L 2 U 18/14

Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 40 U 116/12
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 2 U 18/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Die Berufung wird zurückgewiesen. 2. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. 3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Gewährung von Verletztengeld und einer Verletztenrente.

Der am xxxxx 1962 geborene Kläger erlitt während seiner Tätigkeit als Schiffsbauer am 13. November 2007 einen Arbeitsunfall. In der Unfallanzeige vom 18. Dezember 2007 wird angegeben, dass dem Kläger beim Verrücken einer Rüstung ein Gegenstand auf den Helm gefallen sei und den Kopf nach hinten geschlagen habe. Laut Durchgangsarztbericht von Dr. R. vom 14. November 2007 bekam der Kläger einen Schlag mit einer Leiter gegen seinen Kopf. Angeblich sei er nicht bewusstlos gewesen. Dr. R. diagnostizierte eine Commotio cerebri und eine HWS-Distorsion. Am 19. November 2007 berichtete der Durchgangsarzt Dr. S., dass der Kläger noch über Kopfschmerzen, Schmerzen beim Drehen des Kopfes und Schwindel beim Aufrichten berichte. Er diagnostizierte eine Zervikalneuralgie und eine Gehirnerschütterung. Der Kläger sei voraussichtlich am 26. November 2007 wieder arbeitsfähig. Im Entlassungsbericht des Krankenhauses G. vom 28. November 2017 wurden eine Commotio cerebri und eine HWS-Distorsion angegeben. Der Kläger klage über Kopfschmerzen und Schwindel. In einem weiteren Zwischenbericht gab Dr. S. am 3. Dezember 2007 an, dass der Kläger am 21. November 2007 über leichte Sehstörungen geklagt habe. Laut CCT (ein MRT habe wegen der Platzangst des Klägers nicht durchgeführt werden können) des Schädels sei alles normal, kein Nachweis posttraumatischer Läsionen wie Kontusionsherden oder Hämatomen. Bei Lageänderung habe der Kläger Schwindel und Kopfschmerzen.

Dr. P. berichtete in einem neurologischen Befundbericht vom 19. Dezember 2007, dass der Kläger noch Kopfschmerzen und Schwindelerscheinungen angebe. Klinisch-neurologisch und psychiatrisch habe ein unauffälliger Befund bestanden. Die ausführlichen apparativen Untersuchungen hätten keine Läsionen im Bereich des peripheren oder zentralen Nervensystems gezeigt. Bei dem Kläger bestünden Beschwerden, wie sie bei Schädelprellungen und HWS-Distorsionen typischerweise subjektiv beschrieben würden, auch ohne dass ein organ-neurologisches Korrelat vorliege. Prognostisch sei mit einer Restitutio ad integrum zu rechnen.

Im hno-ärztlichen Befundbericht vom 22. Februar 2008 stellte Dr. L. eine geringgradige beidseitige Schwerhörigkeit fest, die angegebenen Schwindelerscheinungen hätten von hno-ärztlicher Seite nicht objektiviert werden können. Im Bericht der Unfallchirurgen Dr. W. und K. vom 13. März 2008 kamen diese zusammenfassend zu dem Ergebnis, dass bei dem Kläger geringe Restbeschwerden einer Commotio und einer HWS-Distorsion vorlägen. Diese hätten sich jedoch nicht objektivieren lassen. Eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) ergebe sich nicht.

Im weiteren Zwischenbericht vom 29. April 2008 teilte Dr. S. mit, dass der Kläger die Wiedereingliederung begonnen habe, aber nur sehr unregelmäßig zur Arbeit gehe. Er könne die Wiedereingliederung nicht weiter machen und führe seine andauernden Beschwerden auf den Unfall zurück. Er halte den Kläger auch nicht für arbeitsfähig, wobei die Ursache noch unklar sei.

Seit dem 22. Mai 2008 befand sich der Kläger im B. Unfallkrankenhaus H. (B.) zur stationären Behandlung. Mit weiterem neurologischen Befundbericht vom 23. Mai 2008 teilten Dr. B2 und Dr. G1 vom B. mit, dass bei dem Kläger eine mögliche Commotio cerebri und ein Verdacht auf eine Anpassungsstörung bestünden. Zusammenfassend sei aufgrund der kurzen Erinnerungslücke eine Gehirn-erschütterung möglich, für eine darüber hinausgehende substantielle Hirnverletzung ergebe sich zunächst kein Anhalt. Außerdem erscheine eine Anpassungsstörung mit Ängsten und Somatisierungstendenzen wahrscheinlich. Es werde die Übernahme ins Neurotraumatologische Zentrum für eine kurze stationäre Beobachtung mit ergänzender Diagnostik und der Beginn einer Verhaltenstherapie zur Überwindung der Ängste empfohlen. Im Entlassungsbericht des B. wurde für die Zeit vom 29. Mai bis 2. Juli 2008 als Diagnose eine Somatisierungsstörung genannt. Im Kontakt sei der Kläger zunächst freundlich und kooperativ gewesen, im Verlauf dann zunehmend fordernd, teilweise etwas distanzgemindert. Über den gesamten Verlauf habe keine nennenswerte Verbesserung der geschilderten HWS-Beschwerden erzielt werden können. Art und Ausmaß der Beschwerden seien aufgrund der klinischen Befunde nicht nachvollziehbar. Psychosomatischen Zugängen habe sich der Kläger bei passiver Behandlungsmotivation und mangelnder Introspektionsfähigkeit nicht öffnen können. Auffallend sei im Verlauf eine wechselnde Beschwerdeschilderung mit z. T. mimisch und verbal deutlich expressivem Ausdrucksverhalten gewesen. Der Kläger gebe weiterhin Schwindelsymptome, Nackenschmerzen und eine subjektive Hörminderung an. Nach nervenärztlicher Einschätzung bestünden keine unfallabhängigen Defizite.

Die Beklagte forderte eine Bescheinigung über die Arbeitsunfähigkeitszeiten des Klägers von der AOK R1/H. an. U.a. finden sich dort Arbeitsunfähigkeitszeiten in 1994 und 1995 wegen Schwindel, eines HWS-Syndroms und Kopfschmerzen.

Im fachchirurgisch-fachunfallchirurgischen Zusammenhangsgutachten vom 4. Dezember 2008 kam Dr. K1 vom B1 - Krankenhaus H. zu dem Ergebnis, dass nach den vorliegenden Befunden und der klinischen Untersuchung, insbesondere auch einer MRT-Untersuchung nach Sedierung, nicht von unfallabhängigen Defiziten auszugehen sei. Jedoch sei es durch den Unfall zu einer Somatisierungsstörung gekommen.

Mit Bescheid vom 20. Januar 2009 brach die Beklagte das Heilverfahren zum 4. August 2008 ab. Das B1 - Krankenhaus H. sei in seinem Gutachten vom 4. Dezember 2008 zu dem Ergebnis gekommen, dass kein pathologischer Befund vorliege und somit die darauf folgenden Beschwerden nicht Folge des erlittenen Arbeitsunfalls seien. Verletztengeld könne daher nicht über den 4. August 2008 hinaus gezahlt werden.

Gegen diesen Bescheid legte der Kläger am 23. Februar 2009 Widerspruch ein. Es bestünden noch eine Sehschwäche und anhaltende Nacken- und Kopfschmerzen. Bei schnellen Körperbewegungen setze Schwindel ein. Der Kläger höre seit dem Unfall schlechter. Durch die eingetretene Somatisierungsstörung sei der Kläger erheblich in seiner Erwerbsfähigkeit beeinträchtigt. Es liege eine MdE von mindestens 20 v. H. vor. Es werde beantragt, die Zahlung des Verletztengeldes wieder aufzunehmen und auch zu überprüfen, ob dem Kläger eine Unfallrente zustehe.

Die Neurologin Dr. P1 erstattete am 10. Mai 2010 ein Zusammenhangsgutachten. Arbeitsunfähigkeit bestehe bei dem Kläger seit dem Jahr 2009 nicht mehr. Da von dem Versicherten eine Bewusstlosigkeit verneint worden sei und im klinischen Untersuchungsbefund eine antero- und retrograde Amnesie ebenfalls verneint worden seien, könne die Diagnose einer Commotio cerebri betreffend das neurologische Fachgebiet nicht bestätigt werden. Es könne allein eine Schädelprellung diagnostiziert werden. Selbst wenn man unter Zurückstellung erheblicher Bedenken auf neurologischem Fachgebiet das Vorliegen eines Schädel-Hirn-Traumas Grad I/Commotio cerebri aus dem Ereignis vom 13. November 2007 akzeptieren würde, seien einhergehende Symptome wie vorübergehende Bewusstseinsstörung, Übelkeit, Schwindel, Erbrechen, Kopfschmerzen, Sehstörung, Hörstörung usw. regelmäßig vollständig reversibel. Sie klängen entsprechend gesicherter ärztlicher Erfahrung regelmäßig innerhalb eines kurzen Zeitraums (Tage bis wenige Wochen) folgenlos ab. Aus einer Commotio cerebri seien auf Dauer verbleibende Hirnfunktions- bzw. Hirnleistungsstörungen grundsätzlich nicht zu erwarten. Es bestünden auch gewisse Bedenken, ob bei dem Kläger eine Anpassungs- bzw. Somatisierungsstörung vorliege, da der psychische Untersuchungsbefund jeweils unauffällig gewesen sei. Auch bei der hiesigen gutachtlichen Untersuchung habe sich ein weitgehend unauffälliger Untersuchungsbefund bei etwas auffälliger Neigung zur Somatisierung gezeigt. Ein ursächlicher Zusammenhang zwischen den leichtgradigen psychischen Auffälligkeiten im Sinne einer Somatisierungsneigung stehe nicht im ursächlichen Zusammenhang mit dem Unfallereignis. Zeitnah zum Ereignis seien auffällige psychische Symptome nicht erfasst worden, sondern ein Verdacht auf eine Somatisierungsstörung sei erstmals mehr als 6 Monate nach dem Ereignis geäußert worden. Auch könne ein seelisch traumatisierendes Ereignis mit den Symptomen nicht verknüpft werden. Im Gegensatz zu einer traumatisch verursachten psychischen Reaktion stelle sich kein entsprechender Verlauf mit zeitnah zum Ereignis am deutlichsten ausgeprägten Befunden dar.

Mit Bescheid vom 10. August 2010 erkannte die Beklagte als Folgen des Arbeitsunfalls eine folgenlos ausgeheilte Halswirbelsäulen-Verstauchung sowie eine folgenlos ausgeheilte leichtgradige Gehirnerschütterung an. Die Somatisierungsneigung sei nicht als Unfallfolge anzuerkennen. Ein Anspruch auf eine Rentenzahlung bestehe aufgrund der anerkannten Unfallfolgen nicht. Der Bescheid werde Gegenstand des laufenden Widerspruchsverfahrens.

Mit Widerspruchsbescheid vom 25. Oktober 2010 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Verletzungsfolgen, die die vom Kläger geklagten Beschwerden begründen könnten, seien weder festgestellt noch objektiviert worden, insbesondere habe auch kein pathologischer Befund erhoben werden können. Weder die geklagten Sehstörungen noch der Schwindel und die Kopfschmerzen hätten medizinisch begründet werden können. Auch die seinerzeit geltend gemachte Somatisierungsstörung könne nicht als Unfallfolge anerkannt werden, denn auch hier sei ein ursächlicher Zusammenhang zwischen psychischen Reaktionen im Sinne einer Somatisierungsneigung und dem Ereignis vom 13. November 2007 nicht zu begründen. Der an den Kläger persönlich adressierte Widerspruchsbescheid enthielt keinen Absendevermerk. Am 17. April 2012 erkundigte sich der Bevollmächtigte des Klägers nach dem Sachstand. Mit Schreiben vom 3. Mai 2012 übersandte die Beklagte dem Bevollmächtigten des Klägers eine Kopie des Widerspruchsbescheids als Anlage.

Der Bevollmächtigte des Klägers hat am 25. Mai 2012 Klage beim Sozialgericht Hamburg erhoben. Der Widerspruchsbescheid sei bei ihm erst am 9. Mai 2012 eingegangen. Eine Rücksprache mit dem Kläger habe ergeben, dass dieser den Widerspruchsbescheid ebenfalls nicht erhalten habe. Die Folgen des Unfalls seien noch gravierend. Es bestünden noch eine Sehschwäche, anhaltende Nacken- und Kopfschmerzen, bei schnellen Körperbewegungen auch Schwindel. Durch den Unfall sei es zu einer Somatisierungsstörung gekommen und die Erwerbsfähigkeit des Klägers sei um mindestens 20 Prozent gemindert. Die unspezifischen Beschwerden des Klägers seien auch schon vor dem 23. Mai 2008 aktenkundig geworden. Die Beklagte hat mitgeteilt, dass der Widerspruchsbescheid vom 25. Oktober 2010 mit einfachem Brief versandt worden sei. Es gebe allerdings keinen Nachweis über die Versendung an den Bevollmächtigten und/oder über die Bekanntgabe bei dem Versicherten. Verwunderlich sei allerdings, dass der Bevollmächtigte nach seinem letzten Schreiben vom 8. September 2010 mit Rückinformation durch die Beklagte am 13. September 2010 und 11. Oktober 2010 anderthalb Jahre gewartet habe, bis er sich zu einer Nachfrage entschlossen habe.

Der Chirurg und Orthopäde Dr. T. hat am 13. Mai 2013 ein Gutachten nach § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) erstattet. Der Kläger schildere, dass er bis zu dem Unfall am 13. November 2017 niemals Probleme mit der Halswirbelsäule (HWS) gehabt habe. Schwindelanfälle, Platzangst und ähnliches seien ihm völlig fremd. Die Rotation in Vorneigung des Kopfes führe sofort zu einem Schwindel, der mit einer Übelkeit begleitet werde. Die direkt nach dem Unfall geschilderten Symptome würden als sog. zervikozephales Syndrom zusammengefasst. Dieses bestehe aus einer Gleichgewichtsstörung mit Schwindel, Kopfschmerzen und vegetativ auslösbaren Hör- und Sehminderungen. Diese Beschwerden habe der Kläger früh nach dem Unfall gezeigt. Die Untersuchungen, die dann erfolgt seien, seien sämtlich nicht zielführend gewesen. Auf keiner der bildgebenden Untersuchungen sei das Kopfgelenk in einer verwertbaren Technik abgebildet. Sowohl die CT-Untersuchung des Schädels am Unfalltag als auch die CT-Untersuchung der HWS hätten das Kopfgelenk nicht suffizient abbilden können. Es sei besonders fatal, dass alle Untersucher immer von einer unauffälligen Struktur der HWS sprächen, obwohl das Kopfgelenk auf keiner der Untersuchungen auch nur halbwegs erkennbar gewesen sei. Die bei ihm durchgeführte Untersuchung des Klägers habe eine sofortige Reaktion des Klägers auf eine Verschiebung des Atlas mit einem Drehschwindel ergeben. Aus diesem Grund habe er eine Funktionsuntersuchung des Kopfgelenkes mittels der Röntgendiagnostik initiiert. Hier habe sich ein sog. tanzender Dens als Zeichen einer Instabilität der Einheit zwischen dem Schädel und dem 1. und 2. Halswirbel gezeigt, vermutlich durch eine Insuffizienz der Ligamenta alaria. Die Verletzung dieser Ligamenta alaria könne nur in der Erstphase der Verletzung mittels spezieller kernspintomographischer Techniken relativ sicher nachgewiesen werden. Darüber hinaus seien funktionelle dynamische Kernspintomographieuntersuchungen möglich, um auch später eine Instabilität der Kopfgelenkes nachweisen zu können. Morphologische Auffälligkeiten seien zu einem späteren Stadium als ca. 12 Wochen nach der Verletzung schwer nachweisbar. Eine gute Möglichkeit sei jedoch, die Instabilität des Atlas im Verbund mit dem Schädeldach und dem Axis nachzuweisen, mittels der Röntgenuntersuchung in Neutral-, Rechts- wie Linksneigung durch Dezentrierung des Dens. Dies sei hier geschehen: Der Axis rutsche bei Linksneigung um 3 mm über die äußere Kante des Atlas, bei Rechtsneigung um 2 mm hinaus, was ein deutlicher Beweis für die Instabilität des Kopfgelenkes sei. Sollte die bisherige Beweisführung nicht allgemeine Akzeptanz finden, so sei eine CT- Untersuchung in der Technik nach Dvorak erhärtend. Die Beeinträchtigung des Klägers durch die Befunde sei mit einer MdE von 20 v. H. einzuschätzen. Diese MdE gelte nach Wiedererlangen der Arbeitsfähigkeit. Zusammenfassend lägen bei dem Kläger eine Atlantoaxiale Instabilität, eine vegetativ bedingte Hör- und Sehstörung, ein durch abnorme Kopfdrehung auslösbarer Schwindel und ein vertebragener Kopfschmerz vor. Alle Gesundheitsstörungen seien wahrscheinlich durch den Arbeitsunfall ausgelöst worden. Diese würden durch eine dauerhafte Reizung der Hirnhaut, der Medulla oblongata und des Nervus C2 durch den instabilen Atlas ausgelöst. Der Atlas sei deswegen instabil, weil durch die Verletzung durch den Arbeitsunfall aller Voraussicht nach die Ligamenta alaria und/oder die Gelenkkapsel verletzt worden seien. Es resultiere jetzt auf jeden Fall eine Instabilität des atlantoaxialen Gelenkes. Dies sei nachgewiesen durch die Instabilität bei der Röntgenuntersuchung. Durch diesen instabilen Atlas würden über die oben geschilderten Reizungen die vegetativen Bahnen beeinflusst, die sowohl für die Hör- als auch die Sehfähigkeit verantwortlich seien. Der Kläger sei wegen des Arbeitsunfalls bis zum 30. September 2009 arbeitsunfähig gewesen. Ab 1. Oktober 2009 betrage die Minderung der Erwerbsfähigkeit 20 Prozent auf Dauer. Die wesentlichen Beeinträchtigungen resultierten aus dem Schwindel und den Kopfschmerzen.

Die Beklagte hat die Stellungnahme ihrer beratenden Ärztin Dr. W1 übersandt. Dr. T. könne eine Verletzung der Ligamenta alaria nicht objektivieren. Dabei sei die isolierte Verletzung der Ligamenta alaria umstritten. Die funktionelle Kernspintomographie, wie vom Gutachter empfohlen, werde nach Einschätzung der Radiologen und Neurologen im Rahmen von Beschleunigungstraumen abgelehnt. Die Asymmetrie des Dens rechtfertige die Annahme einer Ruptur der Ligamenta alaria nicht. Ligamentäre Komplexverletzungen der oberen HWS träten in der Regel im Rahmen schwerer Unfälle mit Hochrasanztraumen auf. Hier seien Schädelhirntraumen mit intrakraniellen Blutungen, Schädelfrakturen und andauernder Bewusstlosigkeit bzw. fokal neurologischen Defiziten ein mögliches Indiz für solche Verletzungen. Die These, dass geringfügige Unfallereignisse zu einer isolierten Läsion der Ligamenta alaria führen können, lasse sich heute nicht mehr halten. Die isolierte Verletzung der Ligamenta alaria beruhe nach aktuellem Kenntnisstand auf einer Fehlinterpretation kernspintomographischer Befunde und sei als Artefakt anzusehen. Während bei hoher Gewalteinwirkung die Entstehung von ligamentären Komplexverletzungen mit und ohne Beteiligung knöcherner Strukturen in Übereinstimmung mit der chirurgischen Erfahrung stünden, seien isolierte Verletzungen der Flügelbänder allein aufgrund der dargestellten anatomischen Struktur nicht plausibel. Die asymmetrische Darstellung des Dens rechtfertige nicht die Schlussfolgerung einer Ruptur der Flügelbänder. Daher ergebe sich im konkreten Fall auch keine Notwendigkeit einer weiteren Diagnostik. Die vorgelegten Befunde der CT- und MRT-Untersuchung sowie Röntgendiagnostik ergäben keinen Anhalt für eine strukturelle Verletzung der Bandscheiben, Wirbelkörper, Bänder oder Gefäße. Bei einer schweren Läsion der HWS wären zumindest ein Muskelödem oder kleine umschriebene Einblutungen in den Muskelapparat im MRT zu erwarten gewesen. Das vom Gutachter aufgeführte zervikozephale Syndrom mit Sehstörungen, Hörgeräuschen, Schwindel und Gleichgewichtsstörungen skizziere ein buntes Beschwerdebild und sei regelmäßiger Begleiter psychosomatischer Störungen. Objektivieren ließen sich diese Funktionsstörungen nicht. Für eine langanhaltende und sich ausweitende, organüberschreitende, subjektiv wahrgenommene Symptombildung fehle pathophysiologisch jegliche Plausibilität.

Das Sozialgericht Hamburg hat die Klage nach Anhörung der Beteiligten mit Gerichtsbescheid vom 11. Februar 2014 abgewiesen. Die vom Kläger geltend gemachten Beschwerden wie Schwindel, HWS-Beschwerden, Seh- und Hörstörungen seien bereits lange vor dem Unfallereignis aktenkundig und hätten Arbeitsunfähigkeitszeiten seit 1995 begründet. Objektive Befunde hätten von keinem behandelnden Arzt oder Gutachter festgestellt werden können. Die Ausführungen von Dr. T. hielten keiner kritischen sozialmedizinischen Stellungnahme stand. Dieser ginge von reinen Vermutungen aus, die den Kausalitätskriterien der gesetzlichen Unfallversicherung nicht entsprächen. Auf die Ausführungen von Dr. W1 werde verwiesen. Der Gutachter habe sich insbesondere nicht mit den bereits vor dem Unfallereignis bestehenden Beschwerden auseinander gesetzt und diese versucht abzugrenzen. Dass er pauschal alle Beschwerden beim Kläger auf die Vermutung einer "Atlasschädigung" zurückführe, zeige bereits, dass seine Ausführungen den Kausalitätskriterien des Sozialrechts nicht entsprächen.

Gegen den seinem Prozessbevollmächtigten am 17. Februar 2014 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 13. März 2014 Berufung eingelegt. Die eingetretene Somatisierungsstörung sei auch unmittelbare Folge des Arbeitsunfalls und der Kläger sei hierdurch wesentlich in seiner Erwerbsfähigkeit gemindert. Die unspezifischen Beschwerden des Klägers seien bereits unmittelbar nach dem Unfall aufgetreten und aktenkundig geworden.

Der Kläger beantragt, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hamburg vom 11. Februar 2014 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung der Bescheide der Beklagten vom 20. Januar 2009 und 10. August 2010 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 25. Oktober 2010 zu verurteilen, dem Kläger über den 4. August 2008 hinaus Verletztengeld im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen und anschließend Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung zu gewähren. Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Der Senat hat ein Gutachten auf chirurgisch-orthopädisch-traumatologischem Fachgebiet von Dr. K2 nach § 106 SGG eingeholt. Eine unfallabhängige Gesundheitsstörung habe nicht vorgelegen. Vielmehr sei davon auszugehen, dass mit deutlich höherer Wahrscheinlichkeit von Anfang an ab dem 13. November 2007 die gleichen konstitutionellen Ursachen zu Beschwerden geführt hätten, die auch in den Jahren zuvor Kopfschmerzen, Schwindel und Nackenschmerzen ausgelöst hätten. Gegenüber den damaligen Auslösern könne insbesondere durch das Ereignis vom 13. November 2007 in der Diagnostik kein spezifischer Befund gesichert werden, der eine Veränderung auf Grund einer Verletzung bewiesen hätte. Der von einzelnen Ärzten behauptete pathophysiologische Kausalzusammenhang habe medizinisch-wissenschaftlich nicht bewiesen werden können. Verletzungen der oberen HWS seien bei Hochrasanztraumen sowie bei spezifischen Gewalteinwirkungen bekannt und gingen grundsätzlich nach gesicherter traumatologischer Erfahrung mit gänzlich anderen Primärbefunden einher, als sie im Erstbefund bei dem Kläger in der Folge beschrieben worden seien.

Auf den Antrag des Klägers und nach Übermittlung eines konkreten Fragenkatalogs hat Dr. T. am 15. März 2016 erneut Stellung genommen. Verletzungen der HWS beinhalteten immer auch die Kopfgelenke. Verletzungen bei Bagatelltraumen seien immer mit der gleichen zervikocephalen Symptomatik behaftet. Diese Symptome könnten auch alle ohne einen Unfall auftreten und seien nicht so spezifisch, dass nur eine Verletzung der Kopfgelenke diese Symptome hervorrufen könne. Eine von hinten oben auf den behelmten Kopf prallende Leiter könne eine HWS-Distorsion hervorrufen im Sinne einer Translations- und auch Rotationsbewegung des Schädels. Eine Gehirnerschütterung sei nicht nachgewiesen, aber durch das Röntgenbild vom 13. November 2007 eine abnorme Stellung des Atlas in Bezug auf das Okziput im Sinne einer Blockade. Eine Atlas-Blockade könne die vom Kläger geschilderten Beschwerden hervorrufen. Eine bloße anatomische Normabweichung im Bereich des Kopfgelenkes sei gerade nicht häufig. Auch die Hinweise auf die Hochrasanztrauma-Problematik sei weiterhin nicht geeignet, jegliche Verletzungsmöglichkeiten auszuschließen, weil es eben doch genügend Berichte darüber gebe, dass durch eine Halswirbelsäulendistorsion oder einen Kopfanstoß mit oder ohne Rotationskomponente auch bei vermeintlich geringen Beschleunigungskräften sehr wohl die Kopfgelenke verletzt werden könnten. Da die Untersuchungen des Schädels mit CT und MR nicht geeignet seien, könne eine Verletzung weder mit Sicherheit ausgeschlossen noch bestätigt werden. Es liege zumindest die Wahrscheinlichkeit nahe, dass eine Pathologie im Bereich der Kopfgelenke die Ursache der Beschwerdesymptomatik des Klägers sein könne. Die neuerliche Untersuchung im CT vom 9. Februar 2016 durch den Gutachter bestätige keine Instabilität des Atlanto-Axialgelenkes bzw. Atlanto-Oktzipitalgelenkes. Aber der Kläger habe eine starke Arthrose in diesem Bereich, welche auf den primären Unfallbildern noch nicht zu sehen gewesen sei. Das bedeute, dass hier entweder eine abnorme Beweglichkeit im Bereich des Atlanto-Dental-Gelenkes (mit der CT-Untersuchung ausgeschlossen) oder aber eine dauerhafte Fehlposition des Atlas (Blockade, Dislokation oder Subluxation) vorliege, was zu einer vermehrten Abnutzung dieses Gelenkteils führe. Diese liege bei dem Kläger seit dem Unfall vor. Anlagebedingte Ursachen seien mit den neuen CT-Aufnahmen sicher ausgeschlossen. Es handele sich nicht um eine vermehrte Beweglichkeit des Zahnes des 2. Halswirbelkörpers, sondern um eine dauerhafte Fehlpositionierung des 1. Halswirbelkörpers. Der Atlas sei seit dem Unfall vom 13. November 2007 rotiert und verkippt.

Die Beklagte hat erneut eine Stellungnahme ihrer Beratungsärztin Dr. W1 eingereicht. In der CT-Untersuchung der HWS vom 9. Februar 2016 würden Verschleißumformungen in dem Segment C1/2 dokumentiert. Es würden seitens des Radiologen Schädigungen der Flügelbänder ausgeschlossen. Fehlende Instabilitäten würden in einer dynamischen CT-Untersuchung des Kopfgelenkes bestätigt. Seitens des Radiologen werde eine minimale exzentrische Stellung des Dens befundet. Betrachte man die CT-Bilder sei diese exzentrische Stellung des Dens kaum nachzuvollziehen. Eine Krankheitswertigkeit ergebe sich daraus nicht. Die erneute Darstellung der oberen HWS schließe abgelaufene strukturelle Schäden der HWS aus. Selbst wenn man unterstellen würde, dass strukturelle Schäden vorgelegen hätten, seien keine Gelenkinkongruenzen oder Gelenkstufen als Residuum einer strukturellen Schädigung nachzuweisen, so dass die Verletzung dann folgenlos ausgeheilt wäre. Bei fehlender struktureller Verletzung von Gelenken in Form von Instabilitäten oder knöchernen Defekten sei ein Auftreten von Verschleißumformungen allein aufgrund von Zerrungen in der Folgezeit medizinisch nicht plausibel. Bei fehlendem Nachweis von Instabilitäten seien daher auch keine Folgeveränderungen zu erwarten. Daher seien die Verschleißerscheinungen als unfallunabhängig zu werten. Auch seien die Ausführungen, dass es sich um keine anlagebedingte Stellungabweichung handele, nicht überzeugend. Bei einer strukturellen Subluxation oder Luxation von Gelenken wären stets auch Verletzungszeichen in den an-grenzenden Weichteilen zu fordern. In der später durchgeführten MRT-Untersuchung fänden sich keine solchen Verletzungszeichen (wobei die Untersuchung erst am 29. Oktober 2008 erfolgte) – insbesondere würden aber zumindest Residuen einer solchen Verletzung ausgeschlossen. Auch Fehlstellungen der HWS seien nicht nachgewiesen. Der Gutachter bleibe den Vollbeweis des strukturellen Erstschadens schuldig. Letztlich sei das Auftreten von dauerhaften Unfallfolgen infolge von Verletzungen der Kopfgelenke ohne sichere strukturelle Verletzung die Lehrmeinung einiger einzelner Wissenschaftler. Einen Konsens zu dieser Theorie in der allgemeinen Wissenschaft gebe es nicht. Die herrschende Literaturmeinung hinsichtlich von Halswirbelsäulenverletzungen sei, dass lediglich im Vollbeweis gesicherte strukturelle Verletzungen zu einer dauerhaften funktionellen Einschränkung führten. Verschleißumformungen seien bei fehlender struktureller Verletzung als unfallunabhängig und schicksalhaft zu werten. Unterstelle man die vom Gutachter nachgewiesene Asymmetrie zwischen Dens und Axis sei diese keinesfalls ein Beweis für eine strukturelle Verletzung. Hier seien erhebliche Normvarianten möglich. Eine anhaltende posttraumatische Funktionseinschränkung lasse sich daraus keinesfalls ableiten.

Auf Antrag des Klägers ist eine erneute ergänzende Stellungnahme von Dr. T. vom 18. August 2017 erfolgt. Frau Dr. W1 bemängele zum wiederholten Mal, dass es keinen Vollbeweis geben würde, welcher einen Erstschaden belegen könne. Dies könne er einerseits bestätigen, andererseits möchte er auf die Röntgenaufnahme vom Unfalltag als zeitnahen Beweis verweisen. Auf dieser Aufnahme sei zu sehen, dass das obere Kopfgelenk, das Atlanto-Okzipital-Gelenk, nach links verschoben sei. Im Zusammenhang mit der steilen Stellung des Okziputs sei somit das Bild einer Blockade des Atlanto-Okzipital-Gelenkes zu sehen. Die Röntgenaufnahme vom 13. November 2007 sei der einzige Beweis, weil die anderen Untersuchungen nicht gemacht worden seien. Einzige pathologische Befunde seien die Gutachten und die per Bild dargestellte pathologische Verkippung des Atlas und die sehr auffällige fortgeschrittene Arthrose des Atlantodental-Gelenkes. Der Kläger habe ganz offensichtlich bei dem Unfall eine Verletzung erlitten, die aber lange fehlgedeutet worden sei. Dies sei nicht die Schuld des Versicherten. Sehr wohl seien dauerhafte Blockierungen als Unfallfolge zu werten, wenn die Kausalkette hergestellt sei. Das angeschuldigte Ereignis habe die Blockierung verursacht und diese Blockierung habe nachvollziehbar Symptome ausgelöst.

In der mündlichen Verhandlung ist Dr. K2 informatorisch zu seinem Gutachten gehört worden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Prozessakte und die beigezogene Verwaltungsakte sowie die Sitzungsniederschrift vom 23. Mai 2018 verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die statthafte (§§ 143, 144 SGG) und auch im Übrigen zulässige Berufung, die insbesondere auch form- und fristgerecht eingelegt worden ist (§ 151 SGG), ist unbegründet. Die Klage beim Sozialgericht war zulässig und wurde insbesondere auch fristgemäß erhoben, da die Beklagte einen früheren Zugang des Widerspruchsbescheids nicht nachweisen kann. Die angefochtenen Bescheide sind aber rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung von Verletztengeld über den 4. August 2010 hinaus sowie auf Verletztenrente.

Der Kläger hat über den 4. August 2010 hinaus keinen Anspruch auf Verletztengeld. Anspruch auf Verletztengeld haben Versicherte nach § 45 des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII) u. a., wenn sie infolge des Versicherungsfalls arbeitsunfähig sind oder wegen einer Maßnahme der Heilbehandlung eine ganztägige Erwerbstätigkeit nicht ausüben können. Es kann dahinstehen, ob der Kläger über den 4. August 2010 hinaus noch arbeitsunfähig war, denn jedenfalls war er dies nicht infolge eines Versicherungsfalles.

Ein Versicherungsfall, hier der Arbeitsunfall am 13. November 2007, liegt unstreitig vor. Für einen Arbeitsunfall ist nach § 8 Abs. 1 SGB VII in der Regel erforderlich, dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer bzw. sachlicher Zusammenhang), dass diese Verrichtung zu dem zeitlich begrenzten, von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis - dem Unfallereignis - geführt hat (Unfallkausalität) und dass das Unfallereignis einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten verursacht hat (haftungsbegründende Kausalität); das Entstehen von längerandauernden Unfallfolgen aufgrund des Gesundheitserstschadens (haftungsausfüllende Kausalität) ist hingegen keine Voraussetzung für die Anerkennung eines Arbeitsunfalls, sondern für die Gewährung einer Verletztenrente (BSG, Urteil vom 3. April 2014 – B 2 U 25/12 R, BSGE 115, 256). Der Kläger ist während der Verrichtung seiner Tätigkeit von einer Leiter am behelmten Kopf getroffen worden. Aufgrund dieses Unfallereignisses hat er jedenfalls eine HWS-Distorsion und möglicherweise eine von der Beklagten als Unfallfolge anerkannte leichtgradige Gehirnerschütterung erlitten.

Die weitere Voraussetzung für die Gewährung von Verletztengeld erfordert, dass eine Beeinträchtigung des körperlichen oder geistigen Leistungsvermögens vorliegt und dass diese Beeinträchtigung in Folge des festgestellten Versicherungsfalles – hier des Arbeitsunfalls – eingetreten ist, also über einen längeren Zeitraum andauernde Unfallfolgen vorliegen. Zur Feststellung einer gesundheitlichen Beeinträchtigung in Folge eines Versicherungsfalles muss zwischen dem Unfallereignis und den geltend gemachten Unfallfolgen entweder mittels des Gesundheitserstschadens oder direkt ein Ursachenzusammenhang nach der im Sozialrecht geltenden Theorie der wesentlichen Bedingung bestehen (BSG, Urteil vom 9. Mai 2006 – B 2 U 1/05 R, BSGE 96, 196). Nach der Theorie der wesentlichen Bedingung ist zunächst zu prüfen, welche Ursachen im Sinne der naturwissenschaftlich-philosophischen Bedingungstheorie in Betracht kommen, weil sie nicht hinweggedacht werden können, ohne dass der Erfolg entfiele (sog. conditio-sine-qua-non-Theorie). Anschließend ist in einem zweiten Prüfungsschritt zu beurteilen, welche Ursachen rechtlich für den Erfolg verantwortlich gemacht werden können bzw. denen der Erfolg zugerechnet werden kann. Danach werden als kausal und rechtserheblich nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben (ständige Rspr. vgl BSG, a.a.O.). Welche Ursache wesentlich ist und welche nicht, muss aus der Auffassung des praktischen Lebens über die besondere Beziehung der Ursache zum Eintritt des Erfolgs bzw. Gesundheitsschadens abgeleitet werden (BSG a.a.O.). Es kann mehrere rechtlich wesentliche Mitursachen geben. Sozialrechtlich ist allein relevant, ob das Unfallereignis wesentlich war. Ob eine konkurrierende Ursache es war, ist unerheblich. Ist jedoch eine Ursache oder sind mehrere Ursachen gemeinsam gegenüber einer anderen von überragender Bedeutung, so ist oder sind nur die erstgenannte(n) Ursache(n) "wesentlich" und damit Ursache(n) im Sinne des Sozialrechts (BSG a.a.O., m.w.N.). Für den Fall, dass die kausale Bedeutung einer äußeren Einwirkung mit derjenigen einer bereits vorhandenen krankhaften Anlage zu vergleichen und abzuwägen ist, ist darauf abzustellen, ob die Krankheitsanlage so stark oder so leicht ansprechbar war, dass die "Auslösung" akuter Erscheinungen aus ihr nicht besonderer, in ihrer Art unersetzlicher äußerer Einwirkungen bedurfte, sondern dass jedes andere alltäglich vorkommende Ereignis zu derselben Zeit die Erscheinung ausgelöst hätte (BSG a.a.O. m.w.N.). Gesichtspunkte für die Beurteilung der besonderen Beziehung einer versicherten Ursache zum Erfolg sind neben der versicherten Ursache bzw. dem Ereignis als solchem, einschließlich der Art und des Ausmaßes der Einwirkung, die konkurrierende Ursache unter Berücksichtigung ihrer Art und ihres Ausmaßes, der zeitliche Ablauf des Geschehens - aber eine Ursache ist nicht deswegen wesentlich, weil sie die letzte war -, weiterhin Rückschlüsse aus dem Verhalten des Verletzten nach dem Unfall, den Befunden und Diagnosen des erstbehandelnden Arztes sowie der gesamten Krankengeschichte. Für die Feststellung dieses Ursachenzusammenhangs - der haftungsbegründenden und der haftungsausfüllenden Kausalität - genügt hinreichende Wahrscheinlichkeit (BSG, a.a.O., m.w.N.). Diese liegt vor, wenn mehr für als gegen den Ursachenzusammenhang spricht und ernste Zweifel ausscheiden; die reine Möglichkeit genügt nicht (BSG a.a.O., m.w.N.).

Die von dem Kläger über den 4. August 2010 hinaus beklagten Beschwerden in Form von Schwindel, Kopfschmerzen und einer Beeinträchtigung der Hör- und Sehleistung sind nicht infolge des Arbeitsunfalls eingetreten. Der Kläger hat bei dem Arbeitsunfall möglicherweise eine leichtgradige Gehirnerschütterung erlitten, die nach Meinung aller Gutachter jedenfalls mittlerweile folgenlos ausgeheilt ist. Auch die vom Kläger beim Unfall erlittene HWS-Distorsion ist folgenlos ausgeheilt. Übereinstimmend gehen die Gutachter im Verwaltungsverfahren sowie Dr. K2 und die Beratungsärztin Dr. W1 davon aus, dass aus der HWS-Distorsion bei dem Kläger keine Beschwerden mehr resultieren. Dr. T. hingegen ist zunächst davon ausgegangen, dass die HWS-Distorsion beim Kläger eine atlanto-axiale Instabilität und Verletzung des Kopfgelenkes zur Folge gehabt habe und jetzt dauerhaft Seh- und Hörminderungen, Kopfschmerzen und durch die Verschiebung des Atlas Schwindelattacken verursache. Nach einer CT-Untersuchung des Klägers nahm der Gutachter jedoch von der Diagnose einer Instabilität des Atlanto-Axial-Gelenkes Abstand und nahm nunmehr eine dauerhafte Fehlposition des Atlas (Blockade, Dislokation oder Subluxation) an. Zumindest liege die Wahrscheinlichkeit nahe, dass eine Pathologie im Bereich der Kopfgelenke die Ursache der Beschwerdesymptomatik sei. Eine Atlas-Blockade im Sinne eines durch den Unfall verursachten Gesundheitserstschadens ist jedoch nicht im Vollbeweis nachgewiesen. Auch Dr. T. räumt dies zwar einerseits ein, verbleibt aber bei seiner Auffassung, dass bereits auf der Röntgenaufnahme vom 13. November 2007 zu sehen gewesen sei, dass das Atlanto-Okzipital-Gelenk nach links verschoben gewesen sei. Die Beratungsärztin Dr. W1 legt jedoch schlüssig dar, dass eine Blockierung des Kopfgelenkes nicht als Trauma relevant sei. Aus einer leichten Abweichung des Dens könne nicht abgeleitet werden, dass der Atlas seit dem Unfall rotiert und verkippt sei. Es kann sich insbesondere auch um eine anlagebedingte Normabweichung handeln. Denn es wurden keine strukturellen Verletzungen durch den Unfall in Form von damit einhergehenden Weichteilverletzungen oder Residuen solcher Verletzungen nachgewiesen. Jedenfalls sind aber keine strukturellen Verletzungen von Gelenken in Form von Instabilitäten oder knöchernen Defekten nachgewiesen, die dauerhafte Funktionseinschränkungen begründen könnten. Lediglich vereinzelt wird in der Wissenschaft vertreten, dass dauerhafte Unfallfolgen infolge von Verletzungen der Kopfgelenke ohne sichere strukturelle Verletzung auftreten könnten. Dieser Auffassung kann nicht gefolgt werden. Denn allein die Beschwerdeschilderungen des Klägers ohne objektivierbare Anhaltspunkte können weder den Vollbeweis noch eine überwiegende Wahrscheinlichkeit begründen.

Auch aus der mittlerweile nachgewiesenen Arthrose kann nicht im Umkehrschluss die Kausalität zu dem Unfallereignis hergestellt werden. Eine Arthrose kann auch unfallunabhängig auftreten, schicksalhaft oder auch aufgrund einer anlagebedingten Schädigung der Gelenke. Aus dem Vorliegen der Arthrose folgt daher gerade nicht, wie es Dr. T. annimmt, dass der Kläger offensichtlich Verletzungen bei dem Unfall erlitten hat und eine dauerhafte Blockade des Atlas vorliegen müsse.

Der Bevollmächtigte des Klägers ist zudem der Auffassung, dass infolge des Arbeitsunfalls eine Somatisierungsstörung eingetreten sei. Nach dem ICD-10 ist charakteristisch für eine somatoforme Störung, dass wiederholt körperliche Symptome in Verbindung mit hartnäckigen Forderungen nach medizinischen Untersuchungen trotz wiederholter negativer Ergebnisse und Versicherung der Ärzte, dass die Symptome nicht körperlich begründbar sind, dargeboten werden. Dr. P1 hat jedoch in ihrem Zusammenhangsgutachten zu Recht darauf hingewiesen, dass der psychische Untersuchungsbefund bei dem Kläger jeweils unauffällig gewesen sei und erste Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Somatisierungsstörung erst lange nach dem Unfall aufgetreten seien. Auch der Kläger fühlt sich psychisch nicht beeinträchtigt, sondern geht von einer rein somatischen Ursache aus, die allerdings nicht im Vollbeweis gesichert ist.

Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf eine Verletztenrente nach § 56 SGB VII, da die Erwerbsfähigkeit des Klägers nicht infolge des Versicherungsfalles gemindert ist. Wie oben dargelegt, sind die durch den Versicherungsfall bedingten Gesundheitsstörungen folgenlos ausgeheilt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ausgang des Rechtsstreits.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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