L 18 AS 2292/16

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
18
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 82 AS 12676/13
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 18 AS 2292/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 31. August 2016 aufgehoben und die Klage abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind im gesamten Verfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen

Tatbestand:

Der im Jahr 1978 geborene Kläger bezog seit Januar 2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II). Seit einem ohne Zusicherung erfolgten Umzug zum 1. Juli 2007 wurden bei der Berechnung seiner Bedarfe zu Unterkunft und Heizung lediglich die Aufwendungen für die alte Wohnung in Höhe von (iHv) 326,48 EUR berücksichtigt.

Mit Bescheid vom 13. Juli 2011 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 25. Juli 2011 bewilligte der Beklagte dem Kläger für die Monate August bis November 2011 Leistungen iHv monatlich jeweils 726,48 EUR sowie für die Monate Dezember 2011 und Januar 2012 iHv jeweils 690,48 EUR. Mit Bescheid vom 20. Juni 2012 bewilligte der Beklagte dem Kläger für die Zeit vom 1. August 2012 bis 31. Januar 2013 Leistungen iHv monatlich 700,48 EUR.

Mit Schreiben vom 5. Juli 2012 und 3. Oktober 2012 legte der Kläger dem Beklagten die Betriebs- und Heizkostenabrechnungen für die Jahre 2010 und 2011 vor. Danach standen ihm Guthaben für das Jahr 2010 iHv 566,53 EUR (382,66 EUR Betriebskosten und 183,87 EUR Heizkosten; Auszahlung am 28. November 2012) und für das Jahr 2011 in Höhe von 537,85 EUR (309,53 EUR Betriebskosten und 228,31 EUR Heizkosten; Auszahlung am 25. Oktober 2012) zu.

Der Beklagte hörte den Kläger mit Schreiben vom 16. November 2012 zu einer beabsichtigten Rückforderung von Leistungen für die Monate Dezember 2011 und November 2012 iHv insgesamt 652,96 EUR an. Die ihm ausgezahlten Guthaben minderten die Bedarfe für Unterkunft und Heizung im jeweiligen Folgemonat nach Zufluss. Einer Verpflichtung zur Mitteilung der bezeichneten Änderung in den Verhältnissen sei der Kläger zumindest grob fahrlässig nicht nachgekommen, so dass er zur Erstattung verpflichtet sei. Mit Schreiben vom 27. November 2012 wies der Kläger darauf hin, dass er zur Gesamtmiete bis einschließlich Oktober 2011 einen Betrag iHv monatlich 140,78 EUR sowie ab November 2011 einen solchen iHv monatlich 108,53 EUR aus eigenen Mitteln beigetragen habe. Da die Guthabenerstattung geringer sei als sein eigenfinanzierter Anteil, sehe er keine Rückzahlungsverpflichtung.

Mit Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 14. Januar 2013 hob der Beklagte die vorgenannten Bewilligungsbescheide für die Monate Dezember 2011 und November 2012 iHv jeweils 326.48 EUR auf und forderte den Kläger zur Erstattung eines Betrages iHv 652,96 EUR auf. Der Widerspruch des Klägers wurde mit Widerspruchsbescheid vom 22. April 2013 zurückgewiesen. Die Beklagte führte aus: Nach § 22 Abs. 3 SGB II minderten Rückzahlungen und Guthaben, die dem Bedarf für Unterkunft und Heizung zuzuordnen seien, die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach dem Monat der Rückzahlung oder der Gutschrift. Dem Wortlaut der Norm lasse sich nicht entnehmen, dass das zu berücksichtigende Guthaben um Eigenleistungen des Betroffenen im Abrechnungsjahr zu mindern sei. Der Kläger habe tatsächliche Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung in Höhe von 453,39 EUR. Hiervon sei das jeweilige Guthaben in Höhe von 566,53 EUR bzw. 537,85 EUR im Monat nach der Rückzahlung, mithin im Dezember 2011 und November 2012, abzusetzen. Dementsprechend habe der Kläger im Dezember 2011 und im November 2012 keinen Anspruch auf Leistungen für die Unterkunft und Heizung. Abweichend hiervon seien Leistungen iHv jeweils 326,48 EUR bewilligt worden. Gemäß § 40 Abs. 1 SGB II iVm § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 Sozialgesetzbuch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – (SGB X) solle der Verwaltungsakt mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, wenn nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden sei, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruches geführt haben würde. Die Aufhebung erfolge nach dieser Vorschrift verschuldensunabhängig. Als Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse gelte in Fällen, in denen Einkommen oder Vermögen auf einen zurückliegenden Zeitpunkt anzurechnen sei, der Beginn des Anrechnungszeitraums. Mithin sei die Leistungsbewilligung in den Monaten Dezember 2011 und im November 2012 in Höhe der gewährten Bedarfe für Unterkunft und Heizung von jeweils 326,48 EUR aufzuheben, so dass gem. § 50 Abs. 1 SGB X ein Betrag von insgesamt 652,96 EUR zu erstatten sei.

Im Klageverfahren hat der Kläger vorgetragen: Die Regelung des § 22 Abs. 3 SGB II sei hier nicht anwendbar. Die Betriebskostenguthaben seien nicht den Kosten der Unterkunft zuzuordnen. Der Beklagte habe tatsächliche Aufwendungen des Klägers im Jahr 2010 iHv insgesamt 1.689,36 EUR und im Jahr 2011 iHv insgesamt 1.624,86 EUR gerade nicht als Kosten für Unterkunft und Heizung anerkannt. Die Guthaben wären ohne die Zahlung des Klägers aus dem Regelsatz bzw. aus nicht anrechenbarem Erwerbseinkommen nicht entstanden.

Das Sozialgericht (SG) Berlin hat unter Zulassung der Berufung mit Urteil vom 31. August 2016 den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 14. Januar 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. April 2013 aufgehoben. Zur Begründung ist ausgeführt: Die zulässige Anfechtungsklage sei begründet. Die Voraussetzung des § 48 SGB X für eine teilweise Aufhebung der zuvor erteilten Bewilligungsbescheide hätten nicht vorgelegen. Das Bundessozialgericht (BSG) habe zu der (bis 31. Dezember 2010 geltenden) Vorgängerregelung des § 22 Abs. 1 Satz 4 SGB II und für den Fall der Rückzahlung von Betriebskosten entschieden, dass eine Minderung des Anspruches auf Arbeitslosengeld II (Alg II) nur dann um den vollen Rückzahlungsbetrag erfolge, wenn die Aufwendungen der Leistungsberechtigten zu Unterkunft und Heizung durch den hierauf entfallenden Alg II-Anteil vollständig gedeckt seien. Seien dagegen – wie auch im vorliegenden Fall – nur abgesenkte Leistungen zu Unterkunft und Leistung erbracht worden, minderten Betriebskostenerstattungen den Alg II-Anspruch in dem bzw. den folgenden Monaten nur um den Betrag, der nach ihrer Anrechnung auf die tatsächlich erbrachten Aufwendungen für Unterkunft und Heizung verblieben (Urteil vom 12. Dezember 2013 – B 12 AS 83/12 R -, juris Rn. 11). Übertragen auf die Rechtslage seit dem 1. Januar 2011 und den vorliegenden Fall einer Betriebskostenrückerstattung würde dies bedeuten, dass das Betriebskostenguthaben iHv 566,53 EUR bzw. 537,85 EUR zunächst auf die tatsächlich in den Anrechnungsmonaten November 2011 und Oktober 2012 erbrachten Aufwendungen für Unterkunft und Heizung in Höhe von 326,48 EUR anzurechnen gewesen wären. Danach verbleibe kein ungedeckter Unterkunftskostenbedarf für die Monate November 2011 und Oktober 2012, so dass sich der angefochtene Bescheid danach als rechtmäßig erweisen würde. Nach der Rechtsprechung des BSG zu dem bis 31. Dezember 2010 geltenden § 22 Abs. 1 Satz 4 SGB II sei nicht entscheidend, wie das Einkommen erwirtschaftet worden sei und für welche Zeit die Kosten angefallen seien, sondern maßgeblich seien allein die Verhältnisse im Zeitpunkt der Berücksichtigung. Gleichsam spiegelbildlich zu der Verpflichtung des Grundsicherungsträgers, Nachzahlungen unabhängig vom Zeitpunkt der Entstehung der Nachzahlungsverpflichtung zu übernehmen, sei für Rückerstattungen allein der Zeitpunkt der Berücksichtigung maßgeblich. Allerdings seien im vorliegenden Fall bereits die tatbestandlichen Voraussetzungen des hier anzuwendenden § 22 Abs. 3 SGB II (in der ab 1. Januar 2011 bis 31. Juli 2016 geltenden Fassung – aF -) für die Minderung des Alg II-Anspruches des Klägers für die Monate November 2011 und Oktober 2012 nicht erfüllt. Auch wenn die Regelung ausweislich der Gesetzesbegründung (vgl. BR-Drs. 661/10, S. 158) der Vorgängerregelung des § 22 Abs. 1 Satz 4 SGB II entsprechen solle, habe sie insofern einen abweichenden Wortlaut, als nur solche Rückzahlungen und Guthaben relevant seien, die dem Bedarf (vorheriger Wortlaut: Kosten) für Unterkunft und Heizung zuzuordnen seien. Für den Bedarf seien aber nur die angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung heranzuziehen. Bei einer bedarfsbezogenen Betrachtung müssten daher – anders als bei einer kostenbezogenen Betrachtung – diejenigen Leistungen außer Betracht bleiben, die als über den Bedarf hinausgehend angesehen worden seien. Demnach sei die hier in Rede stehende Rückzahlung nicht dem Bedarf für Unterkunft und Heizung zuzuordnen, nach dem die vom Kläger entrichteten Abschlagszahlungen den von dem Beklagten seiner Leistungsbewilligung zugrunde gelegten Bedarf deutlich überschritten hätten und die erfolgte Rückzahlung in vollem Umfang auf den vom Kläger aus dem Regelbedarf bzw. eigenen Erwerbseinkommen finanzierten Anteil entfalle. Eine anders lautende Beurteilung knüpfe ausschließlich an der Kalkulation des Abschlagsbetrages durch den Vermieter an. Eine – wie hier – deutlich überhöhte Abschlagsforderung würde zu einer Kürzung existenzsichernder Leistungen im Monat nach der Jahresabrechnung führen, während Leistungsberechtigte, deren Vermieter von vornherein einen sachgerechten Abschlagsbetrag festgesetzt hätten, eine solche Kürzung nicht hinzunehmen hätten. Auch Sinn und Zweck der Vorschrift rechtfertigte die vorgenannte Auslegung des § 22 Abs. 3 SGB II aF. Diese Regelung solle im Hinblick auf die für Unterkunft und Heizung erbrachten Leistungen die kommunalen Träger schützen. Während bei der nach §§ 11 f SGB II vorzunehmende Anrechnung das erzielte Einkommen zunächst die für den Regelbedarf zu erbringenden Leistungen mindere und damit regelmäßig nicht zu einer Entlastung des kommunalen Trägers führe, sollen Rückzahlungen, die für die Unterkunft und Heizung und damit regelmäßig vom kommunalen Träger erbrachten Leistungen betreffen, diesen auch entlasten. Es solle mithin den kommunalen Trägern Guthaben zu gute kommen, die wesentlich mit ihren Beiträge aufgebracht worden seien. Damit ziele die Regelung gerade nicht auf die Anrechnung von Guthaben ab, welche Leistungsberechtigte aus ihrem Regelbedarf oder auch aus eigenem Erwerbseinkommen erwirtschaftet hätten. Es sei nicht zu verkennen, dass es sich bei § 22 Abs. 3 SGB II aF um eine typisierende Regelung handelt. Soweit das BSG vor diesem Hintergrund für die Anrechnung von Betriebskostenerstattungen nach der vorherigen Rechtslage entschieden habe, dass es für die Anrechnung ohne Bedeutung sei, von wem konkret die Betriebskostenvorauszahlungen in der Vergangenheit erbracht worden seien und auf wen demgemäß der zurückerstattete Betrag entfalle, habe das BSG hierfür maßgeblich darauf abgestellt, dass es bei der einheitlichen Angemessenheitsprüfung unter Einbeziehung der Nettokaltmiete und der kalten Betriebskosten regelmäßig nicht feststellbar sei, welcher Anteil der kalten Betriebskosten vom Grundsicherungsträger getragen wurde und welcher bei den Leistungsbeziehern verblieben sei. Anders als in dem vom BSG entschiedenen Fall lasse sich vorliegend indes durchaus und auch ohne erheblichen Verwaltungsaufwand ermitteln, dass der Grundsicherungsträger an den erstatteten Betriebskosten nicht beteiligt gewesen sei. Damit sei zugleich die Grenze zulässiger Typisierung aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung überschritten. Wenn damit § 22 Abs. 3 SGB II aF keine Anwendung finden könne, so wäre an sich zu prüfen, ob Einkommen im Sinne der §§ 11 f SGB II vorliege. Das sei nach der Rechtsprechung des BSG bei Rückerstattung von Vorauszahlungen jedenfalls dann nicht der Fall, wenn die Vorauszahlungen in Zeiten der Hilfebedürftigkeit erfolgt seien, wie es hier der Fall sei. Dies folge zum einen aus der Wertung des § 11a Abs. 1 Nr. 1 SGB II, nach der "Leistungen nach diesem Buch" nicht als Einkommen anzurechnen sei; zum anderen sei es aber auch geboten, Einnahmen, die aus Einsparungen beim Regelbedarf resultierten, über den jeweiligen Bezugszeitraum hinweg von der Berücksichtigung als Einkommen freizustellen. Diese Argumentation greife auch im vorliegenden Fall. Dem Hilfebedürftigen sei ein Ansparen aus dem Regelbedarf zumutbar, aber auch zuzubilligen (ebenso Landessozialgericht [LSG] Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 23. September 2015 – L 13 AS 164/14 –, juris).

Mit der Berufung trägt der Beklagte vor, dass das BSG in seinem Urteil vom 12. Dezember 2013 (– B 12 AS 83/12 R = SozR 4-4200 § 22 Nr. 74) inzident die Anrechnung von Guthaben trotz abgesenkter Unterkunftsbedarfe für rechtmäßig erklärt habe.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Die Gerichtsakte sowie die Verwaltungsakten (3 Bände) haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung des Beklagten ist begründet.

Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 14. Januar 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. April 2013 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.

Der Aufhebungsverwaltungsakt ist formell und materiell rechtmäßig. Nach dem vorliegend anzuwendenden § 22 Abs. 3 SGB II aF hatte der Kläger im Dezember 2011 und im November 2012 keinen Anspruch auf die ihm bewilligten Bedarfe für Unterkunft und Heizung wegen der ihm November 2011 und Oktober 2012 zugeflossenen Rückzahlungen aus den Betriebs- und Heizkostenabrechnungen für die Jahre 2010 und 2011 ungeachtet der Übernahme nur abgesenkter Leistungen in den Abrechnungszeiträumen. Dies überschreitet nach der Rechtsprechung des BSG, der der Senat folgt, weder die Grenzen zulässiger Typisierung noch steht dem § 11a Abs. 1 Nr. 1 SGB II entgegen. § 22 Abs. 3 SGB II in der ab 1. August 2016 geltenden Fassung (nF) stellt insoweit eine echte Rechtsänderung dar, die hier keine Anwendung findet.

Rechtsgrundlage für den Aufhebungsverwaltungsakt ist in verfahrensrechtlicher Hinsicht § 40 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Nr. 3 SGB II iVm § 48 Abs. 1 Satz 2. Nr. 3 SGB X sowie § 330 Abs. 3 Satz 1 Sozialgesetzbuch – Arbeitsförderung - (§ 40 SGB II idF der Bekanntmachung vom 13. Mai 2011, BGBl I 850; zur Maßgeblichkeit des im Zeitpunkt der Aufhebung geltenden Rechts vgl. letztens BSG vom 7. Dezember 2017 - B 14 AS 7/17 R = SozR 4-4200 § 7 Nr. 55, Rn. 10). Rechtsgrundlage in materiell-rechtlicher Hinsicht ist § 22 Abs. 3 SGB II aF (Bekanntmachung vom 13. Mai 2011, BGBl I S. 850), nicht die seit 1. August 2016 geltende neue Fassung dieser Vorschrift, weil sich § 22 Abs. 3 SGB II nF keine Rückwirkung für vergangene Zeiträume beimisst und auch die einschlägige Übergangsvorschrift des § 80 SGB II keine Rückwirkung für § 22 Abs. 3 SGB II nF regelt (Geltungszeitraumprinzip, vgl. BSG vom 19. Dezember 2016 - B 14 AS 53/15 R = SozR 4-4200 § 11 Nr. 78 Rn. 14 f). Aufgrund dieser Vorschriften sind die Alg II-Bewilligungen für Dezember 2011 und November 2012 aufzuheben, soweit nach ihrem Erlass Einkommen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde. Als eine solche Änderung in den Verhältnissen des Klägers iS des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X kommen vorliegend allein die ihm im November 2011 und Oktober 2012 zugeflossenen Rückzahlungen von Vorauszahlungen bezüglich der Betriebs- und Heizkosten in Betracht.

Im November 2011 und Oktober 2012 hatte der Kläger keinen Anspruch auf die ihm zuvor bewilligten Bedarfe für Unterkunft und Heizung wegen der nach § 22 Abs. 3 SGB II aF in diesen Monaten zu berücksichtigenden Rückzahlungen vom Oktober 2011 bzw. November 2012. Denn ein auf den Alg II-Anspruch anzurechnendes Einkommen sind auch die unterkunftsbezogenen Rückzahlungen und Guthaben nach § 22 Abs. 3 SGB II aF (vgl. BSG, Urteil vom 12. Dezember 2013 - B 14 AS 83/12 R = SozR 4-4200 § 22 Nr. 74 Rn. 10 mwN).

Nach § 22 Abs. 3 SGB II aF mindern Rückzahlungen und Guthaben, die dem Bedarf für Unterkunft und Heizung zuzuordnen sind, die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach dem Monat der Rückzahlung oder der Gutschrift; Rückzahlungen, die sich auf die Kosten für Haushaltsenergie beziehen, bleiben außer Betracht.

Die streitigen Betriebs- und Heizkostenrückzahlungen sind iS des § 22 Abs. 3 Halbsatz 1 SGB II aF dem Bedarf für Unterkunft und Heizung zuzuordnen. Hierfür kommt es nicht darauf an, in welcher Höhe tatsächliche Aufwendungen des Klägers für Unterkunft und Heizung als Bedarfe nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II anerkannt worden sind. § 22 Abs. 3 SGB II aF knüpft nicht hieran, sondern an § 19 Abs. 1 Satz 3 SGB II an, nach dem die Alg II-Leistungen den Regelbedarf, Mehrbedarfe und den Bedarf für Unterkunft und Heizung (einschließlich zentraler Warmwassererzeugung) umfassen, und an § 19 Abs. 3 Satz 2 SGB II, wonach zu berücksichtigendes Einkommen und Vermögen zunächst die Bedarfe nach den §§ 20, 21 und 23 SGB II deckt und darüber hinaus die Bedarfe nach § 22 SGB II. Für die Anwendung des § 22 Abs. 3 SGB II aF kommt es nur auf diese Unterscheidung der Bedarfe an.

Anderes folgt nicht aus dem von der Vorgängerregelung in § 22 Abs. 1 Satz 4 SGB II (idF des Gesetzes zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20. Juli 2006, BGBl I S. 1706) abweichenden Wortlaut ("Rückzahlungen und Guthaben, die den Kosten für Unterkunft und Heizung zuzuordnen sind, mindern die nach dem Monat der Rückzahlung oder der Gutschrift entstehenden Aufwendungen; Rückzahlungen, die sich auf die Kosten für Haushaltsenergie beziehen, bleiben insoweit außer Betracht."). Vielmehr entspricht § 22 Abs. 3 SGB II aF inhaltlich dieser Vorgängerregelung (vgl. BSG, Urteil vom 14. Juni 2018 – B 14 AS 22/17 R -, juris Rn. 16) und passte diese nur sprachlich an die Änderung des § 19 SGB II an, die ihrerseits insoweit nur sprachlicher ("Bedarf" statt "Kosten" für Unterkunft und Heizung) und nicht inhaltlicher Art war (BT-Drucks 17/3404, S. 97 f).Die Anwendung des § 22 Abs. 3 SGB II aF ist vorliegend auch nicht hinsichtlich der Heizkostenrückzahlungen durch seinen Halbsatz 2 ausgeschlossen, weil diese sich nicht auf die Kosten der Haushaltsenergie beziehen.

Die Rückzahlungen sind vor ihrer Berücksichtigung nicht zu reduzieren. Zwar mindern Rückzahlungen und Guthaben den Anspruch auf Alg II nur dann mit ihrem vollen Betrag, wenn die tatsächlichen Aufwendungen der Leistungsberechtigten für Unterkunft und Heizung durch den hierauf entfallenden Alg II-Anteil vollständig gedeckt waren. Wurden dagegen wegen Unangemessenheit der Aufwendungen nur abgesenkte Leistungen für Unterkunft und Heizung erbracht, mindern Rückzahlungen und Guthaben den Alg II-Anspruch nur um den Betrag, der nach ihrer Anrechnung auf die tatsächlichen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung verbleibt (vgl. BSG, Urteil vom 12. Dezember 2013 -, aaO, Rn. 11ff.). Dies führt vorliegend jedoch nicht zu einer Beschränkung der Minderungen, weil die Rückzahlungen nicht nur die vom Beklagten im Dezember 2011 bzw. November 2012 erbrachten abgesenkten Leistungen für Unterkunft und Heizung iHv jeweils 326,48 EUR überschritten, sondern auch die tatsächlichen Aufwendungen des Klägers iHv jeweils 453,39 EUR.

Den streitigen Minderungen steht nicht entgegen, dass in den Abrechnungszeiträumen nicht die tatsächlichen Aufwendungen des Klägers für Unterkunft und Heizung als Bedarfe nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II anerkannt worden waren. Hierauf kommt es nach dem Wortlaut des § 22 Abs. 3 SGB II aF nicht an. Dem liegt zugrunde, dass durch § 22 Abs. 3 SGB II aF vermieden werden soll, unterkunftsbezogene Rückzahlungen und Guthaben als Einkommen nach den allgemeinen Regelungen in §§ 11 ff SGB II zu berücksichtigen, weil hiervon aufgrund § 19 Abs. 3 Satz 2 SGB II zunächst der Bund profitieren würde, obwohl die überzahlten Beträge im Regelfall von den Kommunen aufgebracht worden sind; Einkommen aus unterkunftsbezogenen Rückzahlungen und Guthaben sind deshalb ausschließlich dem Bedarfsermittlungsregime des § 22 SGB II zu unterstellen und unmittelbar von den Aufwendungen für Unterkunft und Heizung abzusetzen, damit es im Ergebnis zu einer Entlastung der kommunalen Träger kommt (vgl. BT-Drucks 16/1696 [§ 22 Abs. 1 Satz 4 SGB II] S. 26 f). Diesem Gesetzeszweck entspricht es, bei der Minderung der Aufwendungen für Unterkunft und Heizung durch unterkunftsbezogene Rückzahlungen und Guthaben nicht danach zu differenzieren, in welcher Höhe im Abrechnungszeitraum tatsächliche Aufwendungen für Unterkunft und Heizung vom Jobcenter als Bedarfe nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II anerkannt worden sind.

Für diese Typisierung spricht zudem, dass § 22 Abs. 3 SGB II aF nach seinem Wortlaut nicht darauf abstellt, von wem die unterkunftsbezogenen Vorauszahlungen im Abrechnungszeitraum aufgebracht worden sind und auf wen demgemäß die Rückzahlung zu welchem Anteil entfällt (vgl. BSG, Urteil vom 14. Juni 2018, aaO, Rn. 21 mwN). Entscheidend ist nicht, wie das Einkommen aus den Rückzahlungen erwirtschaftet wurde, sondern abzustellen ist auf die Verhältnisse im Zeitpunkt der Berücksichtigung. § 22 Abs. 3 SGB II aF differenziert weder nach dem wirtschaftlichen Ursprung der Rückzahlungen noch nach den Zeiträumen ihrer Entstehung. Genauso wie Rückzahlungen, die aus Zahlungen in Zeiträumen stammen, in denen keine Hilfebedürftigkeit bestand, zu berücksichtigen sind, ist es unerheblich, wer diese Zahlungen geleistet hat.

Dass es für die Minderung der Aufwendungen für Unterkunft und Heizung durch Berücksichtigung der Rückzahlungen im Dezember 2011 und November 2012 grundsicherungsrechtlich ohne Bedeutung ist, aus welchen Mitteln der Kläger die Vorauszahlungen im Abrechnungszeitraum wegen der insoweit nur abgesenkten Leistungsbewilligungen aufgebracht hat, überschreitet nicht die Grenzen zulässiger Typisierung (vgl. BSG, Urteil vom 14. Juni 2018, aaO, Rn. 22 mwN). Hinter § 22 Abs. 3 SGB II aF steht das normative Konzept der Hilfebedürftigkeit, das insgesamt prägend für das SGB II ist: Wenn und soweit Leistungsberechtigte aus unterkunftsbezogenen Rückzahlungen ihre Aufwendungen für Unterkunft und Heizung selbst bestreiten können, sind sie insoweit nicht hilfebedürftig; das Jobcenter ist insoweit nicht zur Erbringung von Leistungen verpflichtet. § 22 Abs. 3 SGB II aF dient so weder allein der Verwaltungsvereinfachung, sondern folgt dem Hilfebedürftigkeitskonzept des SGB II, noch führt die Vorschrift zu einer verfassungsrechtlich nicht hinnehmbaren Bedarfsunterdeckung, sondern berücksichtigt den Zufluss von zur Bedarfsdeckung zur Verfügung stehenden bereiten Mitteln. Vor diesem Hintergrund besteht kein Anlass, die Typisierung des § 22 Abs. 3 SGB II aF bei abgesenkten Leistungen für Unterkunft und Heizung im Abrechnungszeitraum nicht durchgreifen zu lassen Dies steht im Einklang damit, dass Jobcenter spiegelbildlich auch für solche Nachforderungen aus Heizkostenabrechnungen Leistungen nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II zu erbringen haben, die sich auf Zeiträume beziehen, in denen Leistungen nach dem SGB II nicht beantragt waren und Hilfebedürftigkeit nicht bestand. Abzustellen ist auch insoweit auf die Verhältnisse in dem Zeitpunkt, in dem die Nachforderung tatsächlich anfällt (vgl. BSG, Urteil vom 14. Juni 2018, aaO, Rn. 23 mwN). Und ebenso spiegelbildlich verbleiben Rückzahlungen unterkunftsbezogener Vorauszahlungen dann bei deren Empfängern, wenn die Vorauszahlungen zwar im Abrechnungszeitraum vom Jobcenter übernommen worden waren, der ehemals leistungsberechtigte Empfänger im Zeitpunkt der Rückzahlung aber nicht mehr im Leistungsbezug ist. Entscheidend für die grundsicherungsrechtliche Berücksichtigung sind jeweils nur die Verhältnisse im Zeitpunkt der Nachforderung wie der Rückzahlung.

Auf die Wirkungen dieser zulässigen Typisierung konnte sich der Kläger auch einrichten: Aufgrund der seit Juli 2007 aufgrund eines ohne Zusicherung erfolgten Umzugs vom Beklagten nur noch in abgesenkter Höhe übernommenen Kosten für Unterkunft und Heizung bestanden für ihn Handlungsmöglichkeiten, die Lücke zwischen tatsächlichen und als angemessen anerkannten Kosten zu schließen oder sich auf diese und ihre möglichen Folgen einzustellen.

Einer Berücksichtigung der Heizkostenrückzahlungen steht § 11a Abs. 1 Nr. 1 SGB II nicht entgegen (anders für Rückzahlungen und Guthaben von Stromkostenvorauszahlungen: BSG, Urteil vom 23. August 2011 - B 14 AS 185/10 R = SozR 4-4200 § 11 Nr. 42 Rn. 13 ff.). Denn auch insoweit geht die spezialgesetzliche Bestimmung des § 22 Abs. 3 SGB II aF vor. Diese enthält für Rückzahlungen und Guthaben von Heizkostenvorauszahlungen, die anders als Stromkostenvorauszahlungen nicht in die Ermittlung des pauschalierten Regelbedarfs nach § 20 SGB II Eingang gefunden haben, ein von den allgemeinen Regelungen in § 19 Abs. 3 Satz 2 iVm §§ 11 ff SGB II abweichendes Berücksichtigungsregime: Werden nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II nicht die tatsächlichen, sondern nur abgesenkte Heizkosten vom Jobcenter übernommen und werden die darüber hinausgehenden tatsächlichen Aufwendungen vom Leistungsberechtigten (auch) aus dem Regelbedarf aufgebracht, gehen Rückzahlungen und Guthaben insoweit nicht zulasten des pauschalierten Regelbedarfs nach § 20 SGB II, sondern mindern ausschließlich die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II. Dieser Unterschied rechtfertigt es, bei Anwendung des § 22 Abs. 3 SGB II aF (auch) aus dem Regelbedarf aufgebrachte Heizkostenvorauszahlungen bei ihrer Rückzahlung nicht unberücksichtigt zu lassen (vgl. BSG, Urteil vom 14. Juni 2018, aaO, Rn. 25 mwN).

Für die streitige Aufhebung folgen keine anderen rechtlichen Maßstäbe daraus, dass nach § 22 Abs. 3 SGB II nF Rückzahlungen, die sich auf nicht anerkannte Aufwendungen für Unterkunft und Heizung beziehen, außer Betracht bleiben. Denn hierbei handelt es sich nach dem Vorstehenden um eine echte Rechtsänderung. Davon gehen auch die Gesetzesmaterialien aus (BT-Drucks 18/8041, S. 40). Dies verdeutlicht zudem § 82 Abs. 1 Satz 2 SGB XII (idF des Gesetzes zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 24. März 2011, BGBl I S. 453), wonach Einkünfte aus Rückerstattungen, die auf Vorauszahlungen beruhen, die Leistungsberechtigte aus dem Regelsatz erbracht haben, kein Einkommen sind. Denn die in demselben Gesetz enthaltene Neufassung des § 22 Abs. 3 SGB II aF enthielt diese Einschränkung für aus dem Regelbedarf aufgebrachte Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nicht, sondern entsprach inhaltlich der Vorgängerregelung in § 22 Abs. 1 Satz 4 SGB II.

Rechtsgrundlage des Erstattungsverwaltungsakts ist § 40 Abs. 1 Satz 1 SGB II iVm § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Danach sind bereits erbrachte Leistungen zu erstatten, soweit ein Verwaltungsakt aufgehoben worden ist. Dies ist dem Aufhebungsverwaltungsakt zu entnehmen, mit dem der Erstattungsverwaltungsakt in einem Bescheid verbunden worden ist, und nach dem die Alg II-Bewilligungen für Dezember 2011 und November 2012 teilweise aufgehoben worden sind. Die hieran anknüpfenden Erstattungsforderungen in Höhe der für Dezember 2011 und November 2012 dem Kläger bewilligten Leistungen für Unterkunft und Heizung (jeweils 326,48 EUR) sind rechtmäßig.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

Gründe für eine Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nrn. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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