L 5 KR 125/15

Land
Schleswig-Holstein
Sozialgericht
Schleswig-Holsteinisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Schleswig (SHS)
Aktenzeichen
S 6 KR 92/13
Datum
2. Instanz
Schleswig-Holsteinisches LSG
Aktenzeichen
L 5 KR 125/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 12 LR 65/18 B
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Schleswig vom 8. September 2015 wird zurückgewiesen. Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob Leistungen aus einem Gruppenversicherungsvertrag, den die Bundeslotsenkammer mit der G , u.a. für die Mitglieder der L vereinbart hat, zur Beitragsbemessung in der Kranken- und Pflegeversicherung heranzuziehen sind.

Der 1947 geborene Kläger war bis zum Eintritt in den Ruhestand als Lotse tätig und gehörte der L an. Deren Mitglieder waren seit dem 30. September 1972 Versicherungsnehmer des zwischen der Bundeslotsenkammer und dem G abgeschlossenen Gruppenversicherungsvertrages vom 23./31. August 1972 (Nachtrag Nr. 1). Für sie wurden gemäß § 2 des Vertrages Anwartschaften auf Berufsunfähigkeits-, Alters-, Witwen- und Waisenrenten gebildet. Die Lotsenbrüderschaft zog die Versicherungsprämien von den Lotsgeldern ab. Die Bundeslotsenkammer überwies die fälligen Prämien gemäß § 4 des Vertrages in einem Betrag kostenfrei an den G. Dieser verpflichtete sich, für alle zur Versicherung anzumeldenden Mitglieder auf eine Gesundheitsprüfung zu verzichten. Während der Laufzeit des Vertrages waren stets alle Mitglieder der versicherten Lotsenbrüderschaften versichert. Versicherungsnehmer war gemäß § 6 des Vertrages das versicherte Mitglied. Die Bundeslotsenkammer erklärte, von den Versicherten zur Wahrnehmung aller Rechte und Pflichten aus den Versicherungsverträgen bevollmächtigt zu sein, wobei sich die Vollmacht nicht auf die Entgegennahme von Versicherungsleistungen, die Änderung des Bezugsrechtes und die Beantragung der Aufhebung der Versicherung gemäß § 10 des Vertrages erstreckte. Danach wurde der Vertrag auf die Dauer von fünf Jahren abgeschlossen und sollte sich stillschweigend um jeweils ein Jahr verlängern, wenn er nicht zum Ablauf der ersten fünf Jahre oder danach zum Ablauf eines jeden Versicherungsjahres von einer der beiden Vertragsparteien gekündigt wird. Der G verpflichtete sich, die bei Erlöschen des Vertrages bestehenden Versicherungen unverändert fortzuführen, solange die Prämien gesammelt an ihn abgeführt würden. Andernfalls sollte § 7 des Vertrages sinngemäß Anwendung finden, wobei der Fortsetzungsantrag innerhalt eines Monats nach Erlöschen des Vertrages gestellt sein musste. Nach § 7 des Vertrages konnten die aus den Lotsenbrüderschaften austretenden Personen innerhalb von drei Monaten nach ihrem Austritt unter Einreichung des Versicherungsscheins vom G die Fortsetzung der durch ihren Austritt erloschenen Versicherung ohne Gesundheitsprüfung nach dem entsprechenden Fortsetzungstarif des G s verlangen.

Der Kläger bezieht seit dem 1. September 2012 eine Altersrente und ist pflichtversichertes Mitglied der Kranken- und Pflegeversicherung der Rentner. Neben der Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung erhält er seit September 2012 einen laufenden Versorgungsbezug der Bundeslotsenkammer - Gemeinsame Übergangskassen. Im September 2012 wurden ihm von der H drei einmalige Kapitalleistungen in Höhe von 38.774,98 EUR, 154.411,04 EUR und 160.583,70 EUR ausgezahlt. Diese wertete die Beklagte als Versorgungsbezug nach § 229 Abs. 1 Satz 3 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) i.V.m. § 57 Abs. 1 des Elften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XI) und somit ab 1. Oktober 2012 als beitragspflichtige Einnahmen in der Kranken- und Pflegeversicherung. Mit Bescheiden vom 3. Oktober 2012 setzte die Beklagte die monatlichen Beiträge auf 262,58 EUR (Beitragssatz Krankenversicherung 15,50 %) bzw. 33,03 EUR (Beitragssatz Pflegeversicherung 1,95 %) fest. Dabei legte sie eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung in Höhe von 2.130,92 EUR sowie abgefundene Versorgungsbezüge von 1.286,76 EUR, 1.338,20 EUR und 323,12 EUR zugrunde, die sie bis zur Beitragsbemessungsgrenze der Krankenversicherung (2012 = 3.825,00 EUR monatlich) berücksichtigte.

Mit Bescheiden vom 5. Oktober 2012 berechnete die Beklagte die Beiträge neu und berücksichtigte nunmehr auch den Versorgungsbezug der Bundeslotsenkammer in Höhe von 204,00 EUR. Die bisher festgesetzte Beitragshöhe änderte sich nicht.

Der Kläger erhob am 16. Oktober 2012 Widerspruch. Zur Begründung führte er aus, er schließe sich den Ausführungen der Rechtsanwaltskanzlei D an, die unter dem Aktenzeichen 161/11-2HSO1/MK und dem Zeichen der Beklagten SGG-VBR-4811842201 Herrn P im Widerspruchsverfahren vertrete.

Mit Bescheiden vom 19. Oktober 2012 reduzierte die Beklagte die Beiträge ab 1. September 2012 auf 256,48 EUR bzw. 32,27 EUR, weil sich die monatliche Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung auf 2.170,27 EUR erhöht hatte. Der Kläger erhob am 30. Oktober 2012 Widerspruch.

Mit Bescheiden vom 20. Dezember 2012 setzte die Beklagte ab 1. Januar 2013 die Beiträge wegen der Erhöhung der Beitragsbemessungsgrenze auf 3.937,50 EUR und der Anhebung des Beitragssatzes zur sozialen Pflegeversicherung um 0,1 Beitragssatzpunkte auf 2,05 % neu fest. Der Kläger erhob am 7. Januar 2013 Widerspruch.

Die Widersprüche des Klägers wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 8. März 2013 zurück. Die Widersprüche gegen die Bescheide vom 19. Oktober 2012 und 2. Januar 2013 erachtete sie als unzulässig, weil eine (Neu-)Regelung im Sinne eines anfechtbaren Verwaltungsaktes hinsichtlich der grundsätzlichen Beitragspflicht der Kapitalleistungen der H mit diesen Bescheiden nicht getroffen worden sei. Im Übrigen führte sie aus, dass die aus dem Gruppenversicherungsvertrag resultierenden Leistungen bereits das Bundessozialgericht (BSG) im Urteil vom 10. Juni 1988 – 12 RK 35/86 – als beitragspflichtigen Versorgungsbezug im Sinne des Krankenversicherungsrechts beurteilt habe (heutiger § 229 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB V). Hintergrund für diese Beurteilung sei gewesen, dass solche Gruppenversicherungsverträge dieselbe Funktion erfüllen sollten wie Pensionskassen für größere Lotsenbrüderschaften, nämlich die Sicherstellung einer ausreichenden Versorgung der Lotsen bzw. ihrer Hinterbliebenen im Alter, bei Berufsunfähigkeit und Fall des Todes. Würden die Leistungen solcher Gruppenversicherungsverträge beitragsrechtlich anders beurteilt werden als Leistungen der funktionsgleichen Pensionskassen, würde dies gegen den Gleichheitsgrundsatz verstoßen. Da der Kläger dem der Entscheidung zugrunde liegenden Gruppenversicherungsvertrag bereits vor der Entscheidung des BSG habe beitreten müssen und sich die Rahmenbedingungen für das Zustandekommen dieses Vertragsverhältnisses seitdem nicht geändert hätten, sei das Urteil vom 10. Juni 1988 auch vorliegend maßgebend. Der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 28. September 2010 zum Umfang der Beitragspflicht von Kapitalleistungen, die aus einer Direktversicherung resultierten, könne im Falle des Klägers keine Anwendung finden, weil seine (Gruppen-)Versicherung bei der H von Anfang an nicht als Direktversicherung abgeschlossen worden sei.

Der Kläger hat am 28. März 2013 Klage beim Sozialgericht Kiel erhoben. Das Sozialgericht Kiel hat sich mit Beschluss vom 24. April 2013 für örtlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das örtlich zuständige Sozialgericht Schleswig verwiesen. Zur Begründung seiner Klage hat der Kläger vorgebracht, die Kapitalleistung des G s sei als private Altersvorsorge nicht beitragspflichtig. Der Seelotse sei kein Arbeitnehmer. Seine besondere Rechtsstellung als Selbstständiger, der seine Tätigkeit als freien, nicht gewerblichen Beruf ausübe, folge aus § 21 Seelotsgesetz (SeeLG). Die Beiträge zur Kapitallebensversicherung seien aus seinem privaten, zu versteuernden und auch mit Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträgen belasteten Einkommen finanziert worden. Er selbst sei Versicherungsnehmer gewesen. Die frühere Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) im Urteil vom 10. Juni 1988 – 12 RK 35/86 – nach der zu den in der Krankenversicherung der Rentner (KVdR) beitragspflichtigen Versorgungsbezügen im Sinne des § 180 Abs. 8 Satz 2 Nr. 3 Reichsversicherungsordnung (RVO) auch Leistungen gehören können, die von einem privaten Versicherungsunternehmen aufgrund eines Gruppenversicherungsvertrages erbracht würden, der für die Mitglieder der Berufsgruppe der Seelotsen Leistungen im Falle der Berufsunfähigkeit, des Alters und des Todes vorsehe, könne unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BVerfG im Beschluss vom 28. September 2010 – 1 BvR 1660/08 – keinen Bestand mehr haben.

Der Kläger hat beantragt,

die Bescheide der Beklagten vom 3. Oktober 2012 in der Fassung der Bescheide vom 5. Oktober 2012 und die Bescheide vom 19. Oktober 2012 sowie 20. Dezember 2012 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 8. März 2013 aufzuheben.

Die Beklage hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat weiterhin die Rechtsauffassung vertreten, dass die Rechtsprechung des BVerfG zu Direktversicherungen des Arbeitgebers nicht auf die vorliegende Konstellation übertragbar sei. Die Beklagte hat im erstinstanzlichen Verfahren die Beitragsbescheide vom 8. Mai 2013, 10. Juli 2013, 6. September 2013, 18. Dezember 2013, 11. Juli 2014, 30. Juli 2014 und 21. August 2014 vorgelegt, mit denen sie die Beiträge an das geänderte Einkommen bzw. die geltende Beitragsbemessungsgrenze angepasst hatte.

Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 8. September 2015 abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Beklagte habe zu Recht Beiträge erhoben, denn der Beitragspflicht unterlägen auch Renten der Versicherungs- und Versorgungseinrichtungen, die für Angehörige bestimmter Berufe errichtet worden seien. Um eine solche Rente handele es sich bei der vorliegenden Kapitalleistung. Dies habe das Bundessozialgericht zu der im Wesentlichen gleichlautenden Vorgängervorschrift des § 180 Abs. 8 Satz 2 Nr. 3 RVO für den hier zugrunde liegenden Gruppenversicherungsvertrag zwischen der Bundeslotsenkammer und dem G mit Urteil vom 10. Juni 1988 – 12 RK 35/86 – entschieden. Dieser Entscheidung schließe sich die erkennende Kammer an. Die aktuelle Rechtsprechung des BVerfG zu Direktversicherungen (Beschlüsse vom 28. September 2010 – 1 BvR 1660/08 – und 6. September 2010 – 1 BvR 739/08 –) seien auf die vorliegende Fallkonstellation nicht übertragbar. Hier sei der Kläger zwar von Beginn an Versicherungsnehmer gewesen und habe die Versicherungsprämien selbst gezahlt. Während der gesamten Laufzeit des Vertrages habe aufgrund der Bestallung und der damit einhergehenden Pflichtmitgliedschaft in der Lotsenbrüderschaft jedoch ein unmittelbarer beruflicher Bezug vorgelegen, der hier durch die Versicherungs- und Vorsorgeeinrichtung hergestellt worden sei. Ob eine Übertragbarkeit der Rechtsprechung des BVerfG auf § 229 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB V erfolgen könnte für den Fall, dass ein Lotse seine Tätigkeit beendet und Prämien in die Versicherung nach Beendigung der Lotsentätigkeit bis zum Renteneintrittsalter weiter einzahle, brauche nicht entschieden zu werden, weil sich hier der Rentenbeginn nahtlos an die Beendigung der Beschäftigung als Seelotse angeschlossen habe.

Gegen das seinem Prozessbevollmächtigten am 15. Oktober 2015 zugestellte Urteil wendet sich der Kläger mit seiner Berufung, die am 16. November 2015 (Montag) beim Schleswig-Holsteinischen Landessozialgericht eingegangen ist. Zur Begründung wiederholt er im Wesentlichen sein bisheriges Vorbringen, dass es sich bei der Kapitalleistung aus der Lebensversicherung um private Vorsorge handele, die nicht der Beitragspflicht unterliege. Die Lebensversicherung werde nicht deshalb zum Versorgungsbezug, weil sie über den Rahmenvertrag flankiert werde. Mit dem Rahmenvertrag sei nur die Absicht verfolgt worden, dass die jeweilige Lotsenbrüderschaft als eine Art "Poststelle" fungiere. Da die Lotsenbrüderschaft für Rechnung der Lotsen die Lotsgelder einnehme und dann nach Maßgabe einer Verteilungsordnung an die Lotsen verteile, sei es für den G von Interesse gewesen, die Zahlungen gebündelt zu erhalten, um den administrativen Aufwand zu verringern. Ansonsten hätten sich die Umstände, unter denen die Lebensversicherungsverträge abgeschlossen worden seien, nicht von denen privater Vorsorge unterschieden. Er selbst sei Versicherungsnehmer gewesen und habe die Prämien für die Versicherung aus seinem bereits verbeitragten und versteuerten Einkommen gezahlt. Die Prämienhöhe in § 2 Ziffer 2 des Vertrages von 6,9 % sei nicht verbindlich gewesen. Allenfalls habe es sich um eine Mindestsumme gehandelt. Die Lotsen seien berechtigt gewesen, weitere Zahlung auf die Einzelversicherung zu leisten. dies sei auch erfolgt. Es habe sogar ein Wahlrecht bestanden. So habe die L im Jahr 2008 einen sogenannten "VA-Überschuss" erwirtschaftet, der unter den Lotsen zu verteilen gewesen sei. Diese hätten ein Wahlrecht gehabt, ob sie sich diesen Betrag ganz oder teilweise auf das private Konto überweisen ließen oder – auch teilweise – zusätzlich auf die Versicherung zahlen wollten. § 229 Abs. 1 Nr. 3 SGB V beziehe sich nur auf Versicherungs- und Versorgungseinrichtungen, die für Angehörige bestimmter Berufe etabliert würden. Das sei hier nicht der Fall. Allenfalls könne davon ausgegangen werden, dass der G einen Tarif gewährt habe, mit dem "Gruppen" versichert würden. Die gewählte Tarifkonstruktion sei jedoch nicht ausschließlich auf die Berufsgruppe der Lotsen bezogen. Außerdem sei zu berücksichtigen, dass hier noch nicht einem die gesamte Berufsgruppe der Lotsen betroffen sei. 1/3 der Lotsenbrüderschaften seien von dem Rahmenvertrag nicht umfasst gewesen. Sie repräsentierten rund 50 % aller in der Bundesrepublik Deutschland bestallten Seelotsen. Eine derartige "Insellösung" eines vermeintlich bestehenden Versorgungsproblems der Lotsen im Alter könne nicht als eine für eine bestimmte Berufsgruppe geltende Einrichtung angesehen werden. Entgegen der Auffassung der Beklagten und des Sozialgerichts sei auch die Rechtsprechung des BVerfG im Beschluss vom 28. September 2010 – 1 BvR 1660/08 – auf die vorliegende Fallkonstellation anwendbar. Es sei dem BVerfG für die Beurteilung des betrieblichen Bezugs maßgeblich auf die Frage angekommen, wer Versicherungsnehmer sei und wer die Prämien zahle. Würde die Kapitalleistung der Beitragspflicht unterworfen, obwohl von ihm als Versicherungsnehmer bereits die Prämien für die Lebensversicherung aus verbeitragten und versteuerten Einkommen gezahlt worden seien, läge eine unzulässige doppelte Beitragserhebung vor, die gegen die Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 Grundgesetz (GG) verstoße. Das BVerfG habe aus Art. 14 Abs. 1 GG sowohl entwickelt, dass eine Doppelbesteuerung unzulässig sei wie auch den Grundsatz, dass dem Steuerpflichtigen im Kern ungefähr die Hälfte seines Einkommens belassen werden müsse. Deswegen könne – beispielsweise – bei der Besteuerung von Zinseinkünften nur der Ertragsanteil herangezogen werden, wobei der Kapitalstock unangetastet bleibe. Selbst wenn man zu dem Ergebnis gelangen würde, dass es sich hier um Versorgungsbezug handeln solle, sei nicht erkennbar, warum dann nicht auch hier nur der durch die Versicherung erzielte Ertragsanteil der Beitragspflicht unterworfen werde. Weder die Bundeslotsenkammer noch die einzelnen Lotsenbrüderschaften seien zum Abschluss eines Versicherungsvertrages, aus dem die einzelnen Lotsen verpflichtet worden seien, ermächtigt gewesen. Diese Ermächtigung könne insbesondere nicht aus § 28 Abs. 1 Nr. 6 SeeLG abgeleitet werden. Er beziehe eine angemessene Altersversorgung über die gesetzliche Rentenversicherung und eine laufende Versorgung von der Bundeslotsenkammer. Mehr als eine angemessene Altersversorgung könne nach § 28 Abs. 1 Nr. 6 SeeLG nicht verlangt werden. Eine Versorgungs- oder Versicherungseinrichtung im Sinne des § 229 Abs. 1 Nr. 3 SGB V setze zudem ein verpflichtendes Moment voraus, welches mangels gesetzlicher Ermächtigung und fehlender Vollmacht der Bundeslotsenkammer, für die einzelnen Lotsen rechtswirksame Erklärungen abzugeben, hier nicht vorgelegen habe.

Nachdem die Beklagte im Berufungsverfahren sämtliche von ihr erlassenen Beitragsbescheide vorgelegt hat,

beantragt der Kläger,

das Urteil des Sozialgerichts Schleswig vom 8. September 2015 sowie die Bescheide der Beklagten vom 3. Oktober 2012, 5. Oktober 2012, 19. Oktober 2012 und 20. Dezember 2012 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 8. März 2013 und die Bescheide vom 8. Mai 2013, 10. Juli 2013, 6. September 2013, 18. Dezember 2013, 11. Juli 2014, 30. Juli 2014, 21. August 2014, 18. Dezember 2014, 7. Juli 2015, 15. Juli 2015, 17. Dezember 2015, 8. Juli 2016, 21. Dezember 2016, 13. Juli 2017, 4. August 2017 und 23. Dezember 2017 aufzuheben, soweit damit Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und sozialen Pflegeversicherung aufgrund Einnahmen aus Kapitalzahlungen der H erhoben worden sind.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen und die Klage gegen die Bescheide vom 17. Dezember 2015, 8. Juli 2016, 21. Dezember 2016, 13. Juli 2017, 4. August 2017 und 23. Dezember 2017 abzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten und die Gerichtsakten verwiesen. Diese haben dem Senat vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung gewesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers und seine Klage gegen die im Berufungsverfahren erlassenen Bescheide sind zulässig, aber nicht begründet.

Das Sozialgericht hat zu Recht und mit zutreffender Begründung die Klage abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide, zu denen gemäß § 96 SGG auch die von der Beklagten im erstinstanzlichen Rechtszug und im Berufungsverfahren vorgelegten und im Tatbestand genannten Bescheide gehören, sind mit Ausnahme der im Widerspruchsbescheid vertretenen Rechtsauffassung, dass die Widersprüche gegen die Bescheide vom 19. Oktober 2012 und 20. Dezember 2012 nicht zulässig seien, nicht zu beanstanden. Diese Bescheide sind gemäß § 86 SGG Gegenstand des Verwaltungsverfahrens geworden. Die Bescheide vom 17. Dezember 2015, 8. Juli 2016, 21. Dezember 2016, 13. Juli 2017, 4. August 2017 und 23. Dezember 2017 sind erst während des Berufungsverfahrens erlassen worden. Über sie entscheidet der Senat "auf Klage" (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt § 157 Rdnr. 2b m.w.N.).

Inhaltliche Einwände gegen die Berechnung werden vom Kläger nicht vorgebracht. Das Urteil des Sozialgerichts ist sowohl in der Begründung, die auf die einschlägige Rechtsprechung des BSG Bezug nimmt, als auch im Ergebnis rechtmäßig. Um Wiederholungen zu vermeiden verweist der Senat gemäß § 153 Abs. 2 SGG auf die Entscheidungsgründe des Sozialgerichts.

Die Berufungsbegründung des Klägers, dass die Heranziehung der ausbezahlten Lebensversicherung zur Beitragsbemessung rechtswidrig ist, vermag den Senat nicht zu überzeugen. Insoweit verweist der Senat auf die Rechtsprechung des BSG im Urteil vom 10. Juni 1988 – 12 RK 35/88 -, der er sich auch unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BVerfG im Beschluss vom 28. September 2010 – 1 BvR 1660/08 – weiterhin anschließt. Bei der hier streitigen Kapitalleistung in Höhe von 353.769,72 EUR handelt es sich um Renten einer Versicherungseinrichtung im Sinne des § 229 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB V. Das hat das BSG zu der im Wesentlichen gleichlautenden Vorgängervorschrift des § 180 Abs. 8 Satz 2 Nr. 3 RV0 für den Gruppenversicherungsvertrag zwischen der Bundeslotsenkammer und dem G in dem genannten Urteil bereits entschieden.

Danach ist eine Versicherungseinrichtung im Sinne von § 229 Abs. 1 Satz 3 SGB V jede kollektive Maßnahme einer Berufsgruppe, die Leistungen zum Gegenstand hat, die in einem unmittelbaren Zusammenhang mit der früheren Erwerbstätigkeit stehen und Einkommensersatzfunktion haben. Dabei kommt es nicht darauf an, ob sie von einer öffentlich-rechtlichen oder privatrechtrechtlichen Einrichtung bezogen werden. Der Begriff der Versicherungseinrichtung setzt ferner keine sächlichen oder personellen Vorkehrungen voraus, die in einer bestimmten Organisation oder Institution der Berufsgruppe in Erscheinung treten. Die Einrichtung braucht auch nicht über ein für die Berufsgruppe abgrenzbares Sondervermögen zu verfügen (BSG, Urteil vom 10. Juni 1988, a.a.O.).

Die Leistungen an den Kläger aufgrund des Gruppenversicherungsvertrages mit dem G weisen einen unmittelbaren Bezug zu seiner früheren Erwerbstätigkeit als bestallter Lotse und Mitglied der L auf und haben Einkommensersatzfunktion. Das Versicherungsverhältnis beruhte daher nicht lediglich auf berufsfremder Eigenvorsorge. Der Abschluss des Gruppenversicherungsvertrages gehörte zu den Maßnahmen im Sinne des § 28 Abs. 1 Nr. 6 SeeLG, die – zusammen mit den Renten der gesetzlichen Rentenversicherung und den Leistungen der Gemeinsamen Ausgleichskassen – den Mitgliedern der Lotsenbrüderschaften und ihren Hinterbliebenen eine ausreichende Versorgung für den Fall des Alters, der Berufsunfähigkeit und des Todes gewährleisten sollten. Die gesetzliche Ermächtigung und zugleich Verpflichtung, Maßnahmen dieser Art zu treffen, umfasste auch die Befugnis, für die Mitglieder der Lotsenbrüderschaften Gruppenversicherungsverträge abzuschließen und darin die Mitglieder nicht nur als Bezugsberechtigte, sondern als Versicherungsnehmer mit entsprechenden eigenen Beitragspflichten zu benennen. Zur Wirksamkeit eines solchen Vertrages bedurfte es weder der Mitwirkung der einzelnen Seelotsen noch ihrer vorherigen oder nachträglichen Zustimmung, insbesondere nicht einer von ihnen erteilen Vollmacht zum Vertragsabschluss. Nach § 6 Satz 2 des Vertrages hatten die Seelotsen als Versicherungsnehmer die Bundeslotsenkammer auch nicht zum Abschluss des Vertrages, sondern lediglich "zur Wahrnehmung aller Rechte und Pflichten aus den Versicherungsverträgen bevollmächtigt". Jedes Mitglied der Lotsenbrüderschaft war für die Dauer seiner Mitgliedschaft an die Bestimmungen des Vertrages gebunden und insbesondere zur Entrichtung der vereinbarten Beiträge verpflichtet (§ 7 des Vertrages).

Der Einwand des Klägers, er habe die Wahlmöglichkeit gehabt, sich für höhere Prämienzahlungen zu entscheiden, ist rechtlich irrelevant, denn sogar Renten, die aufgrund freiwilliger Mitgliedschaft in einem Versicherungsverein für bestimmte Berufe erworben wurden, unterliegen der Beitragspflicht nach § 229 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB V. Diese Vorschrift enthält keine Beschränkung auf Renten aus Pflichtversicherungen (BSG, Urteil vom 30. März 1995 – 12 RK 40/95 -, juris). Eben so wenig spielt es eine Rolle, ob der Lebensunterhalt des Klägers auch schon ohne die Kapitallebensversicherung allein durch die gesetzliche Rente und die Versorgungsbezüge gesichert gewesen wäre. Es gibt keine rechtlichen Anknüpfungspunkte dafür, Versorgungsbezüge von der Beitragspflicht auszunehmen, nur weil diese das zum Lebensunterhalt Unerlässliche übersteigen (vgl. LSG Hamburg, Urteil vom 24. April 2014 – L 1 KR 88/13). Die Grenze bildet insoweit nur die Beitragsbemessungsgrenze (§ 223 Abs. 3 SGB V), die vorliegend beachtet wurde.

Entgegen der Auffassung des Klägers steht dieser Beurteilung auch nicht entgegen, dass nicht die Mitglieder aller Lotsenbrüderschaften von dem Versicherungsvertrag umfasst waren. Zwar gehört eine privatrechtliche Versicherungseinrichtung nur dann zu den in § 229 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB V genannten Versicherungseinrichtungen, wenn der Kreis der Mitglieder auf die Angehörigen eines oder mehrerer Berufe beschränkt ist (BSG, Urteil vom 30. März 1995, a.a.O.; BSG, Urteil vom 30. Januar 1997 – 12 RK 17/96; beide juris), wenn also außer den Mitgliedern einer Berufsgruppe nicht auch Dritte als Versicherte in Betracht kommen. Dies ist indes der Fall, denn der Gruppenversicherungsvertrag ist auf die Angehörigen der dort genannten Lotsenbrüderschaften – also auf See- und Hafenlotsen – beschränkt. Nicht erforderlich ist demgegenüber, dass alle Angehörigen eines Berufes in der betreffenden Versicherungseinrichtung versichert sind (LSG Hamburg, Urteil vom 24. April 2014 – L 1 KR 88/13).

Der Beitragspflicht steht auch nicht entgegen, dass der Kläger die Prämien für die Versicherungen aus seinem Einkommen gezahlt hat, für das er bereits Beiträge entrichtet hatte. Insoweit gilt ein "Verbot der Doppelverbeitragung" unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten nicht (LSG Hamburg, a.a.O. m.w.N.). Zwar hat das BVerfG für das Steuerrecht den Grundsatz entwickelt, dass steuerbares Einkommen nur beim erstmaligen Zufluss zu versteuern sei. Für die Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung gelten jedoch andere Grundsätze (BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 6. September 2010 – 1 BvR 739/08 –, juris).

Schließlich ergibt sich auch keine andere Beurteilung unter Berücksichtigung der Ausführungen des BVerfG im Beschluss vom 28.September 2010. Der Senat teilt die Rechtsauffassung der Beklagten und ihr folgend des Sozialgerichts, dass diese Entscheidung eine vom Arbeitgeber abgeschlossene Direktversicherung betraf und auf die vorliegende Fallkonstellation nicht übertragbar ist. Die Entscheidung des BVerfG, wonach mit dem Einrücken des Arbeitnehmers in die Stellung als Versicherungsnehmer nach Beendigung der Erwerbstätigkeit der betriebliche Bezug gelöst worden sei, ist mit dem hier zu entscheidenden Sachverhalt nicht vergleichbar. Denn hier ergibt sich der Bezug zur früheren Erwerbstätigkeit von vornherein nicht aus der Stellung des Arbeitgebers als Versicherungsnehmer – wie der Kläger selbst in der Berufungsbegründung einräumt, weil weder die Lotsenbrüderschaft noch die Bundelotsenkammer Arbeitgeber des bestallten Lotsen sind, der seine Tätigkeit gemäß § 21 SeeLG als Selbstständiger ausübt. Vielmehr folgt die berufliche Bezug daraus, dass die Tätigkeit als bestallter Lotse und die Mitgliedschaft in der L während der gesamten Laufzeit des aufgrund des Gruppenversicherungsvertrages begründeten Einzelvertrages mit dem Kläger unabdingbare Voraussetzung für den Abschluss und den Fortbestand der Lebensversicherung war. Der Kläger hatte – solange er Mitglied der Lotsenbrüderschaft war – keine Möglichkeit, sich durch Kündigung des Einzelvertrages der Pflicht zur Zahlung der Prämien zu entziehen, obwohl er selbst Versicherungsnehmer war. Insoweit unterscheidet er sich wesentlich von einem Versicherungsnehmer, der aufgrund einer rein privaten Entscheidung Altersvorsorge durch Abschluss oder Fortführung eines Lebensversicherungsvertrages betreibt oder eines Arbeitnehmers, der nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses in die Stellung eines Versicherungsnehmers einrückt. Vor diesem Hintergrund kann die Entscheidung des BVerfG, auf die der Kläger sein Begehren maßgeblich stützt, keinen Einfluss auf den Ausgang des vorliegenden Streitfalls haben. Das BVerfG (SozR 4-2500 § 229 Nr. 11 Rdnr. 13,15) hält einen Berufsbezug nur dann nicht mehr für gegeben, "wenn nach Beendigung der Erwerbstätigkeit Beiträge auf eine frühere Direktversicherung nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses und nach Einrücken des Arbeitnehmers in die Stellung des Versicherungsnehmers allein von ihm gezahlt werden". Danach kommt es für die Abgrenzung betrieblicher Altersversorgung von (beitragsfreier) privater Eigenvorsorge nicht nur auf die "Eigenschaft als Versicherungsnehmer", sondern zusätzlich auch noch auf das Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis im Zeitraum der Beitragszahlung an. Hierauf hat auch das BSG im Beschluss vom 10. September 2015 (B 12 KR 62/14 B), mit dem die Nichtzulassungsbeschwerde gegen das o.g. Urteil des LSG Hamburg zurückgewiesen wurde, ausdrücklich hingewiesen.

Der berufliche Bezug hätte im Fall des Klägers nur dann gelöst werden können, wenn er während der Laufzeit des Einzelvertrages nicht mehr als Lotse bestallt und Mitglied einer Lotsenbrüderschaft gewesen wäre und sich gemäß § 7 des Gruppenvertrages nach Austreten aus der Lotsenbrüderschaft entschieden hätte, die Lebensversicherung zu den dort genannten Bedingungen nach dem entsprechenden Fortsetzungstarif weiterzuführen.

Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte die Höhe der berechneten Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung unzutreffend festgesetzt hat, sind für den Senat nicht ersichtlich. Die Beitragsberechnung wird insoweit vom Kläger auch nicht beanstandet.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 und 4 SGG.

Gründe, die Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Saved