Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
4
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 32 AS 3196/16 WA
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 4 AS 320/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Wiederaufnahme des Klageverfahrens S 32 AS 2701/13 unter Hinweis auf eine nach Abschluss des Verfahrens erlangte Bescheinigung des Finanzamtes zur steuerrechtlichen Beurteilung seiner Tätigkeit für eine Musikschule.
Der 1953 geborene Kläger ist als freiberuflicher Musiker selbständig tätig. Im Rahmen dieser Tätigkeit absolvierte er verschiedene Auftritte als Musiker und begleitete unter anderem seit Februar 2003 als Pianist einen Gospelchor bei der Musikschule der Samtgemeinde H. als freier Mitarbeiter.
Neben seiner selbständigen Tätigkeit beantragte er ab Mai 2012 aufstockende Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) von dem Beklagten.
Durch Bewilligungsbescheid vom 13. Juni 2012 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 9. Juli 2012 bewilligte der Beklagte zunächst vorläufige Leistungen für die Zeit vom 1. Mai 2012 bis 31. Oktober 2012 in Höhe von monatlich 891,28 EUR. Nach Abzug der Freibeträge war darin kein Einkommen aus selbständiger Tätigkeit mehr angerechnet worden. Nachdem der Kläger seine Gewinn- und Verlustrechnungen (Anlage EKS) bei dem Beklagten einreichte, führte der Beklagte mit Bescheid vom 17. Dezember 2012 eine endgültige Leistungsberechnung durch und forderte vom Kläger für den Zeitraum vom 1. Mai 2012 bis 31. Oktober 2012 zunächst einen Betrag von 900,18 EUR zurück.
Auf den Widerspruch des Klägers hob der Beklagte diesen Bescheid auf und berechnete die Leistungen erneut mit Bescheid vom 9. April 2013. Mit Erstattungsbescheid vom 9. April 2013 forderte der Beklagte vom Kläger die Erstattung von insgesamt 680,58 EUR.
Mit seinem Widerspruch vom 15. April 2013 wandte er unter anderem ein, dass die Berechnung des Beklagten nicht nachvollziehbar sei und begehrte die Berücksichtigung von weiteren Betriebsausgaben.
Mit Widerspruchsbescheid vom 1. August 2013 wies der Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Es seien die Einkünfte aus der Tätigkeit des Klägers als Übungsleiter und darüber hinaus seine Überschüsse aus selbständiger Tätigkeit als Musiker zu berücksichtigen. Dabei nahm der Beklagte an, dass dem Kläger für die Einnahmen aus seiner Tätigkeit als Übungsleiter an der Musikschule H. in den Monaten Juni bis August und Oktober 2012 ein erhöhter Grundfreibetrag in Höhe von 175,00 EUR nach der Regelung des § 11b Abs. 2 Satz 3 SGB II zu gewähren sei. Die Rückforderung berechne sich aus der Differenz zwischen den vorläufig bewilligten und den endgültig bewilligten Leistungen. Dabei errechne sich eine Überzahlung in Höhe von 1.117,30 EUR. Die in dem angefochtenen Bescheid errechnete Erstattungsforderung von 680,58 EUR läge deutlich unter dieser Summe, so dass der Widerspruchsführer durch den angefochtenen Bescheid nicht in seinen Rechten verletzt gewesen sei.
Der Kläger erhob am 27. August 2013 Klage gegen den Widerspruchsbescheid vom 1. August 2013 und begehrte eine höhere endgültige Festsetzung der Leistungen für die Zeit vom 1. Mai 2012 bis zum 31. Oktober 2012 und eine entsprechende niedrigere Erstattungsforderung (Az. S 32 AS 2701/13). Die Beteiligten stritten im Wesentlichen um die Höhe der abzusetzenden Betriebsausgaben und die Berücksichtigung von Freibeträgen. Der Kläger begehrte insbesondere höhere Freibeträge gemäß § 11b Abs. 2 Satz 3 SGB II für seine Tätigkeit als Übungsleiter zu berücksichtigen.
Mit gerichtlichem Schreiben vom 13. Januar 2016 wurde der Kläger u.a. darauf hingewiesen, dass nach Auffassung des Sozialgerichtes nicht nachgewiesen sei, dass es sich bei der Tätigkeit für die Musikschule um eine privilegierte Übungsleitertätigkeit im Sinne von § 11b Abs. 2 Satz 3 SGB II handele.
Durch Urteil vom 15. April 2016 verurteilte das Sozialgericht den Beklagten, dem Kläger für die Monate Juli und Oktober 2012 jeweils 801,17 EUR statt 764,82 bzw. 755,82 EUR zu gewähren und die Erstattungsforderung auf 598,28 EUR zu reduzieren. Im Übrigen wurde die Klage abgewiesen. In dem nicht berufungsfähigen Urteil hieß es, ein erhöhter Freibetrag für eine Übungsleitertätigkeit nach § 11b Abs. 2 Nr. 3 SGB II sei nach Auffassung des Gerichtes nicht abzusetzen. Eine privilegierte Tätigkeit als Übungsleiter sei nicht belegt. Der Kläger sei von der Musikschule als freier Mitarbeiter und Auftragnehmer und nicht als Übungsleiter benannt. Es sei davon auszugehen, dass die Chorleiterin die Übungsleiterin sei. Gegen diese Entscheidung legte der Kläger Nichtzulassungsbeschwerde zum Landessozialgericht ein (Az: L 4 AS 206/16 NZB). Die Nichtzulassungsbeschwerde wies das Landessozialgericht mit Beschluss vom 18. Juli 2016 zurück. Durch Beschluss vom 27. Juli 2016 hat das Sozialgericht das Ruhen der weiteren, die Folgezeiträume vom 1. November 2012 bis 31. Juli 2013 betreffenden Klageverfahren S 32 AS 3706/13 und S 32 AS 1096/14 im Hinblick auf das Verfahren vor dem LSG angeordnet.
Am 19. August 2016 hat der Kläger eine Restitutionsklage (Wiederaufnahmeklage) zum Sozialgericht Hamburg erhoben. Dazu hat er eine Bescheinigung des Finanzamtes Hamburg-Altona vom 22. Juli 2016 eingereicht. Das Schreiben hat folgenden Wortlaut: "Sehr geehrter Herr P., hiermit bestätige ich Ihnen nach Überprüfung der mir vorliegenden Unterlagen, dass Ihre Tätigkeit als Übungsleiter an der Musikschule Samtgemeinde H. unter § 3 Nr. 26 des Einkommensteuergesetzes fällt. Bei der Musikschule Samtgemeinde H. handelt es sich um einen eingetragenen Verein, der gemeinnützig arbeitet gemäß § 52 der Abgabenordnung. Die unterrichtende Tätigkeit gilt somit als eine nebenberufliche Tätigkeit als Übungsleiter, so dass die Voraussetzungen gemäß § 3 Nr. 26 EstG hiermit erfüllt sind."
Mit der Bescheinigung des Finanzamtes hat der Kläger bestätigt gesehen, dass seine Tätigkeit für die Musikschule eine sogenannte Übungsleitertätigkeit sei. Die Entscheidung der Finanzbehörde sei auch für das Gericht verbindlich. Der Restitutionsgrund bestehe darin, dass er erst mit der Ausstellung der Urkunde in den Stand gesetzt worden sei, diese zu benutzen. Aufgrund der Übungsleitertätigkeit erhöhe sich der Einkommensfreibetrag im streitgegenständlichen Zeitraum.
Mit Gerichtsbescheid vom 5. September 2017 hat das Sozialgericht die Wideraufnahmeklage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Voraussetzungen des allein in Betracht kommenden Restitutionsgrundes des Auffindens einer Urkunde, die eine dem Kläger günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würde im Sinne des § 179 Abs. 1 SGG in Verbindung mit § 580 Nr. 7b ZPO, lägen nicht vor. Würde man der Bescheinigung des Finanzamtes überhaupt die Qualität einer Urkunde im Sinne von § 580 Nr. 7b ZPO beimessen, könnte ihr Beweiswert nur darin liegen, dass der Mitarbeiter des Finanzamtes seine Auffassung zur rechtlichen Einordnung der Übungsleitertätigkeit des Klägers schriftlich niedergelegt habe. Es seien keine Tatsachen ersichtlich, die eine andere Entscheidung herbeigeführt hätten. Aus der Urkunde sei insbesondere nicht ersichtlich, welche Unterlagen dem Aussteller der Bescheinigung vorgelegen haben. Darüber hinaus treffe die Urkunde keine Aussage dazu, für welchen Zeitraum überhaupt eine Aussage zur Anerkennung der Tätigkeit des Klägers als Übungsleiter getroffen werden sollte. Schließlich sei die Meinung eines Finanzbeamten zur steuerrechtlichen Beurteilung einer Tätigkeit für das Sozialgericht nicht bindend. Die Restitutionsklage scheitere auch an dem weiteren Erfordernis des Errichtungszeitpunktes, weil Restitutionsklagen grundsätzlich nicht zugelassen werden, wenn sie auf Urkunden gestützt würden, die nach der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung errichtet worden seien. Die Urkunde sei am 22. Juli 2016 und damit erst nach der letzten Tatsacheninstanz errichtet worden. Auch eine ausnahmsweise Berücksichtigung nachträglich gefertigter Urkunden, die Tatsachen beweisen könnten, die schon im maßgeblichen Zeitpunkt vorgelegen haben, ergäbe kein anderes Ergebnis. Die Bescheinigung enthalte keinerlei Angaben, welche Unterlagen der Sachbearbeiter geprüft hat und für welchen Zeitraum er eine Aussage habe treffen wollen. Bei der Wiederaufnahme handele es sich um einen Rechtsbehelf, mit dem die Rechtskraft von Urteilen nur in eng begrenzten Fällen durchbrochen werden könne. Es sollten nur schwerste verfahrensrechtliche Mängel korrigiert werden. Allein das Bestehen eines materiellen Anspruchs, der in der angegriffenen Entscheidung verkannt worden sei, rechtfertige die Rechtskraftdurchbrechung nicht. Der Gerichtsbescheid ging dem damaligen Bevollmächtigten des Klägers am 22. September 2017 zu.
Am Montag, den 23. Oktober 2017 hat der Kläger gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berufung eingelegt. Zur Begründung trägt er vor, die Übungsleitereigenschaft der Tätigkeit des Klägers an der Musikschule H. mit entsprechendem Freibetrag sei zwischen den Parteien unstrittig gewesen. Der Kläger habe sich deshalb nicht versehen, dass dieses Thema in der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht abweichend behandelt worden sei. Er habe deshalb damals keine weiteren Beweismittel anbieten können. Nur die Finanzbehörden seien kompetent, die Anwendung des § 3 Nr. 26 EstG zu beurteilen. Das müsse einheitlich geschehen. Der Kläger hätte auch selbst schon eher die entsprechende Finanzamtsbescheinigung anfordern und einreichen können, wenn ihm deren Notwendigkeit früher erkennbar gewesen wäre. Der Kläger sei seit 2003 für die Musikschule unverändert tätig, so dass der streitgegenständliche Zeitraum, auf den sich auch die Bescheinigung des Finanzamtes beziehe, zweifelsfrei umfasst sei. Es seien beim Finanzamt dieselben Unterlagen eingereicht worden wie beim Jobcenter und dem Sozialgericht.
Der Kläger beantragt, 1. den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hamburg vom 5. September 2017 aufzuheben, das rechtskräftig abgeschlossene sozialgerichtliche Verfahren S 32 AS 2701/13 wiederaufzunehmen und das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 15. April 2016 abzuändern, 2. die Revision zuzulassen.
Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Zur Begründung hat der Beklagte auf die Ausführungen des Sozialgerichtes in der angefochtenen Entscheidung verwiesen.
Eine gleichzeitig mit der Berufung gestellte Anhörungsrüge des Klägers (Az.: S 32 AS 216/18 RG) hat das Sozialgericht durch Beschluss vom 22. Januar 2018 als unzulässig verworfen.
Mit Beschluss vom 21. März 2018 hat der Senat die Berufung nach § 153 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) dem Berichterstatter zur Entscheidung mit den ehrenamtlichen Richtern übertragen.
Der Senat hat am 17. Januar 2019 mit den Beteiligten mündlich verhandelt. Auf das Protokoll wird verwiesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten sowie auf die Verwaltungsakte des Beklagten verwiesen, die bei der Entscheidung vorgelegen haben.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung, über die der Senat gemäß § 153 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) durch den Berichterstatter und die ehrenamtlichen Richter entscheiden kann, ist zulässig. Sie ist insbesondere statthaft (§§ 143, 144 SGG) und form- und fristgerecht eingelegt (§ 151 SGG).
Die Berufung bleibt aber in der Sache ohne Erfolg. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.
Die Wiederaufnahmeklage ist unbegründet. Nach § 179 Abs. 1 SGG kann ein rechtskräftig beendetes Verfahren entsprechend den Vorschriften der Zivilprozessordnung (ZPO) wieder aufgenommen werden. Der Kläger macht hier bzgl. des rechtskräftig abgeschlossenen Klageverfahrens S 32 AS 2701/13 einzig den Wiederaufnahmegrund des § 580 Nr. 7b ZPO geltend. Danach findet die Restitutionsklage statt, wenn die Partei eine Urkunde auffindet oder zu benutzen in den Stand gesetzt wird, die eine ihr günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würde.
Das Sozialgericht hat zutreffend die Voraussetzungen dieses allein in Betracht kommenden Restitutionsgrundes verneint. Der Senat verweist zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Gründe der angefochtenen Entscheidung des Sozialgerichtes (§ 153 Abs. 2 SGG).
Ergänzend ist auszuführen, dass die vom Kläger vorgelegte Bescheinigung des Finanzamtes bereits keine Urkunde im Sinne von § 580 Nr. 7b ZPO darstellt. Der § 580 Nr. 7b ZPO meint nur solche Urkunden, die sich auf Tatsachen beziehen, also schriftliche Beweisstücke, aus denen das Gericht die volle Überzeugung von der Wahrheit der zu beweisenden Tatsachen nach dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung zu gewinnen vermag (vgl. Landessozialgericht Hamburg, Beschluss vom 17.9.2018 – L 4 AS 127/18 WA; Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 11.11.2009 – L 6 VJ 3978/08, juris Rn. 56). Die vom Kläger vorgelegte Bescheinigung des Finanzamtes vom 22. Juli 2016 könnte als Tatsache lediglich beweisen, dass sie vom Finanzamt Hamburg-Altona erteilt worden ist; sie beweist nicht, dass die dort wiedergegebene Beurteilung oder Ansicht richtig ist. Letzteres könnte erst auf dem Umweg über weitere Ermittlungen – nämlich ggf. Zeugen- oder Sachverständigenbeweis - festgestellt werden, die in § 580 ZPO als Beweismittel nicht zugelassen sind, oder müsste rechtlich überprüft werden. Der Restitutionsgrund des § 580 Nr. 7b ZPO dient aber nicht dazu, im Vorprozess nicht gehörte Sachverständige und Zeugen oder weitere Rechtsauffassungen in das Verfahren einzuführen, deshalb sind behördliche Bescheinigungen keine einen Restitutionsgrund bildenden Urkunden (vgl. BVerwG, Beschluss vom 21. Januar 1982 – 7 B 13/82, juris Rn. 4; vgl. auch Hannappel, in: Roos/Wahrendorf, SGG, 1. Aufl. 2014, § 179 Rn. 49; Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 7. Aufl. 2016, Kapitel XI. Rn. 29).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG nicht vorliegen.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Wiederaufnahme des Klageverfahrens S 32 AS 2701/13 unter Hinweis auf eine nach Abschluss des Verfahrens erlangte Bescheinigung des Finanzamtes zur steuerrechtlichen Beurteilung seiner Tätigkeit für eine Musikschule.
Der 1953 geborene Kläger ist als freiberuflicher Musiker selbständig tätig. Im Rahmen dieser Tätigkeit absolvierte er verschiedene Auftritte als Musiker und begleitete unter anderem seit Februar 2003 als Pianist einen Gospelchor bei der Musikschule der Samtgemeinde H. als freier Mitarbeiter.
Neben seiner selbständigen Tätigkeit beantragte er ab Mai 2012 aufstockende Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) von dem Beklagten.
Durch Bewilligungsbescheid vom 13. Juni 2012 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 9. Juli 2012 bewilligte der Beklagte zunächst vorläufige Leistungen für die Zeit vom 1. Mai 2012 bis 31. Oktober 2012 in Höhe von monatlich 891,28 EUR. Nach Abzug der Freibeträge war darin kein Einkommen aus selbständiger Tätigkeit mehr angerechnet worden. Nachdem der Kläger seine Gewinn- und Verlustrechnungen (Anlage EKS) bei dem Beklagten einreichte, führte der Beklagte mit Bescheid vom 17. Dezember 2012 eine endgültige Leistungsberechnung durch und forderte vom Kläger für den Zeitraum vom 1. Mai 2012 bis 31. Oktober 2012 zunächst einen Betrag von 900,18 EUR zurück.
Auf den Widerspruch des Klägers hob der Beklagte diesen Bescheid auf und berechnete die Leistungen erneut mit Bescheid vom 9. April 2013. Mit Erstattungsbescheid vom 9. April 2013 forderte der Beklagte vom Kläger die Erstattung von insgesamt 680,58 EUR.
Mit seinem Widerspruch vom 15. April 2013 wandte er unter anderem ein, dass die Berechnung des Beklagten nicht nachvollziehbar sei und begehrte die Berücksichtigung von weiteren Betriebsausgaben.
Mit Widerspruchsbescheid vom 1. August 2013 wies der Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Es seien die Einkünfte aus der Tätigkeit des Klägers als Übungsleiter und darüber hinaus seine Überschüsse aus selbständiger Tätigkeit als Musiker zu berücksichtigen. Dabei nahm der Beklagte an, dass dem Kläger für die Einnahmen aus seiner Tätigkeit als Übungsleiter an der Musikschule H. in den Monaten Juni bis August und Oktober 2012 ein erhöhter Grundfreibetrag in Höhe von 175,00 EUR nach der Regelung des § 11b Abs. 2 Satz 3 SGB II zu gewähren sei. Die Rückforderung berechne sich aus der Differenz zwischen den vorläufig bewilligten und den endgültig bewilligten Leistungen. Dabei errechne sich eine Überzahlung in Höhe von 1.117,30 EUR. Die in dem angefochtenen Bescheid errechnete Erstattungsforderung von 680,58 EUR läge deutlich unter dieser Summe, so dass der Widerspruchsführer durch den angefochtenen Bescheid nicht in seinen Rechten verletzt gewesen sei.
Der Kläger erhob am 27. August 2013 Klage gegen den Widerspruchsbescheid vom 1. August 2013 und begehrte eine höhere endgültige Festsetzung der Leistungen für die Zeit vom 1. Mai 2012 bis zum 31. Oktober 2012 und eine entsprechende niedrigere Erstattungsforderung (Az. S 32 AS 2701/13). Die Beteiligten stritten im Wesentlichen um die Höhe der abzusetzenden Betriebsausgaben und die Berücksichtigung von Freibeträgen. Der Kläger begehrte insbesondere höhere Freibeträge gemäß § 11b Abs. 2 Satz 3 SGB II für seine Tätigkeit als Übungsleiter zu berücksichtigen.
Mit gerichtlichem Schreiben vom 13. Januar 2016 wurde der Kläger u.a. darauf hingewiesen, dass nach Auffassung des Sozialgerichtes nicht nachgewiesen sei, dass es sich bei der Tätigkeit für die Musikschule um eine privilegierte Übungsleitertätigkeit im Sinne von § 11b Abs. 2 Satz 3 SGB II handele.
Durch Urteil vom 15. April 2016 verurteilte das Sozialgericht den Beklagten, dem Kläger für die Monate Juli und Oktober 2012 jeweils 801,17 EUR statt 764,82 bzw. 755,82 EUR zu gewähren und die Erstattungsforderung auf 598,28 EUR zu reduzieren. Im Übrigen wurde die Klage abgewiesen. In dem nicht berufungsfähigen Urteil hieß es, ein erhöhter Freibetrag für eine Übungsleitertätigkeit nach § 11b Abs. 2 Nr. 3 SGB II sei nach Auffassung des Gerichtes nicht abzusetzen. Eine privilegierte Tätigkeit als Übungsleiter sei nicht belegt. Der Kläger sei von der Musikschule als freier Mitarbeiter und Auftragnehmer und nicht als Übungsleiter benannt. Es sei davon auszugehen, dass die Chorleiterin die Übungsleiterin sei. Gegen diese Entscheidung legte der Kläger Nichtzulassungsbeschwerde zum Landessozialgericht ein (Az: L 4 AS 206/16 NZB). Die Nichtzulassungsbeschwerde wies das Landessozialgericht mit Beschluss vom 18. Juli 2016 zurück. Durch Beschluss vom 27. Juli 2016 hat das Sozialgericht das Ruhen der weiteren, die Folgezeiträume vom 1. November 2012 bis 31. Juli 2013 betreffenden Klageverfahren S 32 AS 3706/13 und S 32 AS 1096/14 im Hinblick auf das Verfahren vor dem LSG angeordnet.
Am 19. August 2016 hat der Kläger eine Restitutionsklage (Wiederaufnahmeklage) zum Sozialgericht Hamburg erhoben. Dazu hat er eine Bescheinigung des Finanzamtes Hamburg-Altona vom 22. Juli 2016 eingereicht. Das Schreiben hat folgenden Wortlaut: "Sehr geehrter Herr P., hiermit bestätige ich Ihnen nach Überprüfung der mir vorliegenden Unterlagen, dass Ihre Tätigkeit als Übungsleiter an der Musikschule Samtgemeinde H. unter § 3 Nr. 26 des Einkommensteuergesetzes fällt. Bei der Musikschule Samtgemeinde H. handelt es sich um einen eingetragenen Verein, der gemeinnützig arbeitet gemäß § 52 der Abgabenordnung. Die unterrichtende Tätigkeit gilt somit als eine nebenberufliche Tätigkeit als Übungsleiter, so dass die Voraussetzungen gemäß § 3 Nr. 26 EstG hiermit erfüllt sind."
Mit der Bescheinigung des Finanzamtes hat der Kläger bestätigt gesehen, dass seine Tätigkeit für die Musikschule eine sogenannte Übungsleitertätigkeit sei. Die Entscheidung der Finanzbehörde sei auch für das Gericht verbindlich. Der Restitutionsgrund bestehe darin, dass er erst mit der Ausstellung der Urkunde in den Stand gesetzt worden sei, diese zu benutzen. Aufgrund der Übungsleitertätigkeit erhöhe sich der Einkommensfreibetrag im streitgegenständlichen Zeitraum.
Mit Gerichtsbescheid vom 5. September 2017 hat das Sozialgericht die Wideraufnahmeklage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Voraussetzungen des allein in Betracht kommenden Restitutionsgrundes des Auffindens einer Urkunde, die eine dem Kläger günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würde im Sinne des § 179 Abs. 1 SGG in Verbindung mit § 580 Nr. 7b ZPO, lägen nicht vor. Würde man der Bescheinigung des Finanzamtes überhaupt die Qualität einer Urkunde im Sinne von § 580 Nr. 7b ZPO beimessen, könnte ihr Beweiswert nur darin liegen, dass der Mitarbeiter des Finanzamtes seine Auffassung zur rechtlichen Einordnung der Übungsleitertätigkeit des Klägers schriftlich niedergelegt habe. Es seien keine Tatsachen ersichtlich, die eine andere Entscheidung herbeigeführt hätten. Aus der Urkunde sei insbesondere nicht ersichtlich, welche Unterlagen dem Aussteller der Bescheinigung vorgelegen haben. Darüber hinaus treffe die Urkunde keine Aussage dazu, für welchen Zeitraum überhaupt eine Aussage zur Anerkennung der Tätigkeit des Klägers als Übungsleiter getroffen werden sollte. Schließlich sei die Meinung eines Finanzbeamten zur steuerrechtlichen Beurteilung einer Tätigkeit für das Sozialgericht nicht bindend. Die Restitutionsklage scheitere auch an dem weiteren Erfordernis des Errichtungszeitpunktes, weil Restitutionsklagen grundsätzlich nicht zugelassen werden, wenn sie auf Urkunden gestützt würden, die nach der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung errichtet worden seien. Die Urkunde sei am 22. Juli 2016 und damit erst nach der letzten Tatsacheninstanz errichtet worden. Auch eine ausnahmsweise Berücksichtigung nachträglich gefertigter Urkunden, die Tatsachen beweisen könnten, die schon im maßgeblichen Zeitpunkt vorgelegen haben, ergäbe kein anderes Ergebnis. Die Bescheinigung enthalte keinerlei Angaben, welche Unterlagen der Sachbearbeiter geprüft hat und für welchen Zeitraum er eine Aussage habe treffen wollen. Bei der Wiederaufnahme handele es sich um einen Rechtsbehelf, mit dem die Rechtskraft von Urteilen nur in eng begrenzten Fällen durchbrochen werden könne. Es sollten nur schwerste verfahrensrechtliche Mängel korrigiert werden. Allein das Bestehen eines materiellen Anspruchs, der in der angegriffenen Entscheidung verkannt worden sei, rechtfertige die Rechtskraftdurchbrechung nicht. Der Gerichtsbescheid ging dem damaligen Bevollmächtigten des Klägers am 22. September 2017 zu.
Am Montag, den 23. Oktober 2017 hat der Kläger gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berufung eingelegt. Zur Begründung trägt er vor, die Übungsleitereigenschaft der Tätigkeit des Klägers an der Musikschule H. mit entsprechendem Freibetrag sei zwischen den Parteien unstrittig gewesen. Der Kläger habe sich deshalb nicht versehen, dass dieses Thema in der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht abweichend behandelt worden sei. Er habe deshalb damals keine weiteren Beweismittel anbieten können. Nur die Finanzbehörden seien kompetent, die Anwendung des § 3 Nr. 26 EstG zu beurteilen. Das müsse einheitlich geschehen. Der Kläger hätte auch selbst schon eher die entsprechende Finanzamtsbescheinigung anfordern und einreichen können, wenn ihm deren Notwendigkeit früher erkennbar gewesen wäre. Der Kläger sei seit 2003 für die Musikschule unverändert tätig, so dass der streitgegenständliche Zeitraum, auf den sich auch die Bescheinigung des Finanzamtes beziehe, zweifelsfrei umfasst sei. Es seien beim Finanzamt dieselben Unterlagen eingereicht worden wie beim Jobcenter und dem Sozialgericht.
Der Kläger beantragt, 1. den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hamburg vom 5. September 2017 aufzuheben, das rechtskräftig abgeschlossene sozialgerichtliche Verfahren S 32 AS 2701/13 wiederaufzunehmen und das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 15. April 2016 abzuändern, 2. die Revision zuzulassen.
Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Zur Begründung hat der Beklagte auf die Ausführungen des Sozialgerichtes in der angefochtenen Entscheidung verwiesen.
Eine gleichzeitig mit der Berufung gestellte Anhörungsrüge des Klägers (Az.: S 32 AS 216/18 RG) hat das Sozialgericht durch Beschluss vom 22. Januar 2018 als unzulässig verworfen.
Mit Beschluss vom 21. März 2018 hat der Senat die Berufung nach § 153 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) dem Berichterstatter zur Entscheidung mit den ehrenamtlichen Richtern übertragen.
Der Senat hat am 17. Januar 2019 mit den Beteiligten mündlich verhandelt. Auf das Protokoll wird verwiesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten sowie auf die Verwaltungsakte des Beklagten verwiesen, die bei der Entscheidung vorgelegen haben.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung, über die der Senat gemäß § 153 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) durch den Berichterstatter und die ehrenamtlichen Richter entscheiden kann, ist zulässig. Sie ist insbesondere statthaft (§§ 143, 144 SGG) und form- und fristgerecht eingelegt (§ 151 SGG).
Die Berufung bleibt aber in der Sache ohne Erfolg. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.
Die Wiederaufnahmeklage ist unbegründet. Nach § 179 Abs. 1 SGG kann ein rechtskräftig beendetes Verfahren entsprechend den Vorschriften der Zivilprozessordnung (ZPO) wieder aufgenommen werden. Der Kläger macht hier bzgl. des rechtskräftig abgeschlossenen Klageverfahrens S 32 AS 2701/13 einzig den Wiederaufnahmegrund des § 580 Nr. 7b ZPO geltend. Danach findet die Restitutionsklage statt, wenn die Partei eine Urkunde auffindet oder zu benutzen in den Stand gesetzt wird, die eine ihr günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würde.
Das Sozialgericht hat zutreffend die Voraussetzungen dieses allein in Betracht kommenden Restitutionsgrundes verneint. Der Senat verweist zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Gründe der angefochtenen Entscheidung des Sozialgerichtes (§ 153 Abs. 2 SGG).
Ergänzend ist auszuführen, dass die vom Kläger vorgelegte Bescheinigung des Finanzamtes bereits keine Urkunde im Sinne von § 580 Nr. 7b ZPO darstellt. Der § 580 Nr. 7b ZPO meint nur solche Urkunden, die sich auf Tatsachen beziehen, also schriftliche Beweisstücke, aus denen das Gericht die volle Überzeugung von der Wahrheit der zu beweisenden Tatsachen nach dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung zu gewinnen vermag (vgl. Landessozialgericht Hamburg, Beschluss vom 17.9.2018 – L 4 AS 127/18 WA; Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 11.11.2009 – L 6 VJ 3978/08, juris Rn. 56). Die vom Kläger vorgelegte Bescheinigung des Finanzamtes vom 22. Juli 2016 könnte als Tatsache lediglich beweisen, dass sie vom Finanzamt Hamburg-Altona erteilt worden ist; sie beweist nicht, dass die dort wiedergegebene Beurteilung oder Ansicht richtig ist. Letzteres könnte erst auf dem Umweg über weitere Ermittlungen – nämlich ggf. Zeugen- oder Sachverständigenbeweis - festgestellt werden, die in § 580 ZPO als Beweismittel nicht zugelassen sind, oder müsste rechtlich überprüft werden. Der Restitutionsgrund des § 580 Nr. 7b ZPO dient aber nicht dazu, im Vorprozess nicht gehörte Sachverständige und Zeugen oder weitere Rechtsauffassungen in das Verfahren einzuführen, deshalb sind behördliche Bescheinigungen keine einen Restitutionsgrund bildenden Urkunden (vgl. BVerwG, Beschluss vom 21. Januar 1982 – 7 B 13/82, juris Rn. 4; vgl. auch Hannappel, in: Roos/Wahrendorf, SGG, 1. Aufl. 2014, § 179 Rn. 49; Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 7. Aufl. 2016, Kapitel XI. Rn. 29).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG nicht vorliegen.
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