Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
S 18 KR 500/12
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 8 KR 282/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 27. Januar 2017 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat die Kosten beider Instanzen zu tragen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Parteien streiten um die Retaxierung eines sogenannten T-Rezepts.
Für die Abgabe lenalidomid-, pomadlidomid oder thalidomidhaltiger Arzneimittel sieht der mit Wirkung zum 9. Februar 2009 eingeführte § 3a Verordnung über die Verschreibungspflicht von Arzneimitteln– AMVV (i.d.F. vom 2. Dezember 2008) besondere Sicherheitsvorkehrungen vor, weil diese Wirkstoffe fruchtschädigend sein können. Nach § 3a Abs. 1 AMVV muss die Verschreibung von entsprechenden Arzneimitteln auf einem nummerierten zweiteiligen amtlichen Vordruck des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) erfolgen. Abs. 2 sieht vor, dass die Verschreibungen "die Bestätigung der ärztlichen Person [enthält], dass die Sicherheitsmaßnahmen gemäß der aktuellen Fachinformation des entsprechenden Fertigarzneimittels eingehalten werden, insbesondere, dass erforderlichenfalls ein Schwangerschafts-Präventionsprogramm durchgeführt wird und dass der Patientin oder dem Patienten vor Beginn der medikamentösen Behandlung geeignete medizinische Informationsmaterialien und die aktuelle Gebrauchsinformation des entsprechenden Fertigarzneimittels ausgehändigt wurden. Ferner muss auf der Verschreibung vermerkt sein, ob eine Behandlung innerhalb oder außerhalb der jeweils zugelassenen Anwendungsgebiete erfolgt." Abs. 6 sieht vor, dass das BfArM ein Muster des Vordrucks (sog. T-Rezept) öffentlich bekannt macht. Gemäß Abs. 5 müssen ärztliche Personen diese Vordrucke beim BfArM anfordern. Nach Abs. 7 in seiner ursprünglichen Fassung übermitteln Apotheken dem BfArM vierteljährlich (seit 1. Januar 2015: wöchentlich) die Durchschriften der Vordrucke, die bei ihnen eingereicht wurden.
Am 8. Dezember 2008 erließ das BfArM eine Bekanntmachung zu lenalidomid- und thalidomidhaltigen Arzneimitteln, die die Anforderungen an die Verschreibung und Abgabe entsprechender Medikamente mit Wirkung ab dem 8. Februar 2009 beschrieb. Die Bekanntmachung enthielt auch das Muster, das seitdem – soweit hier von Belang unverändert – als Vordruck für T-Rezepte zu verwenden ist. Der Vordruck enthält zur Umsetzung des Abs. 2 vier ankreuzbare Felder. Neben dem ersten Feld lautet der Text: "Alle Sicherheitsbestimmungen gemäß der Fachinformation entsprechender Fertigarzneimittel werden eingehalten". Neben dem zweiten Feld steht: "Dem/der Patient(in) wurde vor Beginn der Behandlung medizinisches Informationsmaterial entsprechend den Anforderungen der Fachinformation entsprechender Fertigarzneimittel sowie die aktuelle Gebrauchsinformation des entsprechenden Fertigarzneimittels ausgehändigt". Neben dem dritten Feld heißt es: "Behandlung erfolgt innerhalb der zugelassenen Anwendungsgebiete (In-Label)", und neben dem vierten Feld: "Behandlung erfolgt außerhalb der zugelassenen Anwendungsgebiete (Off-Label)" (Hervorh. Im Original). Auf S. 3 der Bekanntmachung wird erläutert, dass Apotheken thalidomid- und lenalidomidhaltige Arzneimittel nur angeben dürfen, wenn "1) die verschreibende ärztliche Person auf dem Sonderrezept ausdrücklich durch ordnungsgemäße Markierung des entsprechenden Feldes bestätigt hat, dass die gemäß der Zulassung des entsprechenden Fertigarzneimittels im Rahmen der Verschreibung und Anwendung zu treffenden Sicherheitsmaßnahmen eingehalten werden, 2) die verschreibende ärztliche Person auf dem Sonderrezept ausdrücklich durch Markierung eines der dafür vorgesehenen Felder angegeben hat, ob es sich bei der Verschreibung um eine Behandlung innerhalb oder außerhalb der jeweils zugelassenen Anwendungsgebiete handelt, 3) die Höchstmenge der verordneten lenalidomid- und thalidomidhaltigen Arzneimittel den Bedarf für vier Wochen für Frauen im gebärfähigen Alter, und ansonsten den Bedarf für zwölf Wochen nicht übersteigt, und 4) die Verschreibung von Lenalidomid bzw. Thalidomid auf dem Sonderrezept (Datum der Ausstellung) nicht älter als 6 Tage ist."
Die Klägerin hatte im April 2009 das thalidomidhaltige Arzneimittel Revlimid an einen bei der Beklagten versicherten Kunden abgegeben. Grundlage hierfür war ein sogenanntes T-Rezept vom 9. April 2009, das der verordnende Arzt im ersten und im vierten der oben beschriebenen Felder angekreuzt hatte. Das zweite Feld war leer. Bereits zuvor hatte die Klägerin an den gleichen Kunden dasselbe Medikament auf Grundlage eines T-Rezepts vom 17. Februar 2009 abgegeben, auf dem der gleiche behandelnde Arzt das erste, zweite und vierte Feld angekreuzt hatte.
Die Beklagte beanstandete mit Schreiben vom 29. Januar 2010 die erfolgte Abrechnung für das Medikament, das auf das T-Rezept vom 9. April 2009 abgegeben wurde, weil sie davon ausging, dass das T-Rezept ohne das Kreuz im zweiten Feld nicht ordnungsgemäß ausgefüllt sei. Sie war der Auffassung, dass der Arzt oder die Ärztin auch bei jedem Folgerezept ankreuzen muss, dass dem Patienten vor der Behandlung die erforderlichen Informationsmaterialien ausgehändigt wurden. Da das Rezept bei jeder Apotheke vorgelegt werden kann, sei sonst nicht sichergestellt, dass das Medikament nur abgegeben wird, wenn der Apotheker sich darüber vergewissern konnte, dass der Patient vor Behandlungsbeginn die Informationsmaterialien erhalten hat.
Die Klägerin hiet hingegen die Abgabe des Medikaments auf Vorlage des T-Rezepts vom 9. April 2009 auch ohne das Kreuz im zweiten Feld für rechtmäßig. Sie führte an, dass sie den Kunden entsprechend in ihren Unterlagen registriert hatte und durch die vorangehende Abgabe des gleichen Medikaments wusste, dass er die Informationsmaterialien vor Behandlungsbeginn erhalten hatte.
Ihr Einspruch vom 9. Februar 2010 gegen die Beanstandung auch unter Einschaltung des Hessischen Apothekerverbandes blieb erfolglos.
Daher rechnete die Beklagte – soweit hier streitgegenständlich – die Kosten für das Medikament aufgrund des T-Rezepts vom 9. April 2009 in Höhe von 13.017,88 EUR gegen die Arzneimittelrechnung für Juli 2010 auf und beglich diese nur in entsprechend reduziertem Umfang.
Mit Klage vom 27. September 2012 machte die Klägerin ihren Vergütungsanspruch in dieser Höhe von 13.017,88 EUR nebst Zinsen geltend. Das Sozialgericht Frankfurt gab der Klage mit Urteil vom 27. Januar 2017 statt. Es sah die Voraussetzungen eines öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs im Rahmen der Retaxierung für das T-Rezept vom 9. April 2009 nicht als gegeben an. Da der Sicherheitszweck des § 3a AMVV nicht gefährdet gewesen sei, sei die Retaxierung hier unverhältnismäßig. Außerdem könne das Ankreuzen des zweiten Formularfeldes als redundant angesehen werden, weil der Arzt bereits mit dem ersten Kreuz bestätige, alle Sicherheitsbestimmungen eingehalten zu haben. Die Aushändigung von Informationsmaterialien stelle nur einen Unterpunkt dieser Sicherheitsbestimmungen dar.
Gegen das am 26. Juni 2017 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 20. Juli 2017 Berufung eingelegt. Sie hält weiterhin an ihrer Auffassung fest, dass das fehlende Kreuz im zweiten Feld des Formulars zu einer nicht ordnungsgemäßen Verordnung führe und deshalb der Vergütungsanspruch der Klägerin nicht entstanden sei. Sie verweist auf weitere Urteile, namentlich des SG Lübeck vom 29. Juni 2012 – S 1 KR 785/10, des SG Trier vom 19. Juli 2012, S. 1 KR 15/12, des SG Dortmund vom 20. November 2012 S 40 KR 87/11, des SG Detmold vom 20. Februar 2015 – S 24 KR 307/14, des SG Berlin vom 21. Juni 2016 – S 182 KR 552/14 und des LSG Niedersachsen-Bremen vom 28 Januar 2017 – L 4 KR 104/15 (vorausgehend SG Hannover – S 11 KR 502/11) sowie vom 30. März 2017 – L 1/16 KR 373/15 (vorausgehend SG Braunschweig S 6 KR 428/12). Außerdem sei noch die Berufung gegen das Urteil des SG Hannover vom 29. Januar 2016 – S 86 KR 383/11 beim LSG Niedersachsen-Bremen unter dem Aktenzeichen L 4 KR 158/16 anhängig. In diesen Verfahren, die jeweils T-Rezepte betrafen und in denen die Beklagte Partei war, hätten die Gerichte, soweit die Entscheidungen rechtskräftig seien, die Retaxierung der Beklagten für rechtmäßig angesehen. Teilweise fehlten Kreuze in den entsprechenden Feldern des Verordnungsformulars ganz, teilweise waren sie sachlich falsch gesetzt (die Alternativen in-label und off-label waren beide angekreuzt). In einigen Verfahren fehlte – wie im streitgegenständlichen Fall – das Kreuz im zweiten Feld, während im ersten Feld und im dritten oder vierten Feld jeweils ein Kreuz gesetzt war.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 27. Januar 2017 aufzuheben und die Klage abzuweisen,
hilfsweise,
die Revision zuzulassen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält ihrerseits an ihrer bisherigen Rechtsaufassung fest, insbesondere daran, dass die Betrachtung des Einzelfalls dazu führe, dass die Retaxierung nicht erfolgen dürfe.
Auf Nachfrage des Senats, wie mit Rezepten verfahren werde, bei denen das zweite Feld nicht angekreuzt wurde, hat das BfArM auf seine am 14. Mai 2013 veröffentlichte Pressemitteilung mit dem Titel "Rezepte für Lenalidomid- und Thalidomidhaltige Arzneimittel ("T-Rezepte"): Verstöße gegen Formvorschriften können strafbar sein" verwiesen. Darin heißt es: "( ...) Apothekerinnen und Apotheker haben dabei eine besondere Verantwortung: sie dürfen verschreibungspflichtige Medikamente nur dann abgeben, wenn das Rezept ordnungsgemäß ausgefüllt ist. Bei T-Rezepten sind einige Besonderheiten zu beachten. Ärztinnen und Ärzte müssen auf jedem T-Rezept explizit ankreuzen, dass sie die Sicherheitsbestimmungen eingehalten und den Patientinnen und Patienten entsprechendes Informationsmaterial ausgehändigt haben. Dies gilt auch für Folge-Verordnungen. In der Apotheke muss dies dann überprüft werden. Fehlt auch nur ein Kreuz auf dem T-Rezept, darf das Arzneimittel nicht abgegeben werden. ( ...)"
Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte Bezug genommen. Sie ist Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist unbegründet.
Der Vergütungsanspruch der Klägerin für den Monat Juli 2010 bestand im vollen Umfang. Dieser Anspruch ist nicht durch Aufrechnung der Beklagten mit einem öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch in Höhe von 13.017,88 EUR erloschen. Denn ein solcher Anspruch bestand nicht. Die Beklagte war nicht berechtigt, die ursprüngliche Zahlung für das Medikament Revlimid aufgrund der Verordnung vom 9. April 2009 zu retaxieren.
Durch die Abgabe des Medikaments Revlimid an den bei der Beklagten versicherten Kunden, für den die streitige Verordnung vom 9. April 2009 ausgestellt worden war, ist der Klägerin ein Vergütungsanspruch gemäß § 129 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch – SGB V (i.d.F. vom 26. März 2007) in Verbindung mit dem Rahmenvertrag über die Arzneimittelversorgung nach § 129 Abs. 2 SGB V in der Fassung vom 17. Januar 2008 zwischen den Spitzenverbänden der Krankenkassen und dem Deutschen Apothekerverband e.V. (im Folgenden Rahmenvertrag) sowie dem Arzneilieferungsvertrag in der Fassung vom 21. August 2008 zwischen dem Verband der Angestellten-Krankenkassen e.V. und dem Deutschen Apothekerverband e.V. (im folgenden ALV) entstanden (vgl. st. Rspr. BSG, Urteil vom 6. März 2012 – B 1 KR 14/11 R, Urteil vom 8. Juli 2015 – B 3 KR 17/14 R).
Entgegen der Auffassung der Klägerin kommt es hierfür aber nicht darauf an, ob die Abgabe des Arzneimittels medizinisch-pharmakologisch berechtigt war. Schon sachlich verfehlt ist die Annahme, im konkreten Fall habe kein besonderes Risiko bestanden, weil der Empfänger des Arzneimittels männlich war. Die Schwangerschaftsprävention im Zusammenhang mit lenalidomid- und thalidomidhaltigen Arzneimitteln betrifft auch Männer, da sie Partner von gebährfähigen Frauen sein könnten. Ebenso ist es auch unerheblich, ob die Klägerin subjektiv Kenntnis davon hatte, ob der Empfänger des Arzneimittels die erforderlichen Informationsmaterialien vor Behandlungsbeginn erhalten hatte. Die Anforderung, die hier streitig ist, besteht darin, dass eine ordnungsgemäße Verordnung zum Zeitpunkt der Abgabe vorlag. Dies ist ein formales Kriterium, das nicht durch materielle Erwägungen der abgebenden Apotheke überspielt werden kann.
Die Verordnung, auf der die Abgabe beruhte, ist jedoch als ordnungsgemäß gültig i.S.d. § 3 Rahmenvertrag bzw. ordnungsgemäß i.S.d. § 4 ALV zu qualifizieren.
Welche Anforderungen an eine ordnungsgemäße Verordnung zu stellen sind, kann das Leistungserbringungsrecht des SGB V einerseits selbst normieren. Andererseits kann das Leistungserbringungsrecht auch an arzneimittelrechtliche und apothekenrechtliche Pflichten anknüpfen. Für die Arzneimittelvergütung ist dies mit § 129 SGB V i.V.m den genannten Arzneilieferungsverträgen der Fall. § 3 Abs. 1 S. 1 Rahmenvertrag verlangt auf Seiten des Apothekers die Annahme einer ordnungsgemäßen gültigen vertragsärztlichen Verordnung. Zudem verlangt § 17 Abs. 2 S. 2 Apothekenbetriebsordnung – ApBetrO, dass Arzneimittel nicht abgegeben werden dürfen, wenn sich bei der Verschreibung Bedenken ergeben. Der Apotheker ist also auch berufsrechtlich dazu verpflichtet, darauf zu achten, dass ärztliche Verordnungen ordnungsgemäß sind. Daher entsteht kein Vergütungsanspruch, wenn die geltenden Vorschriften, auch diejenigen über die Verwendung der amtlichen Vordrucke, nicht eingehalten werden (vgl. Schneider, in: Schlegel/Voelzke (Hrsg.), jurisPK-SGB V, 3. Aufl. 2016, § 129 Rn. 35; Axer, in: Becker/Kingreen (Hrsg.), SGB V Kommentar, 6. Aufl. 2018, § 129 Rn. 15 f.).
Für sogenannte T-Rezepte verlangt § 3a Abs. 2 AMVV i.d.F. vom 2. Dezember 2008 unter anderem, dass "die Bestätigung der ärztlichen Personen enthalten [ist], dass die Sicherheitsmaßnahmen gemäß der aktuellen Fachinformation des entsprechenden Fertigarzneimittels eingehalten werden, insbesondere, dass erforderlichenfalls ein Schwangerschafts-Präventionsprogramm durchgeführt wird und dass der Patientin oder dem Patienten vor Beginn der medikamentösen Behandlung geeignete medizinische Informationsmaterialien und die aktuelle Gebrauchsinformation des entsprechenden Fertigarzneimittels ausgehändigt wurden."
Diese Verordnungsvorgabe wurde in der Bekanntmachung des BfArM vom 8. Dezember 2008 in nicht eindeutiger Weise konkretisiert.
Die Bekanntmachung enthält zunächst das Muster des zu verwendenden Vordrucks mit vier Feldern zum Ankreuzen. Dabei dient das erste Feld zur Bestätigung, dass "alle Sicherheitsbestimmungen gemäß der Fachinformation entsprechender Fertigarzneimittel [ ...] eingehalten [werden]". Ein zweites Feld verlangt die Bestätigung, dass "dem/der Patient(in) [ ...] vor Beginn der Behandlung medizinisches Informationsmaterial entsprechend den Anforderungen der Fachinformation entsprechender Fertigarzneimittel sowie die aktuelle Gebrauchsinformation des entsprechenden Fertigarzneimittels ausgehändigt [wurde]".
Eindeutig ist noch, dass das zweite Feld, das die Bestätigung der Aushändigung von Informationsmaterialien enthält, nur verlangt, dass diese Materialen einmal vor Behandlungsbeginn ausgehändigt wurden. Bei einem Folgerezept ist also keine erneute Aushändigung erforderlich. Nicht mehr eindeutig ist hingegen, ob auch bei Folgerezepten die Bestätigung, die sich dann auf eine in der Vergangenheit liegende, frühere Aushändigung bezieht, erforderlich ist.
In einer ersten Betrachtung erscheint es naheliegend, dass beide Felder angekreuzt werden müssen. Hierfür spricht zunächst, dass beide Felder existieren und sich nicht logisch ausschließen. Der Text neben Feld 1 ist im Präsens formuliert, der Text neben Feld 2 im Präteritum. Daher ist es möglich, bei Folgerezepten immer wieder neu zu bestätigen, dass die Informationen ursprünglich ausgehändigt wurden. Der Zweck einer solchen wiederholenden Bestätigung könnte dann darin liegen, dass die Apotheke prüfen und sicherstellen kann, dass das Medikament nicht ohne vom Arzt ausgehändigte Informationsmaterialien in Umlauf gerät. Da sich aus dem Rezept selbst nicht ergibt, ob es sich um das erste oder ein Folgerezept handelt und der Versicherte jedes Rezept in einer anderen Apotheke einlösen kann, wäre die Gefahr verhindert, dass ein Apotheker irrtümlich glaubt, es handele sich um ein Folgerezept, obwohl es sich tatsächlich um ein Erstrezept handelt, bei dem der Arzt die Informationsmaterialien nicht ausgehändigt hat. Diese Deutung entspricht auch der Auffassung des BfArM, die es dem Senat mitgeteilt und in der Pressemitteilung vom 14. Mai 2013 veröffentlicht hat.
Allerdings ist auch eine zweite Interpretation möglich. Denn sprachlich und logisch erscheint der Inhalt des zweiten Feldes als Unterfall des ersten Feldes. Gemäß § 3a Abs. 2 AVMM stellt die Aushändigung geeigneten medizinischen Informationsmaterials und aktueller Gebrauchsinformation einen besonders genannten Teil der geforderten Sicherheitsmaßnahmen dar. Denn sprachlich bildet § 3a Abs. 2 AVMM eindeutig mit dem Schwangerschaftspräventionsprogramm und der Aushändigung von Informationsmaterialien zwei besonders genannte Unterfälle an Sicherheitsmaßnahmen, weil hinter dem Unterfall "erforderlichenfalls ein Schwangerschafts-Präventionsprogramm durchgeführt wird" kein Komma steht. Das anschließende "und" verbindet daher die beiden mit "dass" eingeleiteten Nebensätze gleichrangig. Da die Aushändigung von Informationsmaterial die Patienten auf die Risiken des Medikaments hinweist, ist auch vom Sinngehalt der Regelung her nicht anzunehmen, dass die Informationsmaterialien ein eigener Aspekt neben den Sicherheitsmaßnahmen sein sollen und es sich um ein Redaktionsversehen handelt. Zudem ordnen die Erläuterungen (S. 3 der Bekanntmachung vom 8. Dezember 2008) das Zurverfügungstellen der geeigneten Informationsmaterialien vor Behandlungsbeginn dem Schwangerschafts-Präventionsprogramm zu ("Zum Schwangerschafts-Präventionsprogramm gehört, dass ").
Da das erste Feld die Bestätigung ausdrückt, dass "alle Sicherheitsmaßnahmen" eingehalten wurden, dürfte es nicht angekreuzt werden, wenn die Informationsmaterialien nicht ausgehändigt wurden. Diese Folgerung wird auch dadurch bestätigt, dass das Formular nicht schlicht von "den Sicherheitsmaßnahmen" spricht wie § 3a Abs 2 AVMM, sondern von "allen Sicherheitsmaßnahmen".
Hiermit übereinstimmend verlangt die Bekanntmachung vom 8. Dezember 2008 in ihrem erläuternden Teil von Apotheken, dass sie thalidomid- und lenalidomidhaltige Arzneimittel nur abgeben dürfen, "wenn 1) die verschreibende ärztliche Person auf dem Sonderrezept ausdrücklich durch ordnungsgemäße Markierung des entsprechenden Feldes bestätigt hat, dass die gemäß der Zulassung des entsprechenden Fertigarzneimittels im Rahmen der Verschreibung und Anwendung zu treffenden Sicherheitsmaßnahmen eingehalten werden, 2) die verschreibende ärztliche Person auf dem Sonderrezept ausdrücklich durch Markierung eines der dafür vorgesehenen Felder angegeben hat, ob es sich bei der Verschreibung um eine Behandlung innerhalb oder außerhalb der jeweils zugelassenen Anwendungsgebiete handelt, [ ...]" Das streitgegenständliche zweite Feld wird bei den Anforderungen an Apotheken also nicht erwähnt.
All dies erlaubt die Interpretation, dass für den Apotheker eine ärztliche Verordnung, bei der das erste Feld über "alle Sicherheitsmaßnahmen" angekreuzt ist, den Anforderungen des § 3a Abs. 2 AVMM genügt, damit ordnungsgemäß ist und er das Medikament abgeben darf. Aus der Sicht des Apothekers kommt es also für ein ordnungsgemäßes Rezept nicht auf das Ankreuzen des zweiten Feldes an. Das zweite Feld hat bei dieser Interpretation nur gegenüber dem Arzt die Bedeutung einer Checkliste seiner ärztlichen Pflichten.
Die Existenz des zweiten Feldes lässt sich also auf zweierlei Weise interpretieren. Die Vorgaben für die Verwendung des Verordnungsvordrucks enthalten somit kein eindeutiges Abgabeverbot für Apotheken, wenn nur das Kreuz im zweiten Feld fehlt.
Für die streitige Arzneimittelabgabe im April 2009 lässt sich auch noch nicht eine etablierte, einheitliche Verwaltungspraxis der Arzneimittelbehörden, hier also des BfArM, annehmen, durch die diese Unklarheit beseitigt worden wäre. Ob die Pressemitteilung vom 14. Mai 2013, die ausdrücklich Apothekerinnen und Apotheker darauf hinweist, dass alle Kreuze, also jeweils drei, auf dem Rezept vorhanden sein müssen, den Anforderungen an eine solche Pflichtenbegründung genügt, kann dahingestellt bleiben. Denn sie erfolgte deutlich später. Im April 2009 wurde der neue Vordruck erst zwei Monate angewandt und die erste Übermittlung von den Apotheken an das BfArM war noch nicht erfolgt, da sie damals nur vierteljährlich vorgesehen war (§ 3a Abs. 7 AMVV in der damaligen Fassung). Daher kann zu diesem frühen Zeitpunkt eine aus der Verwaltungspraxis folgende Pflicht noch nicht bestanden haben.
Das Leistungserbringungsrecht des SGB V kann solche Spielräume und Unklarheiten, die das Arzneimittel- oder Apothekenrecht lässt, im Rahmen seiner eigenen Kompetenzen konkretisieren und festlegen. Dies muss allerdings rechtsstaatlichen Grundsätzen entsprechend geschehen. Die Arzneilieferungsverträge können daher präzisere und weitere Dokumentations- und Kontrollpflichten vorsehen. Wenn also konkret das Ankreuzen des zweiten Feldes über die Aushändigung des Informationsmaterials Voraussetzung für das Entstehen des Vergütungsanspruchs sein soll, müsste dies in diesen Verträgen normiert sein. Daran fehlt es aber. Weder der Rahmenvertrag noch der ALV sahen in der damaligen Fassung für T-Rezepte besondere Anforderungen vor.
Damit stand der Beklagten im streitigen Fall kein Retaxierungsrecht zu.
Dies wird auch nicht durch die Urteile in Frage gestellt, auf die sich die Beklagte beruft. Soweit in den dort entschiedenen Fällen gar keine Kreuze gesetzt wurden oder sowohl das In-Label-Feld als auch das Off-Label-Feld angekreuzt war, liegen bereits andere Sachverhalte vor. Das LSG Niedersachsen-Bremen lässt in seinem Urteil vom 30. März 2017 – L 1/17 KR 373/15 ausdrücklich offen, ob das Fehlen "nur einzelne[r] untergeordnete[r] Angaben" zum Abgabeverbot gemäß § 17 Abs. 5 S. 2 ApBetrO führt (Urteilsumbruch S. 10). Das SG Hannover (Urteil vom 29. Januar 2016 – S 86 KR 383/11, Berufung anhängig), hat in seiner Entscheidung zu fünf T-Rezepten, bei denen jeweils (nur) das Kreuz im zweiten Feld fehlte, ebenso wie der erkennende Senat angenommen, dass das Ankreuzen des zweiten Feldes keine notwendige Bedingung für ein ordnungsgemäß ausgestelltes Rezept darstellt. Das SG Trier (Urteil vom 19. Juli S 1 KR 15/12) hatte einen Sachverhalt zu beurteilen, bei dem das streitgegenständlich Rezept zwar für den Patienten die Fortsetzung einer bereits begonnenen Behandlung darstellte, aber von einem neuen Arzt vorgenommen wurde, so dass in diesem Fall an der vollständigen Durchführung aller Sicherheitsmaßnahmen durch diesen neuen Arzt Zweifel bestand, die die Apotheke hätte klären müssen. Im vom SG Detmold (Urteil vom 20. Februar 2015 – S 24 KR 307/14) entschiedenen Fall hatte der klagende Apotheker angegeben, dass er das Fehlen des zweiten Kreuzes übersehen habe, so dass das Gericht von einer unzureichenden Kontrolle des Apothekers ausging. Dass die Abgabe des Arzneimittels beim Fehlen des zweiten Kreuzes nie ordnungsgemäß erfolgt sein kann, lässt sich daraus nicht ableiten.
Die Klägerin ist mit ihren Einwendungen gegen die Retaxierung auch nicht ausgeschlossen. Die Dreimonatfrist für einen Einspruch gegen Taxdifferenzen gemäß § 17 Abs. 2 ALV hat die Klägerin gewahrt, als sie gegen die Beanstandung vom 29. Januar 2010 am 9. Februar 2010 Einspruch erhob. Nach Abschluss der Prüfung durch die Beklagte gelten für die Klägerin lediglich die allgemeinen Verjährungsfristen.
Der Zinsanspruch beruht auf § 69 Abs. 1 S. 3 SGB V i.V.m. § 286 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Revision wird nicht zugelassen, da die Gründe nach § 160 Abs. 2 SGG nicht gegeben sind. Die streitige Retaxierung betrifft lediglich einen Einzelfall in dem engen zeitlichen Rahmen unmittelbar nach Einführung eines speziellen neuen Verordnungsformulars.
Die Beklagte hat die Kosten beider Instanzen zu tragen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Parteien streiten um die Retaxierung eines sogenannten T-Rezepts.
Für die Abgabe lenalidomid-, pomadlidomid oder thalidomidhaltiger Arzneimittel sieht der mit Wirkung zum 9. Februar 2009 eingeführte § 3a Verordnung über die Verschreibungspflicht von Arzneimitteln– AMVV (i.d.F. vom 2. Dezember 2008) besondere Sicherheitsvorkehrungen vor, weil diese Wirkstoffe fruchtschädigend sein können. Nach § 3a Abs. 1 AMVV muss die Verschreibung von entsprechenden Arzneimitteln auf einem nummerierten zweiteiligen amtlichen Vordruck des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) erfolgen. Abs. 2 sieht vor, dass die Verschreibungen "die Bestätigung der ärztlichen Person [enthält], dass die Sicherheitsmaßnahmen gemäß der aktuellen Fachinformation des entsprechenden Fertigarzneimittels eingehalten werden, insbesondere, dass erforderlichenfalls ein Schwangerschafts-Präventionsprogramm durchgeführt wird und dass der Patientin oder dem Patienten vor Beginn der medikamentösen Behandlung geeignete medizinische Informationsmaterialien und die aktuelle Gebrauchsinformation des entsprechenden Fertigarzneimittels ausgehändigt wurden. Ferner muss auf der Verschreibung vermerkt sein, ob eine Behandlung innerhalb oder außerhalb der jeweils zugelassenen Anwendungsgebiete erfolgt." Abs. 6 sieht vor, dass das BfArM ein Muster des Vordrucks (sog. T-Rezept) öffentlich bekannt macht. Gemäß Abs. 5 müssen ärztliche Personen diese Vordrucke beim BfArM anfordern. Nach Abs. 7 in seiner ursprünglichen Fassung übermitteln Apotheken dem BfArM vierteljährlich (seit 1. Januar 2015: wöchentlich) die Durchschriften der Vordrucke, die bei ihnen eingereicht wurden.
Am 8. Dezember 2008 erließ das BfArM eine Bekanntmachung zu lenalidomid- und thalidomidhaltigen Arzneimitteln, die die Anforderungen an die Verschreibung und Abgabe entsprechender Medikamente mit Wirkung ab dem 8. Februar 2009 beschrieb. Die Bekanntmachung enthielt auch das Muster, das seitdem – soweit hier von Belang unverändert – als Vordruck für T-Rezepte zu verwenden ist. Der Vordruck enthält zur Umsetzung des Abs. 2 vier ankreuzbare Felder. Neben dem ersten Feld lautet der Text: "Alle Sicherheitsbestimmungen gemäß der Fachinformation entsprechender Fertigarzneimittel werden eingehalten". Neben dem zweiten Feld steht: "Dem/der Patient(in) wurde vor Beginn der Behandlung medizinisches Informationsmaterial entsprechend den Anforderungen der Fachinformation entsprechender Fertigarzneimittel sowie die aktuelle Gebrauchsinformation des entsprechenden Fertigarzneimittels ausgehändigt". Neben dem dritten Feld heißt es: "Behandlung erfolgt innerhalb der zugelassenen Anwendungsgebiete (In-Label)", und neben dem vierten Feld: "Behandlung erfolgt außerhalb der zugelassenen Anwendungsgebiete (Off-Label)" (Hervorh. Im Original). Auf S. 3 der Bekanntmachung wird erläutert, dass Apotheken thalidomid- und lenalidomidhaltige Arzneimittel nur angeben dürfen, wenn "1) die verschreibende ärztliche Person auf dem Sonderrezept ausdrücklich durch ordnungsgemäße Markierung des entsprechenden Feldes bestätigt hat, dass die gemäß der Zulassung des entsprechenden Fertigarzneimittels im Rahmen der Verschreibung und Anwendung zu treffenden Sicherheitsmaßnahmen eingehalten werden, 2) die verschreibende ärztliche Person auf dem Sonderrezept ausdrücklich durch Markierung eines der dafür vorgesehenen Felder angegeben hat, ob es sich bei der Verschreibung um eine Behandlung innerhalb oder außerhalb der jeweils zugelassenen Anwendungsgebiete handelt, 3) die Höchstmenge der verordneten lenalidomid- und thalidomidhaltigen Arzneimittel den Bedarf für vier Wochen für Frauen im gebärfähigen Alter, und ansonsten den Bedarf für zwölf Wochen nicht übersteigt, und 4) die Verschreibung von Lenalidomid bzw. Thalidomid auf dem Sonderrezept (Datum der Ausstellung) nicht älter als 6 Tage ist."
Die Klägerin hatte im April 2009 das thalidomidhaltige Arzneimittel Revlimid an einen bei der Beklagten versicherten Kunden abgegeben. Grundlage hierfür war ein sogenanntes T-Rezept vom 9. April 2009, das der verordnende Arzt im ersten und im vierten der oben beschriebenen Felder angekreuzt hatte. Das zweite Feld war leer. Bereits zuvor hatte die Klägerin an den gleichen Kunden dasselbe Medikament auf Grundlage eines T-Rezepts vom 17. Februar 2009 abgegeben, auf dem der gleiche behandelnde Arzt das erste, zweite und vierte Feld angekreuzt hatte.
Die Beklagte beanstandete mit Schreiben vom 29. Januar 2010 die erfolgte Abrechnung für das Medikament, das auf das T-Rezept vom 9. April 2009 abgegeben wurde, weil sie davon ausging, dass das T-Rezept ohne das Kreuz im zweiten Feld nicht ordnungsgemäß ausgefüllt sei. Sie war der Auffassung, dass der Arzt oder die Ärztin auch bei jedem Folgerezept ankreuzen muss, dass dem Patienten vor der Behandlung die erforderlichen Informationsmaterialien ausgehändigt wurden. Da das Rezept bei jeder Apotheke vorgelegt werden kann, sei sonst nicht sichergestellt, dass das Medikament nur abgegeben wird, wenn der Apotheker sich darüber vergewissern konnte, dass der Patient vor Behandlungsbeginn die Informationsmaterialien erhalten hat.
Die Klägerin hiet hingegen die Abgabe des Medikaments auf Vorlage des T-Rezepts vom 9. April 2009 auch ohne das Kreuz im zweiten Feld für rechtmäßig. Sie führte an, dass sie den Kunden entsprechend in ihren Unterlagen registriert hatte und durch die vorangehende Abgabe des gleichen Medikaments wusste, dass er die Informationsmaterialien vor Behandlungsbeginn erhalten hatte.
Ihr Einspruch vom 9. Februar 2010 gegen die Beanstandung auch unter Einschaltung des Hessischen Apothekerverbandes blieb erfolglos.
Daher rechnete die Beklagte – soweit hier streitgegenständlich – die Kosten für das Medikament aufgrund des T-Rezepts vom 9. April 2009 in Höhe von 13.017,88 EUR gegen die Arzneimittelrechnung für Juli 2010 auf und beglich diese nur in entsprechend reduziertem Umfang.
Mit Klage vom 27. September 2012 machte die Klägerin ihren Vergütungsanspruch in dieser Höhe von 13.017,88 EUR nebst Zinsen geltend. Das Sozialgericht Frankfurt gab der Klage mit Urteil vom 27. Januar 2017 statt. Es sah die Voraussetzungen eines öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs im Rahmen der Retaxierung für das T-Rezept vom 9. April 2009 nicht als gegeben an. Da der Sicherheitszweck des § 3a AMVV nicht gefährdet gewesen sei, sei die Retaxierung hier unverhältnismäßig. Außerdem könne das Ankreuzen des zweiten Formularfeldes als redundant angesehen werden, weil der Arzt bereits mit dem ersten Kreuz bestätige, alle Sicherheitsbestimmungen eingehalten zu haben. Die Aushändigung von Informationsmaterialien stelle nur einen Unterpunkt dieser Sicherheitsbestimmungen dar.
Gegen das am 26. Juni 2017 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 20. Juli 2017 Berufung eingelegt. Sie hält weiterhin an ihrer Auffassung fest, dass das fehlende Kreuz im zweiten Feld des Formulars zu einer nicht ordnungsgemäßen Verordnung führe und deshalb der Vergütungsanspruch der Klägerin nicht entstanden sei. Sie verweist auf weitere Urteile, namentlich des SG Lübeck vom 29. Juni 2012 – S 1 KR 785/10, des SG Trier vom 19. Juli 2012, S. 1 KR 15/12, des SG Dortmund vom 20. November 2012 S 40 KR 87/11, des SG Detmold vom 20. Februar 2015 – S 24 KR 307/14, des SG Berlin vom 21. Juni 2016 – S 182 KR 552/14 und des LSG Niedersachsen-Bremen vom 28 Januar 2017 – L 4 KR 104/15 (vorausgehend SG Hannover – S 11 KR 502/11) sowie vom 30. März 2017 – L 1/16 KR 373/15 (vorausgehend SG Braunschweig S 6 KR 428/12). Außerdem sei noch die Berufung gegen das Urteil des SG Hannover vom 29. Januar 2016 – S 86 KR 383/11 beim LSG Niedersachsen-Bremen unter dem Aktenzeichen L 4 KR 158/16 anhängig. In diesen Verfahren, die jeweils T-Rezepte betrafen und in denen die Beklagte Partei war, hätten die Gerichte, soweit die Entscheidungen rechtskräftig seien, die Retaxierung der Beklagten für rechtmäßig angesehen. Teilweise fehlten Kreuze in den entsprechenden Feldern des Verordnungsformulars ganz, teilweise waren sie sachlich falsch gesetzt (die Alternativen in-label und off-label waren beide angekreuzt). In einigen Verfahren fehlte – wie im streitgegenständlichen Fall – das Kreuz im zweiten Feld, während im ersten Feld und im dritten oder vierten Feld jeweils ein Kreuz gesetzt war.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 27. Januar 2017 aufzuheben und die Klage abzuweisen,
hilfsweise,
die Revision zuzulassen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält ihrerseits an ihrer bisherigen Rechtsaufassung fest, insbesondere daran, dass die Betrachtung des Einzelfalls dazu führe, dass die Retaxierung nicht erfolgen dürfe.
Auf Nachfrage des Senats, wie mit Rezepten verfahren werde, bei denen das zweite Feld nicht angekreuzt wurde, hat das BfArM auf seine am 14. Mai 2013 veröffentlichte Pressemitteilung mit dem Titel "Rezepte für Lenalidomid- und Thalidomidhaltige Arzneimittel ("T-Rezepte"): Verstöße gegen Formvorschriften können strafbar sein" verwiesen. Darin heißt es: "( ...) Apothekerinnen und Apotheker haben dabei eine besondere Verantwortung: sie dürfen verschreibungspflichtige Medikamente nur dann abgeben, wenn das Rezept ordnungsgemäß ausgefüllt ist. Bei T-Rezepten sind einige Besonderheiten zu beachten. Ärztinnen und Ärzte müssen auf jedem T-Rezept explizit ankreuzen, dass sie die Sicherheitsbestimmungen eingehalten und den Patientinnen und Patienten entsprechendes Informationsmaterial ausgehändigt haben. Dies gilt auch für Folge-Verordnungen. In der Apotheke muss dies dann überprüft werden. Fehlt auch nur ein Kreuz auf dem T-Rezept, darf das Arzneimittel nicht abgegeben werden. ( ...)"
Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte Bezug genommen. Sie ist Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist unbegründet.
Der Vergütungsanspruch der Klägerin für den Monat Juli 2010 bestand im vollen Umfang. Dieser Anspruch ist nicht durch Aufrechnung der Beklagten mit einem öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch in Höhe von 13.017,88 EUR erloschen. Denn ein solcher Anspruch bestand nicht. Die Beklagte war nicht berechtigt, die ursprüngliche Zahlung für das Medikament Revlimid aufgrund der Verordnung vom 9. April 2009 zu retaxieren.
Durch die Abgabe des Medikaments Revlimid an den bei der Beklagten versicherten Kunden, für den die streitige Verordnung vom 9. April 2009 ausgestellt worden war, ist der Klägerin ein Vergütungsanspruch gemäß § 129 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch – SGB V (i.d.F. vom 26. März 2007) in Verbindung mit dem Rahmenvertrag über die Arzneimittelversorgung nach § 129 Abs. 2 SGB V in der Fassung vom 17. Januar 2008 zwischen den Spitzenverbänden der Krankenkassen und dem Deutschen Apothekerverband e.V. (im Folgenden Rahmenvertrag) sowie dem Arzneilieferungsvertrag in der Fassung vom 21. August 2008 zwischen dem Verband der Angestellten-Krankenkassen e.V. und dem Deutschen Apothekerverband e.V. (im folgenden ALV) entstanden (vgl. st. Rspr. BSG, Urteil vom 6. März 2012 – B 1 KR 14/11 R, Urteil vom 8. Juli 2015 – B 3 KR 17/14 R).
Entgegen der Auffassung der Klägerin kommt es hierfür aber nicht darauf an, ob die Abgabe des Arzneimittels medizinisch-pharmakologisch berechtigt war. Schon sachlich verfehlt ist die Annahme, im konkreten Fall habe kein besonderes Risiko bestanden, weil der Empfänger des Arzneimittels männlich war. Die Schwangerschaftsprävention im Zusammenhang mit lenalidomid- und thalidomidhaltigen Arzneimitteln betrifft auch Männer, da sie Partner von gebährfähigen Frauen sein könnten. Ebenso ist es auch unerheblich, ob die Klägerin subjektiv Kenntnis davon hatte, ob der Empfänger des Arzneimittels die erforderlichen Informationsmaterialien vor Behandlungsbeginn erhalten hatte. Die Anforderung, die hier streitig ist, besteht darin, dass eine ordnungsgemäße Verordnung zum Zeitpunkt der Abgabe vorlag. Dies ist ein formales Kriterium, das nicht durch materielle Erwägungen der abgebenden Apotheke überspielt werden kann.
Die Verordnung, auf der die Abgabe beruhte, ist jedoch als ordnungsgemäß gültig i.S.d. § 3 Rahmenvertrag bzw. ordnungsgemäß i.S.d. § 4 ALV zu qualifizieren.
Welche Anforderungen an eine ordnungsgemäße Verordnung zu stellen sind, kann das Leistungserbringungsrecht des SGB V einerseits selbst normieren. Andererseits kann das Leistungserbringungsrecht auch an arzneimittelrechtliche und apothekenrechtliche Pflichten anknüpfen. Für die Arzneimittelvergütung ist dies mit § 129 SGB V i.V.m den genannten Arzneilieferungsverträgen der Fall. § 3 Abs. 1 S. 1 Rahmenvertrag verlangt auf Seiten des Apothekers die Annahme einer ordnungsgemäßen gültigen vertragsärztlichen Verordnung. Zudem verlangt § 17 Abs. 2 S. 2 Apothekenbetriebsordnung – ApBetrO, dass Arzneimittel nicht abgegeben werden dürfen, wenn sich bei der Verschreibung Bedenken ergeben. Der Apotheker ist also auch berufsrechtlich dazu verpflichtet, darauf zu achten, dass ärztliche Verordnungen ordnungsgemäß sind. Daher entsteht kein Vergütungsanspruch, wenn die geltenden Vorschriften, auch diejenigen über die Verwendung der amtlichen Vordrucke, nicht eingehalten werden (vgl. Schneider, in: Schlegel/Voelzke (Hrsg.), jurisPK-SGB V, 3. Aufl. 2016, § 129 Rn. 35; Axer, in: Becker/Kingreen (Hrsg.), SGB V Kommentar, 6. Aufl. 2018, § 129 Rn. 15 f.).
Für sogenannte T-Rezepte verlangt § 3a Abs. 2 AMVV i.d.F. vom 2. Dezember 2008 unter anderem, dass "die Bestätigung der ärztlichen Personen enthalten [ist], dass die Sicherheitsmaßnahmen gemäß der aktuellen Fachinformation des entsprechenden Fertigarzneimittels eingehalten werden, insbesondere, dass erforderlichenfalls ein Schwangerschafts-Präventionsprogramm durchgeführt wird und dass der Patientin oder dem Patienten vor Beginn der medikamentösen Behandlung geeignete medizinische Informationsmaterialien und die aktuelle Gebrauchsinformation des entsprechenden Fertigarzneimittels ausgehändigt wurden."
Diese Verordnungsvorgabe wurde in der Bekanntmachung des BfArM vom 8. Dezember 2008 in nicht eindeutiger Weise konkretisiert.
Die Bekanntmachung enthält zunächst das Muster des zu verwendenden Vordrucks mit vier Feldern zum Ankreuzen. Dabei dient das erste Feld zur Bestätigung, dass "alle Sicherheitsbestimmungen gemäß der Fachinformation entsprechender Fertigarzneimittel [ ...] eingehalten [werden]". Ein zweites Feld verlangt die Bestätigung, dass "dem/der Patient(in) [ ...] vor Beginn der Behandlung medizinisches Informationsmaterial entsprechend den Anforderungen der Fachinformation entsprechender Fertigarzneimittel sowie die aktuelle Gebrauchsinformation des entsprechenden Fertigarzneimittels ausgehändigt [wurde]".
Eindeutig ist noch, dass das zweite Feld, das die Bestätigung der Aushändigung von Informationsmaterialien enthält, nur verlangt, dass diese Materialen einmal vor Behandlungsbeginn ausgehändigt wurden. Bei einem Folgerezept ist also keine erneute Aushändigung erforderlich. Nicht mehr eindeutig ist hingegen, ob auch bei Folgerezepten die Bestätigung, die sich dann auf eine in der Vergangenheit liegende, frühere Aushändigung bezieht, erforderlich ist.
In einer ersten Betrachtung erscheint es naheliegend, dass beide Felder angekreuzt werden müssen. Hierfür spricht zunächst, dass beide Felder existieren und sich nicht logisch ausschließen. Der Text neben Feld 1 ist im Präsens formuliert, der Text neben Feld 2 im Präteritum. Daher ist es möglich, bei Folgerezepten immer wieder neu zu bestätigen, dass die Informationen ursprünglich ausgehändigt wurden. Der Zweck einer solchen wiederholenden Bestätigung könnte dann darin liegen, dass die Apotheke prüfen und sicherstellen kann, dass das Medikament nicht ohne vom Arzt ausgehändigte Informationsmaterialien in Umlauf gerät. Da sich aus dem Rezept selbst nicht ergibt, ob es sich um das erste oder ein Folgerezept handelt und der Versicherte jedes Rezept in einer anderen Apotheke einlösen kann, wäre die Gefahr verhindert, dass ein Apotheker irrtümlich glaubt, es handele sich um ein Folgerezept, obwohl es sich tatsächlich um ein Erstrezept handelt, bei dem der Arzt die Informationsmaterialien nicht ausgehändigt hat. Diese Deutung entspricht auch der Auffassung des BfArM, die es dem Senat mitgeteilt und in der Pressemitteilung vom 14. Mai 2013 veröffentlicht hat.
Allerdings ist auch eine zweite Interpretation möglich. Denn sprachlich und logisch erscheint der Inhalt des zweiten Feldes als Unterfall des ersten Feldes. Gemäß § 3a Abs. 2 AVMM stellt die Aushändigung geeigneten medizinischen Informationsmaterials und aktueller Gebrauchsinformation einen besonders genannten Teil der geforderten Sicherheitsmaßnahmen dar. Denn sprachlich bildet § 3a Abs. 2 AVMM eindeutig mit dem Schwangerschaftspräventionsprogramm und der Aushändigung von Informationsmaterialien zwei besonders genannte Unterfälle an Sicherheitsmaßnahmen, weil hinter dem Unterfall "erforderlichenfalls ein Schwangerschafts-Präventionsprogramm durchgeführt wird" kein Komma steht. Das anschließende "und" verbindet daher die beiden mit "dass" eingeleiteten Nebensätze gleichrangig. Da die Aushändigung von Informationsmaterial die Patienten auf die Risiken des Medikaments hinweist, ist auch vom Sinngehalt der Regelung her nicht anzunehmen, dass die Informationsmaterialien ein eigener Aspekt neben den Sicherheitsmaßnahmen sein sollen und es sich um ein Redaktionsversehen handelt. Zudem ordnen die Erläuterungen (S. 3 der Bekanntmachung vom 8. Dezember 2008) das Zurverfügungstellen der geeigneten Informationsmaterialien vor Behandlungsbeginn dem Schwangerschafts-Präventionsprogramm zu ("Zum Schwangerschafts-Präventionsprogramm gehört, dass ").
Da das erste Feld die Bestätigung ausdrückt, dass "alle Sicherheitsmaßnahmen" eingehalten wurden, dürfte es nicht angekreuzt werden, wenn die Informationsmaterialien nicht ausgehändigt wurden. Diese Folgerung wird auch dadurch bestätigt, dass das Formular nicht schlicht von "den Sicherheitsmaßnahmen" spricht wie § 3a Abs 2 AVMM, sondern von "allen Sicherheitsmaßnahmen".
Hiermit übereinstimmend verlangt die Bekanntmachung vom 8. Dezember 2008 in ihrem erläuternden Teil von Apotheken, dass sie thalidomid- und lenalidomidhaltige Arzneimittel nur abgeben dürfen, "wenn 1) die verschreibende ärztliche Person auf dem Sonderrezept ausdrücklich durch ordnungsgemäße Markierung des entsprechenden Feldes bestätigt hat, dass die gemäß der Zulassung des entsprechenden Fertigarzneimittels im Rahmen der Verschreibung und Anwendung zu treffenden Sicherheitsmaßnahmen eingehalten werden, 2) die verschreibende ärztliche Person auf dem Sonderrezept ausdrücklich durch Markierung eines der dafür vorgesehenen Felder angegeben hat, ob es sich bei der Verschreibung um eine Behandlung innerhalb oder außerhalb der jeweils zugelassenen Anwendungsgebiete handelt, [ ...]" Das streitgegenständliche zweite Feld wird bei den Anforderungen an Apotheken also nicht erwähnt.
All dies erlaubt die Interpretation, dass für den Apotheker eine ärztliche Verordnung, bei der das erste Feld über "alle Sicherheitsmaßnahmen" angekreuzt ist, den Anforderungen des § 3a Abs. 2 AVMM genügt, damit ordnungsgemäß ist und er das Medikament abgeben darf. Aus der Sicht des Apothekers kommt es also für ein ordnungsgemäßes Rezept nicht auf das Ankreuzen des zweiten Feldes an. Das zweite Feld hat bei dieser Interpretation nur gegenüber dem Arzt die Bedeutung einer Checkliste seiner ärztlichen Pflichten.
Die Existenz des zweiten Feldes lässt sich also auf zweierlei Weise interpretieren. Die Vorgaben für die Verwendung des Verordnungsvordrucks enthalten somit kein eindeutiges Abgabeverbot für Apotheken, wenn nur das Kreuz im zweiten Feld fehlt.
Für die streitige Arzneimittelabgabe im April 2009 lässt sich auch noch nicht eine etablierte, einheitliche Verwaltungspraxis der Arzneimittelbehörden, hier also des BfArM, annehmen, durch die diese Unklarheit beseitigt worden wäre. Ob die Pressemitteilung vom 14. Mai 2013, die ausdrücklich Apothekerinnen und Apotheker darauf hinweist, dass alle Kreuze, also jeweils drei, auf dem Rezept vorhanden sein müssen, den Anforderungen an eine solche Pflichtenbegründung genügt, kann dahingestellt bleiben. Denn sie erfolgte deutlich später. Im April 2009 wurde der neue Vordruck erst zwei Monate angewandt und die erste Übermittlung von den Apotheken an das BfArM war noch nicht erfolgt, da sie damals nur vierteljährlich vorgesehen war (§ 3a Abs. 7 AMVV in der damaligen Fassung). Daher kann zu diesem frühen Zeitpunkt eine aus der Verwaltungspraxis folgende Pflicht noch nicht bestanden haben.
Das Leistungserbringungsrecht des SGB V kann solche Spielräume und Unklarheiten, die das Arzneimittel- oder Apothekenrecht lässt, im Rahmen seiner eigenen Kompetenzen konkretisieren und festlegen. Dies muss allerdings rechtsstaatlichen Grundsätzen entsprechend geschehen. Die Arzneilieferungsverträge können daher präzisere und weitere Dokumentations- und Kontrollpflichten vorsehen. Wenn also konkret das Ankreuzen des zweiten Feldes über die Aushändigung des Informationsmaterials Voraussetzung für das Entstehen des Vergütungsanspruchs sein soll, müsste dies in diesen Verträgen normiert sein. Daran fehlt es aber. Weder der Rahmenvertrag noch der ALV sahen in der damaligen Fassung für T-Rezepte besondere Anforderungen vor.
Damit stand der Beklagten im streitigen Fall kein Retaxierungsrecht zu.
Dies wird auch nicht durch die Urteile in Frage gestellt, auf die sich die Beklagte beruft. Soweit in den dort entschiedenen Fällen gar keine Kreuze gesetzt wurden oder sowohl das In-Label-Feld als auch das Off-Label-Feld angekreuzt war, liegen bereits andere Sachverhalte vor. Das LSG Niedersachsen-Bremen lässt in seinem Urteil vom 30. März 2017 – L 1/17 KR 373/15 ausdrücklich offen, ob das Fehlen "nur einzelne[r] untergeordnete[r] Angaben" zum Abgabeverbot gemäß § 17 Abs. 5 S. 2 ApBetrO führt (Urteilsumbruch S. 10). Das SG Hannover (Urteil vom 29. Januar 2016 – S 86 KR 383/11, Berufung anhängig), hat in seiner Entscheidung zu fünf T-Rezepten, bei denen jeweils (nur) das Kreuz im zweiten Feld fehlte, ebenso wie der erkennende Senat angenommen, dass das Ankreuzen des zweiten Feldes keine notwendige Bedingung für ein ordnungsgemäß ausgestelltes Rezept darstellt. Das SG Trier (Urteil vom 19. Juli S 1 KR 15/12) hatte einen Sachverhalt zu beurteilen, bei dem das streitgegenständlich Rezept zwar für den Patienten die Fortsetzung einer bereits begonnenen Behandlung darstellte, aber von einem neuen Arzt vorgenommen wurde, so dass in diesem Fall an der vollständigen Durchführung aller Sicherheitsmaßnahmen durch diesen neuen Arzt Zweifel bestand, die die Apotheke hätte klären müssen. Im vom SG Detmold (Urteil vom 20. Februar 2015 – S 24 KR 307/14) entschiedenen Fall hatte der klagende Apotheker angegeben, dass er das Fehlen des zweiten Kreuzes übersehen habe, so dass das Gericht von einer unzureichenden Kontrolle des Apothekers ausging. Dass die Abgabe des Arzneimittels beim Fehlen des zweiten Kreuzes nie ordnungsgemäß erfolgt sein kann, lässt sich daraus nicht ableiten.
Die Klägerin ist mit ihren Einwendungen gegen die Retaxierung auch nicht ausgeschlossen. Die Dreimonatfrist für einen Einspruch gegen Taxdifferenzen gemäß § 17 Abs. 2 ALV hat die Klägerin gewahrt, als sie gegen die Beanstandung vom 29. Januar 2010 am 9. Februar 2010 Einspruch erhob. Nach Abschluss der Prüfung durch die Beklagte gelten für die Klägerin lediglich die allgemeinen Verjährungsfristen.
Der Zinsanspruch beruht auf § 69 Abs. 1 S. 3 SGB V i.V.m. § 286 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Revision wird nicht zugelassen, da die Gründe nach § 160 Abs. 2 SGG nicht gegeben sind. Die streitige Retaxierung betrifft lediglich einen Einzelfall in dem engen zeitlichen Rahmen unmittelbar nach Einführung eines speziellen neuen Verordnungsformulars.
Rechtskraft
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