L 1 SF 1300/17 B

Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
Thüringer LSG
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
1
1. Instanz
SG Nordhausen (FST)
Aktenzeichen
S 26 SF 2287/14 E
Datum
2. Instanz
Thüringer LSG
Aktenzeichen
L 1 SF 1300/17 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Nordhausen vom 12. Juli 2017 wird zurückgewiesen.

Eine Beschwerde an das Bundessozialgericht findet nicht statt.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten über die Höhe der aus der Staatskasse zu erstattenden Rechtsanwaltsvergütung für ein beim Sozialgericht Nordhausen anhängig gewesenes Verfahren, in dem der Beschwerdegegner die Kläger vertrat. Im Hauptsacheverfahren S 23 AS 4147/11 begehrten die Kläger unter Abänderung eines Bewilligungsbescheides vom 7. September 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. April 2011 höhere Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 1. September bis 31. Dezember 2009. Zugleich begehrten sie in dem Verfahren S 23 AS 4148/11 unter Abänderung eines Bescheides der Beklagten vom 10. September 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. April 2011 für den Zeitraum 1. September 2010 bis 28. Februar 2011 und im Verfahren S 28 AS 4145/11 höhere Leistungen für den Zeitraum 1. März 2011 bis 30. Juli 2011.

Das Sozialgericht gewährte den Klägern mit Beschlüssen jeweils vom 3. April 2014 in den Verfahren S 23 AS 4145/11, S 23 AS 4147/11 und S 23 AS 4148/11 Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung unter Beiordnung des Beschwerdeführers.

In den Verfahren fand am 3. April 2014 ein gemeinsamer Erörterungstermin statt. Die Ver-fahren wurden getrennt geladen. Ausweislich der Niederschrift fand eine gemeinsame Erörterung und Zeugeneinvernahme in der Zeit von 13:05 Uhr bis 13:59 Uhr statt. Sodann schlossen die Beteiligten auf Anraten des Sozialgerichts einen Vergleich. In diesem verpflichtete sich die Beklagte, an die Klägerin einen Betrag von 2.466,60 Euro - ohne einen nochmaligen Bescheid zu erteilen - zu zahlen und die außergerichtlichen Kosten der Klägerin zur Hälfte zu tragen.

Am 16. Mai 2014 beantragte der Beschwerdeführer jeweils in allen drei Verfahren die Fest-setzung folgender Gebühren:

Verfahrensgebühr (Nr. 3103 VV-RVG) 170,00 EUR Terminsgebühr (Nr. 3106 VV-RVG) 300,00 EUR Einigungsgebühr (Nr. 1006 VV-RVG) 190,00 EUR Entgelte für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen (Nr. 7002 VV-RVG) 20,00 EUR Fahrtkosten anteilig (Nr. 7003 VV-RVG) 12,50 EUR Zwischensumme 732,70 EUR Umsatzsteuer (Nr. 7008 VV-RVG) 139,21 EUR Gesamtbetrag 871,91 EUR.

Mit Kostenfestsetzungsbeschluss (richtig Vergütungsfestsetzungsbeschluss) vom 18. August 2014 setzte die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle (UdG) die zu zahlende Vergütung aus der Staatskasse jeweils wie folgt fest:

Verfahrensgebühr (Nr. 3103 VV-RVG) 170,00 EUR Terminsgebühr (Nr. 3106 VV-RVG) 200,00 EUR Auslagenpauschale (Nr. 7002 VV-RVG) 20,00 EUR Fahrtkosten (Nr. 7003 VV-RVG) 12,50 EUR Umsatzsteuer (Nr. 7008 VV-RVG) 84,11 EUR Gesamtbetrag 526,81 EUR.

Hinsichtlich der Terminsgebühr wurde die Mittelgebühr als angemessen erachtet. Eine Einigungsgebühr könne nicht in Ansatz gebracht werden. Im Erörterungstermin am 3. April 2014 sei in drei Parallelverfahren ein Vergleich geschlossen worden. In dem Verfahren S 23 AS 4145/11 sei die Einigungsgebühr in Höhe der Mittelgebühr aus der Staatskasse erstattet worden. Eine einheitliche Einigung bezüglich mehrerer Gegenstände führe nur zum Entstehen einer Einigungsgebühr.

Gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss hat der Beschwerdegegner am 29. Oktober 2014 Erinnerung eingelegt. Die Einigungsgebühr sei anzusetzen. Die Staatskasse ist der Erinnerung entgegengetreten und hat auf die Ausführungen in dem Vergütungsfestsetzungsbeschluss verwiesen.

Mit Beschluss vom 12. Juli 2017 hat das Sozialgericht den Vergütungsfestsetzungsbeschluss vom 18. August 2014 abgeändert und die in dem Verfahren S 23 AS 4147/11 aus der Staatskasse zu erstattenden Gebühren und Auslagen auf 752,91 EUR festgesetzt. Die Festsetzung der Terminsgebühr in Höhe der Mittelgebühr sei nicht zu beanstanden. Die Einigungsgebühr nach Nr. 1005, 1006 VV-RVG sei entgegen den Ausführungen im Vergütungsfestsetzungsbeschluss entstanden. Die erfolgte Protokollierung eines einheitlichen Vergleiches für alle drei geladenen Verfahren stehe dem nicht entgegen. Kostenrechtlich mache es keinen Unterschied, ob der Vergleich einheitlich oder separat für jedes geladene Verfahren protokolliert werde. Den Vorschriften über Betragsrahmengebühren nach § 3 RVG sei ein solcher Mehrvergleich fremd, da Streitwerte hier ohne Belang seien. Auch sehe das Vergütungsverzeichnis eine besondere Berücksichtigung von Mehrvergleichen nicht vor. Die Erledigung von weiteren, über den Prozessstoff hinaus reichenden Streitgegenständen, sei für die Entstehung einer Einigungsgebühr ohne Bedeutung. Die Einigungsgebühr sei ebenfalls in Höhe der Mittelgebühr festzusetzen. Das Sozialgericht hat die Gebühren wie folgt berechnet:

Verfahrensgebühr (Nr. 3103 VV-RVG) 170,00 EUR Terminsgebühr (Nr. 3106 VV-RVG) 200,00 EUR Einigungsgebühr (Nr. 1006 VV-RVG) 190,00 EUR Post-/Telekommunikationspauschale (Nr. 7002 VV-RVG) 20,00 EUR Fahrtkosten, Tage-/Abwesenheitsgeld (Nr. 7003, 7005 VV-RVG) 40,20 EUR Fahrtkosten, Tage-/Abwesenheitsgeld (Nr. 7003, 7005 VV-RVG) 12,50 EUR Zwischensumme 623,70 EUR Umsatzsteuer (Nr. 7008 VV-RVG) 120,21 EUR Gesamtbetrag 752,91 EUR.

Hiergegen hat die Staatskasse am 28. August 2017 Beschwerde erhoben. Beanstandet werde die Festsetzung einer Einigungsgebühr nach Nr. 1006 VV-RVG. Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts seien nicht drei Einigungsgebühren, sondern nur eine einheitliche Eini-gungsgebühr angefallen. Bei einer gemeinsamen Einigung in mehreren Rechtsstreitigkeiten derselben Beteiligten entstehe nur eine Einigungsgebühr. Dies gelte auch für den Fall einer fehlenden förmlichen Verbindung nach § 113 SGG. Der Abschluss eines einheitlichen Ver-gleiches bringe den übereinstimmenden Willen des Gerichts und der Beteiligten zum Ausdruck, die Sachen für die Einigung als miteinander verbunden zu behandeln. Unerheblich sei, ob in der Einigung Gegenstände mit geregelt würden, die in unterschiedlichen Angelegenheiten Streitgegenstand seien. Dies gelte nicht nur in Verfahren, in denen streitwertabhängige Gebühren festgesetzt würden, sondern auch bei der Festsetzung von Betragsrahmengebühren. Da die Einigungsgebühr im Verfahren S 23 AS 4145/11 bereits in voller Höhe ausgezahlt worden sei, scheide eine nochmalige Erstattung in den anderen beiden Verfahren aus.

Das Sozialgericht hat der Beschwerde mit Beschluss vom 17. Oktober 2017 nicht abgeholfen und die Akten dem Thüringer Landessozialgericht zur Entscheidung vorgelegt.

Der Berichterstatter hat das Verfahren mit Beschluss vom 21. Dezember 2018 wegen grundsätzlicher Bedeutung dem Senat übertragen.

II.

Anzuwenden ist das RVG in der Fassung bis 31. Juli 2013 (alte Fassung), denn die Beiordnung des Rechtsanwalts ist vor diesem Zeitpunkt erfolgt (§ 60 Abs. 1 Satz 1 RVG). Die Beschwerde ist nach §§ 56 Abs. 2 Satz 1, 33 Abs. 3 Satz 1 RVG statthaft und zulässig. Der Beschwerdewert übersteigt 200,00 Euro.

Die Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.

Die Erinnerung des Beschwerdegegners war zulässig und in der Sache begründet. Das Sozialgericht Nordhausen hat in dem angegriffenen Beschluss vom 12. Juli 2017 die im Verfahren S 23 AS 4147/11 zu erstattenden Gebühren und Auslagen zu Recht unter Einschluss einer Einigungsgebühr auf 752,91 EUR festgesetzt. Der Senat folgt nicht der in Rechtsprechung und Literatur (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 6. Oktober 2016, L 19 AS 4646/16 B, zitiert nach Juris; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 1. Februar 2016, 8 E 651/15, zitiert nach Juris; Müller-Rabe in Gerold/Schmidt, RVG, 23. Aufl. 2017, VV-1003 Rn. 71) vertretenen Auffassung, wonach bei einer gemeinsamen Einigung in mehreren Rechtsstreitigkeiten derselben Beteiligten nur eine Einigungsgebühr entsteht. Nach der zitierten Rechtsprechung soll dies auch dann gelten, wenn zuvor keine förmliche Verbindung nach § 113 SGG erfolgt ist oder eine solche gar nicht zulässig war. Der Abschluss eines einheitlichen Vergleichs wird von dieser Rechtsprechung und Literatur dahingehend interpretiert, dass durch den Abschluss des Vergleichs der übereinstimmende Wille des Gerichts und der Beteiligten zum Ausdruck komme, die Verfahren für die Einigung als miteinander verbunden zu behandeln. Diese Auffassung findet im Gesetz keine Stütze (vgl. LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 7. April 2016 - L 7/14 AS 35/14 B, zitiert nach Juris). Nr. 1003 Satz 1 VV RVG a.F. lautet: "Über den Gegenstand ist ein anderes gerichtliches Verfahren als ein selbständiges Beweisverfahren anhängig: Die Gebühren betragen 1,0". Nr. 1005 VV RVG in der bis zum 31. Juli 2013 geltenden Fassung lautet: "Einigung oder Erledigung in sozialrechtlichen Angelegenheiten, in denen im gerichtlichen Verfahren Betragsrahmengebühren entstehen (§ 3 RVG): Die Gebühren 1000 und 1002 betragen 40,00 bis 520,00 EUR". Nr. 1006 Satz 1 VV-RVG in der bis zum 31. Juli 2013 gelten Fassung lautet: "Über den Gegenstand ist ein gerichtliches Verfahren anhängig: "Die Gebühr 1005 beträgt 30 bis 350 Euro". Damit ist nach dem Wortlaut der Vorschrift davon auszugehen, dass in jedem gerichtlich anhängigen Verfahren eine Einigungsgebühr anfällt. Nur eine förmliche Verbindung der Verfahren nach § 113 SGG vor Abschluss des Vergleiches hat zur Folge, dass nur noch ein Verfahren anhängig ist und alle weiteren nach Verbindung entstehenden Gebühren nur noch in diesem Verfahren anfallen.

Auch Nr. 1000 Abs. 1 Satz 1 VV RVG a.F. bestimmt, dass die Gebühr für die Mitwirkung beim Abschluss eines Vertrags entsteht, durch den der Streit oder die Ungewissheit über ein Rechtsverhältnis beseitigt wird, es sei denn, der Vertrag beschränkt sich ausschließlich auf ein Anerkenntnis oder einen Verzicht. Materiell-rechtlich muss insoweit ausdrücklich oder konkludent ein Einigungsvertrag nach zivilrechtlichen oder öffentlich-rechtlichen Grundsätzen zustande kommen, während einseitige Erklärungen nicht ausreichen (vgl. Senatsbeschluss vom 10. Januar 2018 – L 1 SF 1028/15 B, zitiert nach Juris). Mit dieser eindeutigen Gesetzesfassung der Vorschrift ist aber die Annahme eines einheitlichen Willens der Beteiligten unvereinbar, die Sachen für die Einigung als miteinander verbunden zu behandeln. Damit überhaupt eine Einigung im Sinne der Nr. 1006 VV-RVG a.F. vorliegt, ist Voraussetzung, dass in jedem einzelnen Verfahren ein Einigungsvertrag nach zivilrechtlichen und/oder öffentlich rechtlichen Grundsätzen zustande kommt. Dies schließt es aus, den Beteiligten einen Willen dahingehend zu unterstellen, dass sie für die Einigung von einer konkludenten Verbindung der Verfahren ausgehen. Zudem ist der Wille der Beteiligten für die Annahme einer Verbindung unbeachtlich. Denn § 113 Abs. 1 SGG ermöglicht dem Gericht eine Verbindung von Verfahren derselben Beteiligten durch Beschluss, sofern ein im Gesetz näher bezeichneter Zusammenhang zwischen diesen vorliegt. Die gesetzlich vorgesehene Verbindung führt dazu, dass die miteinander verbundenen Verfahren nur unter einem Aktenzeichen, nämlich unter demjenigen des so genannten führenden Verfahrens, weiterbetrieben werden. Die nach der Verbindung entstandenen Vergütungsansprüche des Rechtsanwalts fallen sodann nur noch im führenden Verfahren an. Eine Verbindung mehrerer Verfahren erfolgt im Beschlusswege. Wird ein Beschluss in einem Termin erlassen, ist dieser zu verkünden und zuzustellen. Nach § 128 SGG i. V. m. § 160 Abs. 3 Nr. 6 der Zivilprozessordnung ist der Verbindungsbeschluss im Protokoll festzustellen. Mit diesen Vorgaben ist die Annahme einer konkludenten Verbindung nicht vereinbar. Das Protokoll wurde hingegen für alle drei Verfahren erstellt und enthält keinen Hinweis auf eine Verbindung der Verfahren. Eine von vornherein nur zeitweise angelegte Verbindung der Verfahren für die erfolgte Einigung ist § 113 SGG fremd. Hätte der zuständige Richter die Voraussetzungen für eine Verbindung als gegeben angesehen, hätte er eine entsprechende Verbindung förmlich beschließen müssen. Ferner ist zu beachten, dass im Kostenfestsetzungsverfahren die Verfahrensgestaltung durch das Prozessgericht grundsätzlich der Vergütungsfestsetzung zugrunde zu legen ist (Senatsbeschluss vom 18. Oktober 2018 - L 1 SF 1302/17 B, zitiert nach Juris). Der Kostenrichter ist daher nicht berechtigt, unterlassene aber aus seiner (nachträglichen) Sicht sinnvolle Prozesshandlungen im Rahmen der kostenrechtlichen Beurteilung "nachzuholen".

Des Weiteren sprechen entscheidend gegen die Auffassung, dass nur eine Einigungsgebühr entsteht, die Konsequenzen dieser Auffassung. Eine Verbindung durch Beschluss nach § 113 SGG führt dazu, dass die miteinander verbundenen Verfahren nur unter einem Aktenzeichen, nämlich unter demjenigen des so genannten führenden Verfahrens, weiterbetrieben werden. Dieses ist im Verbindungsbeschluss zu benennen. Das LSG Nordrhein-Westfalen verteilt in seinem Beschluss vom 6. Oktober 2016 - L 19 AS 646/16 B, zitiert nach Juris, Rn. 80 die Einigungsgebühr, die nach den üblichen Kriterien zu ermitteln ist, anteilig auf die zehn Verfahren, in denen eine Einigung erzielt worden ist. Für eine solche Verteilung der Einigungsgebühr auf alle anhängigen Verfahren, die Gegenstand der Einigung waren, gibt es aber keine Rechtsgrundlage. Ebenso wenig gibt es eine Rechtsgrundlage für die Auffassung der Staatskasse im vorliegen Fall, wonach aufgrund der Bewilligung einer Einigungsgebühr im Verfahren S 23 AS 4145/11 in den beiden anderen Verfahren eine solche Einigungsgebühr nicht mehr bewilligt werden kann. Auch hier bleibt unklar, in welchem Verfahren die Einigungsgebühr festgesetzt werden soll. Dies kann aber in der Praxis erhebliche Konsequenzen haben, sei es das nicht in allen Verfahren, die von der Einigung umfasst sind, Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist oder die Beklagte in unterschiedlichem Umfang die Kosten des Verfahrens zu tragen hat.

Dieses Ergebnis entspricht auch Sinn und Zweck der Regelung. Bei der Einigungs- oder Erledigungsgebühr soll der Beitrag des Anwalts an der Herbeiführung der Einigung oder Erledigung honoriert werden (BT-Drs. 17/11471 S. 271). Ohne Verbindung nach § 113 SGG bezieht sich dieser Beitrag aber auf jedes durch Vergleich beendete Verfahren.

Daher entsteht die Einigungsgebühr nach Nr. 1000, 1006 VV RVG bei einer gemeinsamen Einigung in mehreren Rechtsstreitigkeiten, soweit deren Voraussetzungen im Einzelnen vorliegen, grundsätzlich in jedem Verfahren.

Dies würde auch bei Anwendung der aktuellen Fassung der Nr. 1006 Abs. 1 S. 1 und 2 VV RVG gelten. Die Gebühr bestimmt sich auch dann einheitlich nach dieser Vorschrift, wenn in die Einigung Ansprüche einbezogen werden, die nicht in diesem Verfahren rechtshängig sind. Maßgebend für die Höhe der Gebühr ist die im Einzelfall bestimmte Verfahrensgebühr in der Angelegenheit, in der die Einigung erfolgt. Auch dieser sogenannte Mehrvergleich erfasst nur die Konstellation, dass über das anhängige Verfahren hinaus weitere Ansprüche in die Einigung einbezogen werden. An einer solchen Einbeziehung fehlt es aber, wenn mehrere Verfahren parallel verhandelt und durch Abschluss eines Vergleichs beendet werden. Dass die Vorschrift nicht den Fall parallel verhandelter und verglichener Verfahren erfasst, zeigt sich bereits daran, dass für die Höhe der Gebühr die im Einzelfall bestimmte Verfahrensgebühr in der Angelegenheit, in der die Einigung erfolgt, maßgebend ist. Welche Angelegenheit dies bei parallel verhandelten und verglichenen Verfahren sein soll, lässt sich aber nicht feststellen. Die Situation verhält sich vielmehr so, wie wenn die einzelnen Verfahren zeitlich nacheinander verhandelt und durch Abschluss eines Vergleiches unter Fertigung separater Protokolle beendet werden.

Vorliegend ist festzuhalten, dass auch in dem hier zugrundeliegenden Hauptsacheverfahren S 23 AS 4147/11 eine Einigung in der Sache vorliegt. Anhaltspunkte für eine verdeckte Kla-gerücknahme bestehen nicht. Ausweislich des protokollierten Vergleichs haben sich die Beteiligten zur endgültigen Beilegung aller Ansprüche für den Zeitraum vom September 2009 bis Juli 2011 auf die Nachzahlung eines bestimmten Betrages an die Klägerin zu 1.) ohne Erteilung eines nochmaligen Bescheides geeinigt.

Die Höhe der festgesetzten Vergütung ist nicht zu beanstanden. Entgegen den Ausführungen des Sozialgerichts ist im vorliegenden Verfahren nicht nur die Einigungsgebühr Streitgegenstand, da die anderen Gebühren und Auslagen antragsgemäß festgesetzt wurden. Gegenstand der Überprüfung ist die gesamte Kostenfestsetzung (vgl. Senatsbeschluss vom 01. November 2018 – L 1 SF 1358/17 B; Thüringer Landessozialgericht, Beschlüsse vom 15. April 2015 - L 6 SF 331/15 B und vom 9. Dezember 2015 - L 6 SF 1286/15 B m.w.N., jeweils zitiert nach Juris). Begrenzt wird die Überprüfung allerdings ggf. durch den Antrag des Rechtsanwalts (vgl. Thüringer Landessozialgericht Beschluss vom 7. April 2015 - L 6 SF 145/15 B, zitiert nach Juris) und das Verbot der "reformatio in peius" (vgl. Ahlmann in Riedel/Sußbauer, RVG, 10. Auflage 2015 § 56 Rn. 7). Die vom Sozialgericht vertretene "Anerkennung" einzelner Gebühren durch Nichtangreifen der Gebührenhöhe kommt daher nicht in Betracht. Anhaltspunkte dafür, dass die Vergütung des Beschwerdegegners im Hinblick auf die Verfahrens- und Terminsgebühr als solche höher oder anders festzusetzen wäre, liegen nicht vor. Die Höhe der festgesetzten Einigungsgebühr in Höhe der Mittelgebühr ist ebenfalls nicht zu beanstanden. Zwar ist bei der gebührenrechtlichen Bewertung des Rechtsanwalts zu berücksichtigen, dass bei Abschluss eines mehrere Verfahren umfassenden Vergleichs Synergieeffekte für insgesamt drei Verfahren einzuberechnen sind. Vorliegend ist aber die Besonderheit zu berücksichtigen, dass in den drei anhängigen Verfahren die Höhe der Grundsicherungsleistungen für den Zeitraum September 2009 bis März 2011 im Streit stand. Da insoweit grundsätzlich eine Berechnung für jeden Leistungszeitraum und damit auch für die unterschiedlichen drei Klagezeiträume erforderlich war, sind die Synergieeffekte jedenfalls nicht so erheblich, dass der Ansatz der Mittelgebühr unter Berücksichtigung der dem Rechtsanwalt zustehenden Toleranzgrenze als unbillig anzusehen wäre.

Damit errechnet sich die Vergütung des Beschwerdeführers wie folgt:

Verfahrensgebühr (Nr. 3103 VV-RVG) 170,00 EUR Terminsgebühr (Nr. 3106 VV-RVG) 200,00 EUR Einigungsgebühr (Nr. 1006 VV-RVG) 190,00 EUR Post-/Telekommunikationspauschale (Nr. 7002 VV-RVG) 20,00 EUR Fahrtkosten, Tage-/Abwesenheitsgeld (Nr. 7003, 7005 VV-RVG) 40,20 EUR Fahrtkosten, Tage-/Abwesenheitsgeld (Nr. 7003, 7005 VV-RVG) 12,50 EUR Zwischensumme 623,70 EUR Umsatzsteuer (Nr. 7008 VV-RVG) 120,21 EUR Gesamtbetrag 752,91 EUR.

Die Beschwerde ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet (§ 56 Abs. 2 Satz 2 und 3 RVG). Eine Beschwerde an das Bundessozialgericht findet nicht statt (§§ 56 Abs. 2, 33 Abs. 4 Satz 3 RVG).
Rechtskraft
Aus
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