L 20 KR 215/18 B ER

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
20
1. Instanz
SG Bayreuth (FSB)
Aktenzeichen
S 8 KR 58/18 ER
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 20 KR 215/18 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Zu den Voraussetzungen einer Verordnung von medizinischem Cannabis
I. Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschlusses des Sozialgerichts Bayreuth vom 19.03.2018 aufgehoben und die Antragsgegnerin verpflichtet, die Antragstellerin längstens bis zum Abschluss des erstinstanzlichen Hauptsacheverfahrens vorläufig mit Medizinal-Cannabisblüten der Sorten Bediol (10g-Dose, 1 x täglich 0,25g morgens), Penelope (10g-Dose, 1 x täglich 0,25g mittags) und Pedanios 20/1 (10g-Dose, 1 x täglich 0,5g abends) entsprechend der vertragsärztlichen Verordnung vom 31.07.2018 zu versorgen (Inhalation in einem Verdampfungssystem; tägliche Maximaldosis 1g; Monatsbedarf 30g).

II. Die Antragsgegnerin hat der Antragstellerin die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Antragstellerin (ASt) begehrt die (vorläufige) Verpflichtung der Antragsgegnerin (Ag), die Kosten für die Versorgung mit Cannabis in Form von getrockneten Blüten zu übernehmen.

Die 1994 geborene ASt absolviert - nach eigenen Angaben - eine Ausbildung zur Heilerziehungspflegerin. Am 18.07.2017 beantragte sie bei der Antragsgegnerin (Ag), bei der sie krankenversichert ist, unter Vorlage eines Attestes des Allgemeinarztes Dr. B. die Kostenübernahme für die Therapie mit medizinischen Cannabisblüten. Sie leide (im Wesentlichen) unter einem Fibromyalgiesyndrom sowie einer chronischen Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren. Aufgrund ihrer stark eingeschränkten Immobilität sei ihr Arbeitsplatz akut gefährdet. Sie benötige wegen der Schwere ihrer Symptome eine zeitnahe Schmerztherapie. Eine besser verträgliche Alternative gebe es nicht. Die Behandlung mit medizinischem Cannabis gewährleiste eine zeitnahe Schmerzreduktion und verbessere damit ihre Chancen auf Eingliederung in das Ausbildungs- und Berufsleben. Die genaue Darreichungsform und Dosierung werde sich im Laufe der Therapie ergeben.

Hierauf teilte die Ag der ASt mit, der Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK) müsse zur Erstellung eines Gutachtens eingeschaltet werden (Schreiben vom 27.07.2017), und dieser benötige zur Beurteilung weitere ärztliche Befundberichte (Schreiben vom 16.08.2017). Eine abschließende Klärung verzögere sich damit bis zum 27.09.2017 bzw. - wegen der erneuten Anforderung eines Berichtes bei Dr. B. - weitergehend bis 11.10.2017 (Schreiben vom 30.08.2017). Vor Ablauf dieses (zuletzt genannten) Datums gelte der Antrag nicht bereits wegen des Überschreitens der 5-Wochen-Frist als genehmigt.

In seinem Gutachten vom 19.09.2017 kam der MDK zu dem Ergebnis, dass die Voraussetzungen des § 31 Abs. 6 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) nicht erfüllt seien. Die Kostenübernahme könne nicht empfohlen werden. Medikamente, die speziell bei Fibromyalgiesyndrom hilfreich seien, gebe es nicht. Die bisherige Medikation habe zwar keine signifikante Besserung gebracht. Möglich erscheine jedoch noch die Gabe schwach opioidhaltiger Medikamente, die bislang noch nicht zum Einsatz gekommen seien. Zudem stehe die dringliche Aufnahme einer Psychotherapie (stationär oder zeitnah ambulant) im Vordergrund. Die Therapiemöglichkeiten seien noch nicht ausgeschöpft. Zudem gebe es keine qualifizierte Studienlage zum Einsatz von Cannabis, die eine klinisch relevante Wirksamkeit bei vertretbarem Risiko belege.

Mit Bescheid vom 25.09.2017, übersandt an die ASt per Einschreiben am 02.10.2017, lehnte die Ag die Kostenübernahme für die Cannabisblüten unter Bezugnahme auf das Gutachten des MDK ab.

Den dagegen eingelegten Widerspruch begründete die ASt damit, dass opioidhaltige Präparate wie Tramadol und Tilidin bereits getestet worden seien. Diese hätten sich jedoch als ungeeignet erwiesen. Kodein dürfe nicht als Dauermedikation eingesetzt werden. Es beinhalte ein sehr hohes Suchtpotential. Eine ambulante oder stationäre Psychotherapie sei nur sinnvoll, wenn eine effektive medikamentöse Therapie vorhanden sei, die auch als Dauermedikation geeignet angesehen werden könne. Ihre chronische Gastritis Typ C erschwere die Therapie mit Tabletten bzw. Opiaten. Verdampfte Cannabisblüten reizten den Magen jedoch nicht und seien geeignet, die Beschwerden zu lindern. Nach Vorlage eines weiteren Attestes des Dr. B. vom 04.12.2017 forderte die Ag beim MDK eine weitere Stellungnahme an.

In seinem Gutachten vom 22.12.2017 kam der MDK erneut zu dem Ergebnis, es stehe eine dem medizinischen Standard entsprechende Behandlungsalternative zur Verfügung. Nach der S3-Leitlinie Fibromyalgiesyndrom sollten Patienten mit schwerer Ausprägung des Fibromyalgiesyndroms ein multimodales Therapiekonzept erhalten. Bereits anlässlich einer Behandlung in der B. C. sei der ASt dringend eine Physio- und Ergotherapie empfohlen worden. Dort habe man ihr auch eine stationäre psychosomatische Behandlung angeboten, die die ASt jedoch für untragbar gehalten habe. Die ASt solle zu körperlicher Aktivität und Ausdauertraining angeregt werden. Auch im Hinblick auf die bestehende Adipositas sei dies geboten. Es bestünden jedoch wohl Vorbehalte, die vom Hausarzt unterstützt würden. Die von diesem diskutierten Therapiealternativen seien fast ausschließlich medikamentös. Der S3-Leitlinie zufolge seien medikamentöse Behandlungen bei Fibromyalgie nur nachrangig und vorübergehend einzusetzen. Diskrepanzen bestünden auch bezüglich der Angaben zur Medikamentenverträglichkeit. Duloxetin sei in B. vertragen worden, wohingegen der Hausarzt schwere Nebenwirkungen beschreibe. Eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf eine spürbar positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf oder auf schwerwiegende Symptome durch eine Cannabisblütentherapie bestehe nicht. Die S3-Leitlinie spreche sich explizit gegen die Anwendung von Cannabinoiden bei Fibromyalgie aus. Grund hierfür seien die Negativstudien zu Nabilon. Ebenso sprächen sich die Studien gegen einen Einsatz bei Fibromyalgie aus.

Mit Widerspruchsbescheid vom 15.02.2018 wies die Ag den Widerspruch als unbegründet zurück. Nach den Feststellungen des Gutachtens des MDK vom 22.12.2017 lägen die Voraussetzungen des § 31 Abs. 6 SGB V nicht vor. Nach der entsprechenden S3-Leitlinie bestehe bei einem Fibromyalgiesyndrom eine Kontraindikation für die Anwendung von Cannabinoiden.

Hiergegen hat die ASt Klage zum Sozialgericht Bayreuth (SG) erhoben (S 8 KR 90/18). Bereits am 23.02.2018 hatte sie beantragt, die Ag im Wege einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, vorläufig bis zum rechtskräftigen Abschluss eines Klageverfahrens die Kosten einer Versorgung der ASt mit Medizinal-Cannabisblüten in maximaler Tagesdosis von 1g sowie einem Vier-Wochen-Bedarf von 30g gemäß den Dosierungsangaben des behandelnden Arztes der ASt zu übernehmen. Zur Begründung hat die ASt ausgeführt, aufgrund ihrer unerträglichen Schmerzen sei sie immobil. Dies führe zu schweren psychischen, sozialen und finanziellen Folgen. Sie könne insbesondere ihre Ausbildung zur Heilerzieherin nicht abschließen. Weder mit medikamentösen noch mit nichtmedikamentösen (ambulante oder stationäre Psychotherapie) Therapien seien bislang zufriedenstellende Ergebnisse zu erzielen gewesen. Dr. B. als behandelnder Vertragsarzt sehe keine verträgliche Alternative zu einer Behandlung mit Cannabis. Opioidhaltige Medikamente vertrage sie nicht. Zudem bestehe hier eine hohe Suchtgefahr. Die Genehmigungsfiktion des § 13 Abs. 3a SGB V sei vorliegend eingetreten. Die Ag habe keine Gründe mitgeteilt, weshalb eine Entscheidung nicht innerhalb der Fünf-Wochen-Frist habe getroffen werden können. Ungeachtet dessen bestehe der Anspruch aus § 31 Abs. 6 Satz 1 SGB V. Es liege eine schwerwiegende Erkrankung iS dieser Regelung vor. Zudem wirke sich die Gabe von Cannabis - Verordnungen seien durch Dr. B. bislang privat rezeptiert worden - spürbar positiv auf ihre schwerwiegenden Krankheitssymptome aus. Ihre Schmerzen könnten auf ein erträgliches Maß reduziert werden, so dass sie in der Lage sei, ein hinreichend normales soziales Leben zu führen. Eine alternative Therapie, die eine positive Wirkung auf den Krankheitsverlauf habe, stehe nicht zur Verfügung. Um der Therapiehoheit des Vertragsarztes Rechnung zu tragen, seien nach der Begründung der gesetzlichen Regelungen Genehmigungsanträge bei der Erstversorgung nur in begründeten Ausnahmefällen abzulehnen. Auch liege ein Anordnungsgrund vor. Ihre finanzielle Situation lasse keine Vorfinanzierung der Cannabistherapie zu. Sie verfüge - mit Ausnahme eines Ausbildungsgehaltes - über keine Einkünfte oder Reserven, aus denen die voraussichtlichen Kosten (ca. 70 EUR pro 5 Gramm) bis zum Abschluss eines Klageverfahrens getragen werden könnten.

Dem ist die Ag unter Hinweis darauf entgegengetreten, dass weder eine Genehmigungsfiktion eingetreten sei noch die Voraussetzungen des § 31 Abs. 6 SGB V vorlägen. Die ASt sei zeitnah über die Einschaltung des MDK sowie die Gründe der Verzögerung (Beiziehung von Unterlagen; Begutachtung) informiert worden, verbunden mit dem Hinweis, dass über den Antrag bis spätestens 27.09.2017 entschieden werde. Dieser zeitliche Rahmen sei mit dem Bescheid vom 25.09.17 eingehalten. Eine Kostenübernahme gemäß § 31 Abs. 6 SGB V komme unter Beachtung der Stellungnahme des MDK nicht in Betracht. Die S3-Leitlinie Fibromyalgie spreche sich explizit gegen eine Anwendung von Cannabinoiden bei Fibromyalgie aus. Auch aus der aktuellen Studienlage gebe es keinen Hinweis auf positive Wirkungen einer Cannabistherapie. Zur Behandlung der ASt stünden allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistungen in Form der vom MDK beschriebenen multimodalen Behandlungskonzepte zur Verfügung. Dem bringe die ASt allerdings grundsätzlich negative Erwartungen entgegen. Insbesondere habe sie sich gegen die seitens der C. angeratene, leitliniengerechte Empfehlung zur Aufnahme einer ambulanten oder stationären Psychotherapie ausgesprochen. Auch hege sie Vorbehalte gegenüber Physio- und Ergotherapie. Die von der ASt angestrebten Therapiealternativen seien fast ausschließlich medikamentöser Natur. Leitliniengerecht sei jedoch ein nachrangiger und vorübergehender Einsatz von Medikamenten. Nicht erklärlich sei zuletzt auch die Diskrepanz der Angaben bezüglich der Verträglichkeit von Duloxetin. Seitens der C. seien keine Nebenwirkungen beschrieben, wohingegen im Zusammenhang mit der ambulanten Weiterbehandlung durch den behandelnden Vertragsarzt von starken Nebenwirkungen die Rede sei. Dies sei allenfalls mit der Subjektivität der Beschwerden, mit einer psychischen Genese der Erkrankung und/oder einer Nocebowirkung erklärbar.

Das SG hat mit Beschluss vom 19.03.2018 den Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt. Der streitgegenständliche Anspruch, die vorläufige Versorgung mit Cannabisblüten, gehöre nicht zu den existenziell bedeutsamen Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung. Geboten und ausreichend sei lediglich eine summarische Prüfung der Sach- und Rechtslage.

Die Genehmigungsfiktion nach § 13 Abs. 3a SGB V sei nicht eingetreten. Diese setze voraus, dass der Träger der Krankenversicherung keinen oder keinen hinreichenden Grund mitgeteilt habe. Nur im Fall einer grundlos nicht fristgerechten Leistungserbringung könne sich der Versicherte auf die Regelung berufen, die erforderliche Leistung selbst beschaffen und Kostenerstattung verlangen. Vor dem Ablauf einer (letzten) hinreichend begründeten Frist bestehe kein Anspruch auf Erstattung von Kosten. Nach dem Antrag vom 18.07.2017 sei die ASt aber taggenau darüber informiert worden, dass sich eine Entscheidung in der Sache bis 27.09.2017 verzögern werde, nachdem ein Befundbericht des behandelnden Arztes sowie ein Gutachten einzuholen seien. Zudem sei die ASt darauf hingewiesen worden, dass der Antrag bis dahin nicht als genehmigt gelte. Vor Ablauf dieser Frist habe die Ag den Bescheid am 25.09.2017 erlassen.

Ein Anordnungsanspruch ergebe sich auch nicht aus § 31 Abs. 6 SGB V. Hiernach habe ein Versicherter mit einer schwerwiegenden Erkrankung Anspruch auf Versorgung mit Cannabis in Form von getrockneten Blüten oder Extrakten in standardisierter Qualität und auf Versorgung mit Arzneimitteln mit den Wirkstoffen Dronabinol oder Nabilon, wenn eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung nicht zur Verfügung stehe oder im Einzelfall nach der begründeten Einschätzung der behandelnden Vertragsärztin oder des behandelnden Vertragsarztes unter Abwägung der zu erwartenden Nebenwirkungen und unter Berücksichtigung des Krankheitszustandes der oder des Versicherten nicht zur Anwendung kommen könne. Zudem müsse die nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf oder auf schwerwiegende Symptome bestehen. Zudem bedürfe die Leistung bei der ersten Verordnung einer Genehmigung der Krankenkasse, die vor Beginn der Leistung zu erteilen sei, jedoch nur in begründeten Ausnahmefällen abgelehnt werden dürfe. Nicht in Frage zu stellen sei, dass bei der ASt eine schwerwiegende Erkrankung vorliege. Es sei aber zu bezweifeln, ob die bislang allein erfolgte Verordnung des Cannabis auf Privatrezept den gesetzlichen Anforderungen genüge. Ein Anspruch auf Versorgung mit Arzneimitteln als Sachleistung der gesetzlichen Krankenversicherung erfordere - unter Verwendung des entsprechenden Formblattes - eine vertragsärztliche Verordnung gemäß § 73 Abs. 2 Nr. 7 SGB V. Zudem sei für die hier streitige Versorgung mit Cannabisarzneimitteln die Verordnung auf einem Betäubungsmittelrezept nötig, das die in § 9 Betäubungsmittel-Verschreibungsverordnung (BtMVV) vorgeschriebenen Angaben enthalte. Ein Privatrezept bzw. privatärztliches Betäubungsmittelrezept sei nicht ausreichend. Die Voraussetzungen gemäß § 31 Abs. 6 SGB V würden damit nicht bestätigt. Ungeachtet dessen sei die letzte (Privat-)Verordnung vom 15.11.2017 bereits eingelöst und bezahlt. Eine aktuelle Verordnung sei nicht vorgelegt worden. Darüber hinaus sei nicht glaubhaft gemacht, dass für die Behandlung der Krankheiten der ASt eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung nicht zur Verfügung stehe oder im Einzelfall nach begründeter vertragsärztlicher Einschätzung nicht zur Anwendung kommen könne. Ein Leistungsanspruch bestehe zwar, wenn es eine allgemein anerkannte Behandlungsmethode gebe, die bei abstrakter Betrachtung als Standardbehandlung anzusehen sei, die aber nach begründeter vertragsärztlicher Einschätzung bei Abwägung der zu erwartenden Nebenwirkungen sowie unter Berücksichtigung des Krankheitszustandes des Versicherten nicht zur Anwendung kommen könne. Für den Fall der Nichtanwendbarkeit einer Standardtherapie im Hinblick auf die Nebenwirkungen und den Krankheitszustand sei eine begründete Einschätzung des behandelnden Vertragsarztes erforderlich, die zwingend den vorzunehmenden Abwägungsprozess erkennen lassen müsse. Nach den Darlegungen des MDK stünden allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende alternative Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung. Demgegenüber erscheine die Einschätzung des behandelnden Allgemeinarztes, diese Behandlungsmöglichkeiten kämen nicht in Betracht und lediglich eine Behandlung mit Cannabis sei sinnvoll, nicht plausibel. Nach der S3-Leitlinie Fibromyalgiesyndrom sollten Patienten mit schwerer Ausprägung des Fibromyalgiesyndroms ein multimodales Konzept erhalten. Dieses schließe mindestens ein körperlich aktivierendes Verfahren und mindestens ein psychologisch-psychotherapeutisches Verfahren ein. Dementsprechend hätten die Ärzte der C. im Juli 2017 dringend eine Physio- und Ergotherapie sowie eine stationäre psychosomatische Behandlung empfohlen. Die ASt habe diese jedoch ablehnt. Auch dem dringlichen Rat, zeitnah eine ambulante Psychotherapie zu beginnen, sei die ASt nicht gefolgt. Die Angaben der ASt, ihr sei eine Wartezeit bis zum Beginn einer Psychotherapie im März nicht zumutbar, weil sie aufgrund ihrer immensen Schmerzen und bei Schmerzschüben ohne Medikamente zu einer bettlägerigen Patientin werde, sei angesichts des belegten Schweregrades der vorliegenden Fibromyalgie nur eingeschränkt nachvollziehbar. Körperliche Schonung gehöre gerade nicht zu den Therapiemaßnahmen bei Fibromyalgie, sondern sei völlig kontraproduktiv. Die von der C. dringend empfohlene Physio- und Ergotherapie werde vom behandelnden Arzt nicht in ausreichendem Maße verfolgt, da die vom ihm diskutierten Alternativtherapien und Therapieerfahrungen fast ausschließlich medikamentöser Natur seien. Nach der S3-Leitlinie sei bei Fibromyalgie eine medikamentöse Behandlung nur nachrangig und vorübergehend angezeigt. Duloxetin sei in B. vertragen worden, wohingegen der Hausarzt schwere Nebenwirkungen beschreibe. Diese Diskrepanz könne nur mit der Subjektivität der Beschwerden, mit der psychischen Genese der Erkrankung und einer Nocebowirkung erklärt werden. Soweit der behandelnde Hausarzt von einer physikalischen Therapie nur eine geringe bis mittlere Wirksamkeit bei teilweise hohen Selbstkosten erwarte, fehle eine schlüssige Begründung, dass eine anerkannte Standardtherapie nicht zur Anwendung kommen könne. Gleiches gelte für eine Psychotherapie. Ein Versagen der etablierten Behandlungsmethoden, wodurch sich der Einsatz von Cannaboiden rechtfertigen würde, sei auch vor dem Hintergrund der Ergebnisse der stationären Behandlung der ASt in der C. im Juli 2017 nicht zu erkennen. Lediglich sofern sich unter einer langsam ansteigenden Dosierung von Duloxetin eine langfristige Beschwerdepersistenz zeige, solle dem Entlassungsbericht der C. zufolge ein Therapieversuch mit Cannabis evaluiert werden. Im Vordergrund der Therapie stehe eine ambulante Psychotherapie sowie die dringend angeratene Physio- und Ergotherapie, um eine zeitnahe Eingliederung ins Ausbildungsleben zu gewährleisten. Zuletzt spreche sich auch die S3-Leitlinie Fibromyalgiesyndrom explizit gegen die Anwendung von Cannabinoiden bei Fibromyalgie aus. Grund hierfür sind die Negativstudien zu Nabilon. Auch die vorliegenden Studien sprächen sich gegen einen Einsatz von Cannabinoiden bei Fibromyalgie aus. Eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf eine spürbar positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf oder auf schwerwiegende Symptome durch eine Cannabisblütentherapie sei damit nicht zu bestätigen. Auch die Voraussetzungen für das Vorliegen eines Anordnungsgrundes seien nicht hinreichend glaubhaft gemacht. Die Behauptung, die Antragstellerin könne die anfallenden Kosten bis zum rechtskräftigen Abschluss des Widerspruchs- und eines eventuellen Klageverfahrens nicht tragen, seien nicht ausreichend dargelegt.

Gegen den Beschluss hat die ASt Beschwerde beim Bayer. Landessozialgericht (LSG) eingelegt. Sie habe diverse Therapien durchgeführt, die nicht zu einem gewünschten Erfolg oder starken Nebenwirkungen geführt hätten. Ihr behandelnder Arzt, Dr. B., habe in einer weiteren Stellungnahme dargelegt, dass ohne die medizinische Gabe von Cannabisblüten eine multimodale Therapie nicht wirksam möglich sei. Obwohl sie ihre Behandlung regelmäßig und gewissenhaft durchführe, benötige sie die verordneten Medikamente, um bei den Therapien mitarbeiten zu können. Es könne dahinstehen, ob das Privatrezept den gesetzlichen Anforderungen genüge. Ihr Antrag sei hinreichend bestimmt. Ebenso sei unbeachtlich, dass das Privatrezept bereits bezahlt sei. Ein Kassenrezept sei bislang nicht ausgestellt worden, weil Ärzte bei der Ausstellung ohne Kostenübernahme Zurückhaltung übten, um einem Missbrauch der Rezeptformulare vorzubeugen. Dr. B. sei im Falle einer Kostenübernahme aber bereit, ein kassenärztliches Rezept auszustellen. Es gehe vorliegend nicht um die Gewährung von Leistungen für die Vergangenheit, sondern um die vorläufige Gewährung (zukünftigen) Rechtsschutzes bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens. Soweit die S3-Leitlinie auf die Durchführung einer multimodalen Schmerztherapie verweise, werde dies nicht in Abrede gestellt. Diese Therapie sei jedoch aufgrund ihrer Schmerzzustände ohne eine begleitende Cannabisblütentherapie nicht durchführbar. Nicht nachvollziehbar seien die Behauptungen, die Behandlung mit Duloxetin habe Nebenwirkungen hervorgerufen, die allein auf ihrer subjektiven Wahrnehmung beruhen würden. Dies sei durch nichts belegt. Insbesondere sei die Vielzahl ihrer Nebenerkrankungen zu berücksichtigen. Auch könnten Nebenwirkungen sich erst nach einer längeren Einnahme einstellen. Dies sei von Dr. B. so festgestellt worden. Zuletzt spreche auch die Studienlage nicht gegen die Verordnung von Cannabisblüten. Die Negativstudien, die die Ag und das SG erwähnt hätten, würden sich auf das synthetisch hergestellte Medikament Nabilon beziehen, das lediglich den Wirkstoff THC beinhalte. Die von ihr begehrte Therapie beziehe sich auf Cannabisblüten, die eine Vielzahl von Wirkstoffen enthielten und in ihrer unterschiedlichen Kombination auch bei Fibromyalgie wirksam seien. Dies sei durch Studien belegt.

Ausweislich eines Attestes des Dr. B. vom 23.04.2018 führe die ASt eine multimodale Schmerztherapie (Dr. P. - spezielle Schmerztherapie/ Anästhesie C-Stadt; Dr. S. - Zentrum für Schmerzmedizin L-Stadt), eine ambulante Psychotherapie (Dipl. Psych. F. - Verhaltens- und Traumatherapie; Dipl. Psych. K. - Schmerztherapeutische Behandlung) und physikalische Therapien (moderates Ausdauertraining) durch. Medikamentös sei sie mit Ibuprofen, Diclofenac, Naproxen, ASS, Paracetamol, Novalgin, Arcoxia, Procain, Duloxetin, Amitriptylin, Tramadol, Tilidin und Fentanyl-Pflaster behandelt worden (Medikamenten-Plan 12/2017). Aktuell erhalte die ASt Cannabis Pedanios (unbehandelte Cannabisblüten) bei Bedarf zur Schmerzreduktion bei Dauerschmerzen der Muskulatur, Sehnen und Gelenke sowie bei Schmerzschüben. Es stehe eine Schmerz-Trauma-Therapie als Rehabilitationsmaßnahme an. Zu Beginn der Schmerztherapie mit Cannabinoiden habe die ASt zeitweise ohne fremde Hilfe ihren täglichen Pflichten nachgehen können. Nachdem die Therapie von der Krankenkasse nicht unterstützt worden sei, sei eine kontinuierliche medikamentöse Versorgung nicht mehr gewährleistet gewesen. Lediglich die regelmäßige Einnahme der Cannabinoide versetze die ASt in die Lage, die aufgenommenen Therapien regelmäßig und schmerzfrei durchzuführen. Der Umstand, dass die ASt nicht in der Lage sei, eine private Verordnung der Cannabisblüten zu finanzieren, habe dazu geführt, dass die ASt sei 18.05.2017 aufgrund ihrer Schmerzen ausbildungs- und arbeitsunfähig sei. Ein eigenständiges schmerzfreies Leben sei ihr nicht mehr möglich. Aufgrund ihrer Immobilität lebe die ASt seit Januar 2018 in einer Wohngruppe. Die vom MDK in Bezug genommene Negativstudie sei ohne Relevanz, denn diese beziehe sich auf das Medikament Canemes, das vorliegend aber weder zur Behandlung eingesetzt werde noch sei dies beantragt.

Die ASt beantragt, unter Aufhebung des Beschlusses des Sozialgerichts Bayreuth - Aktenzeichen: 8 S KR 58/18 - vom 19.03.2018, zugestellt am 21.03.2018, zu erkennen, dass die Antragsgegnerin und Beschwerdegegnerin bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung im Hauptsacheverfahren verpflichtet wird, die Kosten einer Versorgung der Antragstellerin mit Medizinal-Cannabisblüten in maximaler Tagesdosis von 1 Gramm sowie einem Vier-Wochen-Bedarf von 30 Gramm gemäß den Dosierungsangaben des behandelnden Arztes der Antragstellerin zu übernehmen.

Die Antragsgegnerin beantragt: Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Aus der Beschwerdebegründung ergebe sich kein neuer Aspekt, der eine andere Betrachtungsweise zulasse.

Auf gerichtliche Anforderung hat die ASt am 06.08.2018 zwei Rezepte des Dr. B. vom 31.07.2018 übersandt, wonach ihr Cannabisblüten der Sorten Bediol (10g-Dose, 1 x täglich 0,25g morgens), Penelope (10g-Dose, 1 x täglich 0,25g mittags) und Pedanios 20/1 (10g-Dose, 1 x täglich 0,5g abends) verordnet worden waren (tägliche Maximaldosis 1g; Monatsbedarf 30g), die sie in verdampfter Form zu inhalieren habe.

Zur Ergänzung des Sachverhaltes wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten der Ag sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

II.

Die form- und fristgerechte Beschwerde ist zulässig (§§ 172 Abs. 1, 173 Sozialgerichtsgesetz - SGG) und begründet.

Der Beschluss des SG vom 19.03.2018 ist aufzuheben. Die vorzunehmende Folgenabwägung gebietet eine Verpflichtung der Ag, die ASt bei Vorlage einer entsprechenden vertragsärztlichen Verordnung auf einem Betäubungsmittelrezept bis zum Abschluss des erstinstanzlichen Hauptsacheverfahrens im Wege vorläufiger Leistungen mit Medizinal-Cannabisblüten zu versorgen.

Gegenstand des Verfahrens ist eine (vorläufige) Kostenübernahme für die Versorgung mit Arzneimitteln als Sachleistung der gesetzlichen Krankenversicherung. Gegen den diesbezüglich in der Hauptsache ablehnenden Bescheid vom 25.09.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.02.2018 hat die ASt bereits eine Anfechtungs- und Leistungsklage zum SG erhoben, so dass vorliegend § 86b Abs. 2 Satz 1 und 2 SGG die maßgebliche Rechtsgrundlage für die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes darstellt. Hiernach kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte; einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint.

Die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes setzt einen Anordnungsanspruch, also einen materiell-rechtlichen Anspruch auf die Leistung, zu der der Antragsgegner im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes verpflichtet werden soll, sowie einen Anordnungsgrund, nämlich einen Sachverhalt, der die Eilbedürftigkeit der Anordnung begründet, voraus. Sowohl Anordnungsanspruch als auch Anordnungsgrund sind gemäß § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) i.V.m. § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG glaubhaft zu machen. Dabei stehen Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund nicht isoliert nebeneinander, es besteht vielmehr eine Wechselbeziehung derart, als die Anforderungen an den Anordnungsanspruch mit zunehmender Eilbedürftigkeit bzw. Schwere des drohenden Nachteils (Anordnungsgrund) zu verringern sind und umgekehrt. Ist die Klage in der Hauptsache offensichtlich unzulässig oder unbegründet, so ist der Antrag auf einstweilige Anordnung ohne Rücksicht auf den Anordnungsgrund grundsätzlich abzulehnen, weil ein schützenswertes Recht nicht vorhanden ist. Ist die Klage in der Hauptsache dagegen offensichtlich begründet, so vermindern sich die Anforderungen an den Anordnungsgrund. In der Regel ist dann dem Antrag auf Erlass der einstweiligen Anordnung stattzugeben, auch wenn in diesem Fall nicht gänzlich auf einen Anordnungsgrund verzichtet werden kann. Soweit Leistungen von existenzieller Bedeutung in Frage stehen und deshalb eine erhebliche, über Randbereiche hinausgehende Verletzung in den Grundrechten, die durch eine der Klage stattgebende Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr beseitigt werden kann, droht, ist eine Versagung der Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes nur dann möglich, wenn die Sach- und Rechtslage abschließend geklärt ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 14.09.2016 - 1 BvR 1335/13 - juris). Für eine Entscheidung aufgrund einer sorgfältigen und hinreichend substantiierten Folgenabwägung ist nur dann Raum, wenn eine - nach vorstehenden Maßstäben durchzuführende - Rechtmäßigkeitsprüfung auch unter Berücksichtigung der Kürze der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren regelmäßig zur Verfügung stehenden Zeit nicht verwirklicht werden kann, was vom zur Entscheidung berufenen Gericht erkennbar darzulegen ist (vgl zum Ganzen auch: BVerfG, Beschluss vom 14.09.2016 aaO; Beschluss vom 12.05.2005 - 1 BvR 569/05 - Breithaupt 2005, 803; weniger eindeutig: BVerfG, Beschluss vom 06.08.2014 - 1 BvR 1453/12 alle zitiert nach juris). Dabei sind insbesondere die grundrechtlichen Belange des Antragstellers umfassend in die Abwägung einzustellen. Die einstweilige Anordnung wird erlassen, wenn es dem Antragsteller unter Berücksichtigung der Interessen aller Beteiligten nicht zuzumuten ist, die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten.

Ausgehend von diesen grundsätzlichen Überlegungen ist im vorliegenden Fall auf das Ergebnis einer Folgenabwägung abzustellen, denn die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens sind derzeit nicht abschließend zu beurteilen und noch als ergebnisoffen zu betrachten.

Als versichertes Mitglied der Ag hat die ASt dieser gegenüber grundsätzlich einen Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern (§ 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V). Die Krankenbehandlung umfasst die Versorgung mit Arznei-, Verband-, Heil- und Hilfsmitteln (§ 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB V). Gemäß § 31 Abs. 6 Satz 1 SGB V erfasst dies bei einer schwerwiegenden Erkrankung auch einen Anspruch auf Versorgung mit Cannabis in Form von getrockneten Blüten oder Extrakten in standardisierter Qualität und auf Versorgung mit Arzneimitteln mit den Wirkstoffen Dronabinol oder Nabilon, wenn (1.) eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung (a) nicht zur Verfügung steht oder (b) im Einzelfall nach der begründeten Einschätzung der behandelnden Vertragsärztin oder des behandelnden Vertragsarztes unter Abwägung der zu erwartenden Nebenwirkungen und unter Berücksichtigung des Krankheitszustandes der oder des Versicherten nicht zur Anwendung kommen kann, und (2.) eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf oder auf schwerwiegende Symptome besteht. Insoweit ist zwischen den Beteiligten unstreitig, dass die ASt seit Jahren an einer schweren Krankheit iSd vorgenannten Vorschriften, insbesondere an einer chronischen Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren (F 45.41) sowie einem Fibromyalgiesyndrom (M 79.70), leidet. Um den Anspruch auf Versorgung mit Arzneimitteln als Sachleistung in der gesetzlichen Krankenversicherung zu realisieren, bedarf es der Konkretisierung im Einzelfall, die durch vertragsärztliche Verordnung gemäß § 73 Abs. 2 Nr. 7 SGB V unter Verwendung des für die kassenärztliche Versorgung vorgeschriebenen Verordnungsblatts ("Kassenrezept") zu erfolgen hat. Damit stellt der "Kassenarzt" das Vorliegen einer Krankheit fest und verordnet eine medizinisch nach Zweck oder Art bestimmte Dienst- oder Sachleistung zu einer Behandlung iSd § 27 Satz 1 SGB V (vgl. BSG, Urteil vom 16.12.1993 - 4 RK 5/92 - juris). Leistungen iSd § 31 Abs. 6 Satz 1 SGB V für eine Versicherte oder einen Versicherten bedürfen zudem bei der ersten Verordnung vor Beginn der Leistungen einer Genehmigung der Krankenkasse, die nur in begründeten Ausnahmefällen abzulehnen ist (§ 31 Abs. 6 Satz 2 SGB V).

Insoweit hat das SG zwar zurecht darauf hingewiesen, dass eine für die Sachleistung erforderliche vertragsärztliche Verordnung auf einem Betäubungsmittelrezept nicht ausgestellt war [§ 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 SGB V, § 11 Abs. 5 Satz 1 Arzneimittel-Richtlinie (AM-RL) iVm § 13 Abs. 2 Satz 1 Betäubungsmittelgesetz (BtmG) und § 8 Abs. 1 Satz 1 BtMVV vom 20.01.1998, idF von Art. 43 Gesetz vom 29.03.2017, BGBl. I S. 626], aus der insbesondere die in § 9 BtMVV geforderten Angaben ersehen werden konnten.

Dies steht aber einer Verpflichtung der Ag im vorliegenden Eilverfahren nicht entgegen, die ASt - nach zwischenzeitlicher Vorlage eines vertragsärztlichen Betäubungsmittelrezeptes - mit Cannabisblüten im tenorierten Umfang zu versorgen. Allein das Fehlen einer kassenärztlichen Verordnung iSd § 8 Abs. 1 Satz 1 BtMVV (Betäubungsmittelrezept) hätte ohnehin nicht die Annahme gerechtfertigt, dass die Voraussetzungen eines Anordnungsanspruches nicht glaubhaft gemacht seien (vgl. Beschluss des Senates vom 03.05.2018 - L 20 KR 161/18 B ER). Die gegenteilige Auffassung (vgl. BayLSG, Beschluss vom 23.05.2018 - L 5 KR 190/18 B ER; LSG Stuttgart, Beschluss vom 19.09.2017 - L 11 KR 3414/17 ER-B - juris) übersieht in diesem Zusammenhang, dass auch die Krankenkassen - wohl auch im Hinblick auf die kurze Verfallfrist des § 12 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. c) BtMVV - die Genehmigung einer Verordnung auf einem Betäubungsmittelrezept nicht von dessen Vorlage abhängig machen, wie sich bereits aus dem Arztfragebogen zu Cannabinoiden ergibt, in dem ausdrücklich danach gefragt wird, welches Produkt verordnet werden "soll", und nicht danach, was verordnet worden "ist". Insoweit ist der gerichtlichen Entscheidung in einem Eilverfahren wie dem Vorliegenden im Wesentlichen die Funktion einer (vorläufigen) Genehmigung der beantragten Verordnung beizumessen, so dass es zur Verwirklichung des Leistungsanspruches, der Versorgung mit den in § 31 Abs. 6 Satz 1 Halbsatz 1 SGB V genannten Arzneimitteln, im Rahmen des Eilantrages der exakten Bezeichnung des zu verordneten Arzneimittels bedarf, die den Anforderungen des § 9 Abs. 1 Nr. 3 (Arzneimittelbezeichnung), 4 (Menge des verschriebenen Arzneimittels) und 5 (Gebrauchsanweisung) BtMVV genügt, und die sich in der daraufhin auszustellenden (ersten) Verordnung des behandelnden Kassenarztes wiederzufinden haben.

Ein Erfolg in der Hauptsache ist hierbei nicht allein deshalb zu erwarten, weil die Voraussetzungen einer Genehmigungsfiktion nach § 13 Abs. 3a Satz 6 SGB V erfüllt wären, so dass bei einer Selbstbeschaffung der Arzneimittel ein Kostenerstattungsanspruch der ASt bestünde. Ein derartiger Anspruch setzt voraus, dass über einen Antrag auf Leistungen, über den die Krankenkasse nach § 13 Abs. 3a Satz 1 SGB V zügig zu entscheiden hat, d.h. spätestens bis zum Ablauf von drei Wochen nach Antragseingang oder in Fällen, in denen eine gutachtliche Stellungnahme, insbesondere des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (Medizinischer Dienst), eingeholt wird, innerhalb von fünf Wochen nach Antragseingang, nicht entschieden ist, wobei die Krankenkasse, soweit sie Fristen nach Satz 1 ( ...) nicht einhalten kann, dies den Leistungsberechtigten unter Darlegung der Gründe rechtzeitig schriftlich mitzuteilen hat (§ 13 Abs. 3a Satz 5 SGB V). Erst wenn keine Mitteilung eines hinreichenden Grundes erfolgt, gilt die Leistung nach Ablauf der Frist als genehmigt (§ 13 Abs. 3a Satz 6 SGB V), mit der Folge, dass der Leistungsberechtigte nach Ablauf der Frist berechtigt ist, eine erforderliche Leistung selbst zu beschaffen, und die Krankenkasse zur Erstattung der hierdurch entstandenen Kosten verpflichtet ist (§ 13 Abs. 3a Satz 7 SGB V).

Diese Voraussetzungen sind ersichtlich nicht erfüllt, denn der ASt wurde unter Darlegung der Gründe für die Verzögerung - es sei ein Gutachten einzuholen und ein Befundbericht des behandelnden Arztes nachfordern - mitgeteilt, eine abschließende Entscheidung könne innerhalb einer Frist von fünf Wochen ab Antragseingang, d.h. bis zum Ablauf des 22.08.2017 nicht erfolgen, sondern diese verzögere sich aufgrund der genannten Umstände längstens bis 11.10.2017. Diese Entscheidungsfrist hat die Ag mit ihrem Bescheid vom 25.09.2017, der der ASt am 02.10.2017 bekannt gegeben wurde, eingehalten, so dass ein Erstattungsanspruch nach § 13 Abs. 3a Satz 7 SGB V ausscheidet, denn eine Kostenerstattung auf dieser Rechtsgrundlage kommt erst in Betracht, wenn sich der Leistungsberechtigte nach Ablauf der letzten, hinreichend begründeten Frist eine erforderliche Leistung selbst beschafft (vgl. BSG, Urteil vom 08.03.2016 - B 1 KR 25/15 R - juris).

Ein Anspruch auf Versorgung mit Cannabisblüten kann sich damit vorliegend (allein) aus § 31 Abs. 6 Satz 1 SGB V ergeben, dessen tatbestandliche Voraussetzungen zwar nicht offenkundig gegeben sind. Andererseits ist, den Umständen eines Eilverfahrens geschuldet, vorliegend eine abschließende Prüfung der Sach- und Rechtslage, insbesondere eine gutachtliche Aufarbeitung des Sachverhaltes, nicht möglich, sodass auch nicht mit hinreichender Sicherheit belegt werden kann, ein Leistungsanspruch in der Hauptsache sei aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen ausgeschlossen.

Vorliegend stimmen die Beteiligten zumindest darin überein, dass es sich um die Behandlung einer schwerwiegenden Erkrankung (iSd § 12 Abs. 3 AM-RL), nämlich einer schweren und chronischen Schmerzerkrankung der ASt handelt, die deren Lebensqualität auf Dauer nachhaltig beeinträchtigt. Zudem ist nach den beiden im Beschwerdeverfahren vorgelegten Rezepten des Dr. B. (vom 31.07.2018) sowohl die Darreichungsform (inhalieren in einem Verdampfungssystem) als auch die tägliche Maximaldosis (insgesamt 1g; morgens 0,25g Bediol; mittags 0,25g Penelope; abends 0,5g Pedanios 20/1) sowie der monatliche Gesamtbedarf (30g) hinreichend dargelegt, um die Cannabistherapie durchzuführen.

Soweit die Ag in diesem Zusammenhang die Auffassung vertritt, die ASt habe die nach der S3-Leitlinie Fibromyalgie möglichen Behandlungsoptionen, die dem allgemein anerkannten medizinischen Standard entsprechen, nicht ausgeschöpft (§ 31 Abs. 6 Satz Nr. 1 Buchst. a SGB V), ist dies nach dem zuletzt im Beschwerdeverfahren vorgelegten Attest des Dr. B. vom 23.04.2018 allerdings nicht ohne weiteres nachzuvollziehen. Hiernach ist dargelegt, dass die ASt zwischenzeitlich - wie vom MDK präferiert - eine multimodale Schmerztherapie begonnen hat, die sowohl ambulante Psychotherapien als auch physikalische Therapien umfasst. Zudem erscheint angesichts der von Dr. B. mitgeteilten medikamentösen Versorgung, die die ASt bislang in Anspruch genommen hat, nicht ausgeschlossen, dass auch die diesbezüglichen Behandlungsoptionen, die dem allgemein anerkannten medizinischen Standard entsprechen, ausgeschöpft sind. Hierzu hat sich die Ag im Laufe des Beschwerdeverfahrens - trotz Kenntnis des Attestes vom 23.04.2018 - nicht mehr in der Sache geäußert.

Ungeachtet dessen hatte Dr. B. bereits vorhergehend ausführlich und nachvollziehbar die seit mehr als zehn Jahren währende Leidensgeschichte der ASt geschildert, ebenso wie die immer wieder unternommenen und geänderten Behandlungsversuche, die sich zwar am allgemein anerkannten medizinischen Standard orientiert haben, aber offensichtlich alle ohne nachhaltigen Erfolg geblieben oder mit erheblichen Nebenwirkungen verbunden gewesen sind. Zudem war auch dargelegt, dass bezüglich einer Vielzahl der Medikamente nicht nur erhebliche Nebenwirkungen, sondern medizinische Gründe für einen Ausschluss der Medikation vorlägen. Soweit damit auch eine im Einzelfall begründete Einschätzung des behandelnden Vertragsarztes vorliegt, unter Abwägung der zu erwartenden Nebenwirkungen und unter Berücksichtigung des Krankheitszustandes der Versicherten kämen allgemein anerkannte medizinische Standardbehandlungen nicht in Betracht (§ 31 Abs. 6 Satz Nr. 1 Buchst. b SGB V), sind zum einen allein die sachlichen Einwendungen der Ag hiergegen nicht ohne weitere Sachaufklärung geeignet, einen Leistungsanspruch der ASt auszuschließen. Zum anderen ist aus Sicht des Senats auch in rechtlicher Hinsicht - unter Berücksichtigung der bisher zu § 31 Abs. 6 SGB V veröffentlichten Rechtsprechung und Literatur - das Spannungsverhältnis zwischen der Therapiehoheit des Vertragsarztes (vgl. BT-Drucks. 18/10902, S. 20) einerseits und dem Genehmigungserfordernis durch die Krankenkasse andererseits sowie die daran anschließenden Fragen einer gerichtlichen Überprüfung noch nicht geklärt (vgl. bereits Beschluss des Senates vom 03.05.2018 aaO).

Ein Leistungsanspruch der ASt ist auch nicht unter Hinweis darauf auszuschließen, es fehle bereits an einer nicht ganz entfernt liegenden Aussicht auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf oder auf schwerwiegende Symptome (§ 31 Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 SGB V). Entgegen der Auffassung der Ag kann dies nicht allein unter Hinweis auf die Studienlage pauschal verneint werden, denn eine vom Bundesgesundheitsministerium geförderte und von der LMU München bis 30.09.2017 durchgeführte Meta-Analyse (CaPRis-Studie) ist zu dem Ergebnis gekommen, dass Cannabisarzneimittel bei chronischen Schmerzen gegenüber Placebo in der Schmerzreduktion immerhin teilweise um mindestens 30 vH überlegen waren. Nach dieser CaPRis-Studie finden sich zudem in allen Übersichtsarbeiten weitere, sekundäre Wirksamkeitsbelege zugunsten der Cannabisarzneimittel, z.B. eine Reduktion der durchschnittlichen Schmerzintensität, eine größere durchschnittliche Schmerzreduktion oder eine starke oder sehr starke globale Verbesserung, wobei selten große Effekte beschrieben werden (vgl. Beschluss des Senates vom 03.05.2018 aaO). Darüber hinaus hat Dr. B. auch dargelegt, dass sich die von ihm angestrebte Therapie nicht auf die Gabe von Nabilon, sondern auf Cannabisblüten beziehe, die eine Vielzahl von Wirkstoffen enthielten und in ihrer unterschiedlichen Kombination auch bei Fibromyalgie wirksam seien. In diesem Zusammenhang hat Dr. B. zurecht darauf verwiesen, die negative Empfehlung der S3-Leitlinie Fibromyalgie beruhe allein auf zwei RCTs (randomisierte kontrollierte Studien) zu Nabilon, einem synthetischen Cannabinoid. Insoweit erweist sich daher auch die im Widerspruchsbescheid vom 15.02.2018 vertretene Auffassung der Ag als unzutreffend, die S3-Leitlinie gehe von einer Kontraindikation für die Anwendung von Cannabinoiden bei einem Fibromyalgiesyndrom aus. Ausweislich der Leitlinie Fibromyalgiesyndrom (2. Aktualisierung 2017) der Deutschen Schmerzgesellschaft e.V. (Seite 118) besteht lediglich ein starker Konsens für eine negative Empfehlung, weil nach der Literatursuche keine RCTs zu anderen Cannabinoiden (außer zu Nabilon) inklusive des sogenannten Medizinalhanfs gefunden wurden, d.h. die Verordnung von Cannabisblüten wird allein deshalb nicht empfohlen, weil es an Nachweisen für deren Wirksamkeit fehlt, nicht jedoch weil deren Gabe bei einem Fibromyalgiesyndrom bereits kontraindiziert wäre.

Im Ergebnis sind daher Gesichtspunkte, die gegen einen Leistungsanspruch sprechen, zwar noch zu erkennen, insbesondere wird zu klären sein, ob die ASt über das bisher in Anspruch genommene moderate Ausdauertraining weitere physikalische Therapien durchführen sollte, um einen Behandlungserfolg zu sichern. Nach Einschätzung des behandelnden Arztes Dr. B. dürfte dies - zumindest vorerst - aber nur möglich sein, soweit die ASt im Wege einer Schmerzreduktion durch die Gabe von Cannabisblüten in die Lage versetzt wird, die physikalischen Therapien auch durchzuführen. Damit bestehen im Ergebnis zumindest hinreichende Anhaltspunkte für einen Anspruch auf eine laufende, jedoch zeitlich begrenzte Verordnung von Cannabisblüten, um einen Behandlungserfolg der zudem durchzuführenden allgemein anerkannten Standardbehandlungen abzusichern.

Soweit im Ergebnis noch Restzweifel am Bestehen eines Leistungsanspruches in der Hauptsache verbleiben, haben diese bei Abwägung der widerstreitenden Interessen gegenüber dem Anliegen der ASt zurückzutreten. Der Umstand, dass existenziell bedeutsame Leistungen der Krankenversicherung im Streit stehen - die ASt begehrt die Behandlung einer schwerwiegenden Erkrankung, nämlich einer schweren und chronischen Schmerzerkrankung - macht es im Rahmen der Folgenabwägung erforderlich, auf Seiten der ASt das Rechtsgut aus Art. 2 Abs. 2 Grundgesetz (GG) in die Abwägung einzustellen und andererseits im Wesentlichen die wirtschaftlichen Interessen der Ag bzw. Versichertengemeinschaft zu berücksichtigen.

Das Ergebnis der Güterabwägung spricht daher für eine Verpflichtung der Ag, die ASt im tenorierten Umfang mit Cannabis zu versorgen. Das grundgesetzlich besonders geschützte Gut der ASt auf körperliche Unversehrtheit bzw. der Anspruch auf Krankenbehandlung zur Linderung von Leiden genießt hierbei Vorrang, weil die Vorenthaltung der Cannabisversorgung im Falle eines positiven Ausgangs der Hauptsache zur Folge hätte, dass die Symptomlinderung und damit ein besserer gesundheitlicher Zustand der ASt über Monate nicht erfolgen würde. Dies könnte auch nicht nachgeholt werden und die ASt ist aufgrund ihrer glaubhaft dargelegten wirtschaftlichen Verhältnisse nicht in der Lage, zunächst auf eigene Kosten die Cannabistherapie zu finanzieren. Insoweit war auch zu berücksichtigen, dass die bisher auf Privatrezept durchgeführten Behandlungen mit Cannabisblüten bei der ASt, den Berichten des Dr. B. zufolge, tatsächlich eine Linderung der Leiden bewirkt haben. Dem gegenüber hat das (allein) monetäre Interesse der Ag bzw. der Versichertengemeinschaft, keine Leistungen erbringen zu müssen, auf die möglicherweise kein Anspruch besteht, zurückzutreten, denn ungeachtet des streitigen Anspruches wäre die Ag ohnehin verpflichtet die Aufwendungen einer anderweitigen, eventuell ebenfalls kostenintensiven Alternativbehandlung mit Schmerzmitteln zu übernehmen, um es der ASt zu ermöglichen, die von allen Beteiligten präferierte multimodale Schmerztherapie durchführen zu können.

Soweit sich damit wie vorliegend zumindest die Hinweise auf das Bestehen eines laufenden Leistungsanspruches verdichten, kann gleichwohl nicht vollständig davon abgesehen werden, dass auch die Eilbedürftigkeit der Angelegenheit, d.h. das Vorliegen eines Anordnungsgrundes glaubhaft zu machen ist. Hierbei wird Rahmen einer Regelungsanordnung die Notwendigkeit beschrieben, wesentliche Nachteile abzuwenden, um zu vermeiden, dass der Antragsteller vor vollendete Tatsachen gestellt wird, ehe er wirksamen Rechtsschutz erlangen kann (vgl. Keller Meyer-Ladewig/ Keller/ Leitherer/ Schmidt, SGG, 12. Aufl., § 86b Rn.27a). Charakteristisch ist daher für den Anordnungsgrund die Dringlichkeit der Angelegenheit, die in aller Regel nur in die Zukunft wirkt. Es ist rechtlich zwar nicht auszuschließen, dass auch für vergangene Zeiträume diese Dringlichkeit angenommen werden kann; diese überholt sich jedoch regelmäßig durch Zeitablauf. Ein Anordnungsgrund für Zeiträume vor einer gerichtlichen Entscheidung ist daher nur ausnahmsweise anzunehmen, wenn ein noch gegenwärtig schwerer, irreparabler und unzumutbarer Nachteil glaubhaft gemacht wird, und ein besonderer Nachholbedarf durch die Verweigerung der Leistungen in der Vergangenheit auch in der Zukunft noch fortwirkt. Ausgehend hiervon ist kein Bedürfnis zu erkennen, der ASt Leistungen für einen in der Vergangenheit liegenden Zeitraum zuzuerkennen. Hierbei kann dahinstehen, dass eine kassenärztliche Verordnung auf einem Betäubungsmittelrezept iSd § 8 Abs. 1 Satz 1 BtMVV erst am 31.07.2018 erfolgt ist. Ihrem eigenen Antrag zufolge geht es der ASt im Eilverfahren lediglich um die laufende Versorgung mit Schmerzmitteln. Diese Versorgung der ASt erscheint im Hinblick auf deren Schmerzzustände und -schübe, die Dr. B. beschrieben hat, auch geboten, weil die ASt durch die Intensität der Schmerzen weitgehend gehindert ist, eine der anerkannten Standardtherapien durchzuführen. Soweit die ASt bislang sporadisch die medikamentöse Versorgung mit Cannabisblüten auf Privatrezept in Anspruch genommen hat, ist ihr dieses Prozedere - angesichts ihrer finanziellen Verhältnisse - nicht bis zum Abschluss eines Verfahrens in der Hauptsache zuzumuten. Der von der ASt dargelegte finanzielle Aufwand für den Bezug von Cannabisblüten ist mit 420,00 EUR (= 6 x 70,00 EUR) monatlich zu beziffern (70,00 EUR für 5g bei einem monatlichen Bedarf von 30g), den sie weder aus ihrem Einkommen noch aus ihrem Vermögen zu bestreiten vermag. Die ASt hat zwar geltend gemacht, sie durchlaufe eine Ausbildung zur Heilerziehungspflegerin. Zuletzt sei sie aber seit 18.05.2018 arbeitsunfähig erkrankt und verfüge - nach ihren nicht widerleglichen Angaben - über keinerlei Vermögen und beziehe derzeit Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).

Auf die Beschwerde der ASt war daher der Beschluss des Ag vom 19.03.2018 aufzuheben und die Ag - dem Wesen des einstweiligen Rechtsschutzes entsprechend - (nur) zu verpflichten, die ASt längstens bis zum Abschluss des erstinstanzlichen Hauptsacheverfahrens vorläufig mit den beantragten Medizinal-Cannabisblüten zu versorgen, sofern im Anschluss an die Verordnung vom 31.07.2018 weitergehend entsprechende vertragsärztliche Verordnungen auf Betäubungsmittelrezepten vorgelegt werden. Der Senat hält im Rahmen seines Ermessens eine Befristung der Leistungen längstens bis zum Abschluss eines erstinstanzlichen Hauptsacheverfahrens für sachgerecht, denn soweit ein Berufungsverfahren erforderlich sein sollte, erscheint es zweckmäßig eine weitere Versorgung der ASt mit Cannabis nach einem erneuten Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz unter Beachtung der im erstinstanzlichen Hauptsacheverfahren gewonnenen Erkenntnisse neu zu beurteilen.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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