Land
Schleswig-Holstein
Sozialgericht
Schleswig-Holsteinisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
7
1. Instanz
SG Lübeck (SHS)
Aktenzeichen
S 41 R 34/11
Datum
2. Instanz
Schleswig-Holsteinisches LSG
Aktenzeichen
L 7 R 91/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozial- gerichts Lübeck vom 20. März 2015 wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger wendet sich gegen eine von der Beklagten vorgenommene Rückforderung und Aufrechnung in Höhe von 2.382,51 EUR.
Die Beklagte gewährte dem Kläger eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit ab dem 1. Januar 1994 (Bescheid vom 28. April 1995). Mit Bescheid vom 24. November 2004 entzog sie ihm die Rente zum 31. Dezember 2004 mit der Begründung, die medizinischen Voraussetzungen für die Gewährung einer Rente lägen nicht mehr vor. Dagegen legte der Kläger mit Schreiben vom 4. Februar 2005 Widerspruch ein. Wegen der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs wurde die Rente ab dem 1. Januar 2005 weiter angewiesen. Mit Schreiben vom 23. Februar 2005 wies die Beklagte den Kläger darauf hin, dass die Zahlung der Rente unter dem Vorbehalt der Rückforderung für die Dauer des Widerspruchsverfahrens erfolge und diese bei erfolglosem Widerspruch zurückzuzahlen sei. Mit Widerspruchsbescheid vom 29. März 2005 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 24. November 2004 zurück und teilte diesem mit, dass die Rente ab dem 1. Januar 2005 zurückgefordert werde. Das dagegen vom Kläger geführte Klage– und Berufungsverfahren blieb erfolglos.
Nach Anhörung des Klägers mit Schreiben vom 10. November 2008 forderte die Beklagte mit Bescheid vom 1. Dezember 2008 die aufgrund der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs vom 4. Februar 2005 gezahlte Rente für den Zeitraum vom 1. Januar 2005 bis 31. März 2005 in Höhe von insgesamt 2.382,51 EUR nach § 50 Abs. 1 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) zurück. Dagegen legte der Kläger am 30. Dezember 2008 Widerspruch ein und führte zur Begründung aus, sein Zustand habe sich nicht gebessert, sondern eher verschlechtert. Er sei nicht in der Lage, den geforderten Betrag zurückzuzahlen.
Mit Schreiben vom 27. April 2004 bat der Kläger um Überprüfung seiner Rentenangelegenheit, da sich seine gesundheitliche Situation verschlechtert habe. Die Beklagte wertete das Schreiben als neuen Rentenantrag und bewilligte dem Kläger mit Bescheid vom 29. März 2010 eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit ab dem 1. Februar 2009.
Mit Schreiben vom 24. März 2010 hörte die Beklagte den Kläger zu der Absicht an, die zu Unrecht für die Zeit vom 1. Januar 2005 bis 31. März 2005 gezahlte Rente in Höhe von 2.382,51 EUR mit der Nachzahlung aus dem Rentenbescheid vom 29. März 2010 in Höhe von 8.416,10 EUR einmalig aufzurechnen und erklärte mit Bescheid vom 31. Mai 2010 die Aufrechnung. Dagegen legte der Kläger am 24. August 2010 Widerspruch ein und bat darum, ihm den Restbetrag auszuzahlen. Mit Schreiben vom 14. September 2010 erläuterte die Beklagte dem Kläger, dass die einbehaltene Rentennachzahlung 8.416,10 EUR betrage. Darauf werde ein Erstattungsanspruch in Höhe von 2.382,51 EUR erhoben, so dass ein Restbetrag in Höhe von 6.033,59 EUR verbleibe.
Mit Widerspruchsbescheid vom 11. November 2010 wies die Beklagte die Widersprüche des Klägers gegen die Bescheide vom 1. Dezember 2008 und 31. Mai 2010 zurück und führte zur Begründung aus, die Nachzahlung habe 8.416,10 EUR betragen, so dass grundsätzlich 4.208,05 EUR hätten aufgerechnet werden können. Eine Aufrechnung unterhalb der Hälfte des gesamten Nachzahlungsbetrages sei rechtmäßig. Der Kläger habe zwar angeführt, dass er auf den gesamten Nachzahlungsbetrag zur Finanzierung seiner ärztlichen Behandlung angewiesen sei. Hilfebedürftigkeit könne jedoch nicht rückwirkend eintreten.
Dagegen hat der Kläger am 17. Januar 2011 bei dem Sozialgericht Lübeck Klage erhoben und sinngemäß beantragt,
die Bescheide der Beklagten vom 1. Dezember 2008 und 31. Mai 2010 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 11. November 2010 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an ihn die einbehaltene Rentenzahlung in Höhe von 2.382,51 EUR zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung hat sie sich auf die angefochtenen Bescheide bezogen.
Den Antrag des Klägers vom 30. Dezember 2008 auf Überprüfung des Bescheides vom 24. No¬vember 2004 gemäß § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 21. Novem¬ber 2011 mit der Begründung ab, der Bescheid vom 24. November 2004 sei nicht rechtswidrig. Zum Zeitpunkt der Entziehung der Rente wegen Erwerbsunfähigkeit zum 31. Dezember 2004 sei der Kläger nicht mehr erwerbsunfähig gewesen. Nach den im Rahmen des Überprüfungsverfahrens getroffenen Feststellungen liege jedoch ab dem 25. Oktober 2006 (neuer Leistungsfall) wieder eine volle Erwerbsminderung vor. Dieser Bescheid ist bestandskräftig geworden.
Mit Urteil vom 20. März 2015 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, die Beklagte sei berechtigt gewesen, die zu Unrecht gezahlte Rente für die Zeit vom 1. Januar 2005 bis zum 31. März 2005 in Höhe von 2.382,51 EUR vom Kläger zu fordern und die Erstattungsforderung mit dem Rentennachzahlungsanspruch des Klägers in Höhe von 8.416,10 EUR aus dem Bescheid vom 29. März 2010 in Höhe von 2.382,51 EUR zu verrechnen. Der Verwaltungsakt über die Bewilligung einer Erwerbsunfähigkeitsrente sei mit Bescheid vom 24. November 2004 mit Wirkung ab dem 1. Januar 2005 von der Beklagten rechtskräftig aufgehoben worden. Die aufgrund der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs zunächst noch erbrachten Leistungen für die Zeit vom 1. Januar 2005 bis zum 31. März 2005 in Höhe von 2.382,51 EUR seien vom Kläger zu erstatten gewesen. Die Voraussetzungen für die von der Beklagten vorgenommene Verrechnung seien auch gegeben. Insbesondere werde der Kläger durch die Verrechnung nicht hilfebedürftig nach dem Sozialgesetzbuch, Zweites Buch (SGB II) oder dem Sozialgesetzbuch, Zwölftes Buch (SGB XII). Dies folge daraus, dass für bereits abgelaufene Rentennachzahlungszeiträume, für die noch keine oder keine vollständige Rentenzahlung erfolgt sei, Sozialhilfebedürftigkeit nicht rückwirkend eintreten könne.
Gegen dieses der Zustellungsbevollmächtigten des Klägers am 31. März 2015 zugestellte Urteil richtet sich die am 2. Juni 2015 bei dem Schleswig-Holsteinischen Landessozialgericht eingegangene Berufung des Klägers. Zur Begründung macht er im Wesentlichen geltend, ihm sei die Erwerbsunfähigkeitsrente im Jahr 2004 grundlos entzogen worden.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Lübeck vom 20. März 2015 und die Bescheide der Beklagten vom 1. Dezember 2008 und 31. Mai 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. November 2010 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an ihn den einbehaltenen Rentenbetrag in Höhe von 2.382,51 EUR zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend.
Mit am 23. August 2016 bzw. 19. September 2016 eingegangenen Schriftsätzen haben die Beteiligten ihr Einverständnis zu einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte der Beklagten. Der wesentliche Inhalt dieser Unterlagen ist Gegenstand der Beratung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da die Beteiligten hierzu ihr Einverständnis erklärt haben (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz SGG ).
Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Das Urteil des Sozialgerichts Lübeck vom 20. März 2015 ist nicht zu beanstanden. Die Bescheide der Beklagten vom 1. Dezember 2008 und 31. Mai 2010 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 11. November 2010 sind rechtmäßig und beschweren den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Auszahlung des streitigen Nachzahlungsbetrages, da der Zahlungsanspruch durch Aufrechnung erloschen ist.
Zur Vermeidung von Wiederholungen verweist der Senat auf die zutreffenden Gründe des Gerichtsbescheides des Sozialgerichts Lübeck und sieht von einer weiteren Darstellung der Gründe ab (§ 153 Abs. 2 SGG).
Zur Klarstellung sind im Übrigen lediglich folgende Ergänzungen veranlasst:
Gemäß § 51 Abs. 2 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch (SGB I) kann der zuständige Leistungsträger mit Ansprüchen auf Erstattung zu Unrecht erbrachter Geldleistungen und mit Beitragsansprüchen nach diesem Gesetzbuch gegen Ansprüche auf laufende Geldleistungen bis zu deren Hälfte aufrechnen, wenn der Leistungsberechtigte nicht nachweist, dass er dadurch hilfebedürftig im Sinne der Vorschriften des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XII) über die Hilfe zum Lebensunterhalt (§§ 19, 27 ff. SGB XII) oder der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) wird (§§ 20 ff. SGB II). Die Pfändungsfreigrenzen (vgl. auch § 54 SGB I) sind demgegenüber nicht anzuwenden. Die Regelung des § 51 Abs. 2 SGB I (i. V. m. § 52 SGB I) soll die Aufrechnung bzw. Verrechnung mit (systemerhaltenden) Ansprüchen auf Erstattung zu Unrecht erbrachter Sozialleistungen und mit Beitragsansprüchen aus sozialpolitischen und verwaltungstechnischen Gründen erleichtern und den Sozialleistungsträger insoweit begünstigen (KassKomm/Seewald, SGB I § 51 Rn. 18, 19; LSG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 10.03.2015, - L 1 R 425/14 ER-B; BSG, Urteil vom 07.02.2012, - B 13 R 85/09 R -; juris).
Aufrechnung ist die durch einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärung bewirkte wechselseitige Tilgung zweier sich gegenüber stehender Forderungen. Die Forderung, gegen die aufgerechnet wird (im Sozialrecht: der Leistungsanspruch), ist die Hauptforderung, die Forderung des Leistungsträgers, mit der aufgerechnet wird, ist die Gegenforderung. Die Forderungen müssen gleichartig, z.B. - wie hier - beide auf Geld gerichtet und sie müssen gegenseitig sein (vgl. Pflüger in: juris PK-SGB I, 2. Aufl. 2011, Stand: 19.5.2014, § 51 SGB I, Rn. 17). Dabei muss die Gegenforderung entstanden und fällig und die Hauptforderung zwar nicht fällig, aber bereits entstanden und erfüllbar sein (BSG, Urteil vom. 24.7.2013 - B 4 RA 60/02 R - juris). Gegenseitigkeit liegt vor, wenn zwischen den zur Aufrechnung gestellten Forderungen ein Gegenseitigkeitsverhältnis besteht, wenn also der Gläubiger der Hauptforderung zugleich Schuldner der Gegenforderung und der Schuldner der Hauptforderung zugleich Gläubiger der Gegenforderung ist (BSG, Urteil vom 14.3.2013 - B 13 R 5/11 R - juris).
Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Die Aufrechnung ist entsprechend der Rechtsprechung des BSG mit Bescheid vom 31. Mai 2010 erklärt worden (BSG, Beschluss vom 25.2.2010 - B 13 R 76/09 R -juris). Hauptforderung ist die dem Kläger mit Bescheid vom 29. März 2010 gewährte Rente wegen Erwerbsunfähigkeit ab dem 1. Februar 2009, die einen Nachzahlungsbetrag in Höhe von 8.416,10 EUR begründete. Bei der Rentennachzahlung handelt es sich um eine laufende Geldleistung (Pflüger, a.a.O., § 51 SGB I, Rn. 22). Gegenforderung ist die von der Beklagten mit Bescheid vom 1. Dezember 2008 für den Zeitraum vom 1. Januar 2005 bis 31. März 2005 zurückgeforderte Rentenleistung. Die Forderungen sind beide auf Geld gerichtet und somit gleichartig. Die Forderungen sind auch gegenseitig, da im Zeitpunkt der Aufrechnungserklärung (Bescheiderlass) der Kläger als Gläubiger der Hauptforderung zugleich Schuldner der Gegenforderung und die Beklagte als Schuldnerin der Hauptforderung zugleich Gläubigerin der Gegenforderung war. Die Forderung mit der die Beklagte aufgerechnet hat, ist auch wirksam und fällig. Dies ist bereits dann gegeben, wenn die Erfüllung der Forderung erzwungen werden kann. Der Kläger kann in dem anhängigen Rechtsstreit insbesondere nicht mit dem Einwand durchdringen, die mit Bescheid vom 24. November 2004 erfolgte Aufhebung der Rentengewährung sei rechtswidrig. Die Rechtmäßigkeit des Erstattungsanspruchs ist nicht gesonderte Voraussetzung der Verrechnung, vielmehr ist die bestandskräftige Feststellung des Bestehens dieses Anspruchs ausreichend. Darüber hinaus hat die Beklagte nach Überprüfung gemäß § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) mit Bescheid vom 21. November 2011 festgestellt, dass der Bescheid vom 24. November 2004 rechtmäßig ist. Die Erstattungsforderung ist gemäß § 50 SGB X mit der Bekanntgabe des Erstattungsbescheides nach § 37 SGB X fällig geworden. Die Rechtmäßigkeit der Aufrechnung scheitert auch nicht daran, dass der Kläger dadurch hilfebedürftig im Sinne des SGB XII (§§ 19, 27 ff. SGB XII) oder der SGB II (§§ 20 ff. SGB II) geworden ist. Denn auf Sozialhilfebedürftigkeit kommt es dann nicht an, wenn – wie vorliegend – gegen Rentennachzahlungsansprüche aufgerechnet werden soll; rückwirkend kann Hilfebedürftigkeit nicht eintreten. Unerheblich ist, ob der Betroffene mit einer Nachzahlung gerechnet und aus diesem Grund davon abgesehen hat, eine Sozialleistung zu beantragen. Da der Kläger weder vorgetragen hat noch aus den Akten ersichtlich ist, dass er seinen Lebensunterhalt nicht ohne Inanspruchnahme von Hilfe bestreiten konnte, standen ihm tatsächlich ausreichende Mittel zur Verfügung (Pflüger, a.a.O. § 51 SGB I, Rn. 78, m.w.N.). Ermessensfehler sind nicht ersichtlich. Die Beklagte hat das ihr eröffnete Ermessen in nicht zu beanstandender Weise ausgeübt, indem sie dem öffentlichen Interesse an der Erstattung der zu Unrecht gewährten Leistungen und damit der Funktionsfähigkeit der Versichertensysteme den Vorrang vor den privaten Interessen des Klägers an der uneingeschränkten Auszahlung seiner Rente gegeben hat, zumal es sich um einen Nachzahlungsbetrag gehandelt hat.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Tatbestand:
Der Kläger wendet sich gegen eine von der Beklagten vorgenommene Rückforderung und Aufrechnung in Höhe von 2.382,51 EUR.
Die Beklagte gewährte dem Kläger eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit ab dem 1. Januar 1994 (Bescheid vom 28. April 1995). Mit Bescheid vom 24. November 2004 entzog sie ihm die Rente zum 31. Dezember 2004 mit der Begründung, die medizinischen Voraussetzungen für die Gewährung einer Rente lägen nicht mehr vor. Dagegen legte der Kläger mit Schreiben vom 4. Februar 2005 Widerspruch ein. Wegen der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs wurde die Rente ab dem 1. Januar 2005 weiter angewiesen. Mit Schreiben vom 23. Februar 2005 wies die Beklagte den Kläger darauf hin, dass die Zahlung der Rente unter dem Vorbehalt der Rückforderung für die Dauer des Widerspruchsverfahrens erfolge und diese bei erfolglosem Widerspruch zurückzuzahlen sei. Mit Widerspruchsbescheid vom 29. März 2005 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 24. November 2004 zurück und teilte diesem mit, dass die Rente ab dem 1. Januar 2005 zurückgefordert werde. Das dagegen vom Kläger geführte Klage– und Berufungsverfahren blieb erfolglos.
Nach Anhörung des Klägers mit Schreiben vom 10. November 2008 forderte die Beklagte mit Bescheid vom 1. Dezember 2008 die aufgrund der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs vom 4. Februar 2005 gezahlte Rente für den Zeitraum vom 1. Januar 2005 bis 31. März 2005 in Höhe von insgesamt 2.382,51 EUR nach § 50 Abs. 1 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) zurück. Dagegen legte der Kläger am 30. Dezember 2008 Widerspruch ein und führte zur Begründung aus, sein Zustand habe sich nicht gebessert, sondern eher verschlechtert. Er sei nicht in der Lage, den geforderten Betrag zurückzuzahlen.
Mit Schreiben vom 27. April 2004 bat der Kläger um Überprüfung seiner Rentenangelegenheit, da sich seine gesundheitliche Situation verschlechtert habe. Die Beklagte wertete das Schreiben als neuen Rentenantrag und bewilligte dem Kläger mit Bescheid vom 29. März 2010 eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit ab dem 1. Februar 2009.
Mit Schreiben vom 24. März 2010 hörte die Beklagte den Kläger zu der Absicht an, die zu Unrecht für die Zeit vom 1. Januar 2005 bis 31. März 2005 gezahlte Rente in Höhe von 2.382,51 EUR mit der Nachzahlung aus dem Rentenbescheid vom 29. März 2010 in Höhe von 8.416,10 EUR einmalig aufzurechnen und erklärte mit Bescheid vom 31. Mai 2010 die Aufrechnung. Dagegen legte der Kläger am 24. August 2010 Widerspruch ein und bat darum, ihm den Restbetrag auszuzahlen. Mit Schreiben vom 14. September 2010 erläuterte die Beklagte dem Kläger, dass die einbehaltene Rentennachzahlung 8.416,10 EUR betrage. Darauf werde ein Erstattungsanspruch in Höhe von 2.382,51 EUR erhoben, so dass ein Restbetrag in Höhe von 6.033,59 EUR verbleibe.
Mit Widerspruchsbescheid vom 11. November 2010 wies die Beklagte die Widersprüche des Klägers gegen die Bescheide vom 1. Dezember 2008 und 31. Mai 2010 zurück und führte zur Begründung aus, die Nachzahlung habe 8.416,10 EUR betragen, so dass grundsätzlich 4.208,05 EUR hätten aufgerechnet werden können. Eine Aufrechnung unterhalb der Hälfte des gesamten Nachzahlungsbetrages sei rechtmäßig. Der Kläger habe zwar angeführt, dass er auf den gesamten Nachzahlungsbetrag zur Finanzierung seiner ärztlichen Behandlung angewiesen sei. Hilfebedürftigkeit könne jedoch nicht rückwirkend eintreten.
Dagegen hat der Kläger am 17. Januar 2011 bei dem Sozialgericht Lübeck Klage erhoben und sinngemäß beantragt,
die Bescheide der Beklagten vom 1. Dezember 2008 und 31. Mai 2010 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 11. November 2010 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an ihn die einbehaltene Rentenzahlung in Höhe von 2.382,51 EUR zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung hat sie sich auf die angefochtenen Bescheide bezogen.
Den Antrag des Klägers vom 30. Dezember 2008 auf Überprüfung des Bescheides vom 24. No¬vember 2004 gemäß § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 21. Novem¬ber 2011 mit der Begründung ab, der Bescheid vom 24. November 2004 sei nicht rechtswidrig. Zum Zeitpunkt der Entziehung der Rente wegen Erwerbsunfähigkeit zum 31. Dezember 2004 sei der Kläger nicht mehr erwerbsunfähig gewesen. Nach den im Rahmen des Überprüfungsverfahrens getroffenen Feststellungen liege jedoch ab dem 25. Oktober 2006 (neuer Leistungsfall) wieder eine volle Erwerbsminderung vor. Dieser Bescheid ist bestandskräftig geworden.
Mit Urteil vom 20. März 2015 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, die Beklagte sei berechtigt gewesen, die zu Unrecht gezahlte Rente für die Zeit vom 1. Januar 2005 bis zum 31. März 2005 in Höhe von 2.382,51 EUR vom Kläger zu fordern und die Erstattungsforderung mit dem Rentennachzahlungsanspruch des Klägers in Höhe von 8.416,10 EUR aus dem Bescheid vom 29. März 2010 in Höhe von 2.382,51 EUR zu verrechnen. Der Verwaltungsakt über die Bewilligung einer Erwerbsunfähigkeitsrente sei mit Bescheid vom 24. November 2004 mit Wirkung ab dem 1. Januar 2005 von der Beklagten rechtskräftig aufgehoben worden. Die aufgrund der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs zunächst noch erbrachten Leistungen für die Zeit vom 1. Januar 2005 bis zum 31. März 2005 in Höhe von 2.382,51 EUR seien vom Kläger zu erstatten gewesen. Die Voraussetzungen für die von der Beklagten vorgenommene Verrechnung seien auch gegeben. Insbesondere werde der Kläger durch die Verrechnung nicht hilfebedürftig nach dem Sozialgesetzbuch, Zweites Buch (SGB II) oder dem Sozialgesetzbuch, Zwölftes Buch (SGB XII). Dies folge daraus, dass für bereits abgelaufene Rentennachzahlungszeiträume, für die noch keine oder keine vollständige Rentenzahlung erfolgt sei, Sozialhilfebedürftigkeit nicht rückwirkend eintreten könne.
Gegen dieses der Zustellungsbevollmächtigten des Klägers am 31. März 2015 zugestellte Urteil richtet sich die am 2. Juni 2015 bei dem Schleswig-Holsteinischen Landessozialgericht eingegangene Berufung des Klägers. Zur Begründung macht er im Wesentlichen geltend, ihm sei die Erwerbsunfähigkeitsrente im Jahr 2004 grundlos entzogen worden.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Lübeck vom 20. März 2015 und die Bescheide der Beklagten vom 1. Dezember 2008 und 31. Mai 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. November 2010 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an ihn den einbehaltenen Rentenbetrag in Höhe von 2.382,51 EUR zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend.
Mit am 23. August 2016 bzw. 19. September 2016 eingegangenen Schriftsätzen haben die Beteiligten ihr Einverständnis zu einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte der Beklagten. Der wesentliche Inhalt dieser Unterlagen ist Gegenstand der Beratung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da die Beteiligten hierzu ihr Einverständnis erklärt haben (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz SGG ).
Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Das Urteil des Sozialgerichts Lübeck vom 20. März 2015 ist nicht zu beanstanden. Die Bescheide der Beklagten vom 1. Dezember 2008 und 31. Mai 2010 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 11. November 2010 sind rechtmäßig und beschweren den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Auszahlung des streitigen Nachzahlungsbetrages, da der Zahlungsanspruch durch Aufrechnung erloschen ist.
Zur Vermeidung von Wiederholungen verweist der Senat auf die zutreffenden Gründe des Gerichtsbescheides des Sozialgerichts Lübeck und sieht von einer weiteren Darstellung der Gründe ab (§ 153 Abs. 2 SGG).
Zur Klarstellung sind im Übrigen lediglich folgende Ergänzungen veranlasst:
Gemäß § 51 Abs. 2 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch (SGB I) kann der zuständige Leistungsträger mit Ansprüchen auf Erstattung zu Unrecht erbrachter Geldleistungen und mit Beitragsansprüchen nach diesem Gesetzbuch gegen Ansprüche auf laufende Geldleistungen bis zu deren Hälfte aufrechnen, wenn der Leistungsberechtigte nicht nachweist, dass er dadurch hilfebedürftig im Sinne der Vorschriften des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XII) über die Hilfe zum Lebensunterhalt (§§ 19, 27 ff. SGB XII) oder der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) wird (§§ 20 ff. SGB II). Die Pfändungsfreigrenzen (vgl. auch § 54 SGB I) sind demgegenüber nicht anzuwenden. Die Regelung des § 51 Abs. 2 SGB I (i. V. m. § 52 SGB I) soll die Aufrechnung bzw. Verrechnung mit (systemerhaltenden) Ansprüchen auf Erstattung zu Unrecht erbrachter Sozialleistungen und mit Beitragsansprüchen aus sozialpolitischen und verwaltungstechnischen Gründen erleichtern und den Sozialleistungsträger insoweit begünstigen (KassKomm/Seewald, SGB I § 51 Rn. 18, 19; LSG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 10.03.2015, - L 1 R 425/14 ER-B; BSG, Urteil vom 07.02.2012, - B 13 R 85/09 R -; juris).
Aufrechnung ist die durch einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärung bewirkte wechselseitige Tilgung zweier sich gegenüber stehender Forderungen. Die Forderung, gegen die aufgerechnet wird (im Sozialrecht: der Leistungsanspruch), ist die Hauptforderung, die Forderung des Leistungsträgers, mit der aufgerechnet wird, ist die Gegenforderung. Die Forderungen müssen gleichartig, z.B. - wie hier - beide auf Geld gerichtet und sie müssen gegenseitig sein (vgl. Pflüger in: juris PK-SGB I, 2. Aufl. 2011, Stand: 19.5.2014, § 51 SGB I, Rn. 17). Dabei muss die Gegenforderung entstanden und fällig und die Hauptforderung zwar nicht fällig, aber bereits entstanden und erfüllbar sein (BSG, Urteil vom. 24.7.2013 - B 4 RA 60/02 R - juris). Gegenseitigkeit liegt vor, wenn zwischen den zur Aufrechnung gestellten Forderungen ein Gegenseitigkeitsverhältnis besteht, wenn also der Gläubiger der Hauptforderung zugleich Schuldner der Gegenforderung und der Schuldner der Hauptforderung zugleich Gläubiger der Gegenforderung ist (BSG, Urteil vom 14.3.2013 - B 13 R 5/11 R - juris).
Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Die Aufrechnung ist entsprechend der Rechtsprechung des BSG mit Bescheid vom 31. Mai 2010 erklärt worden (BSG, Beschluss vom 25.2.2010 - B 13 R 76/09 R -juris). Hauptforderung ist die dem Kläger mit Bescheid vom 29. März 2010 gewährte Rente wegen Erwerbsunfähigkeit ab dem 1. Februar 2009, die einen Nachzahlungsbetrag in Höhe von 8.416,10 EUR begründete. Bei der Rentennachzahlung handelt es sich um eine laufende Geldleistung (Pflüger, a.a.O., § 51 SGB I, Rn. 22). Gegenforderung ist die von der Beklagten mit Bescheid vom 1. Dezember 2008 für den Zeitraum vom 1. Januar 2005 bis 31. März 2005 zurückgeforderte Rentenleistung. Die Forderungen sind beide auf Geld gerichtet und somit gleichartig. Die Forderungen sind auch gegenseitig, da im Zeitpunkt der Aufrechnungserklärung (Bescheiderlass) der Kläger als Gläubiger der Hauptforderung zugleich Schuldner der Gegenforderung und die Beklagte als Schuldnerin der Hauptforderung zugleich Gläubigerin der Gegenforderung war. Die Forderung mit der die Beklagte aufgerechnet hat, ist auch wirksam und fällig. Dies ist bereits dann gegeben, wenn die Erfüllung der Forderung erzwungen werden kann. Der Kläger kann in dem anhängigen Rechtsstreit insbesondere nicht mit dem Einwand durchdringen, die mit Bescheid vom 24. November 2004 erfolgte Aufhebung der Rentengewährung sei rechtswidrig. Die Rechtmäßigkeit des Erstattungsanspruchs ist nicht gesonderte Voraussetzung der Verrechnung, vielmehr ist die bestandskräftige Feststellung des Bestehens dieses Anspruchs ausreichend. Darüber hinaus hat die Beklagte nach Überprüfung gemäß § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) mit Bescheid vom 21. November 2011 festgestellt, dass der Bescheid vom 24. November 2004 rechtmäßig ist. Die Erstattungsforderung ist gemäß § 50 SGB X mit der Bekanntgabe des Erstattungsbescheides nach § 37 SGB X fällig geworden. Die Rechtmäßigkeit der Aufrechnung scheitert auch nicht daran, dass der Kläger dadurch hilfebedürftig im Sinne des SGB XII (§§ 19, 27 ff. SGB XII) oder der SGB II (§§ 20 ff. SGB II) geworden ist. Denn auf Sozialhilfebedürftigkeit kommt es dann nicht an, wenn – wie vorliegend – gegen Rentennachzahlungsansprüche aufgerechnet werden soll; rückwirkend kann Hilfebedürftigkeit nicht eintreten. Unerheblich ist, ob der Betroffene mit einer Nachzahlung gerechnet und aus diesem Grund davon abgesehen hat, eine Sozialleistung zu beantragen. Da der Kläger weder vorgetragen hat noch aus den Akten ersichtlich ist, dass er seinen Lebensunterhalt nicht ohne Inanspruchnahme von Hilfe bestreiten konnte, standen ihm tatsächlich ausreichende Mittel zur Verfügung (Pflüger, a.a.O. § 51 SGB I, Rn. 78, m.w.N.). Ermessensfehler sind nicht ersichtlich. Die Beklagte hat das ihr eröffnete Ermessen in nicht zu beanstandender Weise ausgeübt, indem sie dem öffentlichen Interesse an der Erstattung der zu Unrecht gewährten Leistungen und damit der Funktionsfähigkeit der Versichertensysteme den Vorrang vor den privaten Interessen des Klägers an der uneingeschränkten Auszahlung seiner Rente gegeben hat, zumal es sich um einen Nachzahlungsbetrag gehandelt hat.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
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