehene Weg nach Hause durch die M. und am Hauptbahnhof vorbei über den S1 mit einer Länge von 3,5 km und laut G.-Routenplaner mit einer Gehzeit von 43 Minuten nicht als solcher bekannt gewesen. Der Ausgangspunkt des Weges habe nicht zu ihrem täglichen Weg gehört. Zum anderen habe sie sich, da die Stadt zum Zeitpunkt des Verlassens der Weihnachtsfeier menschenleer gewesen sei, mit Herrn V. und Frau K. dahingehend abgesprochen, dass man zu dritt gehen wolle. Nachdem sie und Herr V. Frau K. verabschiedet hätten, habe sie – die Klägerin – Herrn V. gebeten, ob er sie ein Stück des Weges begleiten könne, weil sie nach Möglichkeit nicht unbegleitet habe nach Hause gehen wollen. Dieser habe ihr angeboten, sie bis zum S2 begleiten zu können, weil er dann Richtung Norden weiter müsse. Sie habe dieses Angebot dankend angenommen, weil sie sich um diese Uhrzeit in der Stadt alleine unsicher gefühlt hätte. Insbesondere habe sie Sorge gehabt, den Bereich des ihr als Kriminalitätsschwerpunkt und Drogenumschlagsplatz bekannten Hauptbahnhofes zu passieren. So sei sie auf dem von ihr gewählten Weg (laut G.-Routenplaner 4,4 km lang mit einer Gehzeit von 55 Minuten) etwa 2,0 km in Begleitung gegangen und habe allein nur noch einen Weg von 2,4 km Länge zurücklegen müssen, ohne den Bereich des Hauptbahnhofes zu passieren.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 4. Juli 2016 zugestelltem Widerspruchsbescheid vom 30. Juni 2016 zurück. Ein Zusammenhang zwischen dem gewählten Heimweg und Umständen, die wesentlich der versicherten beruflichen Tätigkeit zuzuordnen wären, seien nicht erkennbar. Dies wäre in der Regel dann gegeben, wenn die Wahl der Wegstrecke aufgrund objektivierbarer Gegebenheiten erfolge. Das Zurücklegen bestimmter Wegstrecken im Kern des H. Innenstadtbereichs und hier insbesondere ab dem Beginn der Abweichung von der direkten Wegstrecke zur Wohnung der Klägerin sei jedoch weder durch die besonderen Gegebenheiten der Örtlichkeit noch durch eine polizeilich für diesen Bereich festgestellte besondere Gefährdungslage gekennzeichnet.
Hiergegen hat die Klägerin am 2. August 2016 Klage beim Sozialgericht (SG) Hamburg erhoben und vorgetragen, sie habe den aus ihrer Sicht sichersten Weg nach Hause gewählt. Der öffentliche Raum in Deutschland sei für Frauen nachts nicht mehr sicher. Es sei sachgerecht, wenn sie sich nach einer Weihnachtsfeier, zu mitternächtlicher Stunde, von einem Arbeitskollegen, möglichst weit begleiten lasse. Außerdem habe eine Ausnahmesituation vorgelegen, da es sich nicht um den regelmäßigen Heimweg der Klägerin gehandelt habe. Die strengen Maßstäbe an den sogenannten kürzesten Weg seien nicht auf einen einmalig gewählten Heimweg zu mitternächtlicher Stunde, ausgehend von einem ungewohnten Ausgangsort, anwendbar. Die Beklagte ist dem mit dem Einwand entgegengetreten, dass eine subjektive, diffuse Angst vor möglichen Übergriffen nicht ausreiche, um den gewählten Weg zum unmittelbaren Weg zu machen. Es müssten objektive Umstände vorliegen, z.B. besondere örtliche Gegebenheiten oder eine polizeilich festgestellte besondere Gefährdungslage. Ergänzend werde ausgeführt, dass der direkte Weg mit der Streckenführung A. - A1 - B. (laut G.-Routenplaner 3,9 km, Gehzeit 50 Minuten) nicht am Hauptbahnhof vorbeiführe.
Nach diesbezüglicher Anhörung der Beteiligten hat das SG die Klage mit Gerichtsbescheid vom 21. Februar 2017 als unbegründet abgewiesen. Es könne nicht festgestellt werden, dass die Klägerin am 18. Dezember 2015 einen Arbeitsunfall als Wegeunfall erlitten hat. Die Klägerin sei als Beschäftigte der D. versicherte Person nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch (SGB VII). Sie habe auch einen Unfall erlitten, als sie von einem Fahrradfahrer geschnitten worden und gestürzt sei. Dieses Unfallereignis sei aber nicht infolge der versicherten Tätigkeit eingetreten, denn die Klägerin habe sich aber nicht auf einem unmittelbaren versicherten Weg befunden. Grundsätzlich sei ein unmittelbarer Weg nach Hause von einer versicherten Tätigkeit im Sinne der §§ 2, 3, 6 SGB VII versichert. Auch Betriebsfeiern könnten den Ausgangspunkt eine versicherte Tätigkeit darstellen, wenn sie nicht privat, sondern durch das Unternehmen veranstaltet würden. Es könne vorliegend offen bleiben, ob die Weihnachtsfeier der Klägerin am 17. Dezember 2015 nach den neuen Grundsätzen zu Betriebsgemeinschaftsveranstaltungen des Bundessozialgerichts (BSG, Hinweis auf Urteile vom 5. Juli 2016 –- B 2 U 19/14 R, juris, vom 9. Dezember 2003 – B 2 U 52/02 R, SozR 4-2700 § 8 Nr. 2, vom 26. Oktober 2004 – B 2 U 16/04 R, SozR 4-1500 § 163 Nr. 1, und vom 26. Juni 2014 – B 2 U 7/13 R, juris) unter dem Versicherungsschutz der gesetzlichen Unfallversicherung gestanden habe, denn bei dem Weg nach Hause von der Weihnachtsfeier habe es sich um einen unversicherten Umweg gehandelt. Nach der bereits zu den entsprechenden Vorschriften der Reichsversicherungsordnung entwickelten ständigen Rechtsprechung des BSG seien nur ganz kleine, privaten Zwecken dienende Umwege, die nur zu einer unbedeutenden Verlängerung des Weges führten, für den Versicherungsschutz unschädlich. Schlage der Versicherte einen nicht nur unerheblichen Umweg ein, bestehe gleichwohl Versicherungsschutz, wenn auf dem Umweg der innere Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit "Zurücklegen des Weges vom und zum Ort der Tätigkeit" bestehen bleibe. Dies sei trotz Verlängerung der Wegstrecke der Fall, wenn aufgrund der durch objektive Gegebenheiten erklärbaren Sicht des Versicherten der eingeschlagene Weg als unmittelbarer Weg anzusehen sei, weil er insbesondere weniger zeitaufwändig, sicherer oder kostengünstiger sei als der entfernungsmäßig kürzeste. Ein solcher versicherter Umweg sei vorliegend nicht gegeben. Es bestehe keine Ausnahme nach den objektiven Gegebenheiten, die einen versicherten unmittelbaren Weg annehmen ließen. Solche objektiven Gegebenheiten lägen insbesondere bei örtlichen Gegebenheiten (z.B. Baustellen) oder bei polizeilich festgestellten besonderen Gefährdungslagen vor. An beidem habe es hier gefehlt Ob das direkte Gebiet des H. Hauptbahnhofs die Annahme einer objektiv bestehenden Gefährdungslage zu Nachtzeiten zulasse, sei unerheblich, weil der Hauptbahnhof bei dem Benutzen des unmittelbaren Weges über den B. nicht durch die Klägerin passiert worden wäre. Die Entscheidung der Klägerin für den längeren (Um-)Weg sei subjektiv (eigenwirtschaftlich) geprägt und nicht durch äußere Umstände veranlasst gewesen. Auch eine "Ausnahmesituation" der einmaligen Weihnachtsfeier und eines unüblichen Weges führe vorliegend zu keinem anderen Ergebnis. Das Restaurant befinde sich im Stadtzentrum und nicht etwa außerhalb oder am Stadtrand Hamburgs, wo der Klägerin möglicherweise der direkte Weg nicht bekannt gewesen wäre. Die Klägerin sei hier auch keinen kleinen Umweg gegangen. Sie wohne östlich der Alster und habe gezielt den Weg westlich um die Binnenalster genommen. Dies könne selbst bei Nichtkennen des genauen Weges schon offenkundig nicht der unmittelbare Weg sein. In Zeiten von "modernen Quellen", sei es unproblematisch möglich, den direkten Weg nach Hause festzustellen (sei es über ein eigenes Smartphone, das Smartphone eines Kollegen oder das Nachsehen des Weges vor der Feier). Die Klägerin sei außerdem auch schon mit dem Fahrrad zum Restaurant gekommen und wohne selber nah am Zentrum. Deshalb sei das Argument, den Weg nicht zu kennen, nicht überzeugend.
Gegen diesen ihren Prozessbevollmächtigten am 24. Februar 2017 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die am 22. März 2017 eingelegte Berufung der Klägerin, mit der sie ihren bisherigen Vortrag im Wesentlichen wiederholt und unter Vorlage einer Vielzahl von Pressemeldungen über Straftaten im Bereich der H. Innenstadt vertieft. Das SG qualifiziere ihre begründeten Sicherheitsbedürfnisse zu Unrecht nur als unbeachtliche eigenwirtschaftliche Aspekte. Sie betont erneut, dass sich der begleitete Weg zum S2 für sie nicht als Umweg dargestellt habe. Das Portugiesenviertel, in dem das besuchte Lokal liege, sei für sie gefühlt auch links der Binnenalster, sodass sie sich gefühlt auf dem direkten Wege befunden habe. Eine Vorstellung von dem Rückweg habe sie sich im Vorfeld nicht gemacht, weil sie ungeplantermaßen mit dem Fahrrad zur Weihnachtsfeier gekommen sei. Ein Taxi, das sie ohne Fahrrad gewählt hätte, oder eine U-Bahn habe sie nicht nehmen können, letzteres wegen des Betriebsschlusses. Sie bekräftigt, dass es zu dem Unfall gekommen sei, als sie das Fahrrad geschoben habe. Ein Fahrradfahrer sei sehr schnell sehr dicht an ihr vorbeigefahren, sodass sie vor Schreck gestürzt sei. Einen Zusammenstoß habe es nicht gegeben. Nach dem Unfall habe sie das Fahrrad nach Hause geschoben. Sie sei nicht gefahren. Die entsprechenden Angaben in dem Polizeibericht zum Verkehrsunfall vom 18. Dezember 2015 seien insoweit nicht richtig. In S. habe sie vor dem Unfall seit Mai 2010 gewohnt. Zum Januar 2017 sei sie von dort wegen der Sicherheitslage weggezogen.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hamburg vom 21. Februar 2017 sowie den Bescheid der Beklagten vom 18. März 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. Juni 2016 aufzuheben und festzustellen, dass sie am 18. Dezember 2015 einen Arbeitsunfall erlitten hat,
hilfsweise,
dass alle schriftsätzlich gestellten Beweisanträge aufrechterhalten werden.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen,
hilfsweise,
die von der Klägerin benannten Zeugen zu hören und Kenntnis über die Strafanzeige zur Trunkenheitsfahrt zu erhalten.
Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für richtig, nimmt auf diesen und auf die Begründung ihrer angefochtenen Bescheide Bezug sowie zur Erheblichkeit des Umwegs auf die Entscheidungen des Landessozialgerichts (LSG) Baden-Württemberg vom 12. Juni 2013 – L 3 U 5415/11 – und des BSG vom 22. September 1966 – 2 RU 188/65. Des Weiteren weist die Beklagte darauf hin, dass sich in den Akten im Detail deutlich voneinander abweichende Sachverhaltsdarstellungen fänden, sodass sich kein eindeutiger Ablauf der Geschehnisse in der Unfallnacht ergebe. Schließlich passten die bei der Klägerin diagnostizierten Verletzungsmuster am ehesten zu einem Sturz vom fahrenden Fahrrad bei relativ geringer Geschwindigkeit.
Die Beteiligten haben durch Erklärungen vom 17. Mai 2017 (Klägerin) und 27. April 2017 (Beklagte) ihr Einverständnis mit einer Entscheidung des Berichterstatters anstelle des Senats erteilt (§ 155 Abs. 3 und 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG)).
Der Berichterstatter hat am 15. November 2017 und 28. März 2018 mit den Beteiligten über die Berufung mündlich verhandelt.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird Bezug genommen auf die Sitzungsniederschriften, die vorbereitenden Schriftsätze der Beteiligten sowie den weiteren Inhalt der Prozessakte und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten.
Entscheidungsgründe:
Die statthafte (§§ 143, 144 SGG) und auch im Übrigen zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte (§ 151 SGG) Berufung ist begründet. Das SG hat die zulässige kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 Var. 1, § 55 Abs. 1 Nr. 1, § 56 SGG, st. Rspr. des Bundessozialgerichts (BSG), vgl. nur Urteil vom 31. August 2017 – B 2 U 1/16 R, juris) zu Unrecht abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in deren Rechten. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Feststellung, dass sie am 18. Dezember 2015 einen Arbeitsunfall in Gestalt eines Wegeunfalls (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch (SGB VII)). erlitten hat.
Nach § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind nach § 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen. Ein Arbeitsunfall setzt daher voraus, dass die Verrichtung zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer oder sachlicher Zusammenhang), sie zu dem zeitlich begrenzten, von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis – dem Unfallereignis – geführt (Unfallkausalität) und dass das Unfallereignis einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten objektiv und rechtlich wesentlich verursacht hat (haftungsbegründende Kausalität) (st. Rspr. des BSG, vgl. nur Urteil vom 31. August 2017 – B 2 U 1/16 R, a.a.O., m.w.N.).
Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt.
Die Klägerin war als Beschäftigte gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII versichert, weil die Weihnachtsfeier in einem inneren Zusammenhang mit ihrer versicherten Tätigkeit als Bankangestellte stand. Nach ständiger Rechtsprechung des BSG ist auch die Teilnahme an einer betrieblichen Gemeinschaftsveranstaltung, zum Beispiel einer betrieblichen Weihnachtsfeier, eine den Versicherungsschutz als Beschäftigte(r) begründende Tätigkeit, wenn diese im Einvernehmen mit der Unternehmensleitung stattfindet, wobei es genügt, wenn bei betrieblichen Gemeinschaftsveranstaltungen in einzelnen organisatorischen Einheiten des Unternehmens, insbesondere wenn das Unternehmen über mehrere Betriebsstätten oder Dienststellen verfügt, die Leitung der jeweiligen organisatorischen Einheit oder Dienststelle als Veranstalter seitens des Unternehmens fungiert (s. nur BSG, Urteil vom 5. Juli 2016 – B2U 19/14 R, BSGE 121,297, m.w.N.). So lag der Fall hier. Die gesamte Belegschaft der Bankfiliale nahm ebenso wie die Filialdirektorin an der in deren Auftrag organisierten Weihnachtsfeier teil.
Die Klägerin erlitt bei dem Sturz eine zeitlich begrenzte, von außen kommende Einwirkung auf ihren Körper und damit einen Unfall im Sinne des § 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII. Sie schlug mit dem Gesicht auf, wodurch ein Teil Außenwelt auf den Körper einwirkte und die Klägerin Gesundheits(erst)schäden erlitt. Deshalb kann an dieser Stelle dahingestellt bleiben, ob es zu einer – ggf. leichten – Kollision mit dem vorbeifahrenden unbekannten Fahrradfahrer kam oder nicht. Obwohl das Gericht aufgrund der insoweit hinsichtlich des Kerngeschehens konsistenten und im Rahmen der mündlichen Verhandlung spontanen und glaubhaften Angaben der Klägerin davon überzeugt ist, dass ein schnell vorbeifahrender Radfahrer die wesentliche Ursache für den Sturz der Klägerin auf ihrem Heimweg war, wäre schließlich auch dann von einem Unfall auszugehen, wenn man unterstellte, die Klägerin wäre ohne Fremdeinwirkung gestürzt, möglicherweise sogar beim Fahrradfahren unter Alkoholeinfluss.
Es fehlt vorliegend auch nicht deshalb an dem Versicherungsschutz nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII, weil sich keine Verkehrsgefahr realisiert oder – so aber die Auffassung der Beklagten und des SG – die Klägerin sich zum Unfallzeitpunkt etwa auf einem unversicherten Umweg befunden hätte. Dies war nicht der Fall.
Zu den in der gesetzlichen Unfallversicherung gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII versicherten Tätigkeiten zählt das Zurücklegen des mit der nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit. Dabei ist nicht der Weg als solcher, sondern dessen Zurücklegen versichert, also der Vorgang des Sichfortbewegens auf einer Strecke, die durch einen Ausgangs- und einen Zielpunkt begrenzt ist. Der Versicherungsschutz besteht, wenn der Weg erkennbar zu dem Zweck zurückgelegt wird, den Ort der Tätigkeit – oder nach deren Beendigung im typischen Fall die eigene Wohnung – zu erreichen. Maßgebliches Kriterium für den sachlichen Zusammenhang ist, ob die anhand objektiver Umstände zu beurteilende Handlungstendenz des Versicherten beim Zurücklegen des Weges darauf gerichtet war, eine dem Beschäftigungsunternehmen dienende Verrichtung auszuüben, d.h. ob sein Handeln zum Zurücklegen des Weges zu oder von der Arbeitsstätte gehört (st. Rspr. des BSG, vgl. nur Urteil vom 31. August 2017 – B 2 U 1/16 R, a.a.O., m.w.N.).
Insbesondere nach den spontanen, durchweg glaubhaft Antworten der Klägerin auf die in der Verhandlung gestellten Fragen zum Unfallhergang und zu den Umständen, die zur eigentlich nicht geplanten Mitnahme des Fahrrads und der Wahl des zum Teil begleiteten Wegs geführt hatten, ist das Gericht zunächst davon überzeugt, dass sich eine Verkehrsgefahr realisiert hat, als die Klägerin durch die von Anfang an im Wesentlichen konstant angegebene Einwirkung eines anderen Verkehrsteilnehmers – ob nun mit oder ohne Kontakt – auf dem Weg von der untergesetzlichem Unfallversicherungsschutz stehenden Weihnachtsfeier nach Hause stürzte. Auch insoweit spielt es keine Rolle, ob die Klägerin – wie vom Gericht zu Grunde gelegt – wegen eines vorbeifahrenden Radfahrers erschreckte und stürzte oder ob es zu einer Kollision kam oder ob die Klägerin gar gehend oder Fahrrad fahrend ohne Einwirkung eines Dritten zu Fall kam. Dass die Folgen ihres Alkoholgenusses allein wesentliche Ursache für den Sturz gewesen sein könnten, ist angesichts des Umstandes nicht mit dem erforderlichen Vollbeweis feststellbar, dass die Klägerin bis dahin bereits eine wesentliche Strecke an der kalten Luft zurückgelegt hatte, sowohl mit ihren Kollegen als auch mit den Polizeibeamten Gespräche führte, nach dem Unfall zielgerichtet nach Hause ging (oder ggf. fuhr) und nur eine Atem- und keine Blutalkoholtestung gemacht wurde.
Schließlich ist es unerheblich, dass die Klägerin für den Rückweg von der Weihnachtsfeier nach Hause einen weiteren Weg als den entfernungsmäßig kürzesten wählte.
Auch auf einem Umweg besteht Versicherungsschutz, wenn auch für diesen weiteren Weg ein innerer Zusammenhang zwischen der Tätigkeit und dem Weg von und zur Arbeitsstätte gegeben ist, was vor dem Hintergrund der grundsätzlich freien Wahlmöglichkeit zwischen mehreren Strecken der Fall ist, wenn er wesentlich der Zurücklegung des Weges dient und für die Wahl keine Gründe maßgebend sind, die allein oder überwiegend dem privaten Lebensbereich des Versicherten zuzurechnen sind (st. Rspr., s. nur BSG, Urteil vom 30. April 1986 – 2 RU 44/85, USK 8630; Bereiter-Hahn/Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, 5. Aufl., Stand 3/2016, § 8 SGB VII Rn. 12.34 m.w.N.). So liegt der Fall hier. Etwaige private Zwecke, denen die Wahl einer anderen Wegstrecke als der kürzesten gedient haben könnte, können nicht festgestellt werden.
Zunächst erscheint es schlüssig, dass es der Klägerin, auch wenn sie zum Unfallzeitpunkt schon jahrelang in H. gewohnt hatte, nicht bewusst war, für den Heimweg einen weiteren Weg als den kürzesten gewählt zu haben (den Unfallversicherungsschutz nicht berührender "irrtümlicher Umweg", vgl. Bereiter-Hahn/Mehrtens, a.a.O.,m.w.N.). Es handelte sich nicht um den regelmäßigen Heimweg vom Arbeitsplatz, sondern um den nächtens von einem tatsächlich südwestlich der Binnenalster gelegenen Lokal in unvorbereiteter Weise zu Fuß mit Fahrrad angetretenen Weg. Daher erscheint es dem ebenfalls ortskundigen Gericht entgegen den Ausführungen des SG beileibe nicht offensichtlich, dass der Rückweg zur östlich der Alster gelegenen Wohnung der Klägerin zwingend auch östlich der Binnenalster hätte entlang führen müssen. Schließlich betrug die Abweichung der gewählten Strecke gegenüber der entfernungsmäßig kürzesten lediglich 900 m bzw. 12 Minuten Gehdauer, gegenüber der unter Vermeidung des Hauptbahnhofs von der Beklagten und dem SG nunmehr als unmittelbar genannten Strecke über den B. östlich der Binnenalster lediglich 500 m bzw. 5 Minuten Gehdauer. Die ungeplanterweise mit dem Fahrrad bei der Weihnachtsfeier erschienene Klägerin hatte sich im Vorfeld keine Gedanken über den Rückweg gemacht, war auch nicht direkt von ihrem Zuhause zum Lokal gefahren, sondern morgens lediglich zu ihrer Arbeitsstelle, von wo aus sie mit Kollegen den Weg zur Feier gemeinsam zurückgelegt hatte. Entgegen den Ausführungen des SG kann auch nicht erwartet werden, dass zur Aufrechterhaltung des Versicherungsschutzes jeder Versicherte vor Antritt eines Weges zunächst über einen Routenplaner prüft, welches der kürzeste ist. Vor diesem Hintergrund spielen auch die von der Beklagten im letzten Termin zur mündlichen Verhandlung in Bezug genommenen Entscheidungen des BSG und des LSG Baden-Württemberg bei der rechtlichen Bewertung des vorliegenden Sachverhalts keine Rolle. Ihnen lagen jeweils schon deshalb nicht vergleichbare Sachverhalte zu Grunde, weil es sich um Abweichungen vom üblichen und direkten Weg handelte – und dies auch noch zu einem ausschließlich eigenwirtschaftlichen Zweck.
Darüber hinaus ist es für das Gericht uneingeschränkt nachvollziehbar, dass die Klägerin einen Rückweg unter Umgehung ihr gerade angesichts der Nachtzeit Angst einflößender Örtlichkeiten nahm und hierbei eine Variante wählte, bei der die längstmögliche Begleitung durch ihren Arbeitskollegen gewährleistet war.
Das BSG sieht – unter Berücksichtigung des Schutzzwecks der gesetzlichen Unfallversicherung zu Recht – den Versicherungsschutz für längere Wege u.a. als gegeben an, wenn diese sicherer und übersichtlicher sind, aber auch, wenn der Versicherte sich verfahren hat oder wegen des Bedürfnisses nach Erfrischung einen längeren Weg gewählt hat (s. nur BSG, Urteil vom 11. September 2001 - B 2 U 34/00 R, NZS 2002,161, m.w.N.), lässt also unter Berücksichtigung der grundsätzlichen Wahlfreiheit des Versicherten hinsichtlich der Zurücklegung des Weges (s. hierzu auch G. Wagner in: juris-PK SGB VII, 2. aufl. 2014, Stand: 29. Juni 2017 m.N.) auch nicht aus der Luft gegriffene subjektive Erwägungen ausreichen. Entgegen der Auffassung der Beklagten und des SG rechtfertigen nicht nur – neben "örtlichen Gegebenheiten" wie "Baustellen" – "polizeilich festgestellte besondere Gefährdungslagen" die Umgehung von Örtlichkeiten auf dem kürzesten Weg vom oder zum Ort der versicherten Tätigkeit, wobei sich diesbezüglich schon die Frage stellt, welche Anforderungen an eine solche polizeiliche Feststellung zu stellen sind. Entscheidend ist, ob der Versicherte der Auffassung sein konnte, der gewählte Weg sei für ihn und insbesondere sein Verkehrsmittel insgesamt mit geringeren, vor allem weniger größeren Gefahren verbunden (BSG, Urteil vom 30. April 1986 – 2 RU 44/85, a.a.O.). Dies ist zweifellos der Fall, wenn nachts menschenleere Einkaufs- und Geschäftsstraßen – wie vorliegend auf dem von der Beklagten und dem SG beschriebenen unmittelbaren Weg – und überhaupt, so weit wie möglich, die unbegleitete Zurücklegung des Weges vermieden werden. Um zu dieser Einschätzung zu gelangen, bedarf es nicht einmal der Kenntnis von den vom Prozessbevollmächtigten der Klägerin ins Verfahren eingeführten strafrechtlich relevanten Vorfällen.
Dass die Klägerin die vorgenannte Motivation für die Wahl des konkreten Heimwegs von der Weihnachtsfeier nicht nur vorgab, folgt nicht nur aus dem insoweit konsistenten und jedenfalls dem erkennenden Gericht ohne weiteres nachvollziehbaren Angaben seit der Einlegung des Widerspruchs – vorher bestand kein Anlass dafür, sich diesbezüglich zu äußern – bis zur mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Gericht, sondern auch daraus, dass ihr Wegzug aus der H. Innenstadt Anfang 2017 ihr Unbehagen und fehlendes Sicherheitsgefühl dokumentiert. Es besteht kein Anlass dafür, zum Sachverhalt noch weitere Ermittlungen anzustellen, wie es die Beklagte mit ihren "Hilfsanträgen" im letzten Termin zur mündlichen Verhandlung angeregt hat. Das Gericht kann sich allein durch den Beteiligtenvortrag die Überzeugung verschaffen, wenn der Beteiligte glaubwürdig und sein Vortrag widerspruchsfrei ist und mit den sonstigen Fakten im Einklang steht (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl. 2017, § 118 Rn. 8 m.N.). So liegt der Fall hier. Die von der Beklagten aufgezeigten kleineren Widersprüche können auch auf einer falschen oder missverständlichen Wiedergabe Dritter beruhen – was insbesondere beim Entlassungsbericht des U. deutlich wird, der dem genauen Wortlaut nach zwei verschiedene Unfallschilderungen beinhaltet – und betreffen nicht die der rechtlichen Bewertung zugrunde zu legenden Kernumstände bzw. sind vor dem Hintergrund einer ggf. möglichen Wahlfeststellung ohne Bedeutung. Auch dass die Beklagte möglicherweise mutmaßt, die Klägerin könne den Umweg unter Inanspruchnahme der Begleitung durch ihren Kollegen V. gewählt haben, um dessen Gesellschaft noch genießen zu können, bietet keinen Anlass zu weiteren Ermittlungen. Abgesehen davon, dass es hierfür keinen Anhaltspunkt gibt und die Ermittlungen quasi ins Blaue hinein erfolgten, sind die Angaben der Klägerin zum fehlenden Bewusstsein eines Umwegs und zur Wahl des begleiteten Weges unter Sicherheitsaspekten derart glaubhaft und schlüssig, dass ein möglicherweise daneben bestehendes Motiv in Gestalt des Wunsches nach Gesellschaft jedenfalls nicht den alleinigen oder überwiegenden Beweggrund aus dem eigenwirtschaftlichen Bereich der Klägerin darstellen würde, sodass der Versicherungsschutz auf dem gewählten Weg auch dann nicht entfiele.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ausgang des Rechtsstreits.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.
Tatbestand:
Im Streit ist, ob die Klägerin einen in der gesetzlichen Unfallversicherung versicherten Wegeunfall erlitten hat.
Die 1983 geborene Klägerin ist als Anlageberaterin bei der D. AG in deren Filiale I. in H., A., beschäftigt. Die Belegschaft der Filiale umfasste neun Personen, als am 17. Dezember 2015, einem Donnerstag, ab 18.00 Uhr zum Jahresabschluss und zur Förderung des Betriebsklimas deren betriebliche Weihnachtsfeier in dem Lokal "C." im sogenannten H. Portugiesenviertel, , stattfand. Hieran nahm die gesamte Belegschaft – und auch nur diese – teil (Auskunft der ebenfalls teilnehmenden Filialdirektorin vom 7. März 2016, in deren Auftrag die Weihnachtsfeier organisiert und allen Filialangehörigen angekündigt worden war).
Zum Ende der Veranstaltung gegen 1.00 Uhr nachts verließ die damals in H. S., , wohnhafte Klägerin mit zwei ihrer Kollegen, Herrn V. und Frau K., das Lokal, um sich auf den Weg zu ihrer Wohnung zu machen. Die Klägerin war morgens aus Zeitnot spontan und, ohne sich Gedanken über den Heimweg nach der Weihnachtsfeier zu machen, mit dem Fahrrad zur Arbeit gefahren. Da sie das Fahrrad nicht am Arbeitsplatz hatte lassen können, hatte sie es mit ins Portugiesenviertel genommen. Zunächst begleiteten die Klägerin und Herr V. Frau K. zur U-Bahn-Station am B1 (U-Bahnen fuhren zu dieser Nachtzeit nicht mehr), von wo Letztere ihre Heimfahrt mit dem Taxi antrat. Anschließend gingen die Klägerin, ihr Fahrrad schiebend, und der in H. wohnhafte Herr V. gemeinsam bis zum S2, wo sich ihre Wege trennten.
Die Klägerin setzte ihren Heimweg über die E. in Richtung L. fort. Kurz vor Erreichen der Brücke stürzte sie, fiel auf ihr Gesicht und zog sich dabei laut ärztlichen Feststellungen eine Gesichtsschädelprellung, eine Zerrung der Hals- und Nackenmuskulatur und eine komplizierte Zahnfraktur zu.
Anschließend begab sie sich nach Hause und rief von dort die Polizei, welche dann einen Bericht zum Verkehrsunfall mit Verkehrsunfallanzeige aufnahm (014/4V/0845685/2015) und einen Rettungstransportwagen rief, der die Klägerin ins Universitätsklinikum E. (U.) brachte, wo sie in der Zentralen Notaufnahme ambulant behandelt wurde. Die Polizei vermerkte u.a., dass die stark weinende Klägerin unter dem Eindruck des Geschehens gestanden habe und offensichtlich alkoholisiert gewesen sei. Ein freiwilliger Atemalkoholtest um 2.29 Uhr ergab einen Wert von 1,82 Promille. Die Klägerin habe angegeben, dass es zu dem Sturz gekommen sei, als ein von hinten kommender Fahrradfahrer beim Vorbeifahren mit ihr, die ihr Fahrrad geschoben habe, kollidiert sei. Dieser habe sich vom Unfallort entfernt, während sie, nachdem sie sich aufgerichtet und festgestellt habe, dass sie sich durch den Schock eingenässt gehabt habe, mit dem Fahrrad schnellstmöglich nach Hause gefahren sei, um sich möglichst schnell umzuziehen. Das Rennrad der Klägerin wies nach Angaben der Polizei keine sichtbaren Neuschäden auf; lediglich der Lenker sei leicht verschoben gewesen und an der linken Handbremse hätten sich etwas Sand und Gras befunden.
Das daraufhin gegen unbekannt eingeleitete Ermittlungsverfahrens wegen eines Verkehrsunfalls in Verbindung mit dem Verdacht des unerlaubten Entfernens vom Unfallort wurde von der Staatsanwaltschaft H. eingestellt, weil der Täter nicht ermittelt werden konnte (87 UJs 922/16). Das gegen die Klägerin eingeleitete Ermittlungsverfahren wegen des Vorwurfs der Trunkenheit im Verkehr wurde gemäß § 170 Abs. 2 Strafprozessordnung eingestellt (2404 Js 107/16).
In der Unfallanzeige vom 24. Dezember 2015 schilderte die Klägerin den Unfallhergang dahingehend, dass ein von hinten angerast kommender Radfahrer ihren Weg geschnitten habe, sodass sie gestürzt sei. Entsprechende Angaben machte sie in Unfallfragebögen gegenüber der Beklagten (23./28. Dezember 2015) und ihrer gesetzlichen Krankenkasse (2. August 2016). Im Entlassungsbericht der Zentralen Notaufnahme des U. wurde der Unfallhergang auf Seite 1 unter der Überschrift Anamnese ebenso geschildert, auf Seite 2 jedoch dahingehend wiedergegeben, dass die Klägerin von einem Fahrradfahrer umgefahren worden sei.
Mit Bescheid vom 18. März 2016 lehnte die Beklagte die Anerkennung des Ereignisses vom 18. Dezember 2015 als Arbeitsunfall sowie die Gewährung von Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung mit der Begründung ab, es fehle an dem erforderlichen inneren Zusammenhang der konkreten zum Unfall führenden Tätigkeit mit dem Zurücklegen des mit der eigentlichen versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit. Die Klägerin habe sich zum Unfallzeitpunkt nicht auf dem direkten Weg von dem Ort der Weihnachtsfeier zu ihrer Wohnung befunden, sondern auf einem gegenüber dem unmittelbaren direkten Weg unverhältnismäßig langen und von ihr aus eigenwirtschaftlichen Gründen gewählten Umweg. Betriebliche Gründe für die Wahl des Umweges seien nicht geltend gemacht worden und auch nicht erkennbar.
Mit dem hiergegen am 12. April 2016 eingelegten Widerspruch machte die Klägerin eben solche betrieblichen Gründe geltend. Zum einen sei ihr der von der Beklagten als direkt angesehene Weg nach Hause durch die M. und am Hauptbahnhof vorbei über den S1 mit einer Länge von 3,5 km und laut G.-Routenplaner mit einer Gehzeit von 43 Minuten nicht als solcher bekannt gewesen. Der Ausgangspunkt des Weges habe nicht zu ihrem täglichen Weg gehört. Zum anderen habe sie sich, da die Stadt zum Zeitpunkt des Verlassens der Weihnachtsfeier menschenleer gewesen sei, mit Herrn V. und Frau K. dahingehend abgesprochen, dass man zu dritt gehen wolle. Nachdem sie und Herr V. Frau K. verabschiedet hätten, habe sie – die Klägerin – Herrn V. gebeten, ob er sie ein Stück des Weges begleiten könne, weil sie nach Möglichkeit nicht unbegleitet habe nach Hause gehen wollen. Dieser habe ihr angeboten, sie bis zum S2 begleiten zu können, weil er dann Richtung Norden weiter müsse. Sie habe dieses Angebot dankend angenommen, weil sie sich um diese Uhrzeit in der Stadt alleine unsicher gefühlt hätte. Insbesondere habe sie Sorge gehabt, den Bereich des ihr als Kriminalitätsschwerpunkt und Drogenumschlagsplatz bekannten Hauptbahnhofes zu passieren. So sei sie auf dem von ihr gewählten Weg (laut G.-Routenplaner 4,4 km lang mit einer Gehzeit von 55 Minuten) etwa 2,0 km in Begleitung gegangen und habe allein nur noch einen Weg von 2,4 km Länge zurücklegen müssen, ohne den Bereich des Hauptbahnhofes zu passieren.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 4. Juli 2016 zugestelltem Widerspruchsbescheid vom 30. Juni 2016 zurück. Ein Zusammenhang zwischen dem gewählten Heimweg und Umständen, die wesentlich der versicherten beruflichen Tätigkeit zuzuordnen wären, seien nicht erkennbar. Dies wäre in der Regel dann gegeben, wenn die Wahl der Wegstrecke aufgrund objektivierbarer Gegebenheiten erfolge. Das Zurücklegen bestimmter Wegstrecken im Kern des H. Innenstadtbereichs und hier insbesondere ab dem Beginn der Abweichung von der direkten Wegstrecke zur Wohnung der Klägerin sei jedoch weder durch die besonderen Gegebenheiten der Örtlichkeit noch durch eine polizeilich für diesen Bereich festgestellte besondere Gefährdungslage gekennzeichnet.
Hiergegen hat die Klägerin am 2. August 2016 Klage beim Sozialgericht (SG) Hamburg erhoben und vorgetragen, sie habe den aus ihrer Sicht sichersten Weg nach Hause gewählt. Der öffentliche Raum in Deutschland sei für Frauen nachts nicht mehr sicher. Es sei sachgerecht, wenn sie sich nach einer Weihnachtsfeier, zu mitternächtlicher Stunde, von einem Arbeitskollegen, möglichst weit begleiten lasse. Außerdem habe eine Ausnahmesituation vorgelegen, da es sich nicht um den regelmäßigen Heimweg der Klägerin gehandelt habe. Die strengen Maßstäbe an den sogenannten kürzesten Weg seien nicht auf einen einmalig gewählten Heimweg zu mitternächtlicher Stunde, ausgehend von einem ungewohnten Ausgangsort, anwendbar. Die Beklagte ist dem mit dem Einwand entgegengetreten, dass eine subjektive, diffuse Angst vor möglichen Übergriffen nicht ausreiche, um den gewählten Weg zum unmittelbaren Weg zu machen. Es müssten objektive Umstände vorliegen, z.B. besondere örtliche Gegebenheiten oder eine polizeilich festgestellte besondere Gefährdungslage. Ergänzend werde ausgeführt, dass der direkte Weg mit der Streckenführung A. - A1 - B. (laut G.-Routenplaner 3,9 km, Gehzeit 50 Minuten) nicht am Hauptbahnhof vorbeiführe.
Nach diesbezüglicher Anhörung der Beteiligten hat das SG die Klage mit Gerichtsbescheid vom 21. Februar 2017 als unbegründet abgewiesen. Es könne nicht festgestellt werden, dass die Klägerin am 18. Dezember 2015 einen Arbeitsunfall als Wegeunfall erlitten hat. Die Klägerin sei als Beschäftigte der D. versicherte Person nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch (SGB VII). Sie habe auch einen Unfall erlitten, als sie von einem Fahrradfahrer geschnitten worden und gestürzt sei. Dieses Unfallereignis sei aber nicht infolge der versicherten Tätigkeit eingetreten, denn die Klägerin habe sich aber nicht auf einem unmittelbaren versicherten Weg befunden. Grundsätzlich sei ein unmittelbarer Weg nach Hause von einer versicherten Tätigkeit im Sinne der §§ 2, 3, 6 SGB VII versichert. Auch Betriebsfeiern könnten den Ausgangspunkt eine versicherte Tätigkeit darstellen, wenn sie nicht privat, sondern durch das Unternehmen veranstaltet würden. Es könne vorliegend offen bleiben, ob die Weihnachtsfeier der Klägerin am 17. Dezember 2015 nach den neuen Grundsätzen zu Betriebsgemeinschaftsveranstaltungen des Bundessozialgerichts (BSG, Hinweis auf Urteile vom 5. Juli 2016 –- B 2 U 19/14 R, juris, vom 9. Dezember 2003 – B 2 U 52/02 R, SozR 4-2700 § 8 Nr. 2, vom 26. Oktober 2004 – B 2 U 16/04 R, SozR 4-1500 § 163 Nr. 1, und vom 26. Juni 2014 – B 2 U 7/13 R, juris) unter dem Versicherungsschutz der gesetzlichen Unfallversicherung gestanden habe, denn bei dem Weg nach Hause von der Weihnachtsfeier habe es sich um einen unversicherten Umweg gehandelt. Nach der bereits zu den entsprechenden Vorschriften der Reichsversicherungsordnung entwickelten ständigen Rechtsprechung des BSG seien nur ganz kleine, privaten Zwecken dienende Umwege, die nur zu einer unbedeutenden Verlängerung des Weges führten, für den Versicherungsschutz unschädlich. Schlage der Versicherte einen nicht nur unerheblichen Umweg ein, bestehe gleichwohl Versicherungsschutz, wenn auf dem Umweg der innere Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit "Zurücklegen des Weges vom und zum Ort der Tätigkeit" bestehen bleibe. Dies sei trotz Verlängerung der Wegstrecke der Fall, wenn aufgrund der durch objektive Gegebenheiten erklärbaren Sicht des Versicherten der eingeschlagene Weg als unmittelbarer Weg anzusehen sei, weil er insbesondere weniger zeitaufwändig, sicherer oder kostengünstiger sei als der entfernungsmäßig kürzeste. Ein solcher versicherter Umweg sei vorliegend nicht gegeben. Es bestehe keine Ausnahme nach den objektiven Gegebenheiten, die einen versicherten unmittelbaren Weg annehmen ließen. Solche objektiven Gegebenheiten lägen insbesondere bei örtlichen Gegebenheiten (z.B. Baustellen) oder bei polizeilich festgestellten besonderen Gefährdungslagen vor. An beidem habe es hier gefehlt Ob das direkte Gebiet des H. Hauptbahnhofs die Annahme einer objektiv bestehenden Gefährdungslage zu Nachtzeiten zulasse, sei unerheblich, weil der Hauptbahnhof bei dem Benutzen des unmittelbaren Weges über den B. nicht durch die Klägerin passiert worden wäre. Die Entscheidung der Klägerin für den längeren (Um-)Weg sei subjektiv (eigenwirtschaftlich) geprägt und nicht durch äußere Umstände veranlasst gewesen. Auch eine "Ausnahmesituation" der einmaligen Weihnachtsfeier und eines unüblichen Weges führe vorliegend zu keinem anderen Ergebnis. Das Restaurant befinde sich im Stadtzentrum und nicht etwa außerhalb oder am Stadtrand Hamburgs, wo der Klägerin möglicherweise der direkte Weg nicht bekannt gewesen wäre. Die Klägerin sei hier auch keinen kleinen Umweg gegangen. Sie wohne östlich der Alster und habe gezielt den Weg westlich um die Binnenalster genommen. Dies könne selbst bei Nichtkennen des genauen Weges schon offenkundig nicht der unmittelbare Weg sein. In Zeiten von "modernen Quellen", sei es unproblematisch möglich, den direkten Weg nach Hause festzustellen (sei es über ein eigenes Smartphone, das Smartphone eines Kollegen oder das Nachsehen des Weges vor der Feier). Die Klägerin sei außerdem auch schon mit dem Fahrrad zum Restaurant gekommen und wohne selber nah am Zentrum. Deshalb sei das Argument, den Weg nicht zu kennen, nicht überzeugend.
Gegen diesen ihren Prozessbevollmächtigten am 24. Februar 2017 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die am 22. März 2017 eingelegte Berufung der Klägerin, mit der sie ihren bisherigen Vortrag im Wesentlichen wiederholt und unter Vorlage einer Vielzahl von Pressemeldungen über Straftaten im Bereich der H. Innenstadt vertieft. Das SG qualifiziere ihre begründeten Sicherheitsbedürfnisse zu Unrecht nur als unbeachtliche eigenwirtschaftliche Aspekte. Sie betont erneut, dass sich der begleitete Weg zum S2 für sie nicht als Umweg dargestellt habe. Das Portugiesenviertel, in dem das besuchte Lokal liege, sei für sie gefühlt auch links der Binnenalster, sodass sie sich gefühlt auf dem direkten Wege befunden habe. Eine Vorstellung von dem Rückweg habe sie sich im Vorfeld nicht gemacht, weil sie ungeplantermaßen mit dem Fahrrad zur Weihnachtsfeier gekommen sei. Ein Taxi, das sie ohne Fahrrad gewählt hätte, oder eine U-Bahn habe sie nicht nehmen können, letzteres wegen des Betriebsschlusses. Sie bekräftigt, dass es zu dem Unfall gekommen sei, als sie das Fahrrad geschoben habe. Ein Fahrradfahrer sei sehr schnell sehr dicht an ihr vorbeigefahren, sodass sie vor Schreck gestürzt sei. Einen Zusammenstoß habe es nicht gegeben. Nach dem Unfall habe sie das Fahrrad nach Hause geschoben. Sie sei nicht gefahren. Die entsprechenden Angaben in dem Polizeibericht zum Verkehrsunfall vom 18. Dezember 2015 seien insoweit nicht richtig. In S. habe sie vor dem Unfall seit Mai 2010 gewohnt. Zum Januar 2017 sei sie von dort wegen der Sicherheitslage weggezogen.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hamburg vom 21. Februar 2017 sowie den Bescheid der Beklagten vom 18. März 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. Juni 2016 aufzuheben und festzustellen, dass sie am 18. Dezember 2015 einen Arbeitsunfall erlitten hat,
hilfsweise,
dass alle schriftsätzlich gestellten Beweisanträge aufrechterhalten werden.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen,
hilfsweise,
die von der Klägerin benannten Zeugen zu hören und Kenntnis über die Strafanzeige zur Trunkenheitsfahrt zu erhalten.
Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für richtig, nimmt auf diesen und auf die Begründung ihrer angefochtenen Bescheide Bezug sowie zur Erheblichkeit des Umwegs auf die Entscheidungen des Landessozialgerichts (LSG) Baden-Württemberg vom 12. Juni 2013 – L 3 U 5415/11 – und des BSG vom 22. September 1966 – 2 RU 188/65. Des Weiteren weist die Beklagte darauf hin, dass sich in den Akten im Detail deutlich voneinander abweichende Sachverhaltsdarstellungen fänden, sodass sich kein eindeutiger Ablauf der Geschehnisse in der Unfallnacht ergebe. Schließlich passten die bei der Klägerin diagnostizierten Verletzungsmuster am ehesten zu einem Sturz vom fahrenden Fahrrad bei relativ geringer Geschwindigkeit.
Die Beteiligten haben durch Erklärungen vom 17. Mai 2017 (Klägerin) und 27. April 2017 (Beklagte) ihr Einverständnis mit einer Entscheidung des Berichterstatters anstelle des Senats erteilt (§ 155 Abs. 3 und 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG)).
Der Berichterstatter hat am 15. November 2017 und 28. März 2018 mit den Beteiligten über die Berufung mündlich verhandelt.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird Bezug genommen auf die Sitzungsniederschriften, die vorbereitenden Schriftsätze der Beteiligten sowie den weiteren Inhalt der Prozessakte und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten.
Entscheidungsgründe:
Die statthafte (§§ 143, 144 SGG) und auch im Übrigen zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte (§ 151 SGG) Berufung ist begründet. Das SG hat die zulässige kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 Var. 1, § 55 Abs. 1 Nr. 1, § 56 SGG, st. Rspr. des Bundessozialgerichts (BSG), vgl. nur Urteil vom 31. August 2017 – B 2 U 1/16 R, juris) zu Unrecht abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in deren Rechten. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Feststellung, dass sie am 18. Dezember 2015 einen Arbeitsunfall in Gestalt eines Wegeunfalls (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch (SGB VII)). erlitten hat.
Nach § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind nach § 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen. Ein Arbeitsunfall setzt daher voraus, dass die Verrichtung zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer oder sachlicher Zusammenhang), sie zu dem zeitlich begrenzten, von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis – dem Unfallereignis – geführt (Unfallkausalität) und dass das Unfallereignis einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten objektiv und rechtlich wesentlich verursacht hat (haftungsbegründende Kausalität) (st. Rspr. des BSG, vgl. nur Urteil vom 31. August 2017 – B 2 U 1/16 R, a.a.O., m.w.N.).
Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt.
Die Klägerin war als Beschäftigte gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII versichert, weil die Weihnachtsfeier in einem inneren Zusammenhang mit ihrer versicherten Tätigkeit als Bankangestellte stand. Nach ständiger Rechtsprechung des BSG ist auch die Teilnahme an einer betrieblichen Gemeinschaftsveranstaltung, zum Beispiel einer betrieblichen Weihnachtsfeier, eine den Versicherungsschutz als Beschäftigte(r) begründende Tätigkeit, wenn diese im Einvernehmen mit der Unternehmensleitung stattfindet, wobei es genügt, wenn bei betrieblichen Gemeinschaftsveranstaltungen in einzelnen organisatorischen Einheiten des Unternehmens, insbesondere wenn das Unternehmen über mehrere Betriebsstätten oder Dienststellen verfügt, die Leitung der jeweiligen organisatorischen Einheit oder Dienststelle als Veranstalter seitens des Unternehmens fungiert (s. nur BSG, Urteil vom 5. Juli 2016 – B2U 19/14 R, BSGE 121,297, m.w.N.). So lag der Fall hier. Die gesamte Belegschaft der Bankfiliale nahm ebenso wie die Filialdirektorin an der in deren Auftrag organisierten Weihnachtsfeier teil.
Die Klägerin erlitt bei dem Sturz eine zeitlich begrenzte, von außen kommende Einwirkung auf ihren Körper und damit einen Unfall im Sinne des § 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII. Sie schlug mit dem Gesicht auf, wodurch ein Teil Außenwelt auf den Körper einwirkte und die Klägerin Gesundheits(erst)schäden erlitt. Deshalb kann an dieser Stelle dahingestellt bleiben, ob es zu einer – ggf. leichten – Kollision mit dem vorbeifahrenden unbekannten Fahrradfahrer kam oder nicht. Obwohl das Gericht aufgrund der insoweit hinsichtlich des Kerngeschehens konsistenten und im Rahmen der mündlichen Verhandlung spontanen und glaubhaften Angaben der Klägerin davon überzeugt ist, dass ein schnell vorbeifahrender Radfahrer die wesentliche Ursache für den Sturz der Klägerin auf ihrem Heimweg war, wäre schließlich auch dann von einem Unfall auszugehen, wenn man unterstellte, die Klägerin wäre ohne Fremdeinwirkung gestürzt, möglicherweise sogar beim Fahrradfahren unter Alkoholeinfluss.
Es fehlt vorliegend auch nicht deshalb an dem Versicherungsschutz nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII, weil sich keine Verkehrsgefahr realisiert oder – so aber die Auffassung der Beklagten und des SG – die Klägerin sich zum Unfallzeitpunkt etwa auf einem unversicherten Umweg befunden hätte. Dies war nicht der Fall.
Zu den in der gesetzlichen Unfallversicherung gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII versicherten Tätigkeiten zählt das Zurücklegen des mit der nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit. Dabei ist nicht der Weg als solcher, sondern dessen Zurücklegen versichert, also der Vorgang des Sichfortbewegens auf einer Strecke, die durch einen Ausgangs- und einen Zielpunkt begrenzt ist. Der Versicherungsschutz besteht, wenn der Weg erkennbar zu dem Zweck zurückgelegt wird, den Ort der Tätigkeit – oder nach deren Beendigung im typischen Fall die eigene Wohnung – zu erreichen. Maßgebliches Kriterium für den sachlichen Zusammenhang ist, ob die anhand objektiver Umstände zu beurteilende Handlungstendenz des Versicherten beim Zurücklegen des Weges darauf gerichtet war, eine dem Beschäftigungsunternehmen dienende Verrichtung auszuüben, d.h. ob sein Handeln zum Zurücklegen des Weges zu oder von der Arbeitsstätte gehört (st. Rspr. des BSG, vgl. nur Urteil vom 31. August 2017 – B 2 U 1/16 R, a.a.O., m.w.N.).
Insbesondere nach den spontanen, durchweg glaubhaft Antworten der Klägerin auf die in der Verhandlung gestellten Fragen zum Unfallhergang und zu den Umständen, die zur eigentlich nicht geplanten Mitnahme des Fahrrads und der Wahl des zum Teil begleiteten Wegs geführt hatten, ist das Gericht zunächst davon überzeugt, dass sich eine Verkehrsgefahr realisiert hat, als die Klägerin durch die von Anfang an im Wesentlichen konstant angegebene Einwirkung eines anderen Verkehrsteilnehmers – ob nun mit oder ohne Kontakt – auf dem Weg von der untergesetzlichem Unfallversicherungsschutz stehenden Weihnachtsfeier nach Hause stürzte. Auch insoweit spielt es keine Rolle, ob die Klägerin – wie vom Gericht zu Grunde gelegt – wegen eines vorbeifahrenden Radfahrers erschreckte und stürzte oder ob es zu einer Kollision kam oder ob die Klägerin gar gehend oder Fahrrad fahrend ohne Einwirkung eines Dritten zu Fall kam. Dass die Folgen ihres Alkoholgenusses allein wesentliche Ursache für den Sturz gewesen sein könnten, ist angesichts des Umstandes nicht mit dem erforderlichen Vollbeweis feststellbar, dass die Klägerin bis dahin bereits eine wesentliche Strecke an der kalten Luft zurückgelegt hatte, sowohl mit ihren Kollegen als auch mit den Polizeibeamten Gespräche führte, nach dem Unfall zielgerichtet nach Hause ging (oder ggf. fuhr) und nur eine Atem- und keine Blutalkoholtestung gemacht wurde.
Schließlich ist es unerheblich, dass die Klägerin für den Rückweg von der Weihnachtsfeier nach Hause einen weiteren Weg als den entfernungsmäßig kürzesten wählte.
Auch auf einem Umweg besteht Versicherungsschutz, wenn auch für diesen weiteren Weg ein innerer Zusammenhang zwischen der Tätigkeit und dem Weg von und zur Arbeitsstätte gegeben ist, was vor dem Hintergrund der grundsätzlich freien Wahlmöglichkeit zwischen mehreren Strecken der Fall ist, wenn er wesentlich der Zurücklegung des Weges dient und für die Wahl keine Gründe maßgebend sind, die allein oder überwiegend dem privaten Lebensbereich des Versicherten zuzurechnen sind (st. Rspr., s. nur BSG, Urteil vom 30. April 1986 – 2 RU 44/85, USK 8630; Bereiter-Hahn/Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, 5. Aufl., Stand 3/2016, § 8 SGB VII Rn. 12.34 m.w.N.). So liegt der Fall hier. Etwaige private Zwecke, denen die Wahl einer anderen Wegstrecke als der kürzesten gedient haben könnte, können nicht festgestellt werden.
Zunächst erscheint es schlüssig, dass es der Klägerin, auch wenn sie zum Unfallzeitpunkt schon jahrelang in H. gewohnt hatte, nicht bewusst war, für den Heimweg einen weiteren Weg als den kürzesten gewählt zu haben (den Unfallversicherungsschutz nicht berührender "irrtümlicher Umweg", vgl. Bereiter-Hahn/Mehrtens, a.a.O.,m.w.N.). Es handelte sich nicht um den regelmäßigen Heimweg vom Arbeitsplatz, sondern um den nächtens von einem tatsächlich südwestlich der Binnenalster gelegenen Lokal in unvorbereiteter Weise zu Fuß mit Fahrrad angetretenen Weg. Daher erscheint es dem ebenfalls ortskundigen Gericht entgegen den Ausführungen des SG beileibe nicht offensichtlich, dass der Rückweg zur östlich der Alster gelegenen Wohnung der Klägerin zwingend auch östlich der Binnenalster hätte entlang führen müssen. Schließlich betrug die Abweichung der gewählten Strecke gegenüber der entfernungsmäßig kürzesten lediglich 900 m bzw. 12 Minuten Gehdauer, gegenüber der unter Vermeidung des Hauptbahnhofs von der Beklagten und dem SG nunmehr als unmittelbar genannten Strecke über den B. östlich der Binnenalster lediglich 500 m bzw. 5 Minuten Gehdauer. Die ungeplanterweise mit dem Fahrrad bei der Weihnachtsfeier erschienene Klägerin hatte sich im Vorfeld keine Gedanken über den Rückweg gemacht, war auch nicht direkt von ihrem Zuhause zum Lokal gefahren, sondern morgens lediglich zu ihrer Arbeitsstelle, von wo aus sie mit Kollegen den Weg zur Feier gemeinsam zurückgelegt hatte. Entgegen den Ausführungen des SG kann auch nicht erwartet werden, dass zur Aufrechterhaltung des Versicherungsschutzes jeder Versicherte vor Antritt eines Weges zunächst über einen Routenplaner prüft, welches der kürzeste ist. Vor diesem Hintergrund spielen auch die von der Beklagten im letzten Termin zur mündlichen Verhandlung in Bezug genommenen Entscheidungen des BSG und des LSG Baden-Württemberg bei der rechtlichen Bewertung des vorliegenden Sachverhalts keine Rolle. Ihnen lagen jeweils schon deshalb nicht vergleichbare Sachverhalte zu Grunde, weil es sich um Abweichungen vom üblichen und direkten Weg handelte – und dies auch noch zu einem ausschließlich eigenwirtschaftlichen Zweck.
Darüber hinaus ist es für das Gericht uneingeschränkt nachvollziehbar, dass die Klägerin einen Rückweg unter Umgehung ihr gerade angesichts der Nachtzeit Angst einflößender Örtlichkeiten nahm und hierbei eine Variante wählte, bei der die längstmögliche Begleitung durch ihren Arbeitskollegen gewährleistet war.
Das BSG sieht – unter Berücksichtigung des Schutzzwecks der gesetzlichen Unfallversicherung zu Recht – den Versicherungsschutz für längere Wege u.a. als gegeben an, wenn diese sicherer und übersichtlicher sind, aber auch, wenn der Versicherte sich verfahren hat oder wegen des Bedürfnisses nach Erfrischung einen längeren Weg gewählt hat (s. nur BSG, Urteil vom 11. September 2001 - B 2 U 34/00 R, NZS 2002,161, m.w.N.), lässt also unter Berücksichtigung der grundsätzlichen Wahlfreiheit des Versicherten hinsichtlich der Zurücklegung des Weges (s. hierzu auch G. Wagner in: juris-PK SGB VII, 2. aufl. 2014, Stand: 29. Juni 2017 m.N.) auch nicht aus der Luft gegriffene subjektive Erwägungen ausreichen. Entgegen der Auffassung der Beklagten und des SG rechtfertigen nicht nur – neben "örtlichen Gegebenheiten" wie "Baustellen" – "polizeilich festgestellte besondere Gefährdungslagen" die Umgehung von Örtlichkeiten auf dem kürzesten Weg vom oder zum Ort der versicherten Tätigkeit, wobei sich diesbezüglich schon die Frage stellt, welche Anforderungen an eine solche polizeiliche Feststellung zu stellen sind. Entscheidend ist, ob der Versicherte der Auffassung sein konnte, der gewählte Weg sei für ihn und insbesondere sein Verkehrsmittel insgesamt mit geringeren, vor allem weniger größeren Gefahren verbunden (BSG, Urteil vom 30. April 1986 – 2 RU 44/85, a.a.O.). Dies ist zweifellos der Fall, wenn nachts menschenleere Einkaufs- und Geschäftsstraßen – wie vorliegend auf dem von der Beklagten und dem SG beschriebenen unmittelbaren Weg – und überhaupt, so weit wie möglich, die unbegleitete Zurücklegung des Weges vermieden werden. Um zu dieser Einschätzung zu gelangen, bedarf es nicht einmal der Kenntnis von den vom Prozessbevollmächtigten der Klägerin ins Verfahren eingeführten strafrechtlich relevanten Vorfällen.
Dass die Klägerin die vorgenannte Motivation für die Wahl des konkreten Heimwegs von der Weihnachtsfeier nicht nur vorgab, folgt nicht nur aus dem insoweit konsistenten und jedenfalls dem erkennenden Gericht ohne weiteres nachvollziehbaren Angaben seit der Einlegung des Widerspruchs – vorher bestand kein Anlass dafür, sich diesbezüglich zu äußern – bis zur mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Gericht, sondern auch daraus, dass ihr Wegzug aus der H. Innenstadt Anfang 2017 ihr Unbehagen und fehlendes Sicherheitsgefühl dokumentiert. Es besteht kein Anlass dafür, zum Sachverhalt noch weitere Ermittlungen anzustellen, wie es die Beklagte mit ihren "Hilfsanträgen" im letzten Termin zur mündlichen Verhandlung angeregt hat. Das Gericht kann sich allein durch den Beteiligtenvortrag die Überzeugung verschaffen, wenn der Beteiligte glaubwürdig und sein Vortrag widerspruchsfrei ist und mit den sonstigen Fakten im Einklang steht (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl. 2017, § 118 Rn. 8 m.N.). So liegt der Fall hier. Die von der Beklagten aufgezeigten kleineren Widersprüche können auch auf einer falschen oder missverständlichen Wiedergabe Dritter beruhen – was insbesondere beim Entlassungsbericht des U. deutlich wird, der dem genauen Wortlaut nach zwei verschiedene Unfallschilderungen beinhaltet – und betreffen nicht die der rechtlichen Bewertung zugrunde zu legenden Kernumstände bzw. sind vor dem Hintergrund einer ggf. möglichen Wahlfeststellung ohne Bedeutung. Auch dass die Beklagte möglicherweise mutmaßt, die Klägerin könne den Umweg unter Inanspruchnahme der Begleitung durch ihren Kollegen V. gewählt haben, um dessen Gesellschaft noch genießen zu können, bietet keinen Anlass zu weiteren Ermittlungen. Abgesehen davon, dass es hierfür keinen Anhaltspunkt gibt und die Ermittlungen quasi ins Blaue hinein erfolgten, sind die Angaben der Klägerin zum fehlenden Bewusstsein eines Umwegs und zur Wahl des begleiteten Weges unter Sicherheitsaspekten derart glaubhaft und schlüssig, dass ein möglicherweise daneben bestehendes Motiv in Gestalt des Wunsches nach Gesellschaft jedenfalls nicht den alleinigen oder überwiegenden Beweggrund aus dem eigenwirtschaftlichen Bereich der Klägerin darstellen würde, sodass der Versicherungsschutz auf dem gewählten Weg auch dann nicht entfiele.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ausgang des Rechtsstreits.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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