L 12 AL 4589/18 NZB

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
12
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 7 AL 291/18
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 12 AL 4589/18 NZB
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Berufung im Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 22.11.2018 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Berufung im Urteil des Sozialgerichts Konstanz (SG) vom 22.11.2018 ist zulässig (vgl. § 145 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz [SGG]), sie ist jedoch nicht begründet; die Voraussetzungen für eine Zulassung der Berufung liegen nicht vor.

Nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG bedarf die Berufung der Zulassung, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands bei einer Klage, die eine Geld- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750,00 EUR nicht übersteigt. Diese Regelung findet nur dann keine Anwendung, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG). Dieser Beschwerdewert wird vorliegend nicht erreicht; der Ausnahmetatbestand des § 144 Abs. 1 Satz 2 SGG liegt nicht vor. Gegenstand des Klageverfahrens S 7 AL 291/18 war ursprünglich der Bescheid vom 11.12.2017, geändert durch Bescheid vom 27.12.2017 (in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 08.01.2018), mit dem die Beklagte die Bewilligung von Arbeitslosengeld (Alg) – zuletzt – mit Wirkung ab 15.12.2017 aufgehoben hat. Nachdem der Klägerin für die Zeit ab 09.01.2018 Alg mit Bescheid vom 17.01.2018 bewilligt worden ist, entfaltete der hier streitige Aufhebungsbescheid Rechtswirkungen nur für die Zeit vom 15.12.2017 bis 08.01.2018. Für diesen Zeitraum ergab sich bei einem täglichen Leistungssatz von 15,26 EUR ein Gesamtanspruch auf Alg in Höhe von 381,50 EUR. Aus dem ihre Klage abweisenden Urteil des SG vom 22.11.2018 ergibt sich für die Klägerin nur eine Beschwer in dieser Höhe: Dabei ist ohne Relevanz, dass die Beklagte die ursprünglich im Wege der isolierten Anfechtungsklage angegriffenen Bescheide im Verlauf des Klageverfahrens zurückgenommen bzw. ersetzt und die Klägerin ihr Begehren (sinngemäß) wegen der damit eingetretenen Erledigung im Wege der Fortsetzungsfeststellungsklage weiterverfolgt hat. Ein Wert des Beschwerdegegenstands von über 750,00 EUR wird somit nicht erreicht. Soweit die anwaltlich vertretene Klägerin geltend macht, der Gegenstandswert des Fortsetzungsfeststellungsantrags sei nach § 52 Abs. 2 Gerichtskostengesetz (GKG) mit 5.000,00 EUR zu beziffern, verkennt sie schlicht den im sozialgerichtlichen Verfahren nach § 183 SGG grundsätzlich geltenden Grundsatz der (Gerichts-) Kostenfreiheit, der eine Anwendung der GKG ausschließt. Ein Fall des § 197a SGG, in dem ausnahmsweise Gerichtskosten nach dem GKG zu erheben wären, liegt ersichtlich nicht vor.

Da das SG die Berufung im Urteil nicht zugelassen hat, bedarf eine Berufung der Zulassung durch Beschluss des LSG (vgl. § 144 Abs. 1 Satz 1 SGG). Nach § 144 Abs. 2 SGG ist die Berufung zuzulassen, wenn (1.) die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, (2.) das Urteil von einer Entscheidung des LSG, des Bundessozialgerichts (BSG) oder des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder (3.) ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

Keine dieser Voraussetzungen liegt hier vor. Der Rechtssache kommt zunächst keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG zu. Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache dann, wenn ihre Entscheidung über den Einzelfall hinaus dadurch an Bedeutung gewinnt, dass die Einheit und Entwicklung des Rechts gefördert wird oder dass für eine Anzahl ähnlich liegender Fälle eine Klärung erfolgt (ständige Rechtsprechung des BSG seit dem Urteil vom 14.12.1955 - 7 RAr 69/55 - BSGE 2, 121, 132 zur entsprechenden früheren Vorschrift des § 150 Nr. 1 SGG). Die Streitsache muss mit anderen Worten eine bisher nicht geklärte Rechtsfrage aufwerfen, deren Klärung im allgemeinen Interesse liegt, um die Rechtseinheit zu erhalten und die Weiterentwicklung des Rechts zu fördern; die entscheidungserhebliche Rechtsfrage muss klärungsbedürftig und klärungsfähig sein (so Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Auflage 2017, § 144 Rn. 28; vgl. dort auch § 160 Rn. 6 ff. mit Nachweisen aus der Rechtsprechung zur Frage der Revisionszulassung). Eine klärungsbedürftige Rechtsfrage in diesem Sinn wirft die Streitsache nicht auf. Der Streit ist zuletzt nur noch darüber geführt worden, ob die Bescheide vom 11.12.2017 und vom 27.12.2017 (in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 08.01.2018) rechtswidrig gewesen sind. Alle insoweit anzustellenden Erwägungen oder Überlegungen, auch die Frage der Zulässigkeit der (umgestellten) Klage, sind auf den Einzelfall bezogen und werfen keine klärungsbedürftige Rechtsfrage von allgemeiner Bedeutung auf. Soweit die Klägerin vorträgt, das SG habe in der Sache zu Unrecht eine Wiederholungsgefahr und ein Rehabilitationsinteresse verneint, bezieht sich (auch) dieses Vorbringen ersichtlich nur auf den konkreten Einzelfall und ist deshalb nicht klärungsbedürftig im oben dargelegten Sinn.

Darüber hinaus liegt auch eine Divergenz im Sinne des § 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG nicht vor. Eine solche Divergenz ist anzunehmen, wenn tragfähige abstrakte Rechtssätze, die einer Entscheidung des SG zugrunde liegen, mit denjenigen eines der in § 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG genannten Gerichte nicht übereinstimmen. Das SG muss seiner Entscheidung also einen Rechtssatz zugrunde gelegt haben, der mit der Rechtsprechung jener Gerichte nicht übereinstimmt (vgl. hierzu Leitherer, a.a.O., § 160 Rn. 13 mit Nachweisen aus der Rechtsprechung zur Frage der Revisionszulassung). Wie sich aus dem oben Gesagten ergibt, hat das SG auch einen solchen Rechtssatz in seinem Urteil vom 22.11.2018 nicht aufgestellt; auch eine Divergenz kommt deshalb nicht in Betracht.

Auch ein wesentlicher Mangel des gerichtlichen Verfahrens im Sinne des dritten Zulassungsgrundes ist nicht erkennbar. Die Klägerin trägt hierzu im Wesentlichen vor, das SG habe eine unzutreffende Kostenentscheidung, sowohl hinsichtlich der Verpflichtung der Beklagten zur Erstattung ihrer außergerichtlichen Kosten als auch bezüglich der nach § 192 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG auferlegten Verschuldenskosten getroffen. Dass eine Nichtzulassungsbeschwerde auf ein solches Vorbringen nicht gestützt werden kann, ergibt sich bereits unmittelbar aus dem Gesetz. Nach § 144 Abs. 4 SGG ist die Berufung ausgeschlossen, wenn es sich um die Kosten des Verfahrens handelt. Diese Norm erfasst nicht nur die allgemeine Kostenentscheidung, sondern auch die spezielle Kostenvorschrift des § 192 SGG.

Unter dem Gesichtspunkt des rechtlichen Gehörs (§ 62 SGG) oder des Grundsatzes des fairen Verfahrens ergibt sich insoweit ebenfalls kein Verfahrensfehler. Der Klägerin wurde ausreichend Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben; sie hat hiervon auch umfassend durch ihren Bevollmächtigten Gebrauch gemacht. Aus welchen Gründen es zu beanstanden sein soll, dass die Kammervorsitzende vor der Kammerberatung auf die Missbräuchlichkeit der Rechtsverfolgung hingewiesen hat, erschließt sich dem Senat nicht. Nach § 192 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG können diejenigen Kosten auferlegt werden, die dadurch verursacht werden, dass der Beteiligte den Rechtsstreit fortführt, obwohl er auf die Missbräuchlichkeit der Rechtsverfolgung hingewiesen worden ist. Es erscheint offenkundig, dass der Hinweis auf die Missbräuchlichkeit (durch den Vorsitzenden) damit zeitlich vor der Entscheidungsfindung (in der Kammerberatung) erfolgen muss.

Letztlich war das SG, anders als die Klägerin meint, auch nicht gehalten gemäß § 202 SGG in Verbindung mit § 307 Zivilprozessordnung durch Teilanerkenntnisurteil zu entscheiden. Der Senat kann hier offenlassen, ob der Erlass eines Anerkenntnisurteils auch in Betracht kommt, wenn die Annahme des abgegebenen Anerkenntnisses nicht aus tatsächlichen Gründung unmöglich ist, sondern vom Beteiligten einfach nur verweigert wird. Es dürfte näher liegen, in einem solchen Fall das Rechtsschutzinteresse zu verneinen, da der klagende Beteiligte sein Prozessziel allein durch die Annahme des Anerkenntnisses erreichen kann und es einer Entscheidung des Gerichts deshalb nicht mehr bedarf (vgl. zur Problematik B. Schmidt in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Auflage 2017, § 101 Rn. 19 m.w.N.)

Der Erlass eines Anerkenntnisurteils kam im vorliegenden Fall aber schon deshalb nicht in Betracht, weil ein Anerkenntnis im Sinne des § 101 Abs. 2 SGG von der Beklagten überhaupt nicht abgegeben worden ist. Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 21.06.2018 lediglich den Bescheid vom 20.06.2018 übersandt und darauf hingewiesen, dass dem Begehren der Klägerin durch Erlass dieses Bescheids in vollem Umfang entsprochen worden sei und der Rechtsstreit sich dadurch erledigt habe. Ein Anerkenntnis, das nach seiner Annahme als Vollstreckungstitel im Sinne des § 199 Abs. 1 Nr. 3 SGG erst die Verpflichtung zum Erlass eines begehrten Verwaltungsaktes bzw. zur Zurücknahme eines solchen beinhaltet, ist in der Erklärung der Beklagten nicht zu erkennen. Einer solchen bedurfte es, da der dem Begehren der Klägerin entsprechende Bescheid bereits erlassen war, auch nicht mehr. Mit Wirksamwerden des Bescheids vom 20.06.2018 ist dementsprechend das Rechtsschutzinteresse für eine Fortführung des Rechtsstreits mit dem ursprünglichen Klagebegehren entfallen. In einem solchen Fall ist nicht durch Anerkenntnisurteil zu entscheiden, sondern (bei Fortführung der Klage mit dem ursprünglichen Begehren) die Klage wegen Fehlens der Sachentscheidungsvoraussetungen als unzulässig abzuweisen. Im vorliegenden Fall kommt hinzu, dass die Klägerin nach Erledigung des Rechtsstreits die Feststellung begehrt hat, dass die ursprünglich angefochtenen Bescheide rechtswidrig gewesen sind. Diese (zumindest sinngemäß erklärte) Umstellung des Klageantrags führt, ohne dass eine Klageänderung im Sinne des § 99 Abs. 1 SGG vorliegen würde, dazu, dass nur noch über die nun erhobene Fortsetzungsfeststellungsklage (vgl. § 131 Abs. 1 Satz 4 SGG) zu entscheiden ist; über die ursprünglich erhobene isolierte Anfechtungsklage kann demgegenüber keine Entscheidung mehr ergehen.

Die Kostenentscheidung ergeht entsprechend § 193 Abs. 1 SGG.

Diese Entscheidung kann mit der Beschwerde nicht gefochten werden (§ 177 SGG).

Das angefochtene Urteil des SG wird hiermit rechtskräftig (vgl. § 145 Abs. 4 Satz 4 SGG).
Rechtskraft
Aus
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