L 2 U 1/15

Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 40 U 282/11
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 2 U 1/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Die Berufung wird zurückgewiesen. 2. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. 3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über das Vorliegen einer Berufskrankheit nach Nr. 3101 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) – Infektionskrankheit, wenn der Versicherte im Gesundheitsdienst, in der Wohlfahrtspflege oder in einem Laboratorium tätig oder durch eine andere Tätigkeit der Infektionsgefahr in ähnlichem Maße besonders ausgesetzt war.

Der am xxxxx 1964 geborene Kläger, der vom 1. September bis zum 15. November 2008 bei der S2 mbH H. beschäftigt war, zeigte mit Schreiben vom 15. November 2008 bei der Beklagten an, dass es sich bei seiner Erkrankung – einem Erysipel – um eine Berufskrankheit bzw. eine Unfallfolge handele. Seine berufliche Tätigkeit habe im Wesentlichen darin bestanden, die Aufnahme von Müll vorzunehmen. Dabei habe es sich um Lebensmittelreste bzw. Krankenhausabfälle gehandelt, die mit Händen und Füßen bearbeitet worden seien.

Der Kläger wurde vom 23. Oktober 2008 bis zum 7. November 2008 im Krankenhaus G. wegen einer Niereninsuffizienz unklarer Genese, einem Zustand nach Erysipel des linken Unterschenkels und einer arteriellen Hypertonie behandelt. Im Entlassungsbericht heißt es, dass sich der Fußpilz unter Behandlung mit antimykotischer Medikation noch nicht ausreichend zurückgebildet habe, so dass aufgrund des allgemein schlechten Hautzustandes der Fußsohle eine dermatologische Vorstellung empfohlen werde.

Der Hausarzt des Klägers Dr. H1 gab im Arztbrief vom 22. Februar 2009 an, dass der Kläger am 23. Oktober 2008 wegen einer massiven entzündlichen Schwellung des Beines stationär eingewiesen worden sei. Nach dem Arztbrief der Praxis für Nieren- und Bluthochdruckkrankheiten vom 19. Dezember 2008 lasse sich die Genese des akuten Nierenversagens nicht vollständig klären. Da bereits bei Aufnahme im Krankenhaus G. ein Kreatinin von ca. 4 mg/dl bestanden habe, scheide trotz hohem ASL-Titer vom zeitlichen Verlauf eine Poststreptokokken-Glomerulonephritis aus, da diese typischerweise 14 bis 21 Tage nach der Streptokokkeninfektion auftrete. Denkbar sei eine parainfektiöse Glomerulonephritis. Wahrscheinlicher handele es sich um eine akute infektbedingte Verschlechterung einer bereits vorher bestandenen chronischen Glomerulonephritis, z. B. vom IgA-Typ. Sollten nach einigen Monaten immer noch ein nephritisches Sediment und eine Nierenfunktionseinschränkung bestehen, sei eine rein infektionsbedingte Genese unwahrscheinlich.

Der Präventionsdienst der Beklagten führte in seiner Stellungnahme vom 9. Juni 2009 aus, dass der Kläger vom 1. September 2008 bis zum 22. Oktober 2008 als Kraftfahrer für Großbehälter bei der S2 mbH beschäftigt gewesen sei und im Rahmen der Arbeitnehmerüberlassung für die Stadtreinigung H. LKW gefahren habe. Es seien Großbehälter hauptsächlich von Recyclinghöfen abgeholt und zur Verbrennungsanlage oder Verwertungsgesellschaft gefahren und dort entleert bzw. abgesetzt worden. Zum Entleeren sei die hintere Tür geöffnet und dann der Behälter durch Kippen entleert worden. Ggfs. könnten auch geschlossene Presscontainer aus gewerblichen Unternehmen transportiert worden seien. Der Inhalt der Großbehälter seien Sperrmüll, Elektronikschrott oder Siedlungsabfälle gewesen. Es seien kein Sondermüll oder kontaminierte Abfälle in offenen Behältern gefahren worden. Die Arbeitsanweisung untersage eine Verdichtung von Abfällen mit Händen oder Füßen. Offene Behälter müssten jedoch mit Netzen oder Planen abgedeckt werden, wenn die Gefahr bestehe, dass auf der Fahrtstrecke Ladung herausfallen könne. Dabei müsse das Netz bzw. die Plane über die Behälteröffnung gespannt und am Behälterrand befestigt werden. Krankenhausabfälle würden in geschlossenen Behältern transportiert. Der Fahrer komme mit dem Inhalt nicht in Kontakt. Eine Tätigkeit mit einer über das normale Maß hinausgehenden Gefährdung gegenüber Krankheitserregern könne nicht belegt werden.

Im Rahmen einer Untätigkeitsklage vom 26. Mai 2009 gab der Kläger an, dass es sich um verschiedene Müllcontainer gehandelt habe. Es gebe nach oben offene Container, die er zum Beispiel beim H. Großmarkt habe aufnehmen müssen. Diese seien voll mit organischem Müll gewesen. Um einen sicheren Transportweg zu gewährleisten, habe er in die nach oben offenen Müllcontainer hineinsteigen müssen, um ein Transportnetz über die Behältnisse zu befestigen. Die gleiche Tätigkeit sei beim Müllpressen erfolgt. Er habe die Platte im Pressraum öffnen müssen, damit der Inhalt so habe verteilt werden können, dass er die Platte von der Presse wieder habe schließen können. Teilweise habe es sich auch um Müll von Krankenhäusern und Altenheimen gehandelt, wo zum Beispiel infektiöser Krankenhausmüll dabei gewesen sei.

Die Beratungsstelle A. nahm mit Schreiben vom 24. August 2009 für den Kläger zu den Ausführungen des Präventionsdienstes vom 9. Juni 2009 Stellung. Der Kläger habe sehr wohl organische Abfälle transportiert. Diese Behälter seien vom H. Großmarkt abgeholt worden. Dies sei im Auftrag der Firma V. bzw. R.-Entsorgung erfolgt. Außerdem habe er Klinikabfälle vom A1-Krankenhaus, Krankenhaus A2, Krankenhaus B2 und der Stiftung A3 abgeholt. Ferner seien Abfälle vom H. Fischmarkt transportiert worden. Der Kläger sei zudem in die Transporter gestiegen. Bezüglich des Infektionshergangs habe der Kläger berichtet, dass die Infektion nicht über eine Verletzung (Unfall), sondern durch verschmutzte Kleidung und Hände erfolgt sei. Der Kläger habe geschildert, dass er sich wegen Juckreiz mehrfach gekratzt habe und die Infektion möglicherweise hierdurch verursacht worden sei.

Der Präventionsdienst nahm hierzu am 18. September 2009 erneut Stellung. Die angeschuldigten Krankenhausabfälle seien in geschlossenen Behältern transportiert worden. Ein Kontakt zu Haut und Atemwegen sei ausgeschlossen gewesen. Die Angaben des Klägers seien daher nicht schlüssig.

Prof. Dr. H2 teilte in seiner Stellungnahme vom 18. Januar 2010 mit, dass das Nierenbiopsat vom 13. Januar 2010 wie folgt zu beurteilen sei: Es lägen gering- bis mäßiggradige herdförmige glomeruläre und tubulointerstitielle Vernarbungen der Nierenrinde bei geringer mesangioproliferativer Glomerulonephritis vom IgA-Typ und gering- bis mäßiggradiger sog. benigner Nephrosklerose vor. Wahrscheinlich gehe der größte Anteil der beschriebenen glomerulären und tubulointerstitiellen Vernarbungen auf frühere Hochdruckeinflüsse zurück.

Prof. Dr. S. erstattete am 10. Mai 2010 ein arbeitsmedizinisches Zusammenhangsgutachten. Die häufigste Eintrittspforte für die Bakterien bei einer Erysipel-Erkankung sei in über 56 Prozent aller Fälle eine Fußpilzerkrankung. Gegen die Annahme einer wahrscheinlichen beruflichen Verursachung spreche im vorliegenden Fall außerdem, dass der Kläger bereits im Juli 2004 an einem Erysipel derselben Lokalisation erkrankt gewesen sei, ohne dass eine berufliche Exposition vorgelegen habe. Als Ursache der damaligen Erkrankung habe der Kläger einen Mückenstich vermutet. Selbst wenn man einen kausalen Zusammenhang zwischen der beruflichen Exposition und dem Erysipel des linken Unterschenkels im Oktober 2008 bejahe, wäre auch der ursächliche Zusammenhang des Erysipels mit der gleichzeitig festgestellten Niereninsuffizienz nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit herzustellen. Wahrscheinlich sei eine akute infektbedingte Verschlimmerung einer bereits vorher bestandenen chronischen Glomerulonephritis. Auf die Bedeutung von Bluthochdruck und Rauchen als Ursache einer sog. benignen Nephrosklerose sei zu verweisen. Zur weiteren Abklärung sei eine Nierenbiopsie vorgeschlagen worden, die die Verdachtsdiagnose in vollem Umfang bestätigt habe. Sehr wahrscheinlich habe die Infektion im Oktober 2008 im Sinne einer parainfektiösen Reaktion somit nur zu einer vorübergehenden akuten Verschlimmerung einer bereits zuvor vorgelegenen berufsunabhängig entstandenen Nierenerkrankung geführt.

Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 23. Juli 2010 die Feststellung ab, dass es sich bei der Erkrankung des Klägers um eine Berufskrankheit nach Nr. 3101 der Berufskrankheiten-Liste handele. Die Erkrankung sei nicht ursächlich auf die berufliche Tätigkeit zurückzuführen. Sie berief sich hierbei auf das Gutachten von Prof. Dr. S ... Es hätten auch keine konkreten beruflichen Umstände vorgelegen, die eine besondere, über das normale Maß hinausgehende Infektionsgefahr hätten wahrscheinlich erscheinen lassen. Es habe kein Kontakt zu kontaminierten Krankenhausabfällen bestanden, da diese in geschlossenen Behältern transportiert worden seien.

Der Kläger legte am 31. Juli 2010 Widerspruch ein. Der Bevollmächtigte des Klägers verwies u. a. darauf, dass bei einer Vorschädigung durch den Fußpilz der Versicherte in diesem Zustand versichert gewesen sei. Eine Berufskrankheit nach der Nr. 3101 der Anlage 1 zur BKV habe sich daher noch eher einstellen können.

Der Kläger reichte ein Privatgutachten von dem Nephrologen, Hypertensiologen und Umweltmediziner Dr. S1 vom 17. Oktober 2010 zur Akte. Dieser führte aus, dass der Kläger im Rahmen seines Arbeitsverhältnisses einen Arbeitsunfall erlitten habe, der mit einer Verletzung am linken Unterschenkel einhergegangen sei. An dem Tag sei es zu einer erheblichen Kontamination seiner Schutzkleidung gekommen. Dies habe der Kläger zunächst so nicht bemerkt. Beim Ausziehen der Kleidung noch am selben Tag habe er unerträglichen Juckreiz und eine massive Rötung gehabt, die nicht verschwunden sei, sondern sich aggressiv ausgedehnt habe.

Der Kläger legte ein weiteres Privatgutachten von dem Nephrologen und Umweltmediziner Prof. Dr. H3 aus H4 vom 16. Dezember 2010 vor. Es bestehe die Wahrscheinlichkeit, dass das Erysipel des linken Beines Folge einer Verletzung sei, die sich der Kläger bei seiner Arbeit im Müllbereich zugezogen habe. Eine andere Ursache sei nicht zu erkennen. Das Erysipel habe mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einer Verschlimmerung der vorbestehenden renalen Erkrankung geführt.

Dr. H1 nahm mit Schreiben vom 11. August 2010 zu dem Gutachten von Prof. Dr. S. Stellung. Es gebe zwar keinen Beleg für eine unfallbedingte Läsion, es gebe aber auch keinerlei Beweis für eine anderweitige Ursache. Deshalb sei eine unfallbedingte Läsion als Eintrittspforte für das Erysipel durchaus möglich. Durch die Nierenbiopsie sei eine multifaktorielle Genese der chronischen Nierenschwäche als wahrscheinlich anzusehen. Eine bestehende chronische Vorschädigung der Niere sei denkbar. Aber es gebe dafür keine Belege. Ob die chronische Niereninsuffizienz als Berufskrankheit zu werten sei, sei die eine Frage. An dem Zusammenhang des Erysipels mit dem akuten Nierenversagen im Oktober 2008 dürfe es keinen vernünftigen Zweifel geben.

Der Kläger reichte bei der Beklagten eine private gutachterliche Stellungnahme von dem Arzt für Allgemeinmedizin, Umweltmedizin, Betriebsmedizin und Chirotherapie H5 vom 1. Juni 2011 ein. Bei seiner Tätigkeit habe der Kläger direkten Kontakt mit potentiell infektiösem Material (Krankenhausabfall) gehabt und sich ein Bagatelltrauma am linken Unterschenkel zugezogen. Anschließend sei es zu Juckreiz in dieser Region gekommen, Kratzen sei unvermeidbar gewesen. Es habe sich ein Erysipel am linken Unterschenkel gebildet. Möglicherweise könnten mykotische Veränderungen das Auftreten eines Erysipels begünstigen. Ein akutes infektbedingtes Nierenversagen sei unter Wertung aller Gesichtspunkte wahrscheinlich. Ein Nierenvorschaden sei nicht ausreichend nachgewiesen.

Prof. Dr. S. erstattete am 16. Juni 2011 ein ergänzendes arbeitsmedizinisches Zusammenhangsgutachten. Der Versicherte kritisiere zu Recht formelle Mängel, die sich auf die falsche Wiedergabe von einzelnen Behandlungsdaten in seinem Gutachten vom 10. Mai 2010 bezögen. Hinsichtlich der Stellungnahme von Dr. H1 sei darauf hinzuweisen, dass bei der Klinikbehandlung am 23. Oktober 2008 nur die Fußpilzerkrankung, nicht entsprechende Unfallverletzungen am Unterschenkel festgestellt worden seien. Ein grenzwertig erhöhtes Serum-Kreatinin von 1,33 mg/dL sowie eine behandlungsbedürftige starke Erhöhung des Blutdruckes hätten schon anlässlich der Behandlung der ersten Erysipel-Erkrankung im Juli 2004 vorgelegen. Der Bluthochdruck sei nach dem feingeweblichen Befund der am 13. Januar 2010 erfolgten Nierenbiopsie die wahrscheinlich wesentliche berufsunabhängige Ursache der chronischen Niereninsuffizienz. Eine leichte Erhöhung des Serum-Kreatinins auf 1,36 mg/dl sei im Übrigen auch schon bei der Einstellungsuntersuchung am 1. September 2008 aufgefallen. Die Erhöhung des Serum-Kreatinins habe zudem bereits bei der Krankenhausaufnahme bestanden, so dass die Latenzzeit für eine Streptokokkeninfektion zu kurz gewesen sei.

Mit Widerspruchsbescheid vom 1. November 2001 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Auf den Ausgangsbescheid werde Bezug genommen. Herr H1, Herr Prof. Dr. H3 und Herr H5 hätten in ihren jeweiligen Gutachten und Stellungnahmen erklärt, dass die Erkrankung Folge einer Verletzung sei. Eine Verletzung, insbesondere im Sinne eines Arbeitsunfalls, sei jedoch nicht bewiesen und könne daher nicht für die Anerkennung eines Versicherungsfalls herangezogen werden. Herr Dr. S1 nehme dagegen in seinem Gutachten vom 17. Oktober 2010 zur Kausalität zwischen Erkrankung und beruflicher Tätigkeit keine Stellung; hier werde ohne wissenschaftliche Begründung lediglich ein Zusammenhang behauptet. Das Gutachten von Prof. Dr. S. vom 10. Mai 2010 sowie seine Stellungnahme vom 16. Juni 2011 seien wissenschaftlich begründet und in ihrer Beweisführung zum Ursachenzusammenhang nicht zu beanstanden. Ein Arbeitsunfall sei nicht bewiesen. Ein Zusammenhang zwischen der Erkrankung (Erysipel am linken Unterschenkel und Niereninsuffizienz) und der beruflichen Tätigkeit als Kraftfahrer bei der Stadtteilreinigung H. sei nicht wahrscheinlich. Die Erkrankung könne daher nicht als Berufskrankheit anerkannt werden.

Der Kläger hat hiergegen am 4. November 2011 Klage beim Sozialgericht H. erhoben. Die arbeitstechnischen Voraussetzungen seien erfüllt, da der Kläger auch gefährliches Material in offenen Containern transportiert habe. Das Gutachten von Prof. Dr. S. sei nicht verwertbar. Es bestünden keine ernsthaften Zweifel, dass sich der Kläger bei seiner Tätigkeit verletzt habe. Es gebe dafür zwar keinen Beleg, aber es gebe auch keinen Hinweis für eine anderweitige Ursache. Der Kläger sei vor dem Ereignis auch subjektiv hinsichtlich renaler Probleme beschwerdefrei gewesen und habe normale Serumkreatininwerte gehabt. Der Kläger hat eine Bescheinigung von dem Urologen Dr. Fellenberg eingereicht, dass der Kläger an einer chronischen Niereninsuffizienz als mögliche Folge einer Glomerulonephritis auf dem Boden einer Streptokokkeninfektion leide. Bei einem Arbeitsunfall hätten diese Streptokokken über eine Kontamination mit Schmutzwasser ein Erysipel verursacht. Der Kläger hat ein weiteres Privatgutachten von Dr. S1 vom 12. Juni 2012 vorgelegt. Im Vergleich zu den Voruntersuchungen habe sich der Befund an den Nieren signifikant verschlechtert. Dies sei unzweifelhaft auf den schlecht eingestellten Hypertonus zurückzuführen. Die Gesamtsituation sei letztlich auf das Infektionstrauma zurückzuführen und habe sich daraus entwickelt. Eine Toxoplasmose sei bei dem Kläger die Leitinfektion. Als Ursache kämen ausschließlich kontaminierte Abfälle in Frage. Des Weiteren hat der Kläger ein Gutachten von dem Facharzt für Arbeitsmedizin, Umweltmedizin, Rehabilitationswesen, Ernährungsmedizin, Verkehrsmedizin und Reisemedizin Dr. B. vom 1. Oktober 2009 zur Akte gereicht. Bei manchen Betroffenen komme es in identischer Lokalisation von Zeit zu Zeit zu einem immer wiederkehrenden Erysipel. Ursachen für chronisch-rezidivierende Erysipele seien nicht erkannte oder nicht sanierte Eintrittspforten, zumeist Tinea pedum. Im Anschluss an eine Wundrose könne mit einer Latenzzeit von ein bis drei Wochen eine Folgekrankheit, die akute Glomerulonephritis, beobachtet werden. Bei dem Kläger habe ein zweites Erysipel vorgelegen. Möglicherweise spiele bei der Entstehung der Krankheit eine unbehandelte Mykose des linken Fußes eine wesentliche Rolle. Bei dem Kläger lasse sich die Ursache für die Entwicklung der akuten Glomerulonephritis und des akuten Nierenversagens nach der bekannten Datenlage nicht eindeutig klären. Der hohe Kreatininwert zeige sich bereits bei der stationären Aufnahme und nicht wie bei einem typischen Verlauf einer Poststreptokokken-Glomerulonephritis erst ein bis drei Wochen nach einer Infektion. Im vorliegenden Fall sei zu klären, ob es sich nicht um eine vorher bestehende IgA-Nephropathie gehandelt habe, die häufigste Form der Glomerulonephritis. Die IgA-Nephropathie trete oft während oder wenige Tage nach unspezifischen Infekten, was sie von einer Poststreptokokken-Glomerulonephritis unterscheide, auf. Es sei sehr wahrscheinlich, dass die Streptokokkeninfektion zu einer Verschlechterung der bereits bestehenden IgA-Nephropathie geführt habe. Die abschließende Diagnose könne nur durch die immunhistochemische Untersuchung der Nierenbiopsie eindeutig gestellt werden.

Die Beklagte hat eine zweite ergänzende Stellungnahme von Prof. Dr. S. vom 31. Juli 2012 vorgelegt. Dr. S1 gehe fälschlicherweise von einem Arbeitsunfall am 20. Oktober 2008 aus. Zudem verschweige er einen massiven Hypertonus, der bereits im Rahmen der Behandlung eines Erysipels im Juli 2004 festgestellt worden sei. Die Nierenfunktion sei bereits bei der ersten Erysipel-Erkrankung und der arbeitsmedizinischen Einstellungsuntersuchung erhöht gewesen. Eine Toxoplasmose sei weder Ursache noch Folge eines Erysipels und auch keine Ursache für eine IgA-Glomerulonephritis. Ohnehin stehe bei dem Kläger eine Nephrosklerose im Vordergrund, die sich zwanglos durch den bereits seit 2004 bekannten, offensichtlich nur schwer therapierbaren Bluthochdruck erkläre.

Die Stadtreinigung H. hat mit Schreiben vom 13. Dezember 2012 mitgeteilt, dass der Kläger im Zeitraum vom 25. September bis 22. Oktober 2008 im Rahmen der Personalüberlassung als Kraftfahrer im Bereich der Sonderdienste für die Stadtreinigung H. eingesetzt gewesen sei. In der Zeit vom 25. September bis 6. Oktober 2008 sei er als Beifahrer eingearbeitet worden. Betriebsleiter der Sonderdienste sei der Zeuge L1 gewesen.

Seine neuen Prozessbevollmächtigten haben am 30. April 2013 eine erneute Stellungnahme eingereicht. Der Kläger sei arbeitgeberseitig dazu angehalten worden, aus Gründen des Zeitdrucks zum Verdichten des Abfalls mit den Füßen in den Müllcontainer zu steigen. Im Rahmen der Beförderung von Pressbehältern habe der Kläger die Platte im Innenraum öffnen müssen, um den Inhalt zu verteilen und danach die Platte der Presse wieder schließen müssen. Bei all diesen Tätigkeiten habe sich der Kläger mit Mikroorganismen des Abfalls infiziert. Die Frage einer vorbestehenden Fußpilzerkrankung dürfte irrelevant sein. Der Kläger sei in dem Zustand versichert, in dem er sich körperlich bei Arbeitsantritt befunden habe. Bei der damaligen Tätigkeit des Klägers sei im Rahmen der Müllabfuhr gegen arbeitsschutzrechtliche Bestimmungen verstoßen worden. Durch diese Verletzung von Schutzpflichten im Umgang mit Gefahrstoffen, insbesondere den biologischen Arbeitsstoffen (Bakterien, Pilzen, Zellkulturen), sei entsprechend körperlich gefährdend auf den Kläger eingewirkt worden. Das Erysipel habe auf jeden Fall zu einer erheblichen Steigerung der Glomerulonephritis geführt.

Der Kläger hat des Weiteren ein dermatologisches Privatgutachten von Herrn Z1 vom 28. Oktober 2013 vorgelegt. Als Busfahrer bei der J1 Unfallhilfe habe der Kläger 2004 ein Erysipel am linken Bein erlitten. Als Eintrittspforte der Bakterien bei einem Erysipel lägen in über 95 Prozent der Fälle Fußpilz vor. Die Tatsache, dass eine Nierenkrankheit erst 14 Tage nach einem Erysipel entstehe, möge sein. Der Kläger habe sich aber schon zwei Wochen vor dem Aufnahmetag im Krankenhaus G. mit Beschwerden im linken Bein herumgeschleppt. Das erste Erysipel im Jahr 2004 habe mit dem zweiten 2008 sicher nichts zu tun. Es habe nach dem ersten Erysipel keine Schädigung des Gewebes am linken Bein, wie bleibende Beinödeme nur links oder eine Lymphödementwicklung, gegeben. Die Untersuchung zeige bis heute am linken Bein keine chronischen Spätfolgen wie Lymphödeme usw. Bei einer Erysipelerkrankung sei von einer Inkubationszeit von drei bis fünf Tagen auszugehen. Er kenne auch Patienten, bei denen es zwei Wochen gedauert habe. Ein Zusammenhang zur beruflichen Tätigkeit sei sehr hochwahrscheinlich, weil als Folge der Berufskleidung (Sicherheitsschuhe) und der Arbeitsbedingungen Fußpilz entstanden sei und sich daraus ein Erysipel entwickelt habe. Ein Zusammenhang zur Nierenerkrankung sei hoch wahrscheinlich. Der Kläger hat noch ein weiteres dermatologisches Gutachten vom 27. Februar 2014 von Dr. M. aus K. zur Akte gereicht. Es sei der Aussage des Hautarztes Z1 zu folgen, dass das berufliche Tragen von Sicherheitsschuhen einen Fußpilz ebenso begünstige wie der ständige Feuchtigkeitskontakt, der mit der Arbeit verbunden gewesen sei. Zudem könne nicht ausgeschlossen werden, dass die Infektion über den Stich einer kontaminierten ungeschützten Nadel, die aus einem der Plastiksäcke herausgeragt habe, erfolgt sei. Der Argumentation, dass es sich bei dem zweiten Erysipel nicht um ein Rezidiv gehandelt habe, sei zu folgen. Hätte das Erysipel über diesen Zeitraum persistiert, wäre ein sekundäres Lymphödem unvermeidlich gewesen.

Dr. S. hat am 23. Oktober 2014 ein internistisch-arbeitsmedizinisches Gutachten nach Aktenlage für das Sozialgericht erstattet. Bei dem Kläger habe ein Erysipel vorgelegen. Eine solche Erkrankung sei Gegenstand einer Berufskrankheit, die in der Nr. 3101 der Anlage 1 zur BKV als Erkrankung aufgeführt sei. Die Reaktion der Niere sei als Glomerulonephritis gedeutet worden. Eine solche im Sinne einer akuten Nephritis sei u.a. bekannte Nebenwirkung einer Streptokokkeninfektion. Typisch für eine Post-Streptokokkennephritis sei die rasche Normalisierung der Nierenausscheidung nach Ausheilen der Entzündung. Der Urinbefund mit Erythrozytausscheidung und dysmorphen Erythrozyten sei ein klassischer Befund einer Post-Streptokokkennephritis. Dagegen spreche allerdings der zeitliche Verlauf, da die Niere erst mit einer Latenzzeit von im Mittel zehn Tagen reagiere, dies allerdings mit einer großen Variabilität. Die Nierenfunktionsstörung im Sinne einer postinfektiösen Nephritis sei im Verlauf der Erkrankung rückläufig gewesen und sei direkte Folge des Erysipels gewesen. Der Nephrologe habe eine parainfektiöse Glomerulonephritis und differentialdiagnostisch eine vorbestehende Glomerulonephritis unklarer Genese mit Verschlechterung unter Infekt und Verdacht auf zusätzlich bestehende Nephrosklerose vermutet. Goldstandard in der Diagnose von Nierenerkrankungen sei die feingewebliche Untersuchung von Nierengewebe. Der Pathologe beschreibe glomeruläre und tubulointerstitielle Vernarbungen, eine geringgradige angioproliferative Glomerulonephritis vom IgA-Typ und eine gering- bis mäßiggradige benigne Nephrosklerose. Der histopathologische Befund sei nicht anzuzweifeln. Die beschriebene Nephrosklerose sei mit hoher Wahrscheinlichkeit ursächlich durch den vorbestehenden Bluthochdruck bedingt. Es befänden sich im Bereich der Glomerula Ablagerungen des Immunglobulins A, dies im Sinne einer sog. IgA-Nephritis. Die IgA-Nephritis sei die häufigste Form der idiopathischen Glomerulonephritis. Sie könne auch sekundär im Zusammenhang mit verschiedenen immunologischen Erkrankungen auftreten. In einzelnen Falldarstellungen werde ein Zusammenhang zwischen einer vorangegangenen Streptokokkeninfektion und einer IgA-Nephritis beschrieben. Ein Zusammenhang zwischen dem Erysipel und dieser Nierenstörung sei nach den Kriterien des Unfallrechts nicht wahrscheinlich. Wahrscheinlicher sei, dass es unter der akuten Entzündung zu einer transitorischen Verschlechterung einer vorbestehenden Nierenerkrankung gekommen sei. Veränderungen im Sinne einer Poststreptokokken-Glomerulonephritis seien bei der histopathologischen Untersuchung nicht nachgewiesen. Solche ließen sich histopathologisch eindeutig von der IgA-Glomerulonephritis unterscheiden. Der Kläger leide an einer Niereninsuffizienz Stadium II bis III mit mittelschwerer Einschränkung der Nierenfunktionsleistung, die nach dem histopathologischen Untersuchungsergebnis Folge der berufsunabhängigen IgA-Nephritis sei. Die Auflistung der Kreatininwerte zeige, dass nur wenige Monate nach der durch die postinfektiöse Glomerulonephritis bedingten Niereninsuffizienz die Kreatininerhöhung wieder rückläufig gewesen sei. Im Jahr 2009 habe die Kreatininkonzentration in der Größenordnung, die vor der Aufnahme der Tätigkeit am 1. September 2008 bestanden habe, gelegen. Es sei nicht zu belegen, dass durch das Erysipel eine bleibende und fortschreitende Nierenfunktionsstörung eingetreten sei. Dieser Verlauf sei übereinstimmend mit einer durch die histopathologische Untersuchung festgestellten Vorschädigung der Niere durch eine – möglicherweise idiopathische – IgA-Nephritis. Der Kläger habe ausgeführt, dass er Müllcontainer, überwiegend mit biologischen Abfällen, habe abholen müssen, und zwar auch von Krankenhäusern. Häufig habe er den Müll mit den Füßen verdichten müssen, um ein Netz darüber spannen und die Container abtransportieren zu können. Lege man die Aussage des Klägers für die gesamte Zeit der Tätigkeit zugrunde, so müsse von einer Gefährdung im Sinne der Berufskrankheit Nr. 3101 der Anlage 1 zur BKV ausgegangen werden. Der Beginn der Erkrankung könne auf den 20. Oktober 2008 datiert werden. Die Inkubationszeit betrage zwei bis fünf Tage. Die Infektion müsse somit im Zeitfenster vom 15. bis 18. Oktober 2008, naturgemäß mit einer gewissen Spannbreite, stattgefunden haben. Anhand der Lieferscheine lasse sich genau nachvollziehen, welche Materialien vom Kläger, der überwiegend als Fahrer tätig gewesen sei, transportiert worden seien. An keiner Stelle sei dokumentiert, dass speziell kontaminierte Krankenhausabfälle abgeholt und entsorgt worden seien. Auch sei in dieser Zeit keine Verletzung dokumentiert, die zu einem Erysipel hätte führen können. In diesem Fall wäre letzteres keine Berufskrankheit, sondern ein Arbeitsunfall. Es lasse sich daher nicht belegen, dass der Kläger einer besonderen Gefährdung ausgesetzt gewesen sei. Bei dem Kläger habe zudem ein bekannter außerberuflicher Risikofaktor für das Erysipel bestanden, und zwar die Interdigitalmykose.

Das Sozialgericht Hamburg hat die Klage mit Urteil vom 28. November 2014 abgewiesen. Es sei nicht wahrscheinlich, dass die berufliche Tätigkeit die Erysipelerkrankung bzw. die Nierenstörung beim Kläger verursacht habe. Eine besondere Ansteckungsgefahr im Sinne des Tatbestandes der Berufskrankheit Nr. 3101 sei nicht nachgewiesen. Eine besondere Ansteckungsgefahr könne sich im Einzelfall aufgrund der Durchseuchung des Umfeldes der Tätigkeit oder der Übertragungsgefahr der ausgeübten Verrichtung ergeben. Der Grad der Durchseuchung sei sowohl hinsichtlich der kontaminierten Personen als auch der Objekte festzustellen, mit oder an denen zu arbeiten sei. Eine schlichte Infektionsgefahr genüge hingegen nicht. Nach Aussage des Arbeitgebers habe der Kläger im möglichen Inkubationszeitraum keine infizierten bzw. kontaminierten Gefahrgüter transportiert. Insbesondere habe der Kläger im fraglichen Zeitraum auch keine Krankenhausabfälle gefahren. Die Kammer folge nicht den gutachterlichen Ausführungen, die der Kläger von Dr. S1, Prof. Dr. H3, Herrn H5 usw. im Verfahren eingereicht habe. Sämtliche dieser Sachverständigen seien davon ausgegangen, dass der Kläger bei seiner beruflichen Tätigkeit ein Unfallereignis bzw. ein Bagatelltrauma erlitten habe, welches als Eintrittspforte für die Streptokokkenerkrankung gedient habe. Da es aber an einem entsprechenden Nachweis einer Verletzung im Vollbeweis fehle, seien diese gutachterlichen Ausführungen als bloße Möglichkeiten im Rechtssinne zu werten. Ob die bei dem Kläger im Oktober 2008 festgestellte Nierenfunktionsstörung im Sinne einer IgA-Nephritis in einem Zusammenhang mit der Erysipelerkrankung stehe, müsse die Kammer nicht mehr feststellen, weil die Erysipelerkrankung bereits keinen beruflichen Bezug im Sinne des Berufskrankheitenrechts aufgewiesen habe.

Gegen das den früheren Bevollmächtigten des Klägers am 10. Dezember 2014 zugestellte Urteil hat die neue Bevollmächtigte des Klägers am 6. Januar 2015 Berufung eingelegt. Der Kläger habe im Zeitraum, in dem er sich die Infektion zugezogen haben müsse, Krankenhausabfälle und Abfälle des H. Fischmarkts zur Müllverbrennungsanlage H. Volkspark transportiert und dort entsorgt. Dr. S. verfüge nicht über die fachliche Eignung, so dass sein Gutachten nicht verwertbar sei. In der Gerichtsakte befänden sich mehrere Lieferscheine von Touren, die der Kläger gemacht habe. Die Absender, bei denen der Kläger den Müll abgeholt habe, seien geschwärzt. Das Sozialgericht habe nichts unternommen, um an ungeschwärzte Tourenzettel zu gelangen. Auch das Gutachten von Prof. Dr. S. sei nicht zu verwerten. Das Sozialgericht habe sich nicht mit sämtlichen ärztlichen Stellungnahmen auseinandergesetzt. Der Kläger habe ein Verbot der Verwendung seiner Sozialdaten ausgesprochen, so dass das Gutachten von Prof. Dr. S. nicht verwertbar sei.

Das Landessozialgericht H. hat im Erörterungstermin am 28. Juli 2015 darauf hingewiesen, dass es nach der Rechtsprechung des BSG für die Anerkennung einer Berufskrankheit nach Nr. 3101 der Anlage 1 zur BKV in der vierten Tatbestandsalternative zunächst des Nachweises einer abstrakten Gefahrenlage und darüber hinaus des Nachweises einer konkret erhöhten Infektionsgefahr bedürfe. Selbst wenn man davon ausgehe, dass der Kläger bei seiner Tätigkeit der Abfallentsorgung einer abstrakten Gefährdung unterlegen habe, sich mit Streptokokken als Auslöser der Wundrose zu infizieren, lasse sich die zusätzlich erforderliche konkret erhöhte Infektionsgefahr bislang gerade nicht feststellen. Eine solche könne nur in Betracht kommen, wenn tatsächlich beruflicher Kontakt zu entsprechend kontaminierten Abfällen aus Krankenhäusern oder Ähnlichem bestanden habe, wofür es bisher keinen Beleg gebe. Zumindest müsse der Kläger angeben, wann konkret von welchem Krankenhaus derartiger Abfall abgefahren worden sei und wer dies bezeugen könne.

Die Bevollmächtigte des Klägers trägt ergänzend vor, dass der Kläger durch seine Tätigkeit des Abtransports von Krankenhausabfällen besonderen Infektionsgefahren ausgesetzt gewesen sei. Der Kläger habe diese Abfälle nicht nur abtransportiert, sondern auch zerstampft. Allein schon die Müllentsorgung an sich, ungeachtet der Entsorgung von Krankenhausabfällen, begründe eine erhöhte beruflich bedingte Infektionsgefahr. Soweit angeführt werde, dass Krankenhausabfälle in geschlossenen Behältern transportiert würden, sei das nicht richtig. Die Sicherung der offenen Behälter durch Netze und Planen erfordere, dass die Behälter auch bestiegen werden müssten, so dass der Kläger zwangsläufig mit kontaminierten Abfällen in Berührung gekommen sei. Bei den Sonderabfuhren, für die der Kläger eingesetzt gewesen sei, habe es sich um den Transport von Krankenhausabfällen gehandelt. Dies könnte der Zeuge L1 bestätigen. Der Kläger sei zum Unfallzeitpunkt über die Beklagte versichert, auch wenn der Kläger gegen Sicherheitsvorschriften verstoßen habe, als er den Müll mit seinen Füßen verdichtet habe und mit dem linken Bein in den Müllcontainer gestiegen sei.

Der Kläger beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 28. November 2014 sowie den Bescheid vom 23. Juli 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 1. November 2011 aufzuheben und festzustellen, dass bei dem Kläger die Berufskrankheit der Nr. 3101 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung vorliegt.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte ist der Auffassung, dass das Tatbestandsmerkmal einer besonderen Infektionsgefahr nicht nachgewiesen sei. Die Berufskrankheit Nr. 3101 der Anlage 1 zur BKV erfasse ausschließlich von Mensch zu Mensch übertragbare Krankheiten. Der Nachweis über den Transport von Krankenhausabfällen könne nicht geführt werden.

Auf gerichtliche Nachfrage hat die Stadtreinigung H. mit Schreiben vom 7. Januar 2016 mitgeteilt, dass der Kläger nicht Mitarbeiter der Stadtreinigung gewesen sei. Herr L1 sei auch nicht in der für Sonderdienste zuständigen Abteilung tätig gewesen. Sonderdienste und Sonderabfuhr würden keine besonderen Abfallarten bezeichnen, sondern einen betrieblichen Geschäftsbereich abbilden, der alle Sammlungstätigkeiten umfasse, die nicht im Rahmen der turnusmäßigen Müllabfuhr stattfänden. Es handele sich um einzelne Touren, wobei die Abholstellen sehr verschieden sein könnten. Hierbei sei nicht auszuschließen, dass in diesem Rahmen als Sonderabfuhr auch Krankenhausabfälle abgeholt würden. Es sei jedoch nicht mehr nachvollziehbar, ob der Kläger in diesem Zusammenhang tätig geworden sei.

Am 21. Januar 2018 hat Dr. B1 ein dermatologisches und umweltmedizinisches Gutachten nach § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) erstellt. Offenbar sei es bei der Tätigkeit des Klägers üblich gewesen, die Abfälle auf der Ladefläche mit dem Körpergewicht zu verdichten, um ein Netz über die Ladefläche spannen zu können. Regelmäßig sei auch eine Durchfeuchtung der Arbeitshose aufgetreten. Auch das aktuelle klinische Erscheinungsbild bei der Untersuchung sei mit einer Tinea pedum durchaus vereinbar, jedoch sei die mykologische Untersuchung negativ gewesen. Insofern seien auch Mikroverletzungen am Unterschenkel in Betracht zu ziehen. Aufgrund seiner Tätigkeit sei der Kläger einem erhöhten Infektionsrisiko ausgesetzt gewesen: Kontakt zu biologischen Abfallstoffen, Durchfeuchtungen der Arbeitshose, mechanische und physikalische Hautreizungen. Das 2004 aufgetretene Erysipel am linken Unterschenkel müsse als unabhängiges Ereignis angesehen werden, das folgenlos abgeheilt sei und keinen Risikofaktor für die spätere Erkrankung darstelle. Welchen Anteil die parainfektiöse Nierenfunktionsstörung vom Oktober 2008 im Vergleich zu Hypertonie und Nikotinkonsum an der Gesamtheit der bioptisch nachgewiesenen Nierenschädigung habe, müsse von internistisch-nephrologischer Seite beurteilt werden. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) werde wesentlich durch die chronische Nierenfunktionsstörung bedingt und müsse letztlich von nephrologisch-internistischer Seite beurteilt werden. In der einschlägigen Literatur werde die MdE mit 20 bis 30 Prozent beziffert bei Kreatininwerten unter 2 mg/dl. Die Fußpilzinfektion als vermutete Eintrittspforte sei weder mykologisch nachgewiesen noch fänden sich in den Krankenhausberichten klinische Hinweise hierfür, wie z. B. eine Lymphangitis am Fußrücken.

Der Senat hat in der mündlichen Verhandlung Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen L1. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 12. Dezember 2018 verwiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Prozessakte und die Verwaltungsakte ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die statthafte (§§ 143, 144 SGG) und auch im Übrigen zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte (§ 151 SGG) Berufung ist unbegründet. Das Sozialgericht hat die zulässige kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage (§ 54 Abs. 1 S. 1 i.V.m. § 55 Abs. 1 Nr. 3 SGG) zu Recht abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Klagegegenstand – bereits des erstinstanzlichen Verfahrens – ist allein die Frage, ob das Vorliegen der Berufskrankheit nach der Nr. 3101 der Anlage 1 zur BKV festzustellen ist. Es ist hingegen nicht darüber zu entscheiden, ob die Nierenerkrankung des Klägers Folge der Berufskrankheit ist und ob dem Kläger Leistungsansprüche zustehen.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Anerkennung der Berufskrankheit Nr. 3101 der Anlage 1 zur BKV. Nach § 9 Abs. 1 des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII) sind Berufskrankheiten Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als Berufskrankheiten bezeichnet und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit erleiden. Die Bundesregierung wird ermächtigt, in der Rechtsverordnung solche Krankheiten als Berufskrankheiten zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind; sie kann dabei bestimmen, dass die Krankheiten nur dann Berufskrankheiten sind, wenn sie durch Tätigkeiten in bestimmten Gefährdungsbereichen verursacht worden sind oder wenn sie zur Unterlassung aller Tätigkeiten geführt haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheiten ursächlich waren oder sein können. Von dieser Ermächtigung hat der Verordnungsgeber mit Nr. 3101 der Anlage 1 zur BKV dahingehend Gebrauch gemacht, dass als Berufskrankheit Infektionskrankheiten anerkannt werden, wenn der Versicherte im Gesundheitsdienst, in der Wohlfahrtspflege oder in einem Laboratorium tätig oder durch eine andere Tätigkeit der Infektionsgefahr in ähnlichem Maße besonders ausgesetzt gewesen ist.

Bei der Infektionskrankheit des Klägers handelte es sich nicht um eine solche Berufskrankheit nach Nr. 3101 der Anlage 1 zur BKV. Im Regelfall müssen bei einer Listen-Berufskrankheit folgende Voraussetzungen vorliegen: Die Verrichtung einer – grundsätzlich – versicherten Tätigkeit (sachlicher Zusammenhang) muss zu Einwirkungen von Belastungen, Schadstoffen oder Ähnlichem auf den Körper geführt (Einwirkungskausalität) und die Einwirkungen müssen eine Krankheit verursacht haben (haftungsbegründende Kausalität). Dass die berufsbedingte Erkrankung ggf. den Leistungsfall auslösende Folgen nach sich zieht (haftungsausfüllende Kausalität), ist keine Voraussetzung einer Listen-Berufskrankheit (vgl. BSG, Urteil vom 2. April 2009 – B 2 U 30/07 R, juris). Dabei müssen die "versicherte Tätigkeit", die "Verrichtung", die "Einwirkungen" und die "Krankheit" im Sinne des Vollbeweises, also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit vorliegen. Für die nach der Theorie der wesentlichen Bedingung zu beurteilenden Ursachenzusammenhänge genügt die hinreichende Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die bloße Möglichkeit (vgl. BSG, a.a.O.).

Bei der Berufskrankheit Nr. 3101 nach der Anlage 1 zur BKV besteht die Besonderheit, dass die schädliche Einwirkung, also der Ansteckungsvorgang, bei dem die Krankheit übertragen wurde, ein einmaliges, punktuelles Ereignis darstellt, das häufig im Nachhinein nicht mehr ermittelt werden kann. Aus diesem Grund sind Infektionskrankheiten, deren auslösendes Ereignis – die einmalige Ansteckung – an sich eher die Voraussetzungen des Unfallbegriffs erfüllt, als Berufskrankheit aufgenommen worden (BSG, a.a.O.). Um den Nachweisschwierigkeiten zu begegnen, genügt bei der Berufskrankheit Nr. 3101 nach der Anlage 1 zur BKV als "Einwirkungen" im Sinne des § 9 Abs. 1 Satz 2 SGB VII, dass der Versicherte einer der versicherten Tätigkeit innewohnenden "Infektionsgefahr besonders ausgesetzt" war. Es bedarf des Nachweises einer berufsbedingten besonderen, über das normale Maß hinausgehenden Ansteckungsgefahr. Die besondere Infektionsgefahr ist dabei nicht Bestandteil eines Ursachenzusammenhangs zwischen versicherter Tätigkeit und Infektionskrankheit. Sie ersetzt vielmehr als eigenständiges Tatbestandsmerkmal die Einwirkungen und ist mit dem weiteren Tatbestandsmerkmal "Verrichtung einer versicherten Tätigkeit" durch einen wesentlichen Kausalzusammenhang, hingegen mit der "Erkrankung" nur durch die Möglichkeit eines Kausalzusammenhangs verbunden (BSG, a.a.O.). Die besondere Gefahr muss dabei im Vollbeweis vorliegen. Der Begriff der Gefahr setzt eine Wahrscheinlichkeitsprognose voraus, also einen Zustand, bei dem nach den objektiven Umständen der Eintritt eines Schadens als wahrscheinlich gelten kann (BSG, a.a.O.).

Der Kläger war vom 1. September bis zum 15. November 2008 bei der Müllabfuhr tätig und nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII versichert. Der Kläger hat an einer Infektionskrankheit gelitten, die zu einem Erysipel geführt hat. Der Kläger war jedoch keiner besonders erhöhten Infektionsgefahr ausgesetzt. Eine erhöhte Ansteckungsgefahr ist bei Versicherten anzunehmen, die aufgrund ihrer Tätigkeit oder ihres Arbeitsumfeldes einer Infektionsgefahr in besonderem Maße ausgesetzt sind. Die besondere Infektionsgefahr kann sich im Einzelfall aufgrund der Durchseuchung des Umfelds der Tätigkeit oder der Übertragungsgefahr der ausgeübten Verrichtungen ergeben (BSG, a.a.O.). Der Grad der Durchseuchung ist hinsichtlich der kontaktierten Personen als auch der Objekte festzustellen, mit oder an denen zu arbeiten ist. Lässt sich das Ausmaß der Durchseuchung nicht aufklären, kann aber das Vorliegen eines Krankheitserregers im Arbeitsumfeld nicht ausgeschlossen werden, ist vom Durchseuchungsgrad der Gesamtbevölkerung auszugehen (BSG, a.a.O.). Das weitere Kriterium der mit der versicherten Tätigkeit verbundenen Übertragungsgefahr richtet sich nach dem Übertragungsmodus der jeweiligen Infektionskrankheit sowie der Art, der Häufigkeit und der Dauer der vom Versicherten verrichteten gefährdenden Handlungen (BSG, a.a.O.). Der spezifische Übertragungsweg eines bestimmten Krankheitserregers ist unter Zuhilfenahme medizinischer, naturwissenschaftlicher und ggf. technischer Sachkunde dem im Entscheidungszeitpunkt aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstand zu entnehmen. Daneben sind die individuellen Arbeitsvorgänge zu beachten. Da für die Anerkennung der Berufskrankheit Nr. 3101 nach der Anlage 1 zur BKV nicht eine schlichte Infektionsgefahr genügt, sondern eine (z.T. typisierend nach Tätigkeitsbereichen) besonders erhöhte Infektionsgefahr vorausgesetzt wird, kommt es darauf an, welche einzelnen Arbeitshandlungen im Hinblick auf den Übertragungsweg besonders gefährdend sind (BSG, a.a.O.). Die Durchseuchung des Arbeitsumfeldes auf der einen und die Übertragungsgefahr der versicherten Verrichtungen auf der anderen Seite stehen in einer Wechselbeziehung zueinander. An den Grad der Durchseuchung können umso niedrigere Anforderungen gestellt werden, je gefährdender die spezifischen Arbeitsbedingungen sind (BSG, a.a.O.). Je weniger hingegen die Arbeitsvorgänge mit dem Risiko der Infektion behaftet sind, umso mehr gelangt das Ausmaß der Durchseuchung an Bedeutung. Allerdings muss zumindest die Möglichkeit einer Infektion bestehen (BSG, a.a.O.). Ist das nicht der Fall, weil z. B. trotz eines hohen Durchseuchungsgrades die Art der konkret ausgeübten Tätigkeit einen Infektionsvorgang ausschließt, ist für die Annahme einer Gefahr von vornherein kein Raum. Kommt indes eine Infektion in Betracht, ist im Wege einer Gesamtbetrachtung der Durchseuchung und der Übertragungsgefahr festzustellen, ob sich im Einzelfall eine Infektionsgefahr ergibt, die nicht nur geringfügig erhöht ist, sondern in besonderem Maße über der Infektionsgefahr in der Gesamtbevölkerung liegt (BSG, a.a.O.).

Es kann dahinstehen, ob der Kläger tatsächlich an einer Infektionskrankheit gelitten hat, die im Sinne der BK Nr. 3101 der Anlage 1 zur BKV von Mensch zu Mensch übertragen wird. Denn der Senat konnte sich jedenfalls nicht davon überzeugen, dass der Kläger einer Infektionsgefahr in besonderem Maße ausgesetzt gewesen ist. Der Kläger hat ausgeführt, dass er Müllcontainer, überwiegend mit biologischen Abfällen, habe abholen müssen, und zwar auch von Krankenhäusern. Häufig habe er den Müll mit den Füßen verdichten müssen, um ein Netz darüber spannen und die Container abtransportieren zu können. Der Präventionsdienst hat dagegen ermittelt, dass der Kläger hauptsächlich Großbehälter von Recyclinghöfen abgeholt und zur Verbrennungsanlage oder Verwertungsgesellschaft gefahren und dort entleert bzw. abgesetzt habe. Zum Entleeren sei die hintere Tür geöffnet und dann der Behälter durch Kippen entleert worden. Ggfs. könnten auch geschlossene Presscontainer aus gewerblichen Unternehmen transportiert worden sein. Der Inhalt der Großbehälter seien Sperrmüll, Elektronikschrott oder Siedlungsabfälle gewesen. Es seien kein Sondermüll oder kontaminierte Abfälle in offenen Behältern gefahren worden. Die Arbeitsanweisung untersage zudem eine Verdichtung von Abfällen mit Händen oder Füßen. Offene Behälter hätten jedoch mit Netzen oder Planen abgedeckt werden müssen, wenn die Gefahr bestanden habe, dass auf der Fahrtstrecke Ladung herausfallen könne. Krankenhausabfälle würden in geschlossenen Behältern transportiert. Der Fahrer komme mit dem Inhalt nicht in Kontakt. Der Zeuge L1 konnte zu den konkreten Arbeitseinsätzen des Klägers keine Angaben machen. Zum Zeitpunkt der Beschäftigung des Klägers bei der Stadtreinigung war er weder bei den Einsätzen des Klägers anwesend noch im Bereich der Sonderdienste als Abteilungsleiter tätig. Der Zeuge konnte jedoch die vom Präventionsdienst ermittelten Arbeitsbedingungen des Klägers bestätigen. Demnach ist der Kläger nicht im Sinne einer hohen Infektionsgefahr mit den Abfällen in Berührung gekommen. Presscontainer werden geschlossen transportiert. Offene Container werden bei Krankenhäusern, bei denen allenfalls von einer hohen Durchseuchung der Abfälle ausgegangen werden könnte, nicht eingesetzt. Zum Abrollen einer Plane oder Abdecken des Mülls mit einem Netz war das Betreten der Container nicht erforderlich. Eine Verdichtung des Mülls mit Händen oder Füßen war laut der Arbeitsanweisung untersagt. Die Aussage des Zeugen zu den allgemeinen Arbeitsbedingungen war schlüssig und überzeugend. Den Beweis, dass seine konkreten Arbeitseinsätze anders verlaufen sind, hat der Kläger nicht erbringen können. Der von ihm benannte Zeuge konnte hierzu keine Auskunft geben und weitere Zeugen wurden vom Kläger nicht benannt. Ermittlungen ins Blaue hinein waren vor diesem Hintergrund für den Senat nicht veranlasst.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ausgang des Rechtsstreits.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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