Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 13 U 3644/16
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 1 U 1354/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 10.03.2017 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens nach § 44 SGB X über die Anerkennung einer chronischen lymphatischen Leukämie und/oder einer mesenterialen Fibromatose als Berufskrankheit nach Nummer 1318 der Berufskrankheiten-Liste (Erkrankungen des Blutes, des blutbildenden und des lympathischen Systems durch Benzol) bzw. als eine Wie-Berufskrankheit.
Der 1967 geborene Kläger war von August 1996 bis zum Eintritt von Arbeitsunfähigkeit im Mai 2013 bei der R. GmbH im Bereich der Metallveredelung als Galvaniseurgehilfe tätig. Er erkrankte an einer chronischen lymphatischen Leukämie und einer mesenterialen Fibromatose (gutartige Bindegewebswucherung). Hiervon erfuhr die Beklagte durch ärztliche Anzeige des Internisten Dr. K. am 19.06.2013.
In einem persönlichen Gespräch mit dem Kläger am 15.07.2013 konnte dieser keine Angaben zum Umgang mit Stoffen (insbesondere Benzol) machen, die geeignet sind, die Erkrankung zu verursachen. Ein Umgang habe jedoch mit Chrom VI (Galvanikbetrieb) bestanden. Die Beklagte führte sodann arbeitstechnische Ermittlungen am früheren Arbeitsplatz des Klägers durch. Vom technischen Dienst der Beklagten wurde in einer Stellungnahme vom 19.08.2013 zusammenfassend festgehalten, dass ein Benzolkontakt des Klägers im Rahmen seiner Tätigkeit bei der Firma R. nicht erkennbar sei. Wegen der Details wird auf Bl. 51 ff der Verwaltungsakte verwiesen.
Auf Anfrage der Beklagten teilte der Spitzenverband der gewerblichen Berufsgenossenschaften am 22.08.2013 mit, neue gesicherte Erkenntnisse, dass eine bestimmte Personengruppe auf Grund der besonderen arbeitsbedingten Einwirkung durch Chlorwasserstoff, Salzsäure, Schwefelsäure und ihre Salze (Sulfate), Cyanide und Chromate bei der beruflichen Tätigkeit in erheblich höherem Maße als die übrige Bevölkerung an mesenterialer Fibromatose und chronisch lymphatischer Leukämie leide, seien nicht bekannt. Eine Befassung des ärztlichen Sachverständigenbeirats "Berufskrankheiten" sei nicht bekannt.
Mit Bescheid vom 19.09.2013 lehnte die Beklagte die Anerkennung der Erkrankungen als Berufskrankheit nach Ziffer 1318 der Anl. 1 zur BKV (BK 1318) und als Wie-BK ab. Zur Begründung führte sie aus, im Rahmen der Tätigkeit seien keine organischen Lösungsmittel eingesetzt worden und ein Kontakt zu Benzol habe nicht festgestellt werden können. Die Anerkennung einer Wie-BK sei nicht möglich, weil sich keine neuen gesicherten medizinischen Erkenntnisse ergeben hätten, dass bestimmte Personengruppen, die gegenüber bestimmten Arbeitsstoffen exponiert wären, in einem erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung an einer chronischen lymphatischen Leukämie oder einer mesenterialen Fibromatose erkranken. Diese Entscheidung wurde vom Kläger zunächst nicht mit Rechtsmitteln angegriffen und wurde daher bestandskräftig.
Erst im Mai 2016 legte der Kläger Widerspruch gegen den Bescheid vom 19.09.2013 ein und teilte auf Nachfrage der Beklagten zudem mit, er stelle gleichzeitig einen Überprüfungsantrag. Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 23.06.2016 als unzulässig zurück. Mit Bescheid vom 03.08.2016 lehnte die Beklagte zudem den Überprüfungsantrag ab. Zur Begründung führte sie aus, der Kläger habe keinerlei neue Tatsachen oder Beweismittel vorgelegt, so dass es keinen Anhaltspunkt dafür gebe, dass bei der Erteilung des Bescheides vom 19.09.2013 von einem unzutreffenden Sachverhalt ausgegangen worden sei.
Hiergegen erhob der Kläger am 31.08.2013 Widerspruch, den er damit begründete, er stehe in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis bei der Firma R. GmbH, die mit hochtoxischen Materialien arbeite. Er habe zwei Krebserkrankungen und sei völlig fertig. Der Bescheid vom 19.09.2013 sei nicht ausreichend begründet worden, da keine Bearbeitung bzw. Stellungnahme durch einen "Gewerbearzt" stattgefunden habe, zumindest liege aber ein Ermessenfehler vor.
Mit Widerspruchsbescheid vom 23.11.2106 wies die Beklagte diesen Widerspruch als unbegründet zurück.
Der Kläger hat hieraufhin am 05.12.2016 Klage vor dem Sozialgericht Mannheim (SG) erhoben.
Das SG hat Beweis erhoben durch Einholung einer sachverständigen Zeugenaussage des Internisten Dr. K. und hat sodann ein arbeitsmedizinisches Gutachten nach Aktenlage bei Prof. Dr. med. Dipl.-Chem. T. eingeholt. In seinem Gutachten vom 31.01.2017 hat dieser ausgeführt, es bestünden keine Anhaltspunkte für einen Kontakt des Klägers mit Benzol am Arbeitsplatz, weil für die Prozesse des Galvanisierens bzw. des Verzinkens ausschließlich wässrige Lösungsmittel und keine organischen Lösungsmittel eingesetzt würden. Die Feststellungen des technischen Aufsichtsdienstes seien daher nicht zu beanstanden. Neue wissenschaftliche Erkenntnisse zur Verursachung einer chronischen lymphatischen Leukämie oder einer mesenterialen Fibromatose durch konkret genannte und in der Metallveredelung eingesetzte Arbeitsstoffe lägen nicht vor. Neue Erkenntnisse sprächen dafür, dass eine chronische lymphatische Leukämie durch 1,3- Butadien verursacht werden könne. Eine berufliche Belastung des Klägers mit diesem Stoff sei allerdings auszuschließen. Verschiedene Stoffe, mit denen der Kläger Kontakt gehabt haben könnte, wären anderen Berufskrankheiten zuzuordnen, ohne dass der Kläger unter den dort genannten Krankheiten leiden würde. Hinsichtlich einer denkbaren Belastung mit Chrom(VI-)Verbindungen seien keine Erkenntnisse zu einem Zusammenhang zwischen diesen und einer chronischen lymphatischen Leukämie oder einer Fibromatose vorhanden.
Der Kläger hat zu dem Gutachten Stellung genommen und mitgeteilt, dass er am Arbeitsplatz Kontakt zu weiteren giftigen Stoffen ("praktisch auf jedem Kanister stand hochgiftig drauf") gehabt habe und die Behandlung des Vorgangs ausschließlich als BK 1318 daher nicht mehr vertretbar sei. Es müssten noch andere Berufskrankheiten berücksichtigt werden. Die Bedingungen am Arbeitsplatz seien außerordentlich schlecht gewesen. Mehrere Kollegen seien an Leukämie erkrankt.
Das SG hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 10.03.2017 abgewiesen. Zur Begründung hat das SG ausgeführt, soweit der Kläger meine, dass weitere BKs als die BK 1318 zu prüfen seien, sei die Klage mangels durchgeführtem Vorverfahren unzulässig. Im Übrigen sei die Klage zulässig aber unbegründet. Die Erkrankungen des Klägers seien weder als BK 1318 noch als Wie-BK anzuerkennen.
Hiergegen hat der Kläger am 06.04.2017 Berufung eingelegt. Zur Begründung der Berufung hat der Kläger u.a. einen von seinem Prozessbevollmächtigten gefertigten Aktenvermerk vom 21.02.2017 über ein Gespräch mit dem Kläger vorgelegt. Hierin heißt es u.a.: "Auf Benzol und Toluol angesprochen sagt Herr D., er wisse nicht was Toluol ist. Er kann aber versichern, dass alle Chemikalien der Welt dort bei der Galvanisierung benutzt worden sind. Er geht deshalb davon aus, dass dies auch für Benzol und Toluol gilt." Wegen der Details wird auf Bl. 13 ff der Senatsakte verwiesen.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 10.03.2017 sowie den Bescheid der Beklagten vom 03.08.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.11.2016 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, beim Kläger unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides vom 19.09.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.06.2016 eine chronisch lymphatische Leukämie und Fibromatose als BK oder Wie-BK festzustellen und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger "entsprechende Leistungen" nach der BKV und dem SGB VII zu gewähren.
Hilfsweise, die Sache an das Sozialgericht zurückzuverweisen oder die Revision zuzulassen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
Sie erachtet das erstinstanzliche Urteil für zutreffend und hält im Übrigen an ihrer Entscheidung fest.
Der Senat hat sachverständige Zeugenaussagen bei Dr. G. und Dr. S. eingeholt und sodann auf Antrag des Klägers gemäß § 109 SGG den Oberarzt der Uniklinik K. (Klinik I für Innere Medizin) Prof. Dr. W. mit der Erstellung eines fachinternistisch-hämatoonkologischen Gutachtens beauftragt. In seinem Gutachten vom 09.07.2018 hat Prof. Dr. W. folgende Diagnosen gestellt: 1. Chronisch lymphatische Leukämie (CLL) aktuell unter Ibrutinib in Remission. 2. Desmoid (aggressive Fibromatose), seit 2015 rezidivfrei. 3. Chronische Krankheiten der Gaumenmandel und der Rachenmandel. 4. Anpassungsstörung, aktuell gute Stimmungslage. 5. Rezidivierende Pneumonien, seit ca. 2 Jahren nicht mehr. Mit Bezug auf die zu prüfende BK 1318 ergebe sich keine Änderungen der bisherigen Einschätzung der Vorgutachten. Der Kläger habe eine CLL, aber keine nachweisbare Benzol- oder Toluolexposition durch die Arbeit (Feststellung des Präventionsdienstes in der Stellungnahme vom 19.08.2013). Die Aussage des Klägers im Aktenvermerk vom 21.02.2017, er gehe davon aus, dass auch Benzol und Toluol eingesetzt worden seien, lasse sich aufgrund der vorliegenden Daten nicht bestätigen. Zu den Voraussetzungen einer "Wie-BK" hat der Gutachter u.a. ausgeführt, in der rein epidemiologischen Sichtweise lägen bei beiden Erkrankungen keine neuen Hinweise vor, die die Entstehung mit einer spezifischen Einwirkung assoziieren könnten. Die Krux an epidemiologischen Erhebungen sei aber, dass sie historisch keinen Wert auf die Ätiologie einer Erkrankung lege, sondern die rein statistische Korrelation des Vorkommens einer Erkrankung in einer Berufsgruppe und deren verhältnismäßige Häufigkeit mit der Gesamtbevölkerung beschreibe. Hierzu müssen die erfassten Erkrankungen in einer gewissen Häufigkeit vorkommen, andernfalls lasse sich aufgrund zu großer Konfidenzintervalle keine verlässliche Aussage treffen. Für generell sehr seltene Erkrankungen sei diese Methode daher oftmals nicht zielführend. Beim Kläger lägen zwei erworbene genetische Erkrankungen vor, die jeweils sehr selten seien. Dass beide Erkrankungen gemeinsam auftreten, sei nahezu auszuschließen. Es sei aufgrund der generell extrem niedrigen Inzidenz des Desmoids und der mittlerweile ja auch bekannten genetischen Grundlagen nicht von Zufallsmutationen auszugehen, erst recht nicht, wenn beide Erkrankungen simultan detektiert werden. Der Kläger sei der erste Patient, bei dem dieser Sachverhalt zutreffe; aus diesem Grund seien epidemiologisch keine Aussagen möglich. Der Kläger habe während seiner Beschäftigung Kontakt zu mindestens drei mutagenen und kanzerogenen Substanzgruppen gehabt: Nickelverbindungen, Chromverbindungen sowie Verbindungen mit anorganischen Säuren. Eine über die Arbeit hinausgehende karzinogene Belastung in der Lebensführung lasse sich nicht ableiten. Ein genetisches Risiko für die Erkrankungen liege anamnestisch nicht vor, zudem zeigt die CTNNB1-Mutation des Desmoids an, dass es sich um die erworbene Form der Erkrankung handle. Ein exogener Einfluss durch die z.T. mutagenen Substanzen, denen der Kläger ausgesetzt war, könne natürlich auch nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden.
Mit Schreiben vom 30.07.2018 und 14.08.2018 hat der Kläger zum Gutachten des Prof. Dr. W. dahingehend Stellung genommen, dass wegen der Arbeitsstoffe, denen der Kläger im Berufsleben bei der Firma R. GmbH ausgesetzt war, nur auf die Feststellungen des Präventionsdienstes vom 19.08.2013 hingewiesen werde und nicht auch die persönlichen Angaben des Klägers über diese Gefahrstoffe berücksichtigt worden seien. Dies sei ein offensichtlicher Fehler der Aufklärungsarbeit und das Gutachten sei nicht überzeugend. Die Aussagen im Gutachten zu einer Wie-BK ließen aber den Schluss zu, dass eine solche Wie-BK mit Bezug auf die genannten mutagenen Substanzen wie Nickelverbindungen, Chromverbindungen sowie Verbindungen mit anorganischen Säuren, die zwei Erkrankungen bei dem Kläger hervorgerufen hätten, vorlägen. Die schicksalsmäßigen Erkrankungen des Klägers könnten aber nicht dazu führen, dass der Kläger keine Entschädigung erhalte. Die Beklagte müsse den Gegenbeweis vollständig führen, dass die exogenen Umstände bzw. Faktoren denen der Kläger ausgesetzt gewesen sei, nicht zu den Erkrankungen geführt hätten. Die Umkehrung der Beweislast sei wegen dieser Umstände berechtigt. Rein fürsorglich werde der Antrag auf Zulassung der Revision gestellt.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten und der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten und die Prozessakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat kann - nachdem sich die Beteiligten hiermit einverstanden erklärt haben - ohne mündliche Verhandlung durch Urteil über die Berufung des Klägers entscheiden (§ 124 Abs. 2 SGG).
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig; insbesondere ist sie statthaft, nachdem Berufungsausschließungsgründe (vgl. §§ 143, 144 Abs. 1 Nr. 1 SGG) nicht eingreifen.
Die Berufung ist allerdings nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen.
Soweit der anwaltlich vertretene Kläger die Gewährung "entsprechender Leistungen nach der BKV und dem SGB VII" mit Klage und Berufung geltend macht, erweist sich das derart allgemein formulierte Begehren auf Leistungen der Gesetzlichen Unfallversicherung als unzulässig, da dieses Begehen auf ein unzulässiges Grundurteil ohne vollstreckungsfähigen Inhalt gerichtet ist (BSG, Urteil vom 30.01.2007 – B 2 U 6/06 R –, Rn. 11, juris). Es ist auch unter Berücksichtigung des Sozialstaatsgebotes und des Meistbegünstigungsgrundsatzes nicht Aufgabe des Gerichts alle in Betracht kommenden Geldleistungen und sonstigen Leistungen zu prüfen, um dann dem rechtlich vertretenen Kläger diejenigen Leistungen zu suchen, auf die er dem Grunde nach einen Anspruch haben könnte. Vielmehr ist es Sache des bei der Beklagten versicherten Klägers sein Begehren auf eine bestimmte Sachleistung zu konkretisieren. Lediglich die genaue Höhe einer (vom Kläger konkretisierten) Geldleistung kann dann im Rahmen eines Grundurteils nach § 130 Abs. 1 Satz 1 SGG unbenannt bleiben (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 25.08.2017 - L 8 U 1894/17 -, Rn. 41 - 42, juris).
Unzulässig erweist sich das Begehren zudem auch insoweit, als der Kläger die Feststellung weiterer unbestimmter Berufskrankheiten neben der BK 1318 begehrt. Mit Klage und Berufung angefochten wurde der Bescheid vom 03.08.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.11.2016, mit dem die Beklagte die Rücknahme des bestandskräftigen Bescheides vom 19.09.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.06.2016 abgelehnt hat. In dem damit zu überprüfenden Ausgangsbescheid vom 19.09.2013 hat die Beklagte jedoch ausschließlich darüber entschieden, dass beim Kläger keine BK 1318 vorliegt und auch keine Wie-BK anzuerkennen ist. Ein Rechtsschutzbedürfnis für das nunmehrige Begehren anderweitige, nicht näher bestimmte BKs festzustellen besteht vor diesem Hintergrund nicht.
Die Klage ist im Übrigen als kombinierte Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage zulässig (vgl. BSG, Urteil vom 13.02.2014 – B 4 AS 22/13 R –, BSGE 115, 126-131, SozR 4-1300 § 44 Nr. 28), aber unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Rücknahme des Bescheides vom 19.09.2013. Der Bescheid der Beklagten vom 03.08.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.11.2016 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.
Rechtsgrundlage für das Begehren des Klägers auf Abänderung des Bescheids vom 19.09.2013 ist § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Hiernach ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass des Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind. Ziel des § 44 SGB X ist es, die Konfliktsituation zwischen der Bindungswirkung (§ 77 SGG) eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes und der materiellen Gerechtigkeit zu Gunsten letzterer aufzulösen (BSG, Urteil vom 04.02.1998 - B 9 V 16/96 R = SozR 3-1300 § 44 Nr. 24). Ist ein Verwaltungsakt rechtswidrig, hat der betroffene Bürger einen einklagbaren Anspruch auf Rücknahme des Verwaltungsaktes unabhängig davon, ob der Verwaltungsakt durch ein rechtskräftiges Urteil bestätigt wurde (BSG, Urteil vom 28.01.1981 - 9 RV 29/80 = BSGE 51, 139, 141 = SozR 3900 § 40 Nr. 5; BSG SozR 2200 § 1268 Nr. 29). Entsprechend dem Umfang des Vorbringens des Versicherten muss die Verwaltung in eine erneute Prüfung eintreten und den Antragsteller bescheiden (BSG, Urteil vom 25.09.2006 - B 2 U 24/05 R = BSGE 97, 54 = juris, RdNr. 12 m.w.N.). Die Voraussetzungen für eine Korrektur der angegriffenen Entscheidung der Beklagten nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X sind nicht erfüllt. Anhaltspunkte für eine unrichtige Rechtsanwendung oder für einen neuen Sachverhalt liegen nicht vor.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Feststellung der bei ihm diagnostizierten Erkrankungen CLL und mesenteriale Fibromatose als Folge der BK 1318. Berufskrankheiten sind nach § 9 Abs. 1 S. 1 SGB VII Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung oder mit Zustimmung des Bundesrates als Berufskrankheiten bezeichnet und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit erleiden. Die Bundesregierung ist ermächtigt, in der Rechtsverordnung Krankheiten als Berufskrankheiten zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grad als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind (§ 9 Abs. 1 S. 2 1. HS SGB VII). Aufgrund dieser Ermächtigung hat die Bundesregierung die BKVO vom 31. Oktober 1997 (BGBl. I, S. 2623) erlassen, in der die derzeit als Berufskrankheiten anerkannten Krankheiten aufgeführt sind. In der Anlage 1 zur BKVO wird jedenfalls die Erkrankung des Klägers an einer CLL von der hier streitgegenständlichen BK 1318 "Erkrankungen des Blutes, des blutbildenden und des lympathischen Systems durch Benzol" erfasst. Voraussetzung für die Anerkennung als BK ist, dass die Verrichtung einer grundsätzlich versicherten Tätigkeit (sachlicher Zusammenhang) zu Einwirkungen von Belastungen, Schadstoffen oder Ähnlichem auf den Körper geführt haben muss (Einwirkungskausalität), und diese Einwirkungen eine Krankheit verursacht haben (haftungsbegründende Kausalität). Die Tatbestandsmerkmale "versicherte Tätigkeit", "Verrichtung", "Einwirkungen" und "Krankheit" müssen im Sinne des Vollbeweises erwiesen sein, also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit vorliegen (st. Rechtsprechung, vgl. u.a. BSG Urteil vom 23.04.2015 - B 2 U 20/14 - juris Rn. 10). Für die nach der Theorie der wesentlichen Bedingung zu beurteilenden Ursachenzusammenhänge genügt jeweils das Bestehen einer hinreichenden Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die bloße - nicht auszuschließende - Möglichkeit.
Ausgehend von diesen Maßstäben liegen die Voraussetzungen für die Anerkennung einer BK 1318 nicht vor. Der Kläger konnte bereits nicht nachweisen, dass er bei der Ausübung seiner Tätigkeit bei der Firma R. GmbH einer Benzolexposition ausgesetzt war. Eine Benzolexposition konnte durch den technischen Dienst der Beklagten nicht ermittelt werden (vgl. Stellungnahme vom 19.08.2013). Prof. Dr. T. hat im Übrigen für den Senat überzeugend dargelegt, dass Anhaltspunkte für einen Kontakt des Klägers mit Benzol am Arbeitsplatz nicht bestehen, weil für die Prozesse des Galvanisierens bzw. des Verzinkens ausschließlich wässrige Lösungsmittel und keine organischen Lösungsmittel eingesetzt werden. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem auf Antrag des Klägers eingeholten Gutachten des Prof. Dr. W ... Vielmehr hat auch Prof. Dr. W. zutreffend darauf hingewiesen, dass die Angabe des Klägers, er sei (nachdem er zunächst überhaupt keine Angaben zum Umgang mit konkreten Stoffen machen konnte) auch Benzol und Toluol ausgesetzt gewesen, sich aufgrund der vorliegenden Daten nicht bestätigen lässt. Soweit der Kläger gegen diese Faktenlage argumentiert, es seien bei der Galvanisierung "alle Chemikalien der Welt benutzt worden" und praktisch auf jedem Kanister habe "hochgiftig" gestanden, genügt eine derartige ins Blaue hinein abgegebene Behauptung nicht, um den dem Kläger obliegenden Nachweis der Einwirkungen von Belastungen, Schadstoffen oder Ähnlichem auf den Körper zu führen.
Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Anerkennung der bei ihm vorliegenden Gesundheitsstörungen als Wie-BK. Nach § 9 Abs. 2 SGB VII haben die Unfallversicherungsträger eine Krankheit, die nicht in der BKV bezeichnet ist oder bei der die dort bestimmten Voraussetzungen nicht vorliegen, wie eine BK als Versicherungsfall anzuerkennen, sofern im Zeitpunkt der Entscheidung nach neuen Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft die Voraussetzungen für eine Bezeichnung nach § 9 Abs. 1 Satz 2 SGB VII erfüllt sind. Die sich aus dieser Vorschrift ergebenden Tatbestandsmerkmale für die Feststellung einer "Wie"-BK bei einem Versicherten sind das Nicht-Vorliegen der Voraussetzungen für eine in der BKV bezeichnete Krankheit, das Vorliegen der allgemeinen Voraussetzungen für die Bezeichnung der geltend gemachten Krankheit als BK nach § 9 Abs. 1 Satz 2 SGB VII nach neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen sowie die individuellen Voraussetzungen für die Feststellung dieser Krankheit als "Wie"-BK im Einzelfall bei dem Versicherten.
Die Anerkennung einer Wie-BK soll nur erfolgen, wenn die Voraussetzungen für die Aufnahme der betreffenden Einwirkungs-Krankheits-Kombination in die Liste der BKen erfüllt sind, der Verordnungsgeber aber noch nicht tätig geworden ist (vgl. BSG, Urteil vom 29.11.2011 - B 2 U 26/10 R -, juris-Rn 26). Der Unfallversicherungsträger hat eine Krankheit "wie eine Berufskrankheit als Versicherungsfall" anzuerkennen, wenn im Zeitpunkt der Entscheidung nach neuen Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft die Krankheit durch besondere Einwirkungen verursacht wird, denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind (Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 9. Auflage, Seite 90). Dies ist vorliegend nicht der Fall, da es sowohl an dem Nachweis eines berufsgruppenspezifischen erhöhten Erkrankungsrisikos als auch an neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen fehlt, die bestätigen, dass konkret nachgewiesene Einwirkungen geeignet sind die Erkrankung zu verursachen.
Der Kläger war im Rahmen seiner Tätigkeit als Galvanisierungsgehilfe bei der Firma R. GmbH ausweislich der Stellungnahme des Präventionsdienstes vom 19.08.2013 an einer Verzinkungsanlage tätig, wobei eine cyanitische Verzinkung durchgeführt wurde und im Rahmen des Verarbeitungsprozesses ausschließlich mit wässrigen Lösungen gearbeitet wurde. Zunächst erfolgte die alkalische Entfettung mit Natronlauge (die auch Tenside enthält) und im Anschluss erfolgte die Behandlung in einem Zinkbad mit 40g/Liter Cyanid. Danach erfolgte die Passivierung, die bis 1999 (Gelbchromatierung) in Bädern mit Chrom(VI)haltigen Stoffen erfolgte. Ab dem Jahr 2000 wurde die Passivierung umgestellt auf eine sog. Chrom(III)-Passivierung. Beim Beizen und Glänzen wurden anorganische Säuren wie Salzsäure, Schwefelsäure, Salpetersäure und Phosphorsäure sowie Gemische dieser Säuren in unterschiedlicher Konzentration verwendet. Vorliegend ist - was sich aus dem Gutachten des Prof. Dr. T. ergibt - schon nicht belegt, dass für die bei dem Kläger vorliegenden Gesundheitsstörungen ein Zusammenhang mit den von ihm verwendeten Stoffen besteht. Demzufolge kann auch nicht festgestellt werden, dass eine Einwirkungs-Krankheits-Kombination vorliegt, bei der die Voraussetzungen für die Aufnahme in die Liste der BKen nach neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen erfüllt sind. Für keine der verwendeten Stoffe liegen neue gesicherte Erkenntnisse vor, dass eine bestimmte Personengruppe auf Grund dieser besonderen arbeitsbedingten Einwirkung in erheblich höherem Maße als die übrige Bevölkerung an mesenterialer Fibromatose und chronisch lymphatischer Leukämie erkrankt. Dies ergibt sich auch schon aus der Stellungnahme des Spitzenverbandes der gewerblichen Berufsgenossenschaften, die im Ergebnis vollumfänglich durch das Gutachten des Prof. Dr. T. bestätigt wurde. Zwar hat Prof. Dr. T. darauf hingewiesen, dass nach neuen Erkenntnissen eine chronische lymphatische Leukämie durch 1,3- Butadien verursacht werden könne, wobei allerdings eine berufliche Belastung des Klägers mit diesem Stoff auszuschließen ist und es insoweit an dem Nachweis der schädlichen Einwirkung fehlt. Verschiedene Stoffe, mit denen der Kläger Kontakt gehabt haben könnte, sind anderen Berufskrankheiten (als der BK 1318) zuzuordnen, ohne dass der Kläger allerdings unter den dort genannten Krankheiten leidet. Auch hinsichtlich der denkbaren Belastung mit Chrom(VI-)Verbindungen gibt es nach Ausführung Prof. Dr. T., denen der Senat folgt, keine Erkenntnisse zu einem Zusammenhang zwischen diesen und einer chronischen lymphatischen Leukämie oder einer Fibromatose.
Auch insoweit ergibt sich aus dem auf Antrag des Klägers eingeholten Gutachten des Prof. Dr. W. nichts anderes. Vielmehr hat Prof. Dr. W. bestätigt, dass bei (zunächst) rein epidemiologischer Sichtweise bei beiden Erkrankungen keine neuen Hinweise vorliegen, die die Entstehung mit einer spezifischen Einwirkung assoziieren könnten. Hierzu ist anzumerken, dass die statistische Erkenntnis das erstrangige Anzeichen für eine erhöhte generelle Eintrittswahrscheinlichkeit einer Krankheit darstellt, hiermit aber dennoch keine ausschließliche Festlegung auf die Epidemiologie verbunden ist. Vielmehr kann ausnahmsweise bei fehlender epidemiologischer Erkenntnis einerseits und bei biologischer und toxikologischer Evidenz (nachgewiesen durch Studien und Forschung) andererseits zur Vermeidung unbilliger Ergebnisse der Verzicht auf eine statistisch nachgewiesene Gruppentypik in Betracht kommen (Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O., 9. Auflage, S. 91). Auch diese Voraussetzungen liegen jedoch auch aus Sicht Prof. Dr. Wolfs nicht vor. Dieser hat in seinem Gutachten im Ergebnis ausdrücklich betont, dass keine neuen Erkenntnisse vorliegen, wonach die CLL und/oder die mesenteriale Fibromatose durch berufsbedingte Fremdeinwirkung entstanden sein könnten. Soweit Prof. Dr. W. abschließt, dass umgekehrt ein exogener Einfluss durch die z.T. mutagenen Substanzen, denen der Kläger ausgesetzt war, auch nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden könne, genügt diese für die Anerkennung einer Wie-BK gerade nicht.
Soweit der Kläger wegen der Seltenheit seiner Erkrankungen eine Beweislastumkehr und sinngemäß eine Einzelfallentscheidung unter Härtegesichtspunkten einfordert, gibt es hierfür keinerlei Grundlage. Nach Rechtsprechung des BSG kommt eine Beweislastumkehr bei einem Beweisnotstand, allenfalls dann in Betracht, wenn dieser auf einer schuldhaft unterlassenen bzw. einer unvollkommenen Beweiserhebung oder sogar auf einer Beweisvereitelung durch denjenigen beruht, dem die Unerweislichkeit der Tatsachen zum prozessualen Vorteil gereicht, (vgl, BSG, Urteil vom 30.11.2006 – B 9a VS 1/05 R –, Rn. 22, m.w.N.). Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt. § 9 Abs. 2 SGB VII enthält nach der ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung zudem weder eine "Generalklausel" noch eine "Härteklausel", die in jedem Fall einer tätigkeitsbedingten Erkrankung eine Entschädigung erstattet (BSG vom 23.06.1977 - 2 RU 53/76 - BSGE 44, 90 = SozR 2200, § 551 Nr. 9; BSG vom 14.11.1996 - 2 RU 9/96 - BSGE 79, 250 = 3-2200 § 551 Nr, 9; BSG, Urteil vom 27.04.2010 - B 2 U 13/09 R, juris-Rn. 9; vgl. auch Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O, Seite 90).
Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat im Übrigen auf die zutreffenden Ausführungen des SG Bezug und schließt sich diesen an.
Soweit der Kläger schließlich hilfsweise die Zurückverweisung an das SG begehrt, beurteilt sich dieses Begehren nach der Regelung des § 159 Abs. 1 Nrn.1 und 2 SGG. Der Senat kann hiernach die durch Urteil angefochtene Entscheidung aufheben und die Sache an das Sozialgericht zurückverweisen, wenn 1. dieses die Klage abgewiesen hat, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, 2. das Verfahren an einem wesentlichen Mangel leidet und auf Grund dieses Mangels eine umfangreiche und aufwändige Beweisaufnahme notwendig ist. Keine der genannten Voraussetzungen ist vorliegend erfüllt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens nach § 44 SGB X über die Anerkennung einer chronischen lymphatischen Leukämie und/oder einer mesenterialen Fibromatose als Berufskrankheit nach Nummer 1318 der Berufskrankheiten-Liste (Erkrankungen des Blutes, des blutbildenden und des lympathischen Systems durch Benzol) bzw. als eine Wie-Berufskrankheit.
Der 1967 geborene Kläger war von August 1996 bis zum Eintritt von Arbeitsunfähigkeit im Mai 2013 bei der R. GmbH im Bereich der Metallveredelung als Galvaniseurgehilfe tätig. Er erkrankte an einer chronischen lymphatischen Leukämie und einer mesenterialen Fibromatose (gutartige Bindegewebswucherung). Hiervon erfuhr die Beklagte durch ärztliche Anzeige des Internisten Dr. K. am 19.06.2013.
In einem persönlichen Gespräch mit dem Kläger am 15.07.2013 konnte dieser keine Angaben zum Umgang mit Stoffen (insbesondere Benzol) machen, die geeignet sind, die Erkrankung zu verursachen. Ein Umgang habe jedoch mit Chrom VI (Galvanikbetrieb) bestanden. Die Beklagte führte sodann arbeitstechnische Ermittlungen am früheren Arbeitsplatz des Klägers durch. Vom technischen Dienst der Beklagten wurde in einer Stellungnahme vom 19.08.2013 zusammenfassend festgehalten, dass ein Benzolkontakt des Klägers im Rahmen seiner Tätigkeit bei der Firma R. nicht erkennbar sei. Wegen der Details wird auf Bl. 51 ff der Verwaltungsakte verwiesen.
Auf Anfrage der Beklagten teilte der Spitzenverband der gewerblichen Berufsgenossenschaften am 22.08.2013 mit, neue gesicherte Erkenntnisse, dass eine bestimmte Personengruppe auf Grund der besonderen arbeitsbedingten Einwirkung durch Chlorwasserstoff, Salzsäure, Schwefelsäure und ihre Salze (Sulfate), Cyanide und Chromate bei der beruflichen Tätigkeit in erheblich höherem Maße als die übrige Bevölkerung an mesenterialer Fibromatose und chronisch lymphatischer Leukämie leide, seien nicht bekannt. Eine Befassung des ärztlichen Sachverständigenbeirats "Berufskrankheiten" sei nicht bekannt.
Mit Bescheid vom 19.09.2013 lehnte die Beklagte die Anerkennung der Erkrankungen als Berufskrankheit nach Ziffer 1318 der Anl. 1 zur BKV (BK 1318) und als Wie-BK ab. Zur Begründung führte sie aus, im Rahmen der Tätigkeit seien keine organischen Lösungsmittel eingesetzt worden und ein Kontakt zu Benzol habe nicht festgestellt werden können. Die Anerkennung einer Wie-BK sei nicht möglich, weil sich keine neuen gesicherten medizinischen Erkenntnisse ergeben hätten, dass bestimmte Personengruppen, die gegenüber bestimmten Arbeitsstoffen exponiert wären, in einem erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung an einer chronischen lymphatischen Leukämie oder einer mesenterialen Fibromatose erkranken. Diese Entscheidung wurde vom Kläger zunächst nicht mit Rechtsmitteln angegriffen und wurde daher bestandskräftig.
Erst im Mai 2016 legte der Kläger Widerspruch gegen den Bescheid vom 19.09.2013 ein und teilte auf Nachfrage der Beklagten zudem mit, er stelle gleichzeitig einen Überprüfungsantrag. Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 23.06.2016 als unzulässig zurück. Mit Bescheid vom 03.08.2016 lehnte die Beklagte zudem den Überprüfungsantrag ab. Zur Begründung führte sie aus, der Kläger habe keinerlei neue Tatsachen oder Beweismittel vorgelegt, so dass es keinen Anhaltspunkt dafür gebe, dass bei der Erteilung des Bescheides vom 19.09.2013 von einem unzutreffenden Sachverhalt ausgegangen worden sei.
Hiergegen erhob der Kläger am 31.08.2013 Widerspruch, den er damit begründete, er stehe in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis bei der Firma R. GmbH, die mit hochtoxischen Materialien arbeite. Er habe zwei Krebserkrankungen und sei völlig fertig. Der Bescheid vom 19.09.2013 sei nicht ausreichend begründet worden, da keine Bearbeitung bzw. Stellungnahme durch einen "Gewerbearzt" stattgefunden habe, zumindest liege aber ein Ermessenfehler vor.
Mit Widerspruchsbescheid vom 23.11.2106 wies die Beklagte diesen Widerspruch als unbegründet zurück.
Der Kläger hat hieraufhin am 05.12.2016 Klage vor dem Sozialgericht Mannheim (SG) erhoben.
Das SG hat Beweis erhoben durch Einholung einer sachverständigen Zeugenaussage des Internisten Dr. K. und hat sodann ein arbeitsmedizinisches Gutachten nach Aktenlage bei Prof. Dr. med. Dipl.-Chem. T. eingeholt. In seinem Gutachten vom 31.01.2017 hat dieser ausgeführt, es bestünden keine Anhaltspunkte für einen Kontakt des Klägers mit Benzol am Arbeitsplatz, weil für die Prozesse des Galvanisierens bzw. des Verzinkens ausschließlich wässrige Lösungsmittel und keine organischen Lösungsmittel eingesetzt würden. Die Feststellungen des technischen Aufsichtsdienstes seien daher nicht zu beanstanden. Neue wissenschaftliche Erkenntnisse zur Verursachung einer chronischen lymphatischen Leukämie oder einer mesenterialen Fibromatose durch konkret genannte und in der Metallveredelung eingesetzte Arbeitsstoffe lägen nicht vor. Neue Erkenntnisse sprächen dafür, dass eine chronische lymphatische Leukämie durch 1,3- Butadien verursacht werden könne. Eine berufliche Belastung des Klägers mit diesem Stoff sei allerdings auszuschließen. Verschiedene Stoffe, mit denen der Kläger Kontakt gehabt haben könnte, wären anderen Berufskrankheiten zuzuordnen, ohne dass der Kläger unter den dort genannten Krankheiten leiden würde. Hinsichtlich einer denkbaren Belastung mit Chrom(VI-)Verbindungen seien keine Erkenntnisse zu einem Zusammenhang zwischen diesen und einer chronischen lymphatischen Leukämie oder einer Fibromatose vorhanden.
Der Kläger hat zu dem Gutachten Stellung genommen und mitgeteilt, dass er am Arbeitsplatz Kontakt zu weiteren giftigen Stoffen ("praktisch auf jedem Kanister stand hochgiftig drauf") gehabt habe und die Behandlung des Vorgangs ausschließlich als BK 1318 daher nicht mehr vertretbar sei. Es müssten noch andere Berufskrankheiten berücksichtigt werden. Die Bedingungen am Arbeitsplatz seien außerordentlich schlecht gewesen. Mehrere Kollegen seien an Leukämie erkrankt.
Das SG hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 10.03.2017 abgewiesen. Zur Begründung hat das SG ausgeführt, soweit der Kläger meine, dass weitere BKs als die BK 1318 zu prüfen seien, sei die Klage mangels durchgeführtem Vorverfahren unzulässig. Im Übrigen sei die Klage zulässig aber unbegründet. Die Erkrankungen des Klägers seien weder als BK 1318 noch als Wie-BK anzuerkennen.
Hiergegen hat der Kläger am 06.04.2017 Berufung eingelegt. Zur Begründung der Berufung hat der Kläger u.a. einen von seinem Prozessbevollmächtigten gefertigten Aktenvermerk vom 21.02.2017 über ein Gespräch mit dem Kläger vorgelegt. Hierin heißt es u.a.: "Auf Benzol und Toluol angesprochen sagt Herr D., er wisse nicht was Toluol ist. Er kann aber versichern, dass alle Chemikalien der Welt dort bei der Galvanisierung benutzt worden sind. Er geht deshalb davon aus, dass dies auch für Benzol und Toluol gilt." Wegen der Details wird auf Bl. 13 ff der Senatsakte verwiesen.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 10.03.2017 sowie den Bescheid der Beklagten vom 03.08.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.11.2016 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, beim Kläger unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides vom 19.09.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.06.2016 eine chronisch lymphatische Leukämie und Fibromatose als BK oder Wie-BK festzustellen und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger "entsprechende Leistungen" nach der BKV und dem SGB VII zu gewähren.
Hilfsweise, die Sache an das Sozialgericht zurückzuverweisen oder die Revision zuzulassen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
Sie erachtet das erstinstanzliche Urteil für zutreffend und hält im Übrigen an ihrer Entscheidung fest.
Der Senat hat sachverständige Zeugenaussagen bei Dr. G. und Dr. S. eingeholt und sodann auf Antrag des Klägers gemäß § 109 SGG den Oberarzt der Uniklinik K. (Klinik I für Innere Medizin) Prof. Dr. W. mit der Erstellung eines fachinternistisch-hämatoonkologischen Gutachtens beauftragt. In seinem Gutachten vom 09.07.2018 hat Prof. Dr. W. folgende Diagnosen gestellt: 1. Chronisch lymphatische Leukämie (CLL) aktuell unter Ibrutinib in Remission. 2. Desmoid (aggressive Fibromatose), seit 2015 rezidivfrei. 3. Chronische Krankheiten der Gaumenmandel und der Rachenmandel. 4. Anpassungsstörung, aktuell gute Stimmungslage. 5. Rezidivierende Pneumonien, seit ca. 2 Jahren nicht mehr. Mit Bezug auf die zu prüfende BK 1318 ergebe sich keine Änderungen der bisherigen Einschätzung der Vorgutachten. Der Kläger habe eine CLL, aber keine nachweisbare Benzol- oder Toluolexposition durch die Arbeit (Feststellung des Präventionsdienstes in der Stellungnahme vom 19.08.2013). Die Aussage des Klägers im Aktenvermerk vom 21.02.2017, er gehe davon aus, dass auch Benzol und Toluol eingesetzt worden seien, lasse sich aufgrund der vorliegenden Daten nicht bestätigen. Zu den Voraussetzungen einer "Wie-BK" hat der Gutachter u.a. ausgeführt, in der rein epidemiologischen Sichtweise lägen bei beiden Erkrankungen keine neuen Hinweise vor, die die Entstehung mit einer spezifischen Einwirkung assoziieren könnten. Die Krux an epidemiologischen Erhebungen sei aber, dass sie historisch keinen Wert auf die Ätiologie einer Erkrankung lege, sondern die rein statistische Korrelation des Vorkommens einer Erkrankung in einer Berufsgruppe und deren verhältnismäßige Häufigkeit mit der Gesamtbevölkerung beschreibe. Hierzu müssen die erfassten Erkrankungen in einer gewissen Häufigkeit vorkommen, andernfalls lasse sich aufgrund zu großer Konfidenzintervalle keine verlässliche Aussage treffen. Für generell sehr seltene Erkrankungen sei diese Methode daher oftmals nicht zielführend. Beim Kläger lägen zwei erworbene genetische Erkrankungen vor, die jeweils sehr selten seien. Dass beide Erkrankungen gemeinsam auftreten, sei nahezu auszuschließen. Es sei aufgrund der generell extrem niedrigen Inzidenz des Desmoids und der mittlerweile ja auch bekannten genetischen Grundlagen nicht von Zufallsmutationen auszugehen, erst recht nicht, wenn beide Erkrankungen simultan detektiert werden. Der Kläger sei der erste Patient, bei dem dieser Sachverhalt zutreffe; aus diesem Grund seien epidemiologisch keine Aussagen möglich. Der Kläger habe während seiner Beschäftigung Kontakt zu mindestens drei mutagenen und kanzerogenen Substanzgruppen gehabt: Nickelverbindungen, Chromverbindungen sowie Verbindungen mit anorganischen Säuren. Eine über die Arbeit hinausgehende karzinogene Belastung in der Lebensführung lasse sich nicht ableiten. Ein genetisches Risiko für die Erkrankungen liege anamnestisch nicht vor, zudem zeigt die CTNNB1-Mutation des Desmoids an, dass es sich um die erworbene Form der Erkrankung handle. Ein exogener Einfluss durch die z.T. mutagenen Substanzen, denen der Kläger ausgesetzt war, könne natürlich auch nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden.
Mit Schreiben vom 30.07.2018 und 14.08.2018 hat der Kläger zum Gutachten des Prof. Dr. W. dahingehend Stellung genommen, dass wegen der Arbeitsstoffe, denen der Kläger im Berufsleben bei der Firma R. GmbH ausgesetzt war, nur auf die Feststellungen des Präventionsdienstes vom 19.08.2013 hingewiesen werde und nicht auch die persönlichen Angaben des Klägers über diese Gefahrstoffe berücksichtigt worden seien. Dies sei ein offensichtlicher Fehler der Aufklärungsarbeit und das Gutachten sei nicht überzeugend. Die Aussagen im Gutachten zu einer Wie-BK ließen aber den Schluss zu, dass eine solche Wie-BK mit Bezug auf die genannten mutagenen Substanzen wie Nickelverbindungen, Chromverbindungen sowie Verbindungen mit anorganischen Säuren, die zwei Erkrankungen bei dem Kläger hervorgerufen hätten, vorlägen. Die schicksalsmäßigen Erkrankungen des Klägers könnten aber nicht dazu führen, dass der Kläger keine Entschädigung erhalte. Die Beklagte müsse den Gegenbeweis vollständig führen, dass die exogenen Umstände bzw. Faktoren denen der Kläger ausgesetzt gewesen sei, nicht zu den Erkrankungen geführt hätten. Die Umkehrung der Beweislast sei wegen dieser Umstände berechtigt. Rein fürsorglich werde der Antrag auf Zulassung der Revision gestellt.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten und der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten und die Prozessakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat kann - nachdem sich die Beteiligten hiermit einverstanden erklärt haben - ohne mündliche Verhandlung durch Urteil über die Berufung des Klägers entscheiden (§ 124 Abs. 2 SGG).
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig; insbesondere ist sie statthaft, nachdem Berufungsausschließungsgründe (vgl. §§ 143, 144 Abs. 1 Nr. 1 SGG) nicht eingreifen.
Die Berufung ist allerdings nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen.
Soweit der anwaltlich vertretene Kläger die Gewährung "entsprechender Leistungen nach der BKV und dem SGB VII" mit Klage und Berufung geltend macht, erweist sich das derart allgemein formulierte Begehren auf Leistungen der Gesetzlichen Unfallversicherung als unzulässig, da dieses Begehen auf ein unzulässiges Grundurteil ohne vollstreckungsfähigen Inhalt gerichtet ist (BSG, Urteil vom 30.01.2007 – B 2 U 6/06 R –, Rn. 11, juris). Es ist auch unter Berücksichtigung des Sozialstaatsgebotes und des Meistbegünstigungsgrundsatzes nicht Aufgabe des Gerichts alle in Betracht kommenden Geldleistungen und sonstigen Leistungen zu prüfen, um dann dem rechtlich vertretenen Kläger diejenigen Leistungen zu suchen, auf die er dem Grunde nach einen Anspruch haben könnte. Vielmehr ist es Sache des bei der Beklagten versicherten Klägers sein Begehren auf eine bestimmte Sachleistung zu konkretisieren. Lediglich die genaue Höhe einer (vom Kläger konkretisierten) Geldleistung kann dann im Rahmen eines Grundurteils nach § 130 Abs. 1 Satz 1 SGG unbenannt bleiben (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 25.08.2017 - L 8 U 1894/17 -, Rn. 41 - 42, juris).
Unzulässig erweist sich das Begehren zudem auch insoweit, als der Kläger die Feststellung weiterer unbestimmter Berufskrankheiten neben der BK 1318 begehrt. Mit Klage und Berufung angefochten wurde der Bescheid vom 03.08.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.11.2016, mit dem die Beklagte die Rücknahme des bestandskräftigen Bescheides vom 19.09.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.06.2016 abgelehnt hat. In dem damit zu überprüfenden Ausgangsbescheid vom 19.09.2013 hat die Beklagte jedoch ausschließlich darüber entschieden, dass beim Kläger keine BK 1318 vorliegt und auch keine Wie-BK anzuerkennen ist. Ein Rechtsschutzbedürfnis für das nunmehrige Begehren anderweitige, nicht näher bestimmte BKs festzustellen besteht vor diesem Hintergrund nicht.
Die Klage ist im Übrigen als kombinierte Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage zulässig (vgl. BSG, Urteil vom 13.02.2014 – B 4 AS 22/13 R –, BSGE 115, 126-131, SozR 4-1300 § 44 Nr. 28), aber unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Rücknahme des Bescheides vom 19.09.2013. Der Bescheid der Beklagten vom 03.08.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.11.2016 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.
Rechtsgrundlage für das Begehren des Klägers auf Abänderung des Bescheids vom 19.09.2013 ist § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Hiernach ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass des Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind. Ziel des § 44 SGB X ist es, die Konfliktsituation zwischen der Bindungswirkung (§ 77 SGG) eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes und der materiellen Gerechtigkeit zu Gunsten letzterer aufzulösen (BSG, Urteil vom 04.02.1998 - B 9 V 16/96 R = SozR 3-1300 § 44 Nr. 24). Ist ein Verwaltungsakt rechtswidrig, hat der betroffene Bürger einen einklagbaren Anspruch auf Rücknahme des Verwaltungsaktes unabhängig davon, ob der Verwaltungsakt durch ein rechtskräftiges Urteil bestätigt wurde (BSG, Urteil vom 28.01.1981 - 9 RV 29/80 = BSGE 51, 139, 141 = SozR 3900 § 40 Nr. 5; BSG SozR 2200 § 1268 Nr. 29). Entsprechend dem Umfang des Vorbringens des Versicherten muss die Verwaltung in eine erneute Prüfung eintreten und den Antragsteller bescheiden (BSG, Urteil vom 25.09.2006 - B 2 U 24/05 R = BSGE 97, 54 = juris, RdNr. 12 m.w.N.). Die Voraussetzungen für eine Korrektur der angegriffenen Entscheidung der Beklagten nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X sind nicht erfüllt. Anhaltspunkte für eine unrichtige Rechtsanwendung oder für einen neuen Sachverhalt liegen nicht vor.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Feststellung der bei ihm diagnostizierten Erkrankungen CLL und mesenteriale Fibromatose als Folge der BK 1318. Berufskrankheiten sind nach § 9 Abs. 1 S. 1 SGB VII Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung oder mit Zustimmung des Bundesrates als Berufskrankheiten bezeichnet und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit erleiden. Die Bundesregierung ist ermächtigt, in der Rechtsverordnung Krankheiten als Berufskrankheiten zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grad als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind (§ 9 Abs. 1 S. 2 1. HS SGB VII). Aufgrund dieser Ermächtigung hat die Bundesregierung die BKVO vom 31. Oktober 1997 (BGBl. I, S. 2623) erlassen, in der die derzeit als Berufskrankheiten anerkannten Krankheiten aufgeführt sind. In der Anlage 1 zur BKVO wird jedenfalls die Erkrankung des Klägers an einer CLL von der hier streitgegenständlichen BK 1318 "Erkrankungen des Blutes, des blutbildenden und des lympathischen Systems durch Benzol" erfasst. Voraussetzung für die Anerkennung als BK ist, dass die Verrichtung einer grundsätzlich versicherten Tätigkeit (sachlicher Zusammenhang) zu Einwirkungen von Belastungen, Schadstoffen oder Ähnlichem auf den Körper geführt haben muss (Einwirkungskausalität), und diese Einwirkungen eine Krankheit verursacht haben (haftungsbegründende Kausalität). Die Tatbestandsmerkmale "versicherte Tätigkeit", "Verrichtung", "Einwirkungen" und "Krankheit" müssen im Sinne des Vollbeweises erwiesen sein, also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit vorliegen (st. Rechtsprechung, vgl. u.a. BSG Urteil vom 23.04.2015 - B 2 U 20/14 - juris Rn. 10). Für die nach der Theorie der wesentlichen Bedingung zu beurteilenden Ursachenzusammenhänge genügt jeweils das Bestehen einer hinreichenden Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die bloße - nicht auszuschließende - Möglichkeit.
Ausgehend von diesen Maßstäben liegen die Voraussetzungen für die Anerkennung einer BK 1318 nicht vor. Der Kläger konnte bereits nicht nachweisen, dass er bei der Ausübung seiner Tätigkeit bei der Firma R. GmbH einer Benzolexposition ausgesetzt war. Eine Benzolexposition konnte durch den technischen Dienst der Beklagten nicht ermittelt werden (vgl. Stellungnahme vom 19.08.2013). Prof. Dr. T. hat im Übrigen für den Senat überzeugend dargelegt, dass Anhaltspunkte für einen Kontakt des Klägers mit Benzol am Arbeitsplatz nicht bestehen, weil für die Prozesse des Galvanisierens bzw. des Verzinkens ausschließlich wässrige Lösungsmittel und keine organischen Lösungsmittel eingesetzt werden. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem auf Antrag des Klägers eingeholten Gutachten des Prof. Dr. W ... Vielmehr hat auch Prof. Dr. W. zutreffend darauf hingewiesen, dass die Angabe des Klägers, er sei (nachdem er zunächst überhaupt keine Angaben zum Umgang mit konkreten Stoffen machen konnte) auch Benzol und Toluol ausgesetzt gewesen, sich aufgrund der vorliegenden Daten nicht bestätigen lässt. Soweit der Kläger gegen diese Faktenlage argumentiert, es seien bei der Galvanisierung "alle Chemikalien der Welt benutzt worden" und praktisch auf jedem Kanister habe "hochgiftig" gestanden, genügt eine derartige ins Blaue hinein abgegebene Behauptung nicht, um den dem Kläger obliegenden Nachweis der Einwirkungen von Belastungen, Schadstoffen oder Ähnlichem auf den Körper zu führen.
Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Anerkennung der bei ihm vorliegenden Gesundheitsstörungen als Wie-BK. Nach § 9 Abs. 2 SGB VII haben die Unfallversicherungsträger eine Krankheit, die nicht in der BKV bezeichnet ist oder bei der die dort bestimmten Voraussetzungen nicht vorliegen, wie eine BK als Versicherungsfall anzuerkennen, sofern im Zeitpunkt der Entscheidung nach neuen Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft die Voraussetzungen für eine Bezeichnung nach § 9 Abs. 1 Satz 2 SGB VII erfüllt sind. Die sich aus dieser Vorschrift ergebenden Tatbestandsmerkmale für die Feststellung einer "Wie"-BK bei einem Versicherten sind das Nicht-Vorliegen der Voraussetzungen für eine in der BKV bezeichnete Krankheit, das Vorliegen der allgemeinen Voraussetzungen für die Bezeichnung der geltend gemachten Krankheit als BK nach § 9 Abs. 1 Satz 2 SGB VII nach neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen sowie die individuellen Voraussetzungen für die Feststellung dieser Krankheit als "Wie"-BK im Einzelfall bei dem Versicherten.
Die Anerkennung einer Wie-BK soll nur erfolgen, wenn die Voraussetzungen für die Aufnahme der betreffenden Einwirkungs-Krankheits-Kombination in die Liste der BKen erfüllt sind, der Verordnungsgeber aber noch nicht tätig geworden ist (vgl. BSG, Urteil vom 29.11.2011 - B 2 U 26/10 R -, juris-Rn 26). Der Unfallversicherungsträger hat eine Krankheit "wie eine Berufskrankheit als Versicherungsfall" anzuerkennen, wenn im Zeitpunkt der Entscheidung nach neuen Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft die Krankheit durch besondere Einwirkungen verursacht wird, denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind (Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 9. Auflage, Seite 90). Dies ist vorliegend nicht der Fall, da es sowohl an dem Nachweis eines berufsgruppenspezifischen erhöhten Erkrankungsrisikos als auch an neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen fehlt, die bestätigen, dass konkret nachgewiesene Einwirkungen geeignet sind die Erkrankung zu verursachen.
Der Kläger war im Rahmen seiner Tätigkeit als Galvanisierungsgehilfe bei der Firma R. GmbH ausweislich der Stellungnahme des Präventionsdienstes vom 19.08.2013 an einer Verzinkungsanlage tätig, wobei eine cyanitische Verzinkung durchgeführt wurde und im Rahmen des Verarbeitungsprozesses ausschließlich mit wässrigen Lösungen gearbeitet wurde. Zunächst erfolgte die alkalische Entfettung mit Natronlauge (die auch Tenside enthält) und im Anschluss erfolgte die Behandlung in einem Zinkbad mit 40g/Liter Cyanid. Danach erfolgte die Passivierung, die bis 1999 (Gelbchromatierung) in Bädern mit Chrom(VI)haltigen Stoffen erfolgte. Ab dem Jahr 2000 wurde die Passivierung umgestellt auf eine sog. Chrom(III)-Passivierung. Beim Beizen und Glänzen wurden anorganische Säuren wie Salzsäure, Schwefelsäure, Salpetersäure und Phosphorsäure sowie Gemische dieser Säuren in unterschiedlicher Konzentration verwendet. Vorliegend ist - was sich aus dem Gutachten des Prof. Dr. T. ergibt - schon nicht belegt, dass für die bei dem Kläger vorliegenden Gesundheitsstörungen ein Zusammenhang mit den von ihm verwendeten Stoffen besteht. Demzufolge kann auch nicht festgestellt werden, dass eine Einwirkungs-Krankheits-Kombination vorliegt, bei der die Voraussetzungen für die Aufnahme in die Liste der BKen nach neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen erfüllt sind. Für keine der verwendeten Stoffe liegen neue gesicherte Erkenntnisse vor, dass eine bestimmte Personengruppe auf Grund dieser besonderen arbeitsbedingten Einwirkung in erheblich höherem Maße als die übrige Bevölkerung an mesenterialer Fibromatose und chronisch lymphatischer Leukämie erkrankt. Dies ergibt sich auch schon aus der Stellungnahme des Spitzenverbandes der gewerblichen Berufsgenossenschaften, die im Ergebnis vollumfänglich durch das Gutachten des Prof. Dr. T. bestätigt wurde. Zwar hat Prof. Dr. T. darauf hingewiesen, dass nach neuen Erkenntnissen eine chronische lymphatische Leukämie durch 1,3- Butadien verursacht werden könne, wobei allerdings eine berufliche Belastung des Klägers mit diesem Stoff auszuschließen ist und es insoweit an dem Nachweis der schädlichen Einwirkung fehlt. Verschiedene Stoffe, mit denen der Kläger Kontakt gehabt haben könnte, sind anderen Berufskrankheiten (als der BK 1318) zuzuordnen, ohne dass der Kläger allerdings unter den dort genannten Krankheiten leidet. Auch hinsichtlich der denkbaren Belastung mit Chrom(VI-)Verbindungen gibt es nach Ausführung Prof. Dr. T., denen der Senat folgt, keine Erkenntnisse zu einem Zusammenhang zwischen diesen und einer chronischen lymphatischen Leukämie oder einer Fibromatose.
Auch insoweit ergibt sich aus dem auf Antrag des Klägers eingeholten Gutachten des Prof. Dr. W. nichts anderes. Vielmehr hat Prof. Dr. W. bestätigt, dass bei (zunächst) rein epidemiologischer Sichtweise bei beiden Erkrankungen keine neuen Hinweise vorliegen, die die Entstehung mit einer spezifischen Einwirkung assoziieren könnten. Hierzu ist anzumerken, dass die statistische Erkenntnis das erstrangige Anzeichen für eine erhöhte generelle Eintrittswahrscheinlichkeit einer Krankheit darstellt, hiermit aber dennoch keine ausschließliche Festlegung auf die Epidemiologie verbunden ist. Vielmehr kann ausnahmsweise bei fehlender epidemiologischer Erkenntnis einerseits und bei biologischer und toxikologischer Evidenz (nachgewiesen durch Studien und Forschung) andererseits zur Vermeidung unbilliger Ergebnisse der Verzicht auf eine statistisch nachgewiesene Gruppentypik in Betracht kommen (Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O., 9. Auflage, S. 91). Auch diese Voraussetzungen liegen jedoch auch aus Sicht Prof. Dr. Wolfs nicht vor. Dieser hat in seinem Gutachten im Ergebnis ausdrücklich betont, dass keine neuen Erkenntnisse vorliegen, wonach die CLL und/oder die mesenteriale Fibromatose durch berufsbedingte Fremdeinwirkung entstanden sein könnten. Soweit Prof. Dr. W. abschließt, dass umgekehrt ein exogener Einfluss durch die z.T. mutagenen Substanzen, denen der Kläger ausgesetzt war, auch nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden könne, genügt diese für die Anerkennung einer Wie-BK gerade nicht.
Soweit der Kläger wegen der Seltenheit seiner Erkrankungen eine Beweislastumkehr und sinngemäß eine Einzelfallentscheidung unter Härtegesichtspunkten einfordert, gibt es hierfür keinerlei Grundlage. Nach Rechtsprechung des BSG kommt eine Beweislastumkehr bei einem Beweisnotstand, allenfalls dann in Betracht, wenn dieser auf einer schuldhaft unterlassenen bzw. einer unvollkommenen Beweiserhebung oder sogar auf einer Beweisvereitelung durch denjenigen beruht, dem die Unerweislichkeit der Tatsachen zum prozessualen Vorteil gereicht, (vgl, BSG, Urteil vom 30.11.2006 – B 9a VS 1/05 R –, Rn. 22, m.w.N.). Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt. § 9 Abs. 2 SGB VII enthält nach der ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung zudem weder eine "Generalklausel" noch eine "Härteklausel", die in jedem Fall einer tätigkeitsbedingten Erkrankung eine Entschädigung erstattet (BSG vom 23.06.1977 - 2 RU 53/76 - BSGE 44, 90 = SozR 2200, § 551 Nr. 9; BSG vom 14.11.1996 - 2 RU 9/96 - BSGE 79, 250 = 3-2200 § 551 Nr, 9; BSG, Urteil vom 27.04.2010 - B 2 U 13/09 R, juris-Rn. 9; vgl. auch Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O, Seite 90).
Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat im Übrigen auf die zutreffenden Ausführungen des SG Bezug und schließt sich diesen an.
Soweit der Kläger schließlich hilfsweise die Zurückverweisung an das SG begehrt, beurteilt sich dieses Begehren nach der Regelung des § 159 Abs. 1 Nrn.1 und 2 SGG. Der Senat kann hiernach die durch Urteil angefochtene Entscheidung aufheben und die Sache an das Sozialgericht zurückverweisen, wenn 1. dieses die Klage abgewiesen hat, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, 2. das Verfahren an einem wesentlichen Mangel leidet und auf Grund dieses Mangels eine umfangreiche und aufwändige Beweisaufnahme notwendig ist. Keine der genannten Voraussetzungen ist vorliegend erfüllt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Login
BWB
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