Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Chemnitz (FSS)
Aktenzeichen
S 11 KR 259/14
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 1 KR 97/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 3 KR 1/19 R
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Durch § 5 Abs. 1 Satz 5 EFZG war dem Versicherten mit Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall die Meldepflicht nach § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V abgenommen (vgl. BSG, Urteil vom 28.10.1981 - 3 RK 59/80 - juris Rn. 27 f. und BSG, Urteil vom 08.11.2005 - B 1 KR 30/04 R - juris Rn. 18).
I. Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 14. April 2015 sowie der Bescheid der Beklagten vom 17. Februar 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. April 2014 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, dem Kläger für die Zeit vom 2. Dezember 2013 bis 31. Dezember 2013 Krankengeld nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu zahlen.
II. Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten des Klägers in beiden Rechtszügen zu tragen.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Gewährung von Krankengeld für die Zeit vom 2. Dezem-ber 2013 bis 31. Dezember 2013.
Der 1986 geborene Kläger war ab 21. Oktober 2013 wegen Brustschmerzen arbeitsunfä-hig. In der Zeit vom 21. Oktober 2013 bis 1. Dezember 2013 nahm er Entgeltfortzahlung durch seinen Arbeitgeber in Anspruch.
Durch die Folgebescheinigung vom 29. November 2013 bestätigte die Fachärztin für All-gemeinmedizin/Naturheilverfahren H ... dem Kläger Arbeitsunfähigkeit bis 13. Dezember 2013. Dabei legte sie als Arbeitsunfähigkeit begründende Diagnose S20.2 G (Prellung des Thorax, gesichert) zu Grunde.
Im Jahre 2013 trug das Formular über die Ausfertigung der Arbeitsunfähigkeitsbescheini-gung zur Vorlage beim Arbeitgeber (Muster 1b [7.2008]) folgenden Vermerk:
"Der angegebenen Krankenkasse wird unverzüglich eine Bescheinigung über die Arbeits-unfähigkeit mit Angabe über die Diagnose sowie die voraussichtliche Dauer der Arbeitsun-fähigkeit übersandt."
Das Formular über die Bescheinigung von Arbeitsunfähigkeit beinhaltete außerdem die Ausfertigung zur Vorlage bei der Krankenkasse (Muster 1a [7.2008]) und die Ausfertigung zum Verbleib beim Arzt (Muster 1c [7.2008]).
Ausweislich des Eingangsstempels der Beklagten auf dem Duplikat dieser Arbeitsunfä-higkeitsbescheinigung (Muster 1a [7.2008]) ging diese dort am 14. Februar 2014 ein. Ebenfalls am 14. Februar 2014 ging bei der Beklagten das Duplikat der Folgebescheini-gung (Muster 1a [7.2008]) der Fachärztin für Allgemeinmedizin/Naturheilverfahren H ... vom 13. Dezember 2013 ein. Darin wird unter Beibehaltung der die Arbeitsunfähigkeit begründenden Diagnose Arbeitsunfähigkeit bis einschließlich 31. Dezember 2013 bestätigt.
Mit Bescheid vom 17. Februar 2014 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers auf Zah-lung von Krankengeld vom 14. Februar 2014 ab. Zwar bestehe ab dem 2. Dezember 2013 grundsätzlich Anspruch auf Krankengeldzahlung. Der Anspruch auf Krankengeld ruhe jedoch nach § 49 Abs. 1 Nr. 5 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V), solange die Ar-beitsunfähigkeit der Krankenkasse nicht gemeldet werde. Die Arbeitsunfähigkeitsbeschei-nigung müsse der Krankenkasse unverzüglich, spätestens eine Woche nach Ausstel-lungsdatum vorgelegt werden. Die Folgebescheinigungen vom 29. November 2013 und vom 13. Dezember 2013 seien erst am 14. Februar 2014 eingereicht worden. Daher ruhe der Anspruch auf Krankengeld für die Zeit vom 2. Dezember 2013 bis 31. Dezember 2013 wegen verspäteter Meldung nach § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V.
Hiergegen legte der Kläger am 6. März 2014 Widerspruch ein (Schreiben vom 5. März 2014). Zur Begründung machte er unter anderem geltend, alle Bescheinigungen innerhalb von einer Woche auf dem Postweg an die Beklagte übersandt zu haben.
Mit Widerspruchsbescheid vom 17. April 2014 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Die Folgen der Nichtmeldung und die Übermittlungsgefahr trage der Ver-sicherte.
Dagegen hat der Kläger am 13. Mai 2014 Klage beim Sozialgericht (SG) Chemnitz erho-ben (Schreiben vom 12. Mai 2014).
Der Kläger hat vorgetragen, eine einmalige Meldung der Arbeitsunfähigkeit reiche zur Begründung des Anspruchs auf Krankengeld aus, wenn keine Unterbrechung eintrete und dieselbe Erkrankung weiterhin Ursache der Arbeitsunfähigkeit sei.
Die Beklagte hat auch im SG-Verfahren nochmals eingeräumt, dass nach Vorlage aller Voraussetzungen dem Grunde nach Anspruch auf Zahlung von Krankengeld ab 2. De-zember 2013 bestanden hätte, im Übrigen aber an ihrer bisherigen Auffassung festgehal-ten.
Mit Urteil vom 14. April 2015 hat das SG die Klage abgewiesen. Entgegen der Auffassung des Klägers bestehe kein Grund, ihn von der zeitnahen Übermittlung der Arbeitsunfähig-keitsbescheinigungen an die Beklagte freizustellen. Maßgeblich sei, dass er nicht nach-gewiesen habe, dass die Folgebescheinigungen über Arbeitsunfähigkeit vom 29. Novem-ber 2013 und 13. Dezember 2013 der Beklagten innerhalb von einer Woche übersandt worden seien.
Gegen das ihm am 24. April 2015 zugestellte Urteil hat der Kläger am 5. Mai 2015 Beru-fung eingelegt (Schreiben vom 4. Mai 2015).
Der Kläger hält an seiner im erstinstanzlichen Verfahren geäußerten Rechtsauffassung fest.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 14. April 2015 sowie den Bescheid der Beklagten vom 17. Februar 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. April 2014 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm Krankengeld für die Zeit vom 2. Dezember 2013 bis 31. Dezember 2013 nach Maßgabe der ge-setzlichen Bestimmungen zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie trägt vor, der Kläger habe die in § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V geregelte Meldefrist von einer Woche überschritten.
Dem Senat haben die Verwaltungsakte der Beklagten sowie die Gerichtsakten beider Rechtszüge vorgelegen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung des Klägers ist begründet.
Das Urteil des SG und die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind zu Unrecht er-gangen.
I. Dem Kläger steht für die Zeit vom 2. Dezember 2013 bis 31. Dezember 2013 ein An-spruch auf Krankengeld zu.
1. Gemäß § 44 Abs. 1 SGB V haben Versicherte unter anderem Anspruch auf Kranken-geld, wenn die Krankheit sie arbeitsunfähig macht. Der Anspruch auf Krankengeld entsteht gemäß § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V in der hier noch anzuwendenden und bis 22. Juli 2015 geltenden Fassung von dem Tag der ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit an.
Der Kläger war im streitgegenständlichen Zeitraum arbeitsunfähig.
Dies ist zwischen den Beteiligten unstreitig und steht nach Aktenlage auch für den erken-nenden Senat fest. Die Beklagte hat nicht nur in ihrer Verwaltungsakte auf Blatt 1 aus-drücklich dokumentiert, dass der Kläger in der Zeit vom 31. Oktober 2013 bis 31. Dezem-ber 2013 wegen Brustschmerzen, Prellung des Thorax und Schmerzen im Bereich der Brustwirbelsäule arbeitsunfähig war. Sie hat auch sowohl im Bescheid vom 17. Februar 2014 als auch noch im sozialgerichtlichen Verfahren eingeräumt, dass in der Zeit vom 2. Dezember 2013 bis 31. Dezember 2013 die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Krankengeld grundsätzlich vorlagen.
2. Der Anspruch des Klägers ruht nicht nach § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V.
Nach dieser Vorschrift ruht der Anspruch auf Krankengeld, solange die Arbeitsunfähigkeit der Krankenkasse nicht gemeldet wird; dies gilt nicht, wenn die Meldung innerhalb einer Woche nach Beginn der Arbeitsunfähigkeit erfolgt.
Zwar verfolgt § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V den Zweck, dass die Krankenkassen nicht die Vo-raussetzungen eines verspätet geltend gemachten Krankengeldanspruchs im Nachhinein aufklären müssen (siehe nur Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 8. November 2005 – B 1 KR 30/04 R – juris Rn. 16 f.). Sie sollen vielmehr die Möglichkeit erhalten, die Arbeits-unfähigkeit zeitnah durch Einschaltung des Medizinischen Dienstes der Krankenversiche-rung überprüfen zu lassen, um Leistungsmissbräuchen entgegentreten und Maßnahmen zur Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit einleiten zu können. Die Vorschrift ist deshalb strikt zu handhaben. Als Regelfall geht das Gesetz demnach davon aus, dass der in seiner Arbeitsfähigkeit beeinträchtigte Versicherte selbst die notwendigen Schritte unternimmt, um die mögliche Arbeitsunfähigkeit feststellen zu lassen und seine Ansprüche zu wahren. Insbesondere tritt die an die nicht oder nicht rechtzeitig erstattete Meldung der Arbeitsunfähigkeit geknüpfte Wirkung, dass der Anspruch auf Krankengeld – zeitweise – ruht, auch dann ein, wenn der Versicherte die Meldung rechtzeitig zur Post gegeben und diese – nach Kenntnis vom Verlust der ersten Anzeige auf dem Postweg – unverzüglich wiederholt hat (BSG, Urteil vom 24. Juni 1969 – 3 RK 64/66 – juris Ls.).
Der Anwendungsbereich von § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V wurde mit Einführung des § 3 Abs. 1 Satz 3 des Gesetzes über die Fortzahlung des Arbeitsentgelts im Krankheitsfall (Lohnfortzahlungsgesetz) jedoch erheblich eingeschränkt (siehe nur Knittel in Krauskopf, SGB V, Stand November 2012, § 49 Rn. 36, und Schmidt in Peters, SGB V, Stand Okto-ber 2009, § 49 Rn. 115). § 5 Abs. 1 Satz 5 des ab 1. Juni 1994 gültigen Gesetzes über die Zahlung des Arbeitsentgelts an Feiertagen und im Krankheitsfall (Entgeltfortzahlungsge-setz) enthält eine inhaltlich übereinstimmende Regelung. Sie lautet:
"Ist der Arbeitnehmer Mitglied einer gesetzlichen Krankenkasse, muss die ärztliche Be-scheinigung einen Vermerk des behandelnden Arztes darüber enthalten, dass der Kran-kenkasse unverzüglich eine Bescheinigung über die Arbeitsunfähigkeit mit Angaben über den Befund und die voraussichtliche Dauer der Arbeitsunfähigkeit übersandt wird."
Durch diese speziellere Regelung war dem Versicherten mit Anspruch auf Entgeltfortzah-lung im streitgegenständlichen Zeitraum die Meldepflicht nach § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V abgenommen. Sie oblag vielmehr dem Vertragsarzt, so dass eine verspätete Meldung der Sphäre der Krankenkasse zuzurechnen war (BSG, Urteil vom 28. Oktober 1981 – 3 RK 59/80 – juris Rn. 27 f.; bestätigt durch BSG, Urteil vom 8. November 2005 – B 1 KR 30/04 R – juris Rn. 18; siehe auch Landessozialgericht [LSG] Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 26. August 2004 – L 16 KR 324/03 – juris Rn. 30; SG Hamburg, Urteil vom 18. September 2017 – S 46 KR 2175/16 – juris Rn. 22 ff., und SG Aachen, Urteil vom 31. Januar 2017 – S 13 KR 318/16 – juris Rn. 17 ff.; vgl. ferner Knittel in Krauskopf, SGB V, Stand November 2012, § 49 Rn. 36; Schmidt in Peters, SGB V, Stand Oktober 2009, § 49 Rn. 115; Legde in LPK-SGB V, 5. Auflage, § 49 Rn. 13; Brinkhoff in jurisPK-SGB V, 3. Auflage, § 49 Rn. 46, und Just in Eichenhofer/Wenner, SGB V, 3. Auflage, § 49 Rn. 30; vgl. auch Noftz in Hauck/Noftz, SGB V, Stand August 2015, § 49 Rn. 57; anderer Auffassung nur LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 21. Oktober 2015 – L 5 KR 5457/13 – juris Rn. 35 f., und Schifferdecker in Kasseler Kommentar, SGB V, Stand Dezember 2017, § 49 Rn. 52). Der Vertragsarzt konnte sich seiner Verpflichtung zur Meldung der Arbeitsunfähigkeit an die Krankenkassen nicht dadurch entziehen, dass er den für die Krankenkasse bestimmten Vordruck dem Versicherten aushändigte. § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V konnte deshalb nur noch dann Anwendung finden, wenn der Versicherte wusste oder wissen musste, dass der Vertragsarzt nicht hätte so verfahren dürfen (BSG, Urteil vom 28. Oktober 1981 – 3 RK 59/80 – juris Rn. 28) und dass die Krankenkasse von der Arbeitsunfähigkeit keine Kenntnis erlangt hatte (Schmidt in Peters, SGB V, Stand Oktober 2009, § 49 Rn. 115, und Knittel in Krauskopf, SGB V, Stand November 2012, § 49 Rn. 36). Regelmäßig jedoch hatte der Versicherte keine Veranlassung, sich darüber Gedanken zu machen, wie die Meldung an seine Krankenkasse erfolgt und aus welchen Gründen er gleichwohl eine Bescheinigung für diese erhalten hat, weil § 5 Abs. 1 Satz 1 Entgeltfortzahlungsgesetz ihn nur zur Unterrichtung seines Arbeitgebers verpflichtet (LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 11. Dezember 2003 – L 16 KR 159/02 – juris Rn. 18).
Da der Kläger wegen derselben Beschwerden in der Zeit vom 21. Oktober 2013 bis 31. Dezember 2013 durchgängig arbeitsunfähig war, kann nicht davon ausgegangen wer-den, dass er wissen musste, dass die Beklagte die Folgebescheinigungen über Arbeitsun-fähigkeit vom 29. November 2013 und 13. Dezember 2013 nicht zeitnah erhalten hatte. Vielmehr hatte er unter den dargelegten Umständen überhaupt keine Veranlassung, sich darüber Gedanken zu machen.
Offen bleibt, ob die soeben dargestellte Argumentation für das ab 12. Oktober 2017 frei-gegebene Formular zur Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung noch eingreifen kann. Denn das Formular über die Bescheinigung von Arbeitsunfähigkeit enthält nunmehr zusätzlich eine Ausfertigung für Versicherte (Muster 1c [1.2018]; die Ausfertigung zum Verbleib beim Arzt ist jetzt Muster 1d [1.2018]). Im Muster 1c (1.2018) heißt es unter anderem:
"Hinweis für Versicherte zum Krankengeld
Wenn Ihr Arzt oder Ihre Ärztin Ihnen die Bescheinigung für die Krankenkasse aushändigt, müssen Sie diese innerhalb von einer Woche an Ihre Krankenkasse weiterleiten. "
II. Nach alledem kann dahinstehen, ob die Rechtsauffassungen der Beteiligten zutreffen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Gründe, die Revision zuzulassen, bestehen nicht (§ 160 Abs. 2 SGG).
II. Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten des Klägers in beiden Rechtszügen zu tragen.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Gewährung von Krankengeld für die Zeit vom 2. Dezem-ber 2013 bis 31. Dezember 2013.
Der 1986 geborene Kläger war ab 21. Oktober 2013 wegen Brustschmerzen arbeitsunfä-hig. In der Zeit vom 21. Oktober 2013 bis 1. Dezember 2013 nahm er Entgeltfortzahlung durch seinen Arbeitgeber in Anspruch.
Durch die Folgebescheinigung vom 29. November 2013 bestätigte die Fachärztin für All-gemeinmedizin/Naturheilverfahren H ... dem Kläger Arbeitsunfähigkeit bis 13. Dezember 2013. Dabei legte sie als Arbeitsunfähigkeit begründende Diagnose S20.2 G (Prellung des Thorax, gesichert) zu Grunde.
Im Jahre 2013 trug das Formular über die Ausfertigung der Arbeitsunfähigkeitsbescheini-gung zur Vorlage beim Arbeitgeber (Muster 1b [7.2008]) folgenden Vermerk:
"Der angegebenen Krankenkasse wird unverzüglich eine Bescheinigung über die Arbeits-unfähigkeit mit Angabe über die Diagnose sowie die voraussichtliche Dauer der Arbeitsun-fähigkeit übersandt."
Das Formular über die Bescheinigung von Arbeitsunfähigkeit beinhaltete außerdem die Ausfertigung zur Vorlage bei der Krankenkasse (Muster 1a [7.2008]) und die Ausfertigung zum Verbleib beim Arzt (Muster 1c [7.2008]).
Ausweislich des Eingangsstempels der Beklagten auf dem Duplikat dieser Arbeitsunfä-higkeitsbescheinigung (Muster 1a [7.2008]) ging diese dort am 14. Februar 2014 ein. Ebenfalls am 14. Februar 2014 ging bei der Beklagten das Duplikat der Folgebescheini-gung (Muster 1a [7.2008]) der Fachärztin für Allgemeinmedizin/Naturheilverfahren H ... vom 13. Dezember 2013 ein. Darin wird unter Beibehaltung der die Arbeitsunfähigkeit begründenden Diagnose Arbeitsunfähigkeit bis einschließlich 31. Dezember 2013 bestätigt.
Mit Bescheid vom 17. Februar 2014 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers auf Zah-lung von Krankengeld vom 14. Februar 2014 ab. Zwar bestehe ab dem 2. Dezember 2013 grundsätzlich Anspruch auf Krankengeldzahlung. Der Anspruch auf Krankengeld ruhe jedoch nach § 49 Abs. 1 Nr. 5 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V), solange die Ar-beitsunfähigkeit der Krankenkasse nicht gemeldet werde. Die Arbeitsunfähigkeitsbeschei-nigung müsse der Krankenkasse unverzüglich, spätestens eine Woche nach Ausstel-lungsdatum vorgelegt werden. Die Folgebescheinigungen vom 29. November 2013 und vom 13. Dezember 2013 seien erst am 14. Februar 2014 eingereicht worden. Daher ruhe der Anspruch auf Krankengeld für die Zeit vom 2. Dezember 2013 bis 31. Dezember 2013 wegen verspäteter Meldung nach § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V.
Hiergegen legte der Kläger am 6. März 2014 Widerspruch ein (Schreiben vom 5. März 2014). Zur Begründung machte er unter anderem geltend, alle Bescheinigungen innerhalb von einer Woche auf dem Postweg an die Beklagte übersandt zu haben.
Mit Widerspruchsbescheid vom 17. April 2014 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Die Folgen der Nichtmeldung und die Übermittlungsgefahr trage der Ver-sicherte.
Dagegen hat der Kläger am 13. Mai 2014 Klage beim Sozialgericht (SG) Chemnitz erho-ben (Schreiben vom 12. Mai 2014).
Der Kläger hat vorgetragen, eine einmalige Meldung der Arbeitsunfähigkeit reiche zur Begründung des Anspruchs auf Krankengeld aus, wenn keine Unterbrechung eintrete und dieselbe Erkrankung weiterhin Ursache der Arbeitsunfähigkeit sei.
Die Beklagte hat auch im SG-Verfahren nochmals eingeräumt, dass nach Vorlage aller Voraussetzungen dem Grunde nach Anspruch auf Zahlung von Krankengeld ab 2. De-zember 2013 bestanden hätte, im Übrigen aber an ihrer bisherigen Auffassung festgehal-ten.
Mit Urteil vom 14. April 2015 hat das SG die Klage abgewiesen. Entgegen der Auffassung des Klägers bestehe kein Grund, ihn von der zeitnahen Übermittlung der Arbeitsunfähig-keitsbescheinigungen an die Beklagte freizustellen. Maßgeblich sei, dass er nicht nach-gewiesen habe, dass die Folgebescheinigungen über Arbeitsunfähigkeit vom 29. Novem-ber 2013 und 13. Dezember 2013 der Beklagten innerhalb von einer Woche übersandt worden seien.
Gegen das ihm am 24. April 2015 zugestellte Urteil hat der Kläger am 5. Mai 2015 Beru-fung eingelegt (Schreiben vom 4. Mai 2015).
Der Kläger hält an seiner im erstinstanzlichen Verfahren geäußerten Rechtsauffassung fest.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 14. April 2015 sowie den Bescheid der Beklagten vom 17. Februar 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. April 2014 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm Krankengeld für die Zeit vom 2. Dezember 2013 bis 31. Dezember 2013 nach Maßgabe der ge-setzlichen Bestimmungen zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie trägt vor, der Kläger habe die in § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V geregelte Meldefrist von einer Woche überschritten.
Dem Senat haben die Verwaltungsakte der Beklagten sowie die Gerichtsakten beider Rechtszüge vorgelegen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung des Klägers ist begründet.
Das Urteil des SG und die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind zu Unrecht er-gangen.
I. Dem Kläger steht für die Zeit vom 2. Dezember 2013 bis 31. Dezember 2013 ein An-spruch auf Krankengeld zu.
1. Gemäß § 44 Abs. 1 SGB V haben Versicherte unter anderem Anspruch auf Kranken-geld, wenn die Krankheit sie arbeitsunfähig macht. Der Anspruch auf Krankengeld entsteht gemäß § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V in der hier noch anzuwendenden und bis 22. Juli 2015 geltenden Fassung von dem Tag der ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit an.
Der Kläger war im streitgegenständlichen Zeitraum arbeitsunfähig.
Dies ist zwischen den Beteiligten unstreitig und steht nach Aktenlage auch für den erken-nenden Senat fest. Die Beklagte hat nicht nur in ihrer Verwaltungsakte auf Blatt 1 aus-drücklich dokumentiert, dass der Kläger in der Zeit vom 31. Oktober 2013 bis 31. Dezem-ber 2013 wegen Brustschmerzen, Prellung des Thorax und Schmerzen im Bereich der Brustwirbelsäule arbeitsunfähig war. Sie hat auch sowohl im Bescheid vom 17. Februar 2014 als auch noch im sozialgerichtlichen Verfahren eingeräumt, dass in der Zeit vom 2. Dezember 2013 bis 31. Dezember 2013 die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Krankengeld grundsätzlich vorlagen.
2. Der Anspruch des Klägers ruht nicht nach § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V.
Nach dieser Vorschrift ruht der Anspruch auf Krankengeld, solange die Arbeitsunfähigkeit der Krankenkasse nicht gemeldet wird; dies gilt nicht, wenn die Meldung innerhalb einer Woche nach Beginn der Arbeitsunfähigkeit erfolgt.
Zwar verfolgt § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V den Zweck, dass die Krankenkassen nicht die Vo-raussetzungen eines verspätet geltend gemachten Krankengeldanspruchs im Nachhinein aufklären müssen (siehe nur Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 8. November 2005 – B 1 KR 30/04 R – juris Rn. 16 f.). Sie sollen vielmehr die Möglichkeit erhalten, die Arbeits-unfähigkeit zeitnah durch Einschaltung des Medizinischen Dienstes der Krankenversiche-rung überprüfen zu lassen, um Leistungsmissbräuchen entgegentreten und Maßnahmen zur Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit einleiten zu können. Die Vorschrift ist deshalb strikt zu handhaben. Als Regelfall geht das Gesetz demnach davon aus, dass der in seiner Arbeitsfähigkeit beeinträchtigte Versicherte selbst die notwendigen Schritte unternimmt, um die mögliche Arbeitsunfähigkeit feststellen zu lassen und seine Ansprüche zu wahren. Insbesondere tritt die an die nicht oder nicht rechtzeitig erstattete Meldung der Arbeitsunfähigkeit geknüpfte Wirkung, dass der Anspruch auf Krankengeld – zeitweise – ruht, auch dann ein, wenn der Versicherte die Meldung rechtzeitig zur Post gegeben und diese – nach Kenntnis vom Verlust der ersten Anzeige auf dem Postweg – unverzüglich wiederholt hat (BSG, Urteil vom 24. Juni 1969 – 3 RK 64/66 – juris Ls.).
Der Anwendungsbereich von § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V wurde mit Einführung des § 3 Abs. 1 Satz 3 des Gesetzes über die Fortzahlung des Arbeitsentgelts im Krankheitsfall (Lohnfortzahlungsgesetz) jedoch erheblich eingeschränkt (siehe nur Knittel in Krauskopf, SGB V, Stand November 2012, § 49 Rn. 36, und Schmidt in Peters, SGB V, Stand Okto-ber 2009, § 49 Rn. 115). § 5 Abs. 1 Satz 5 des ab 1. Juni 1994 gültigen Gesetzes über die Zahlung des Arbeitsentgelts an Feiertagen und im Krankheitsfall (Entgeltfortzahlungsge-setz) enthält eine inhaltlich übereinstimmende Regelung. Sie lautet:
"Ist der Arbeitnehmer Mitglied einer gesetzlichen Krankenkasse, muss die ärztliche Be-scheinigung einen Vermerk des behandelnden Arztes darüber enthalten, dass der Kran-kenkasse unverzüglich eine Bescheinigung über die Arbeitsunfähigkeit mit Angaben über den Befund und die voraussichtliche Dauer der Arbeitsunfähigkeit übersandt wird."
Durch diese speziellere Regelung war dem Versicherten mit Anspruch auf Entgeltfortzah-lung im streitgegenständlichen Zeitraum die Meldepflicht nach § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V abgenommen. Sie oblag vielmehr dem Vertragsarzt, so dass eine verspätete Meldung der Sphäre der Krankenkasse zuzurechnen war (BSG, Urteil vom 28. Oktober 1981 – 3 RK 59/80 – juris Rn. 27 f.; bestätigt durch BSG, Urteil vom 8. November 2005 – B 1 KR 30/04 R – juris Rn. 18; siehe auch Landessozialgericht [LSG] Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 26. August 2004 – L 16 KR 324/03 – juris Rn. 30; SG Hamburg, Urteil vom 18. September 2017 – S 46 KR 2175/16 – juris Rn. 22 ff., und SG Aachen, Urteil vom 31. Januar 2017 – S 13 KR 318/16 – juris Rn. 17 ff.; vgl. ferner Knittel in Krauskopf, SGB V, Stand November 2012, § 49 Rn. 36; Schmidt in Peters, SGB V, Stand Oktober 2009, § 49 Rn. 115; Legde in LPK-SGB V, 5. Auflage, § 49 Rn. 13; Brinkhoff in jurisPK-SGB V, 3. Auflage, § 49 Rn. 46, und Just in Eichenhofer/Wenner, SGB V, 3. Auflage, § 49 Rn. 30; vgl. auch Noftz in Hauck/Noftz, SGB V, Stand August 2015, § 49 Rn. 57; anderer Auffassung nur LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 21. Oktober 2015 – L 5 KR 5457/13 – juris Rn. 35 f., und Schifferdecker in Kasseler Kommentar, SGB V, Stand Dezember 2017, § 49 Rn. 52). Der Vertragsarzt konnte sich seiner Verpflichtung zur Meldung der Arbeitsunfähigkeit an die Krankenkassen nicht dadurch entziehen, dass er den für die Krankenkasse bestimmten Vordruck dem Versicherten aushändigte. § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V konnte deshalb nur noch dann Anwendung finden, wenn der Versicherte wusste oder wissen musste, dass der Vertragsarzt nicht hätte so verfahren dürfen (BSG, Urteil vom 28. Oktober 1981 – 3 RK 59/80 – juris Rn. 28) und dass die Krankenkasse von der Arbeitsunfähigkeit keine Kenntnis erlangt hatte (Schmidt in Peters, SGB V, Stand Oktober 2009, § 49 Rn. 115, und Knittel in Krauskopf, SGB V, Stand November 2012, § 49 Rn. 36). Regelmäßig jedoch hatte der Versicherte keine Veranlassung, sich darüber Gedanken zu machen, wie die Meldung an seine Krankenkasse erfolgt und aus welchen Gründen er gleichwohl eine Bescheinigung für diese erhalten hat, weil § 5 Abs. 1 Satz 1 Entgeltfortzahlungsgesetz ihn nur zur Unterrichtung seines Arbeitgebers verpflichtet (LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 11. Dezember 2003 – L 16 KR 159/02 – juris Rn. 18).
Da der Kläger wegen derselben Beschwerden in der Zeit vom 21. Oktober 2013 bis 31. Dezember 2013 durchgängig arbeitsunfähig war, kann nicht davon ausgegangen wer-den, dass er wissen musste, dass die Beklagte die Folgebescheinigungen über Arbeitsun-fähigkeit vom 29. November 2013 und 13. Dezember 2013 nicht zeitnah erhalten hatte. Vielmehr hatte er unter den dargelegten Umständen überhaupt keine Veranlassung, sich darüber Gedanken zu machen.
Offen bleibt, ob die soeben dargestellte Argumentation für das ab 12. Oktober 2017 frei-gegebene Formular zur Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung noch eingreifen kann. Denn das Formular über die Bescheinigung von Arbeitsunfähigkeit enthält nunmehr zusätzlich eine Ausfertigung für Versicherte (Muster 1c [1.2018]; die Ausfertigung zum Verbleib beim Arzt ist jetzt Muster 1d [1.2018]). Im Muster 1c (1.2018) heißt es unter anderem:
"Hinweis für Versicherte zum Krankengeld
Wenn Ihr Arzt oder Ihre Ärztin Ihnen die Bescheinigung für die Krankenkasse aushändigt, müssen Sie diese innerhalb von einer Woche an Ihre Krankenkasse weiterleiten. "
II. Nach alledem kann dahinstehen, ob die Rechtsauffassungen der Beteiligten zutreffen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Gründe, die Revision zuzulassen, bestehen nicht (§ 160 Abs. 2 SGG).
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