S 28 SO 384/17

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Düsseldorf (NRW)
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
28
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 28 SO 384/17
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 9 SO 33/19
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Beklagte wird in Abänderung des Bescheides vom 05.04.2016 und des Bescheides vom 04.04.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.06.2016 und des Bescheides vom 07.05.2018 verurteilt, die Zuschüsse der T X des Landes NRW für die Erstinvestition in das Gebäude der Einrichtung iHv ursprünglich 153.387,56 EUR nicht als Zuschuss aus öffentlicher Förderung bei der Feststellung gem. § 11 APG DVO NRW zu berücksichtigen. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Feststellung und Festsetzung der anerkennungsfähigen Aufwendungen gem. §§ 11, 12 APG DVO NRW. Die Klägerin macht höhere Investitions-kosten geltend.

Die Klägerin errichtete eine Pflegeeinrichtung DRK Seniorenzentrum W Haus II, eine voll-stationäre Pflegeeinrichtung mit 99 Plätzen, die am 01.07.1984 in Betrieb genommen wur-de. Die Inbetriebnahme einer Erweiterung um 12 Plätze erfolgte am 31.12.1990. Für die Erstinvestition der Pflegeeinrichtung der Klägerin sind Anschaffungs- und Herstellungskos-ten iHv 3.122.361,77 EUR angefallen. Zu diesen Anschaffungs- und Herstellungskosten wur-den vom Kreis Mettmann 544.525,85 EUR und von der T X des Landes NRW 153.387,56 EUR Investitionszuschüsse in Form von Objektförderung / Förderung der Erstinvestition ge-währt. Mit Feststellungbescheid vom 04.04.2016 wurde für das Haus II der vollstationären Pflegeeinrichtung mit 99 Plätzen ein Finanzierungsaufwand von 1.832.521,23 EUR festge-stellt. In Bezug auf die langfristigen Anlagegüter wurde für die Erstinvestition mit Inbe-triebnahme ab dem 01.07.1984 Aufwendungen in Höhe von 3.122.361,77 EUR als betriebs-notwendig anerkannt. Als Restwert für langfristige Anlagegüter wurden 1.169.305,80 EUR festgesetzt.

Mit Bescheid vom 05.04.2016 wurden für 2016 Investitionskosten von täglich 9,02 EUR für das Doppelzimmer und 11,52 EUR für das Einzelzimmer und für 2017 täglich für das Doppel-zimmer 8,97 EUR und für das Einzelzimmer 11,47 EUR festgesetzt.

Gegen beide Bescheide erhob die Klägerin Widerspruch. Gegen den Feststellungsbe-scheid wendete sie ein, dass die Zuwendung der T X des Landes NRW für die Erstinvesti-tion in das Gebäude der Einrichtung in Höhe von 153.387,56 EUR keine öffentliche Förderung sei, sondern ein Zuschuss Dritter. Die anerkennungsfähigen Investitionskosten für die Erstinvestition in langfristige Anlagegüter seien daher um 153.387,56 EUR zu erhöhen. Ge-gen den Festsetzungsbescheid wendete sie ein, dass ab dem 01.01.2016 das langfristige Anlagevermögen mit 46.772,23 EUR jährlich berechnet wurde. Bei der Ermittlung dieses Jah-resbetrages sei der Restwert der Erstinvestition mit Inbetriebnahme zum 01.07.1984 so-wie für die Folgeinvestition für die Erweiterung ab 31.12.1990 insgesamt auf eine Restfi-nanzierungszeit von 25 Jahren bis zum 31.12.2040 verteilt worden. Damit werde faktisch die Gesamt-Refinanzierungsdauer für die Erstinvestition auf 56,6 Jahre verlängert. Zuläs-sig seien aber nur 50 Jahre gem. § 2 Abs 5 APG DVO NRW. Außerdem sei die für 2012 angesetzte Auslastung von 97,67 % für das Doppelzimmer und 97,68% für das Einbett-zimmer und damit eine durchschnittliche Belegung von 2012 bis 2015 in Höhe von 97,45 % zu hoch gewesen, da 2012 ein Schaltjahr mit 366 Tagen gewesen sei. Es habe daher nur eine durchschnittliche Auslastung von 97,36% vorgelegen, was sich auf die Tagessätze auswirke.

Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 29.06.2016 zurück gewiesen. Zur Begründung führte die Beklagte aus, dass die Mittel der T X als Stiftung des Landes NRW eine öffentliche Förderung seien, die gem. § 10 Abs 2 APG NRW bei der Ermittlung der anerkennungsfähigen Aufwendungen aufwandsmindernd zu berücksichtigen seien. Die Verlängerung des Refinanzierungszeitraumes der Erstinvestition aus 1984 durch das Zu-sammenlegen mit der Umbaumaßnahme in 1990 verstoße nicht gegen das Tatsächlich-keitsprinzip. Der für die Verteilung der Aufwendungen zu berücksichtigende Durch-schnittswert sei zu Recht aus dem Jahresdurchschnitt der letzten drei Kalenderjahre vor der Antragstellung ermittelt worden.

Am 28.07.2016 hat die Klägerin Klage erhoben. Zur Begründung führt sie aus, dass nach der Gesetzesbegründung zu § 10 Abs 2 Satz 2 APG NRW Mittel der T X keine Förderung der öffentlichen Hand seien, welche bei der Anerkennung der zu refinanzierenden Beträge für die Investitionsaufwände mindernd zu berücksichtigen seien, da sie mit dem Ziel ge-geben würden, langfristig Eigenkapital der Einrichtungsträger zu ersetzen. Damit im Ein-klang stehe auch die Entscheidung des BSG im Urteil vom 10.03.2011 (Az B 3 P 3/10R). Im Übrigen wiederholt und vertieft sie ihr Vorbringen aus dem Widerspruch.

Sie beantragt,

den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 05.04.2016 sowie des Be-scheides vom 04.04.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.06.2016 zu verurteilen, 1. die Zuschüsse der T X des Landes NRW für die Erstinvestition in das Ge-bäude der Einrichtung iHv ursprünglich 153.387,56 EUR nicht als Zuschuss aus öffentlicher Förderung bei der Feststellung gem. § 11 APG DVO NRW zu berücksichtigen, hilfsweise die Klägerin unter Beachtung der Rechts-auffassung des Gerichts neu zu bescheiden. 2. und die weiteren ab dem 01.01.2016 zu berücksichtigenden Beträge zur Fi-nanzierung für das langfristige Anlagevermögens auf 56.141,08 EUR festzu-setzen (§ 12 APG DVO NRW), hilfsweise die Klägerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie beruft sich darauf, dass nach den Förderungsgrundsätzen der T X NRW die Zuwen-dungen zur unmittelbaren und nachhaltigen Verbesserung der Lebenssituation von Men-schen mit Behinderung, alten Menschen und benachteiligten Kindern gewährt werden. Ziel der Zuwendung sei die Förderung von Zwecken der X und nicht die Verbesserung des Ei-genkapitals von Einrichtungsträgern. Im Übrigen finanziere sich die T X NRW aus Gewin-nen, die die nordrheinwestfälischen Spielbanken erwirtschaften. Die Spielbankabgabe ist nach Maßgabe des Haushaltsplans für öffentliche oder gemeinnützige Zwecke zu verwen-den. Die Abgabe erfolge an das Land, das die Gelder im Rahmen des Haushaltsplanes weiterleitet. Damit handele es sich um öffentlich-rechtliche Fördermittel.

Im Erörterungstermin vom 12.04.2018 kündigte die Beklagte einen Änderungsbescheid an. Daraufhin kündigte die Klägerin an, den diesbezüglichen Klagepunkt 2 für erledigt zu erklären. Die Beteiligten erklärten sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhand-lung einverstanden.

Mit Aufhebungs- und Änderungsbescheid vom 07.05.2018 hob die Beklagte den Feststel-lungsbescheid vom 04.04.2016 insoweit auf als er regelt, dass die Baumaßnahmen von 1984 und 1990 zusammen refinanziert werden. Sie ersetzte die aufgehobene Regel durch folgende Regelung: Die Baumaßnahmen von 1984 und 1990 werden separat finanziert. Mit Aufhebungs- und Änderungsbescheid vom 08.05.2018 hob die Beklagte den Festset-zungsbescheid vom 05.04.2016 und ersetzte ihn durch eine Festsetzung vom 01.01.2016 bis zum 31.12.2017. Auf den Inhalt von Bl. 170 GA wird verwiesen.

Daraufhin erklärte die Klägerin den Klageantrag zu Punkt 2 für erledigt.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakte der Beklagten sowie auf die Gerichtsakte Bezug genom-men. Sie waren Gegenstand der Entscheidung.

Entscheidungsgründe:

Das Gericht konnte ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil beide Beteiligten sich hiermit einverstanden erklärt haben (vgl. § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz -SGG-).

Die Klage ist zulässig und begründet.

Streitgegenstand ist nur noch die Frage, ob die Zuschüsse der T X des Landes NRW für die Erstinvestition in das Gebäude der Einrichtung iHv ursprünglich 153.387,56 EUR nicht als Zuschuss aus öffentlicher Förderung bei der Feststellung gem. § 11 APG DVO NRW zu berücksichtigen sind. Darüber hinaus ist die Klage für erledigt erklärt worden.

Rechtsgrundlage für die Feststellung der anzuerkennenden Aufwendungen ist § 82 Abs 3 SGB XI iVm § 10 Abs 2 des Gesetzes zur Weiterentwicklung des Landespflegerechtes und Sicherung einer unterstützenden Infrastruktur für ältere Menschen, pflegebedürftige Menschen und deren Angehörige (Alten- und Pflegegesetz NRW – APG NRW). § 82 Abs 3 SGB XI in der für den streitigen Zeitraum maßgebenden Fassung lautet: "Soweit be-triebsnotwendige Investitionsaufwendungen nach Absatz 2 Nr. 1 oder Aufwendungen für Miete, Pacht, Erbbauzins, Nutzung oder Mitbenutzung von Gebäuden oder sonstige ab-schreibungsfähige Anlagegüter nach Absatz 2 Nr. 3 durch öffentliche Förderung gemäß § 9 nicht vollständig gedeckt sind, kann die Pflegeeinrichtung diesen Teil der Aufwendungen den Pflegebedürftigen gesondert berechnen. Gleiches gilt, soweit die Aufwendungen nach Satz 1 vom Land durch Darlehen oder sonstige rückzahlbare Zuschüsse gefördert wer-den. Die gesonderte Berechnung bedarf der Zustimmung der zuständigen Landesbehör-de; das Nähere hierzu, insbesondere auch zu Art, Höhe und Laufzeit sowie die Verteilung der gesondert berechenbaren Aufwendungen auf die Pflegebedürftigen einschließlich der Berücksichtigung pauschalierter Instandhaltungs- und Instandsetzungsaufwendungen so-wie der zugrunde zu legenden Belegungsquote, wird durch Landesrecht bestimmt." Ge-mäß § 10 Abs 2 APG NRW sind anerkennungsfähig " ... Aufwendungen, die für bereits durchgeführte Maßnahmen angefallen sind oder für sicher im Veranlagungszeitraum durchzuführende Maßnahmen anfallen werden und betriebsnotwendig sind. Sofern hierfür eine öffentliche Förderung gewährt wurde oder wird, ist diese mindernd zu berücksichti-gen."

"Öffentliche Förderungen" im Sinne von § 82 Abs 3 SGB XI iVm § 9 SGB XI sind dabei Förderungen durch die öffentlich-rechtlichen Gebietskörperschaften (Bund, Länder, Kreise und Kommunen) sowie die Zweckverbände dieser Gebietskörperschaften (zB LVR) nicht aber Zuwendungen von Stiftungen oder Privatpersonen. Auch Mittel der T X sind keine öffentlichen Förderungen in diesem Sinne. Nach der Gesetzesbegründung gewährleistet § 10 Abs 2 Satz 2 APG NRW nämlich, "dass Fo&776;rderungen der o&776;ffentlichen Hand bei der An-erkennung der zu refinanzierenden Betra&776;ge fu&776;r die Investitionsaufwa&776;nde mindernd zu beru&776;cksichtigen sind. Mittel der T X ( ...) werden hiervon nicht umfasst, da sie mit dem Ziel gegeben werden, langfristig Eigenkapital der Einrichtungstra&776;gerinnen und -tra&776;ger zu ersetzen. Daher werden sie in die Refinanzierungsberechnung mit einbezogen. " Diese ausdrückliche Ausnahme dieser Zuschüsse der T X begründet der Gesetzgeber mit dem Argument der Zweckrichtung der Stiftungsförderung. Ziel der Stiftungsförderung ist, lang-fristig Eigenkapital der Einrichtungsträger zu ersetzen.

Die Mittel der T X des Landes NRW gehören nach dieser eindeutigen Gesetzesbegrün-dung zur Überzeugung des Gerichts nicht zu den öffentlichen Förderungen im Sinne des § 10 Abs 2 Satz 2 APG NRW und sind damit im Rahmen der Finanzierung nicht in Abzug zu bringen. Dieser ausdrückliche Wille des Landesgesetzgebers ist für das Gericht maßgeb-lich.

Für diese Auffassung spricht auch BSG, Urteil vom 10.03.2011, Az B 3 P 3/10 R. Das BSG hat die Mittel der T X die ihr wie in NRW aus der Lotteriekonzessionsabgabe zur Er-füllung wohlfahrtspflegerischer Aufgaben zufließen, als Eigenkapital eingestuft und nicht zu den öffentlichen Mitteln im Sinne des § 9 SGB XI gezählt. Dies auch gerade obwohl den Wohlfahrtsverbänden aufgrund ihrer Gemeinnützigkeit und dem Zweck der Finanzhilfen, zur Erfüllung wohlfahrtspflegerischer Aufgaben beizutragen, nur in sehr begrenztem Um-fang möglich ist, die Finanzhilfen aus den Konzessionsabgaben bei Banken oder Sparkas-sen als Kapital anlegen zu dürfen (juris Rn 39).

Im Übrigen hält das BSG eine Anrechnung allenfalls dann für möglich, wenn die Mittel mit der eindeutigen und verbindlichen Verwendungsverpflichtung zur Förderung der Altenhilfe zur Verfügung gestellt werden. Die T X des Landes NRW entscheidet jedoch in eigener Zuständigkeit, für welche Aufgaben innerhalb des Spektrums der Wohlfahrtspflege sie die Mittel gewährt. Neben der Altenhilfe stehen auch die Kinder- und Jugendhilfe, Behinder-tenhilfe, Integrationsarbeit uvm zur Verfügung. Den Stiftungsgrundsätzen lässt sich ein-deutig entnehmen, dass der Stiftung ein Ermessen zusteht, ob und welche Projekte oder Einrichtungen unterstützt werden. Die Stiftung entscheidet über die Verwendung der je-weils zugeteilten Gelder im Rahmen des Spektrums der Wohlfahrtspflege in eigener Zu-ständigkeit. Daher ist es nach Überzeugung der Kammer auch unerheblich, ob die T freie X in NRW wie in Niedersachsen einen Rechtsanspruch dem Grunde nach auf die Abgabe der Spielbanken hat oder nicht.

Auch die Satzung der T X steht damit im Einklang. Danach sollen Zuschüsse die Hand-lungsmöglichkeiten des Trägers erweitern und nicht anderweitige Förderung aus Mitteln öffentlich-rechtlicher Leistungsträger einschränken oder entbehrlich machen.

Dem widersprechen nach Überzeugung des Gerichts auch nicht die Fördergrundsätze der T X NRW, nach denen die Zuwendungen zur unmittelbaren und nachhaltigen Verbesse-rung der Lebenssituation von Menschen mit Behinderungen, alten Menschen und benach-teiligten Kindern gewährt werden, da dieses Ziel nicht durch die Abschreibungsmöglichkeit verhindert wird.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG iVm §§ 154 ff VwGO.
Rechtskraft
Aus
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