L 2 AS 2158/18 B ER

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
2
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 15 AS 4260/18 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 2 AS 2158/18 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Düsseldorf vom 03.12.2018 wird zurückgewiesen. Kosten für das Beschwerdeverfahren sind nicht zu erstatten. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.

Gründe:

Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet.

Das Sozialgericht hat dem auf einstweilige Verpflichtung des Antragsgegners zur Gewährung von Leistungen der Grundsicherung nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) gerichteten Antrag zu Recht nur hinsichtlich des Mehrbedarfszuschlags für Alleinerziehende entsprochen.

Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt somit voraus, dass ein materieller Anspruch besteht, für den vorläufiger Rechtsschutz begehrt wird (Anordnungsanspruch), und dass der Erlass einer gerichtlichen Entscheidung besonders eilbedürftig ist (Anordnungsgrund). Eilbedürftigkeit besteht, wenn dem Betroffenen ohne eine schnelle Entscheidung eine erhebliche, über Randbereiche hinausgehende Verletzung seiner Rechte unmittelbar droht, die durch eine spätere Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr beseitigt werden kann (vgl. BVerfG, Beschluss vom 12.05.2005, 1 BvR 569/05, Rn. 23 bei juris). Der gemäß Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG) von den Gerichten zu gewährende effektive Rechtsschutz erfordert auch Rechtsschutzerlangung innerhalb angemessener Zeit. Daraus folgt, dass gerichtlicher Rechtsschutz namentlich in Eilverfahren so weit wie möglich der Schaffung solcher vollendeter Tatsachen zuvorzukommen hat, die dann, wenn sich eine Maßnahme bei (endgültiger) richterlicher Prüfung als rechtswidrig erweist, jedenfalls nicht mehr vollständig rückgängig gemacht werden können (BVerfG, Beschluss vom 16.05.1995, 1 BvR 1087/91, Rn. 28 bei juris).

Der geltend gemachte Anordnungsanspruch und die Eilbedürftigkeit sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i. V. m. §§ 920 Abs. 2, 294 Abs. 1 Zivilprozessordnung -ZPO-). Dafür ist erforderlich, aber auch ausreichend, dass die tatsächlichen Voraussetzungen von Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund zur Überzeugung des Gerichts mit überwiegender Wahrscheinlichkeit vorliegen (vgl. BSG, Beschluss vom 08.08.2001, B 9 V 23/01 B, Rn. 5 bei juris).

Ob ein Anordnungsanspruch vorliegt, ist in der Regel durch summarische Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache zu ermitteln. Können ohne die Gewährung von Eilrechtsschutz jedoch schwere und unzumutbare Nachteile entstehen, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären, ist eine abschließende Prüfung erforderlich (BVerfG, Beschluss vom 12.05.2005, 1 BvR 569/05, Rn. 24 f. bei juris). Liegt ein Anordnungsanspruch nicht vor, ist ein schützenswertes Recht zu verneinen und der Eilantrag abzulehnen. Hat die Hauptsache hingegen offensichtlich Aussicht auf Erfolg, ist dem Eilantrag stattzugeben, wenn die Angelegenheit eine gewisse Eilbedürftigkeit aufweist. Kann bei der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren vielfach nur möglichen summarischen Prüfung die Erfolgsaussicht nicht abschließend beurteilt werden, muss das Gericht anhand einer Folgenabwägung unter umfassender Berücksichtigung grundrechtlicher Belange entscheiden (BVerfG, Beschluss vom 12.05.2005, 1 BvR 569/05, Rn. 26 bei juris; vgl. auch Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl. 2017, § 86b Rn. 29a). Je schwerwiegender ein durch ein Abwarten des Hauptsacheverfahrens endgültig eintretender Schaden ausfiele, desto geringere Anforderungen sind im Rahmen der Folgenabwägung an die Überzeugung des Gerichts vom Bestehen eines Anordnungsanspruchs zu richten. Damit verbunden ist jedoch nicht eine Reduzierung der Bemühungen, die nach Lage des konkreten Einzelfalles vom Rechtsschutzsuchenden zur Glaubhaftmachung des von ihm geltend gemachten Anordnungsanspruchs und Anordnungsgrundes zu verlangen sind. Wer geltend macht, ohne eine schnelle gerichtliche Entscheidung von schweren und unzumutbaren Nachteilen unmittelbar bedroht zu sein, von dem ist zu erwarten, dass er alles ihm Mögliche sowie nach den konkreten Umständen des Einzelfalls Zumutbare unternimmt, um die ihm drohenden Nachteile nicht eintreten zu lassen. Fehlt es ersichtlich an derartigen Bemühungen, können im Einzelfall erhebliche Zweifel insbesondere am Vorliegen des Anordnungsgrundes, aber auch des Anordnungsanspruchs gerechtfertigt sein. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Gewährung von Leistungen der Grundsicherung nach dem SGB II im Streit steht. Wird geltend gemacht, auf die Gewährung existenzsichernder Leistungen dringend angewiesen zu sein, dann muss vom Antragsteller erwartet werden, dass er alles in seiner Macht Stehende unternimmt, diese Mittel möglichst schnell zur Überwindung der behaupteten finanziellen oder sonstigen Notlage zu erhalten.

Unter Berücksichtigung der vorstehend aufgeführten Rechtsgrundsätze konnte die Beschwerde auch nach sorgfältiger Anstellung einer Folgenabwägung keinen Erfolg haben. Es ist nicht glaubhaft gemacht worden, dass die Antragstellerin die Voraussetzungen für einen Bezug von allgemeinen Leistungen (Regelleistungen und Unterkunftskosten) nach dem SGB II erfüllt. Derartigen Leistungsansprüchen steht der in § 7 Abs. 5 SGB II normierte Leistungsausschluss für Auszubildende, deren Ausbildung im Rahmen des Bundesausbildungsförderungsgesetzes (BAföG) dem Grunde nach förderungsfähig ist, entgegen. Die Antragstellerin absolviert eine Ausbildung, die im Rahmen des BAföG dem Grunde nach förderungsfähig ist. Leistungen nach diesem Gesetz erhält sie nur wegen des Erreichens der Förderungshöchstdauer nicht. Das Sozialgericht, auf dessen Ausführungen im angefochtenen Beschluss der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen nach eigener Prüfung Bezug nimmt, hat zutreffend dargelegt, dass sich ein Leistungsanspruch für die Beschwerdeführerin weder aus der Ausnahmeregelung in § 7 Abs. 6 SGB II noch aus der speziellen Regelung für Auszubildende in § 27 SGB II ergibt. Der Senat stimmt mit dem Sozialgericht auch darin überein, dass der Leistungsausschluss sich nicht als eine besondere Härte im Sinne von § 27 Abs. 3 S. 1 SGB II für die Antragstellerin darstellt. Ob ein besonderer Härtefall vorliegt, ist unter Berücksichtigung der individuellen Umstände des Einzelfalles zu beurteilen. Eine besondere Härte kann dann vorliegen, wenn ein wesentlicher Teil der Ausbildung bereits absolviert ist und der bevorstehende Abschluss unverschuldet an Mittellosigkeit zu scheitern droht. Dies setzt allerdings voraus, dass mit den Leistungen der Grundsicherung nur eine vorübergehende und kurzzeitige Notlage bis zum Ausbildungsabschluss zu überbrücken ist. Es muss deshalb eine durch objektive Umstände belegbare Aussicht bestehen, dass nachweisbar (beispielsweise durch Meldung zur Prüfung, wenn alle Prüfungsvoraussetzungen bereits erfüllt sind) die Ausbildung mit den SGB II-Leistungen höchstwahrscheinlich in absehbarer Zeit durch einen Abschluss zu Ende gebracht werden kann (siehe auch Bundessozialgericht, Urteil vom 06.09.2007 zum Az. B 14/7b AS 28 /06 R, zur Rn. 35 bei juris).

Es ist hier nicht glaubhaft gemacht worden, dass die Antragstellerin mit ihrer Ausbildung weit fortgeschritten ist und diese voraussichtlich in absehbarer Zeit erfolgreich beenden wird. Aussagekräftige Unterlagen darüber wurden von ihr auch im Beschwerdeverfahren nicht vorgelegt, obwohl der rechtskundig vertretenen Antragstellerin schon in Anbetracht der Begründung der ablehnenden Entscheidung des Sozialgerichts deren Wichtigkeit für einen Antragserfolg bekannt sein musste. Aus dem im Beschwerdeverfahren vorgelegten E-Mail-Verkehr mit einem Hochschulprofessor ist lediglich ersichtlich, dass die Antragstellerin diesem offenbar Themenvorschläge für eine Abschlussarbeit unterbreitet hat. Ob diese Vorschläge von Seiten der Hochschule angenommen worden sind, ist nicht erkennbar. Für den Senat bestehen schon deshalb große Zweifel an einem baldigen Studienabschluss, weil die Antragstellerin zuvor offenbar kein für eine Abschlussarbeit ausreichendes Leistungsvermögen gezeigt hat. Dies ist aus dem von ihr vorgelegten E-Mails ebenfalls ersichtlich und deckt sich zudem mit ihren Angaben gegenüber dem Antragsgegner in der Niederschrift vom 24.07.2018, in der es heißt, sie habe März 2018 ihr Studium abgebrochen, weil sie die Masterarbeit nicht bestanden habe. Gegen ein baldiges Erreichen des Ausbildungsziels spricht auch der Umstand, dass die Antragstellerin von der ihr im Bescheid des Studierendenwerks Düsseldorf vom 23.02.2017 aufgezeichneten Möglichkeit zur Erlangung weiterer Leistungen nach dem BAföG, nämlich eine Bescheinigung der Hochschule über einen voraussichtlich binnen Jahresfrist erreichbaren Studienabschluss einzureichen, keinen Gebrauch gemacht hat.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.

Mangels Erfolgsaussicht war der Antrag auf Prozesskostenhilfe abzulehnen.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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