L 14 KG 8/02

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Kindergeld-/Erziehungsgeldangelegenheiten
Abteilung
14
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 6 KG 67/01
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 14 KG 8/02
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 10 KG 8/04 B
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 8. Februar 2002 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig zwischen den Beteiligten ist die Rückforderung des Kindergeldzuschlags für das Jahr 1994 in Höhe von 204,00 DM und für das Jahr 1995 in Höhe von 384,00 DM.

Die Beklagte hatte der Klägerin mit Bescheiden vom 17.02.1994 und 17.02.1995 Kindergeldzuschlag für die Kalenderjahre 1994 und 1995 für ein Kind in Höhe von monatlich 32,00 DM vorläufig unter dem Vorbehalt der Rückforderung gezahlt, und zwar abweichend von Abs.7 des zum 31.12.1995 außer Kraft getretenen § 11a des Bundeskindergeldgesetzes - BKGG - (Zahlung einmal jährlich nach Ablauf des jeweiligen Kalenderjahrs) bereits während des Jahres, für das er in Betracht kommt, weil nach dem mutmaßlichen Jahreseinkommen sich voraussichtlich der zustehende Kinderfreibetrag nicht auswirken wird (§ 11a Abs.8 BKGG).

Mit zwei Bescheiden vom 23.10.1998 forderte die Beklagte von der Klägerin den in den Jahren 1994 und 1995 gezahlten Kindergeldzuschlag von jeweils 384,00 DM zurück, weil sie trotz Aufforderung und Mahnung die Steuerbescheide für die betreffenden Jahre nicht vorgelegt hatte. Der hiergegen eingelegte Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 09.12.1998 mit der Begründung zurückgewiesen, im Widerspruchsverfahren habe das Arbeitsamt die zur Berechnung des Kindergeldzuschlags erforderlichen Daten direkt beim Finanzamt erfragt; es habe sich herausgestellt, dass in beiden Jahren das zu versteuernde Einkommen der Klägerin den für sie maßgeblichen steuerlichen Grundfreibetrag von 5.616,00 DM überstiegen habe, so dass der zustehende Kinderfreibeitrag damit voll ausgeschöpft worden sei. Der in Gesamthöhe von 768,00 DM überzahlte Betrag sei nach § 11a Abs.8 BKGG zu erstatten.

Im anschließenden Klageverfahren vor dem Sozialgericht München (S 6 KG 1/99) schlossen die Beteiligten am 06.04.2001 einen prozessbeendigenden Vergleich. Danach sollte die Klägerin die bestandskräftigen Einkommensteuerbescheide für die Jahre 1994 und 1995 innerhalb von sechs Wochen vorlegen und die Beklagte dann anhand dieser Bescheide die Höhe des zustehenden Kindergeldzuschlags überprüfen.

Nachdem die Klägerin die betreffenden Steuerbescheide nicht vorlegte, zog die Beklagte sie vom Finanzamt bei. Beide Bescheide datierten vom 18.02.1999 und enthielten den Hinweis, dass hierdurch frühere Steuerfestsetzungen geändert worden sind.

Nach den jetzt aktuellen Zahlen betrug der Bruttoarbeitslohn im Jahre 1994 21.167,00 DM; hiervon waren abgezogen der Arbeitnehmer-Pauschbetrag (2.000,00 DM), Sonderausgaben (Pauschbetrag 108,00 DM), Versicherungsbeiträge (4.085,00 DM), Kinderbetreuungskosten (Pauschbetrag 480,00 DM), ein Behindertenpauschbetrag (1.110,00 DM), ein Haushaltsfreibetrag (5.616,00 DM) und ein halber Freibetrag für ein Kind (2.052,00 DM; die andere Hälfte stand dem Unterhalt zahlenden Vater zu). Hiernach ergab sich ein zu versteuerndes Einkommen von 5.716,00 DM und eine Steuer von 10,00 DM nach der Grundtabelle; unter Anwendung der neueren Steuertabelle zur Steuerfreistellung des Existenzminimums wurde die festzusetzende Einkommensteuer mit 0,00 DM festgesetzt. Im Jahre 1995 betrug der Bruttoarbeitslohn 26.310,00 DM. Nach Abzug ähnlicher Beträge wie im Jahre 1994 ergab sich ein zu versteuerndes Einkommen von 10.109,00 DM und damit eine Einkommensteuer von 857,00 DM nach der Grundtabelle. Unter Anwendung der Tabelle zur Steuerfreistellung des Existenzminimums wurde die Einkommensteuer mit 0,00 DM festgesetzt.

Die Klägerin machte geltend, die Beklagte solle bei der erneuten Entscheidung über die Kindergeldzuschläge nach einer Härtefall-Regelung verfahren, zumal ein Überstunden-Ausgleich durch Freizeit nachträglich nicht mehr möglich gewesen sei. Sie sei halbtags (20 Stunden wöchentlich) bei der Firma S. als Kassiererin beschäftigt gewesen und habe im Dezember 1995 eine Krankheitsvertretung übernommen, so dass sie in diesem Monat mehr gearbeitet und mehr verdient habe. Außerdem habe sie die zusätzlichen Kosten für die Betreuung ihres im Jahre 1990 geborenen Kindes, für eine Schwerbehinderung (GdB 50 v.H.) sowie die Mehrkosten für Verpflegung und Fahrtkosten in die Steuerbescheide nicht mehr einbringen können. An außergewöhnlichen Belastungen lägen heizungsbedingt hohe Kosten für Strom vor, im Jahre 1994 1.930,17 DM und im Jahre 1995 2.053,49 DM.

Mit streitgegenständlichem Bescheid vom 07.06.2001 lehnte die Beklagte eine Zugunstenentscheidung ab, weil die Überprüfung ergeben habe, dass die geänderten zu versteuernden Einkommen für 1994 und 1995 in Höhe von 5.716,00 bzw. 10.109,00 DM den damals geltenden steuerlichen Grundfreibetrag von 5.616,00 DM überstiegen hätten. Demnach seien die unter Vorbehalt gezahlten Kinderzuschläge für die Jahre 1994 und 1995 in Höhe von 768,00 DM überzahlt und weiterhin zu erstatten.

Mit dem hier eingelegten Widerspruch trug die Klägerin erneut die Gründe vor, die nach ihrer Ansicht eine Rückforderung nicht zuließen. Die Beklagte fragte beim Finanzamt wegen einer Änderung der Steuerfestsetzungen für die Jahre 1994 und 1995 unter Berücksichtigung der Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts vom 10.11.1998 zu den Kinderfreibeträgen nach. Sie erhielt mit Schreiben vom 25.07.2001 die Auskunft, dass eine Änderung der Steuerbescheide nicht mehr möglich sei, weil die festgesetzte Steuer bereits 0,00 DM betrage. Unter Berücksichtigung des § 53 des Einkommensteuergesetzes - EStG - in der Fassung vom 19.10. 2002 (Sondervorschrift zur Steuerfreistellung des Existenzminimums eines Kindes in den Veranlagungszeiträumen 1983 bis 1995) ergäbe sich für 1994 ein zu versteuerndes fiktives Einkommen von 4.720,00 DM, wenn anstelle des halben Kinderfreibetrags von 2.052,00 DM der Betrag für das halbe Existenzminimum nach § 53 EStG von 3.048,00 DM berücksichtigt werde. Eine entsprechende fiktive Berechnung nahm die Beklagte für das Jahr 1995 vor, so dass sich insoweit das zu versteuernde Einkommen von 10.109,00 DM auf 9.113,00 DM minderte. (Der nach Bl.128 der Kindergeldakte unrichtig berechnete Endbetrag von 9.077,00 DM beruht darauf, dass der Betrag von 3.048,00 DM versehentlich mit 3.084,00 DM berücksichtigt wurde.) Mit Teil-Abhilfebescheid vom 27.07.2001 setzte die Beklagte die Rückforderung von 384,00 DM für das Jahr 1994 auf 204,00 DM herab. Für dieses Jahr unterschreite das zu versteuernde Einkommen von 4.720,00 DM den Grundfreibetrag von 5.616,00 DM, so dass sich ein Kindergeldzuschlag für dieses Jahr von 180,00 DM errechne. Keine Änderung ergebe sich jedoch für das Jahr 1995.

Im Übrigen wurde der Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 01.08.2001 zurückgewiesen und hierin der Klägerin eine genaue Berechnung des Kindergeldzuschlags einschließlich der hierfür einschlägigen Vorschriften an die Hand gegeben. Jene habe nunmehr insgesamt 588,00 DM zu erstatten.

Im anschließenden Klageverfahren vor dem Sozialgericht München (S 6 KG 67/01) wandte sich die Klägerin gegen die Erstattung von 588,00 DM unter Hinweis auf die bereits im Verwaltungsverfahren dargelegten besonderen Umstände. Das Sozialgericht wies die Klage mit Urteil vom 08.02.2002 ab und bezog sich zur Begründung auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid vom 01.08.2001.

Mit dem Rechtsmittel der Berufung verfolgt die Klägerin ihr Begehren auf Aufhebung der Rückforderung weiter und macht geltend, das Lebensrecht und das Wohlergehen ihres damals vier Jahre alten Kindes stehe unter dem besonderen Schutz des Grundgesetzes und sei durch die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts unangreifbar geworden; hierzu nahm sie Bezug auf einen Artikel, in dem ausgeführt ist, dass das Bundesverfassungsgericht dem Gesetzgeber endlich klar gemacht habe, dass die frühere Kindergeldregelung (einkommensbedingte Minderung des Kindergelds auf die Sockelbeträge) verfassungswidrig sei. Nach zweimaligen Hinweisen des Senats zur Sach- und Rechtslage vertritt sie weiterhin die Auffassung, die besonderen Umstände ihres Falles seien nicht berücksichtigt worden. Der Kindergeldzuschlag sei erst im Jahre 1998 zurückgefordert, aber bereits in den Jahren 1994 und 1995 "nach Treu und Glauben" für das Kind verwendet worden. Sie weist auf ihr damaliges geringes Gehalt von 1.300,00 DM monatlich brutto im Jahre 1994 und 1.633,00 monatlich brutto im Jahre 1995 sowie darauf hin, dass "eine Änderung der zwingend notwendigen beruflichen Krankheitsvertretung" (gemeint: die Erzielung höheren Entgelts im Dezember 1995 wegen aushilfsweiser vollschichtiger Tätigkeit) nach drei bis vier Jahren nicht mehr habe rückgängig gemacht werden können. An außergewöhnlichen Belastungen macht sie eine Nettomiete von 403,33 DM monatlich (1994) sowie die Kosten der Elektroheizung von 160,85 DM monatlich im Jahre 1994 und 171,17 DM im Jahre 1995 geltend; weiterhin hätten die Kosten für die Betreuung des Kindes steuerlich nicht mehr geltend gemacht werden können.

Die Klägerin beantragt, das Urteil des Sozialgerichts München vom 08.02.2002 aufzuheben sowie die Beklagte unter Abänderung der Bescheide vom 07.06. und 27.07.2001 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01.08.2001 zu verurteilen, die Bescheide vom 23.10.1998 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.12.1998 in vollem Umfang zurückzunehmen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Dem Senat lagen zur Entscheidung die Prozessakten beider Rechtszüge einschließlich der bereits abgeschlossenen Streit- akte des Sozialgerichts München sowie die zu Beweiszwecken beigezogene Kindergeldakte der Beklagten vor. Zur Ergänzung des Tatbestands, insbesondere hinsichtlich des Inhalts der Bescheide und des Vortrags der Klägerin, wird hierauf Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§§ 143 ff., 151 SGG) ist zulässig, in der Hauptsache aber unbegründet.

Die streitgegenständlichen Bescheide der Beklagten waren nicht zu beanstanden. Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, und Leistungen sind nachträglich - innerhalb des maßgeblichen Vierjahreszeitraums - zu erbringen (§ 44 Abs.1 und Abs.4 SGB X). Im Übrigen ist ein rechtswidriger nicht begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise für die Zukunft zurückzunehmen. Er kann auch für die Vergangenheit zurückgenommen werden (§ 44 Abs.2 SGB X). Die Voraussetzungen dieser Vorschriften sind nicht erfüllt, weil der Bescheid vom 17.02.1994 hinsichtlich der (noch streitigen) Rückforderung von 204,00 DM und der Bescheid vom 17.02.1995 hinsichtlich der Rückforderung von 384,00 DM nicht unrichtig waren.

Nach § 11a Abs.1 BKGG a.F. wird das Kindergeld für Kinder, für die dem Berechtigten der Kinderfreibetrag nach § 32 Abs.6 EStG zusteht, um einen Zuschlag erhöht, wenn das zu versteuernde Einkommen (§ 2 Abs.5 EStG) des Berechtigten geringer ist als der Grundfreibetrag nach § 32a Abs.1 Nr.1 EStG. Diese Voraussetzung ist für das Jahr 1995 nicht erfüllt. Das zu versteuernde Einkommen von 10.109,00 DM bzw. das fiktiv zu versteuernde Einkommen von 9.113,00 DM liegt weit über dem Grundbetrag von 5.616,00 DM für Alleinstehende. Für das Jahr 1994 ergibt sich aber ein Anspruch auf einen geringen Kindergeldzuschlag, weil das zu versteuernde Einkommen - die Beklagte hatte hier anstelle des zu versteuernden Einkommens von 5.716,00 DM ein fiktives Einkommen von 4.720,00 DM zugrunde gelegt - unterhalb des Grundfreibetrags lag. Aus der Differenz von 896,00 DM war der Kinder- geldzuschlag für das Jahr 1994 zu berechnen. Gemäß § 11a Abs.6 BKGG a.F. beträgt der Zuschlag ein Zwölftel von 19 v.H. des Unterschiedsbetrags zwischen dem zu versteuernden Einkommen und dem maßgeblichen Grundfreibetrag, höchstens jedoch ein Zwölftel von 19 % der Summe der dem Berechtigten zustehenden Kinderfreibeträge. 19 % von 896,00 DM ergeben 170,24 DM; werden 170,24 DM durch 12 Monate geteilt, errechnet sich ein monatlicher Kindergeldzuschlag von 14,18 DM, aufgerundet 15,00 DM (180,00 DM jährlich). Damit hatte die Klägerin im Jahre 1994 204,00 DM (384,00 DM - 180,00 DM) zu viel erhalten und im Jahre 1995 384,00 DM. Gemäß § 11a Abs.8 Satz 4 in Verbindung mit § 11 Abs.3 Sätze 5 und 6 BKGG a.F. ist, sobald die Steuer (endgültig) festgesetzt ist, auch endgültig über die Höhe des Kindergeldzuschlags zu entscheiden. Überzahlte Beträge sind vom Berechtigten zu erstatten. Insoweit ist ein "Gutglaubensschutz" nicht möglich und auch nicht im Gesetz vorgesehen. Die Klägerin wird darauf hingewiesen, dass sie bei der damaligen Bewilligung des Kindergeldzuschlags ausdrücklich darüber in Kenntnis gesetzt worden ist, dass sie nur vorläufig, unter Vorbehalt der Rückforderung die Leistung antragsgemäß erhält, obwohl noch nicht feststand, ob das im laufenden Kalenderjahr erzielte Einkommen unterhalb des Grundfreibetrags liegen würde. Der Gesetzgeber hatte hier eine besondere Vergünstigung vorgesehen, weil der Kindergeldzuschlag - hier handelt es sich um einen von Kindergeld getrennt zu sehenden Anspruch, der einmal jährlich entstehen kann - im Grundfall erst nach Steuerfestsetzung gezahlt wird, wenn die Leistungsvoraussetzungen feststehen. Der Zuschlag kann also erst nach Ablauf des Kalenderjahrs, für das er zu zahlen ist, endgültig gewährt werden. Beantragt der Kindergeldberechtigte die vorzeitige "vorschussweise" Zahlung und wird dem stattgegeben, so trägt er auch das Risiko dafür, dass er die zu Unrecht erhaltenen Leistungen zurückzahlen muss. Auf diese Umstände ist die Klägerin klar und eindeutig in den bewilligenden Bescheiden hingewiesen worden. Sofern sie darüber hinaus bemängelt, dass die (erste) Rückforderung von den in den Jahren 1994 und 1995 gezahlten Beträgen erst im Jahre 1998 erfolgte, so geht dies nicht zu Lasten der Beklagten. Die Klägerin hat entgegen ihrer gesetzlichen Verpflichtung trotz Aufforderung und Mahnung seitens der Beklagten die für die Jahre 1994 und 1995 maßgebenden Steuerbescheide nicht früher vorgelegt, und eine Änderung der Steuerfestsetzung mit Bescheiden vom 18.02.1999, die die Klägerin erheblich früher hätte bewirken können, ist dann verspätet erfolgt, ohne dass die Beklagte irgendeinen Einfluss hierauf gehabt hätte.

Wenn die Klägerin auf ihr geringes Arbeitsentgelt in den Jahren 1994 und 1995 verweist, so ist dies bereits deswegen unbeachtlich, weil der Gesetzgeber den Kindergeldzuschlag nur bei einem zu versteuernden Einkommen von 0,00 bis 5.616,00 DM vorgesehen hat, wobei auch hier noch in diesem Rahmen die Höhe des Zuschlags gestaffelt wird. Wer ein darüber liegendes Einkommen erzielt, ist eben nicht zuschlagsberechtigt, gleich, ob er in vorhersehbarer oder nicht vorhersehbarer Weise höhere Einkünfte im maßgeblichen Kalenderjahr erzielt hat. Auch dies musste die Klägerin wissen. Gerade weil das Einkommen im laufenden Kalenderjahr nur geschätzt werden kann und darüber hinaus unvorhergesehene Umstände eintreten können, wurde der Zuschlag ja nur vorläufig, unter dem Vorbehalt der Rückforderung gewährt.

Im Übrigen ist die Ansicht der Klägerin unzutreffend, bei (nicht mehr möglicher) Abgeltung der Überstunden im Dezember 1995 durch Freizeit wäre sie zuschlagsberechtigt gewesen. Diese Gestaltung hätte nur dazu geführt, dass sie das zusätzliche Entgelt an den Arbeitgeber zurückzahlen hätte müssen, ohne dass hierdurch das zu versteuernde Einkommen von 10.109,00 DM (bzw. fiktiv 9.113,00 DM) auf unter 5.616,00 DM gesunken wäre und einen Anspruch auf Kindergeldzuschlag ausgelöst hätte. Der Grund für einen fehlenden Anspruch liegt vielmehr darin, dass das regelmäßige monatliche Entgelt ab Januar 1995 höher als in den Vorjahren ausfiel.

Die von der Klägerin geltend gemachten außergewöhnlichen Belastungen dürfen nicht berücksichtigt werden. Nicht im Einzelnen begründet werden muss der Umstand, dass die Kosten für Elektroheizung und Kaltmiete der allgemeinen Lebensführung zuzurechnen sind und keine außergewöhnliche Belastung im Sinne des Steuerrechts darstellen. Unerheblich ist es auch, ob die Klägerin in steuerrechtlicher Hinsicht mehr an Kosten als nur den Pauschbetrag für Kinderbetreuungskosten (480,00 DM), den Pauschbetrag für Behinderte (1.110,00 DM) sowie Fahrtkosten von mehr als 2.000,00 DM jährlich (Arbeitnehmer-Pauschbetrag) geltend machen hätte können. Die Beklagte hat nicht die Kompetenzen eines Finanzamts und darf auch nicht wie ein solches tätig werden, d.h. eine Steuerberechnung abweichend von der erfolgten Steuerfestsetzung vornehmen, sondern muss das Ergebnis des Finanzamts übernehmen (BSG vom 21.02.1995 - 10 RKg 35/93). Der Gesetzgeber hat in § 11a Abs.1 Satz 2 BKGG a.F. ausdrücklich bestimmt, dass das zu versteuernde Einkommen vom Arbeitsamt zu berücksichtigen ist, soweit und wie es der Besteuerung vom Finanzamt zugrunde gelegt wurde. Es war Sache der Klägerin, alle Angaben für eine korrekte Besteuerung gegenüber dem Finanzamt zu machen. Die Beklagte ist weder zuständig noch regelmäßig in der Lage, das Steuerrecht selbst zu vollziehen. Außerdem handelt es sich bei dem Kinderzuschlag in erster Linie nicht um eine Sozialleistung, sondern eindeutig um eine steuerliche Vergünstigung, die nur dann gewährt wird, wenn der steuerliche Kinderfreibetrag nicht ausgenutzt werden kann.

Irgendeine Härtefallregelung ist im Gesetz nicht vorgesehen und war auch nicht notwendig. Ein Verstoß des § 11a BKGG a.F. gegen die Verfassung ist nicht ersichtlich. Soweit die Klägerin geltend macht, ihr Kind müsse wegen erhöhter Aufwendungen besonders berücksichtigt werden, stand es ihr ja zunächst frei, die entsprechenden Beträge im steuerrechtlichen Verfahren geltend zu machen. Im Übrigen ist aus Art.6 und Art.3 des Grundgesetzes (GG) kein Anspruch (subjektives Recht) auf Leistungen für Sonderfälle herzuleiten. Beim Kindergeld handelt es sich um eine pauschalierte allgemeine Leistung, die gleichermaßen gewährt wird, ob der Betreuungsaufwand und die Aufwendungen für ein Kind niedrig oder hoch ausfallen. Der vom Kindergeld zu unterscheidende selbständige Anspruch auf Kindergeldzuschlag berücksichtigt hingegen in gewisser Weise über das Steuerrecht besondere Aufwendungen. Darüber hinaus muss der Gesetzgeber im BKGG nicht Sonder- und Ausnahmefälle berücksichtigen. Es stand ihm frei, Leistungen für ein Kind, die ihm gerechtfertigt erschienen, in jedem anderen Gesetz auch zu regeln. Es war dem Gesetzgeber sogar nicht einmal verwehrt, die Regelung des § 11a BKGG mit Wirkung ab 01.01.1996 ganz zu streichen. Ein subjektiv-öffentliches Recht (Anspruch) kann aus dem BKGG a.F. in Verbindung mit dem Grundgesetz auch nicht deswegen abgeleitet werden, weil die ein Kind betreuende Person schwerbehindert ist.

Die Berufung der Klägerin auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts geht fehl. Offenbar wollte sie die Entscheidungen vom 10.11.1998 - 2 BvR 1057/91, 2 BvR 1226/91 und 2 BvR 980/91 - ansprechen. Hierin ging es aber zunächst um die Höhe des Kindergelds und nicht um den Kindergeldzuschlag. Außerdem wurde lediglich die Minderung des Kindergelds wegen zu hohen Einkommens der Kindergeldberechtigten in den Jahren 1983 bis 1985 beanstandet, wobei darauf hinzuweisen ist, dass die einkommensbedingte Minderung des Kindergelds nach dem Gesetz ohnehin nur für das zweite und dritte Kind und nicht für das erste Kind vorgesehen war (vgl. § 10 Abs.2 BKGG a.F.). Darüber hinaus lag der entscheidende Grund dafür, dass das Bundesverfassungsgericht den § 10 Abs.2 BKGG a.F.beanstandet hat, darin, dass in bestimmten Fällen das vom Kindergeldberechtigten erzielte Einkommen zu hoch besteuert worden ist. Zwar wurde in steuerrechtlicher Hinsicht ein Kind durch den Kinderfreibetrag (sowie das Kindergeld, das in einen zusätzlichen steuerlichen Kinderfreibetrag vom Bundesverfassungsgericht umgerechnet wurde), berücksichtigt. Dies erschien aber dem Bundesverfassungsgericht zu wenig, weil das im erzielten Einkommen enthaltene Existenzminimum für ein Kind (existenznotwendige Aufwendungen) dennnoch der Besteuerung in vielen Fällen unterliegen würde. Das Bundesverfassungsgericht hat daher dem Gesetzgeber aufgegeben, die Vorschriften zum Familienlastenausgleich so zu gestalten, dass das Existenzminimum eines Kindes nicht besteuert werde. Diesem ist der Gesetzgeber durch Einführung des § 53 EStG nachgekommen. Hier wurden (steuerliche) Freibeträge für die Jahre 1983 bis 1995 vorgesehen, die wesentlich höher als die bisherigen Kinderfreibeträge waren.

Der Fall der Klägerin ist von den genannten verfassungsrechtlichen Entscheidungen überhaupt nicht betroffen. Dort ging es keineswegs um die Gewährung von Sozialleistungen, d.h., dass der Staat den Bürgern etwas aus allgemeinen Steuermitteln für die Betreuung und Erziehung der Kinder zuwenden sollte, sondern um das Verbot einer zu hohen Besteuerung, also dem Verbot des Wegnehmens eines zu großen Teils vom erzielten Einkommen. Wie die Steuerbescheide der Klägerin für die Jahre 1994 und 1995 ausweisen, hat sie aber 0,00 DM an Einkommensteuer, Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer gezahlt, wurde also von einer Besteuerung und damit erst recht nicht von einer im Hinblick auf Kinder zu hohen Besteuerung betroffen.

Wenn die Beklagte gleichwohl die Überlegungen des Bundesverfassungsgerichts und des Gesetzgebers, die sich gar nicht auf den Kindergeldzuschlag bezogen, bei der Errechnung dieses Zuschlags in die streitgegenständlichen Bescheide einfließen ließ, so ist das nicht zu beanstanden. Die Klägerin kann jedoch keinesfalls darüber hinaus noch Vergünstigungen beanspruchen, nachdem die Beklagte bereits die Freibeträge zum Schutz des Existenzminimums eines Kindes bei der Berechnung des Kindergeldzuschlags berücksichtigt hat.

Daher war die Berufung mit der Kostenfolge aus § 193 SGG zurückzuweisen.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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