L 6 U 233/16

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Dresden (FSS)
Aktenzeichen
S 5 U 328/15
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 6 U 233/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
BK 2108 - zur Konstellation B3 nach den Konsensempfehlungen
I. Auf die Berufung der Beklagten wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dresden vom 21.10.2016 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind in beiden Instanzen nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Anerkennung einer Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung (BK-Nr. 2108 BKV).

Der 1974 geborene Kläger beantragte bei der Beklagten am 03.06.2014 die Anerkennung einer Berufskrankheit mit Hinweis auf einen Bandscheibenvorfall. Er sei seit dem 16. Lebensjahr auf dem Bau als Stahlbetonbauer tätig. Im Fragebogen vom 24.06.2014 gab er Wirbelsäulenbeschwerden seit 2011 mit Ausstrahlung ins linke Bein an.

Neben Unterlagen der Krankenversicherung des Klägers zog die Beklagte u. a. einen Arztbrief des Z ...klinikum Y ... vom 31.05.2013 bei. Danach wurde eine therapieresistente Radikulopathie L5/S1 links bei NPP intraforaminal links diagnostiziert. Am 29.05.2013 erfolgte operativ eine Nukleotomie L5/S1 links. Beigezogen wurde von der Beklagten ferner ein MRT-Befund vom 21.03.2013 bezogen auf eine MRT-Untersuchung vom 20.03.2013 ("Beurteilung: Extrusion bei L5/S1 mit Verdacht auf Teilsequestration und Alteration der Wurzel S1 links sowie Verlegung des linken Neuroforamens in dieser Höhe (Klinik?). Keine Vertebrostenosen oder rechtsseitige Foraminaeinengungen. Conus medullare und Cauda equina werden unauffällig dargestellt. Kein Anhalt für knochenmark-infiltr. Prozess im Bereich der dargestellten Skelettanteile."

Nach Beiziehung von Auskünften der Arbeitgeberin des Klägers erstellte die Beklagte am 03.09.2014 eine Expositionsanalyse, nach der der Kläger in dem Zeitraum vom 01.08.1991 bis zum 04.03.2013 einer Gesamtdosis von 24 MNh ausgesetzt war. In einer ergänzenden Stellungnahme zur Exposition vom 19.12.2014 wurde das Vorliegen der Zusatzkriterien der B2-Konstellation verneint. Wegen der Einzelheiten dieser Stellungnahmen wird auf Blatt 90 bis 103 sowie auf Blatt 133 bis 139 der Verwaltungsakte Bezug genommen.

Beratungsärztlich nahm für die Beklagte am 09.10.2014 Dr. X ... Stellung. Röntgenologisch zeigten die Aufnahmen vom 05.03.2013: Verlauf der Lendenwirbelsäule ohne Befund, L1 bis L5 ohne Befund, keine Chondrosen, keine Spondylosen, erstgradige Chondrose im Segment L5/S1; Röntgenaufnahmen vom 29.08.2013 zeigten keine Befundänderung. Aus dem MRT der Lendenwirbelsäule vom 20.03.2013 ergäbe sich ein NPP L5/S1, sonst ohne Befund. Gegeben sei die Konstellation B3, es liege kein belastungskonformes Schadensbild vor. Betroffen sei nur L5/S1, das Vorliegen einer Begleitspondylose wurde verneint. Eine BK-Nr. 2108 BKV sei abzulehnen.

Mit Bescheid vom 20.03.2015 verneinte die Beklagte das Vorliegen einer BK-Nr. 2108 BKV. Grundlage für die Beurteilung der Lendenwirbelsäulenerkrankung seien die medizinischen Beurteilungskriterien zu bandscheibenbedingten Berufskrankheiten der Lendenwirbelsäule (sogenannte "Konsensempfehlungen"). Danach müssten die medizinischen Beurteilungskriterien zum Krankheitsbild geprüft und mögliche Konkurrenzursachen für die Entstehung der Erkrankung berücksichtigt werden. Nach Einholung und Auswertung sämtlicher medizinischer Befundunterlagen, insbesondere der Röntgenaufnahmen, liege eine anerkennungsfähige Konstellation nicht vor.

Diesen Bescheid griff der Kläger mit seinem Widerspruch vom 09.04.2015 an. Die Wirbelsäulenerkrankung sei auf die berufliche Tätigkeit zurückzuführen. Er habe über 20 Jahre auf Montage als Beton- und Stahlbetonbauer auf Großbaustellen ohne Unterbrechung durch langwierige Krankheit und Arbeitslosigkeit gearbeitet. Er habe den Beruf mit 16 Jahren erlernt und ihn ununterbrochen, bis auf ein Jahr Wehrdienst, bis zum 04.03.2013 ausgeübt. Risikosportarten, Leistungssportarten oder andere private Tätigkeiten, die zur Schädigung der Wirbelsäulen geführt haben könnten, habe er nie betrieben. Der Beruf des Stahlbetonbauers sei nachweislich mit einer harten Arbeitstätigkeit verbunden. Heben und Bewegen von schweren Lasten unter teils extremen Witterungsbedingungen gehörten zum täglichen Arbeitsablauf über die gesamten Jahre.

Mit Widerspruchsbescheid vom 13.10.2015 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Zur Begründung führte sie u.a. aus, dass eine BK-Nr. 2108 BKV eine bandscheibenbedingte Erkrankung der Lendenwirbelsäule durch langjähriges Heben oder Tragen schwerer Lasten oder durch langjährige Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können, sei. Zwar wäre die bei dem Kläger festgestellte Belastung durchaus geeignet, eine bandscheibenbedingte Erkrankung der Lendenwirbelsäule hervorzurufen. Neben dem Nachweis einer krankheitsursächlich in Betracht kommenden Belastungseinwirkung müsse ein Krankheitsbild nachgewiesen sein, dass von Art und Umfang einer belastungsverursachten bandscheibenbedingten Erkrankung entspreche. Ferner müsse der ursächliche Zusammenhang zwischen der festgestellten Belastungseinwirkung und der Erkrankung mit dem Grad der Wahrscheinlichkeit nachgewiesen sein. Nach den aktuellen Beurteilungskriterien (sogenannte "Konsensempfehlungen") bestehe ein Anhalt für eine bandscheibenbedingte Erkrankung im Sinne der BK-Nr. 2108 BKV definitionsgemäß erst bei Nachweis eines Bandscheibenvorfalles und/oder bei Nachweis eines Chondrosegrades von mindestens II. Ein wesentlicher Indikator für die Annahme einer beruflich belastungsverursachten Bandscheibenerkrankung der Lendenwirbelsäule sei der Nachweis belastungsadaptiver Veränderungen entsprechend einer sogenannten Begleitspondylose. Das Befundbild einer bandscheibenbedingten Erkrankung der Lendenwirbelsäule liege danach nicht vor.

Hiergegen hat der Kläger am 12.11.2015 Klage zum Sozialgericht Dresden (SG) erhoben. Zur Begründung hat er auf die beruflichen Belastungen seit dem 16. Lebensjahr hingewiesen. Aus dieser Belastung resultiere die Lendenwirbelsäulenerkrankung. Es komme nicht auf die von der Beklagten zitierten Beurteilungs- und Begutachtungskriterien an, entscheidend sei eine hinreichende und genügend sorgfältige ärztliche Begutachtung und Beurteilung, ob das bei ihm bestehende Krankheitsbild durch die langjährige Tätigkeit ausgelöst worden sei.

Auf Veranlassung des SG hat am 18.04.2016 Dr. H ..., Facharzt für Chirurgie/Unfallchirurgie und Orthopädie, nach Untersuchung des Klägers am 14.04.2016 ein Gutachten erstattet und darin das Vorliegen einer bandscheibenbedingten Erkrankung der Lendenwirbelsäule im Segment L5/S1 ab 2013 bejaht. Unter der Diagnose Lumbalgie seien im Dezember 1994 und dann nochmals unter der Diagnose Kreuzschmerz im Juli 2004 bzw. September 2005 Arbeitsunfähigkeiten eingetreten. Zu diesen Zeitpunkten sei aber ein Bandscheibenschaden nicht zu sichern. Nach Angaben des Klägers hätten sich die Beschwerden 2011 verstärkt, im März 2013 dann weiter zunehmende Beschwerden auch mit Ausstrahlung in das linke Bein. Durch MRT-Untersuchung sei ein Bandscheibenvorfall im Segment L5/S1 mit Alteration der Wurzel S1 und Verlegung des linken Neuroforaminas gesichert worden. Die Röntgenaufnahmen der Lendenwirbelsäule vom 15.04.2013 zeigten eine Chondrose Grad III im Segment L5/S1, die nach den "Konsensempfehlungen" als sicher altersuntypisch anzugeben sei. Ferner bestanden Spondylarthrosen über den beiden unteren Segmenten der Lendenwirbelsäule. Der Kläger habe ab März 2013 seine bisherige Arbeit im Baugewerbe nicht mehr durchgeführt. Ab 21.10.2014 sei eine Umschulung zum Industriekaufmann erfolgt. Unter Heranziehung der "Konsensempfehlungen" sei eine gesicherte bandscheibenbedingte Erkrankung zu bestätigen, diese beziehe sich auf das Segment L5/S1. Klinische bzw. röntgenologische Bandscheibenveränderungen im Bereich der Halswirbelsäule waren nicht vorhanden, wesentliche konkurrierende Ursachen für Bandscheibenveränderungen laut "Konsensempfehlungen" lägen nicht vor. Die bei dem Kläger bestehende Erkrankung sei einer Konstellation B der "Konsensempfehlungen" zuzuordnen. Da Begleitspondylosen nicht vorhanden seien und auch keine Kriterien für eine Konstellation B2 vorlägen, sei die Erkrankung des Klägers in die Konstellation B3 einzuordnen. Diesbezüglich werde angegeben, dass bei dieser Konstellation kein Konsens bestand. Entgegen den Bewertungen des Beratungsarztes der Beklagten, der von einer Chondrose Grad I ausging und einen Zusammenhang verneinte, sei angesichts der auf den Röntgenaufnahmen sich zeigenden Chondrose Grad III im Sinne eines sicher altersuntypischen Befundes ein Zusammenhang zwischen der beruflichen Exposition und der gesicherten bandscheibenbedingten Erkrankung der Lendenwirbelsäule wahrscheinlich und eine BK-Nr. 2108 BKV anzuerkennen. Es sei wahrscheinlich, dass die beruflichen Einwirkungen wesentlich ursächlich (mitursächlich) für die Entstehung der bandscheibenbedingten Erkrankung im Bereich der Lendenwirbelsäule im Segment L5/S1 sind.

Die Beklagte ist den Bewertungen des Sachverständigen Dr. H ... entgegengetreten, soweit dieser bei der Konstellation B3 das Vorliegen einer BK bejahe. Zwar sei mit dem Sachverständigen von einer Konstellation B3 nach den "Konsensempfehlungen" auszugehen, bei dieser Konstellation habe aber in der Arbeitsgruppe kein Konsens bestanden. Für die Beklagte seien keine Gründe erkennbar, die trotz einer fehlenden einheitlichen wissenschaftlichen Meinung in Form einer klaren Empfehlung der Arbeitsgruppe eine berufliche Verursachung überwiegend wahrscheinlich machen würden. Bei dem individuellen Krankheitsbild des Klägers sei ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der beruflichen Wirbelsäulenbelastung und dem Bandscheibenschaden L5/S1 zwar nicht völlig ausgeschlossen, jedoch in hohem Maße unwahrscheinlich. Bei einem monosegmentalen Befund nur an L5/S1 sei es aus biomechanischer Sicht wenig plausibel, dass bei einer berufsbedingten Bandscheibenschädigung die darüber liegenden Segmente weitgehend unauffällig seien.

Dr. H ... hat am 01.06.2016 ergänzend zu seinem Gutachten Stellung genommen und ausgeführt, dass zwar Einigkeit mit der Beklagten dahingehend bestehe, dass die Konstellation B3 vorliege, die dann vorzunehmende individuelle Beurteilung ergebe jedoch bei der gesicherten beruflichen Exposition und beim Vorliegen einer Chondrose Grad III die Wahrscheinlichkeit des Zusammenhangs, wobei der Kläger seinerzeit erst 39 Jahre alt gewesen sei.

Die Beklagte hat ergänzend eine beratungsärztliche Stellungnahme von Dr. W ... vom 06.07.2016 vorgelegt, der darin u.a. ausführt, dass die Durchführung einer individuellen Beurteilung bei Vorliegen der Konstellation B3 zwar korrekt sei, im Hinblick auf das Fehlen von Spuren der beruflichen Belastung oberhalb des betroffenen Segmentes L5/S1 könne aber ein Zusammenhang zwischen dem Bandscheibenschaden in diesem Segment und der beruflichen Exposition nicht wahrscheinlich gemacht werden.

Mit Gerichtsbescheid vom 21.10.2016 hat das SG den Bescheid der Beklagten vom 20.03.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.10.2015 aufgehoben und festgestellt, dass bei dem Kläger seit dem 05.03.2013 eine BK-Nr. 2108 BKV vorliegt. Zur Begründung hat sich das SG auf ein Gutachten von Dr. H ... vom 15.06.2013 gestützt. Wegen der Einzelheiten der Entscheidungsgründe wird auf Blatt 97 bis 99 der Gerichtsakte Bezug genommen.

Gegen den der Beklagten am 25.10.2016 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die am 24.11.2016 zum Sächsischen Landessozialgericht erhobene Berufung. Zur Begründung hat die Beklagte unter Vorlage einer weiteren beratungsärztlichen Stellungnahme von Dr. W ... vom 12.11.2016 ausgeführt, dass ausgehend von einer monosegmentalen Erkrankung im Segment L5/S1 ohne altersuntypische Veränderungen in anderen Segmenten der Lendenwirbelsäule die Konstellation B3 heranzuziehen sei. Eine monosegmentale Bandscheibenerkrankung ausschließlich im Segment L5/S1 sei auch in der Normalbevölkerung sehr häufig anzutreffen. Das Fehlen von Spuren der beruflichen Belastung in den Segmenten der mittleren und oberen Lendenwirbelsäule spreche gegen eine BK-Nr. 2108 BKV.

Im Berufungsverfahren hat der Senat die Übersendung der im erstinstanzlichen Verfahren von der Beklagten zur Gerichtsakte gereichten beratungsärztlichen Stellungnahme vom 06.07.2016 an den Kläger nachgeholt.

Der Senat hat ferner einen Befundbericht von Dr. D ... eingeholt. Medizinische Unterlagen über eine 1994 stattgehabte Behandlung der Lendenwirbelsäule waren nicht mehr ermittelbar.

Auf Veranlassung des Senats hat Dr. H ... am 04.10.2018 erneut ergänzend zu seinem Gutachten Stellung genommen und ausgeführt, dass weiter vom Vorliegen einer Konstellation B3 auszugehen sei. Seit Veröffentlichung der sogenannten "Konsensempfehlungen" im Jahr 2005 seien diese intensiv und auch kritisch diskutiert worden. Nach wie vor bestehe kein allgemein anerkannter anderer Konsens der verschiedenen Fachrichtungen zu schwierigen Fragestellungen der BK-Nr. 2108 BKV. Bisher sei kein anderer allgemein gültiger Konsens der verschiedenen Fachrichtungen veröffentlicht worden. Zur Konstellation B3 habe kein Konsens bestanden, einige Experten hätten also bei einer solchen Konstellation den oben genannten Zusammenhang verneint, andere hätten einen Zusammenhang bestätigt. Nach wie vor seien unterschiedliche Meinungen und Sichtweisen verschiedener Kollegen vorhanden. Der Sachverständige hat ferner ausgeführt, dass für einen ursächlichen Zusammenhang das Vorliegen einer gesicherten bandscheibenbedingten Erkrankung der Lendenwirbelsäule spreche, ferner eine ausreichende Exposition, eine plausible zeitliche Korrelation zwischen der Entwicklung der bandscheibenbedingten Erkrankung und der Exposition, das Betroffensein des untersten Segments der Lendenwirbelsäule und das dortige Vorliegen einer deutlichen Chondrose altersuntypischer Art (Chondrose Grad III) beim seinerzeit 39-jährigen Kläger sowie das Fehlen konkurrierender Ursachen. Gegen eine BK-Nr. 2108 BKV spreche, dass im Segment L4/L5 keine altersuntypische Chondrose vorliege. Eine monosegmentale Betroffenheit spreche auch allgemein gegen eine BK-Nr. 2108 BKV, wobei zu präzisieren sei, dass laut "Konsensempfehlungen" nicht gefordert sei, dass beide untere Segmente der Lendenwirbelsäule betroffen sein müssten. Auch spreche gegen eine BK-Nr. 2108 BKV, dass keine Begleitspondylose vorliege. Die Konstellation B3 sei die häufigste Manifestationsform eigenständiger Bandscheibenerkrankungen, wobei gerade deswegen bei dieser Konstellation in den "Konsensempfehlungen" kein Konsens bestanden habe.

Die Beklagte hat eine weitere beratungsärztliche Stellungnahme von Dr. W ... vom 14.11.2018 zur Akte gereicht, der darin die Bewertungen des Sachverständigen im Hinblick auf das Vorliegen der Konstellation B3 bestätigt. Bei der dann durchzuführenden einzelfallbezogenen Abwägung sei aufgrund des Fehlens wesentlicher bandscheibenbedingter Veränderungen in den Segmenten L1/L2 bis L4/L5 keine berufsbedingte bandscheibenbedingte Erkrankung anzunehmen.

Die Beklagte beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dresden vom 21.10.2016 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Sachverständige habe eindeutig und begründet erklärt, dass er von einer Konstellation B3 ausgehe, nachvollziehbar habe er bei der durchgeführten Einzelfallbetrachtung das Vorliegen einer BK-Nr. 2108 BKV bejaht. Die erstinstanzliche Entscheidung sei zutreffend.

Mit Beschluss vom 20.11.2018 hat der Senat das Berufungsverfahren dem Berichterstatter gemäß § 153 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) übertragen.

Dem Senat liegen die Gerichtsakte beider Instanzen sowie die Verwaltungsakte der Beklagten vor. Diese waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe:

Die form- sowie fristgerecht eingelegte und auch sonst zulässige Berufung der Beklagten, über die der Senat aufgrund des Beschlusses vom 20.11.2018 in der Besetzung gemäß § 153 Abs. 5 SGG entschieden hat, ist begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 20.03.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.10.2015 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der entgegenstehende Gerichtsbescheid des SG vom 21.10.2016, in dessen Begründung nicht aktenkundige medizinische Unterlagen herangezogen wurden und daher die vorgenommenen Erwägungen keinerlei Bezug zum vorliegenden Einzelfall haben, war aufzuheben.

Nach ständiger Rechtsprechung des BSG (vgl. Urteile vom 07.09.2004, Az.: B 2 U 35/03 R und B 2 U 45/03 R) ist das klägerische, auf Anerkennung einer Berufskrankheit gerichtete Begehren als Feststellungsklage i.S.d. § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG auszulegen. Ein berechtigtes Interesse des Klägers an dieser Feststellung besteht, weil es die Vorfrage für die Entscheidung der Beklagten über die zu gewährenden Leistungen darstellt. Eine Entscheidung hierüber war dem Senat verwehrt, weil die Beklagte über einzelne in Betracht kommende Leistungen noch keine Entscheidung getroffen hat (BSG, a.a.O.).

Bei dem Kläger liegt der Versicherungsfall einer BK-Nr. 2108 BKV nicht vor. Rechtliche Grundlage für die von ihm geltend gemachte Berufskrankheit ist § 9 Abs. 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII). Nach § 9 Abs. 1 Satz 1 SGB VII sind Berufskrankheiten Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als Berufskrankheiten bezeichnet und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit erleiden.

Die maßgebliche Rechtsverordnung ist die Berufskrankheitenverordnung (BKV). Nr. 2108 der Anlage 1 zur BKV hat folgenden Wortlaut: Bandscheibenbedingte Erkrankungen der Lendenwirbelsäule durch langjähriges Heben oder Tragen schwerer Lasten oder langjährige Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können.

Die bei dem Kläger bestehende Erkrankung erfüllt die Voraussetzungen der BK-Nr. 2108 BKV nicht. Für das Vorliegen des Tatbestandes der Berufskrankheit ist ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und der schädigenden Einwirkung einerseits (so genannte haftungsbegründende Kausalität) und zwischen der schädigenden Einwirkung und der Erkrankung andererseits (so genannte haftungsausfüllende Kausalität) erforderlich. Dabei müssen die Krankheit, die versicherte Tätigkeit und die durch sie bedingten schädigenden Einwirkungen einschließlich deren Art und Ausmaß im Sinne des Vollbeweises, also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, nachgewiesen werden. Für den ursächlichen Zusammenhang als Voraussetzung der Entschädigungspflicht, der nach der auch sonst im Sozialrecht geltenden Lehre von der wesentlichen Bedingung zu bestimmen ist, genügt grundsätzlich die (hinreichende) Wahrscheinlichkeit – nicht allerdings die bloße Möglichkeit – (vgl. BSG, Urteil vom 22.08.2000 – B 2 U 34/99 R –). Zur Beurteilung des Zusammenhangs ist die aktuelle herrschende medizinische Lehrmeinung zu berücksichtigen (vgl. BSG, Urteil vom 24.07.2012 – B 2 U 9/11 R –). Für den Bereich der BK-Nr. 2108 BKV sind vor allem die so genannten "Konsensempfehlungen" (Bolm-Audorff u. a., Medizinische Beurteilungskriterien zu bandscheibenbedingten Berufskrankheiten der Lendenwirbelsäule – Konsensempfehlungen zur Zusammenhangsbegutachtung der auf Anregung des HVBG eingerichteten interdisziplinären Arbeitsgruppe, Trauma und Berufskrankheit 2005, S. 211 ff.) heranzuziehen. Das danach erforderliche Schadensbild wird beschrieben durch den Vergleich der Veränderungen zwischen Beschäftigten mit hoher Wirbelsäulenbelastung und der Normalbevölkerung hinsichtlich der Kriterien Lebensalter beim Auftreten der Schädigung und Ausprägungsgrad in einem bestimmten Alter, Verteilungsmuster der Bandscheibenschäden an der Lendenwirbelsäule, Lokalisationsunterschiede zwischen biomechanisch hoch und mäßig belasteten Wirbelsäulenabschnitten der gleichen Person sowie Entwicklung einer Begleitspondylose. Die Heranziehung dieser Konsensempfehlungen als derzeit herrschende medizinische Lehrmeinung entspricht ständiger Rechtsprechung des BSG bei der Beurteilung des Vorliegens einer BK-Nr. 2108 BKV (BSG, Urteil vom 27.10.2009 – B 2 U 16/08 R –, Rdnr. 15; BSG, Urteil vom 27.06.2006 – B 2 U 13/05 R –, Rdnr. 14; BSG, Urteil vom 27.10.2009 – B 2 U 16/08 R –, Rdnr. 15; BSG, Urteil vom 23.04.2015 – B 2 U 10/14 R –, Rdnr. 21; BSG, Urteil vom 23.04.2015 – B 2 U 6/13 R –, Rdnr. 20; alle zitiert nach juris). Nach den Ausführungen von Dr. H ... vom 04.10.2018 haben sich im Hinblick auf die BK-Nr. 2108 BKV in den letzten Jahren keine relevanten neuen Aspekte ergeben, so dass auch der Senat weiterhin die "Konsensempfehlungen" als maßgebliche medizinische Lehrmeinung seinen Bewertungen zugrunde legt.

Bezogen auf den Fall des Klägers ist festzustellen, dass er die gefährdende Tätigkeit im März 2013 aufgegeben hat, bis dahin war er nach der Expositionsanalyse der Beklagten vom 03.09.2014 lendenwirbelsäulenbelastend im Sinne der BK-Nr. 2108 BKV tätig. Die Gesamtbelastungsdosis von 24 MNh ist unter Heranziehung der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (vgl. BSG Urteil vom 30.10.2007 – B 2 U 4/06 R –; Urteile vom 18.11.2008 – B 2 U 14/07 R – sowie – B 2 U 14/08 R - jeweils zitiert nach juris) als ausreichend anzusehen, eine bandscheibenbedingte Erkrankung der Lendenwirbelsäule zu verursachen.

Darüber hinaus lag bei dem Kläger zum Zeitpunkt der Aufgabe der wirbelsäulenbelastenden Tätigkeit ein Krankheitsbild vor, dass von der BK-Nr. 2108 BKV umfasst ist. Nach dem Merkblatt zur BK-Nr. 2108 BKV (Bundesarbeitsblatt 10 - 2006, Seite 30 ff.) sind bandscheibenbedingte Erkrankungen möglich in Form eines lokalen Lumbalsyndroms, eines mono- und polyradikulären lumbalen Wurzelreizsyndroms sowie in Form eines Kaudasyndroms. Bei der Diagnostik eines lokalisierbaren Schmerzpunktes in einem Wirbelsäulensegment müssen die Bewegungsstörung, die Schmerzausstrahlung und die neurologische Irritation diesem Segment zugeordnet werden können, erst dann kann eine vertebragene Ursache angenommen werden. Nach den "Konsensempfehlungen" (a.a.O., S. 215 f.) ist der bildgebende Nachweis eines Bandscheibenschadens (Höhenminderung und/oder Vorfall) unabdingbare, aber nicht hinreichende Voraussetzung für den Nachweis einer bandscheibenbedingten Erkrankung. Hinzukommen muss eine korrelierende klinische Symptomatik. Es ist ein bestimmtes Krankheitsbild erforderlich, wobei wiederum unterschieden wird zwischen einem lokalen Lumbalsyndrom (Typ 1) und einem lumbalen Wurzelsyndrom (Typ 2). Das lokale Lumbalsyndrom (Typ 1) setzt folgende Kriterien voraus: - Radiologie: altersuntypische Höhenminderung einer oder mehrerer Bandscheiben - Symptom: Schmerz durch Bewegung - Klinik: Segmentbefund mit provozierbarem Schmerz - funktionell: Entfaltungsstörung der LWS - Muskulatur: erhöhter Tonus - ggf. pseudoradikuläre Schmerzausstrahlung. Ein lumbales Wurzelsyndrom (Typ 2) setzt voraus: - Radiologie: Vorfall oder Chondrose mit Bandscheibenverschmälerung mit Nervenwurzelbedrängung, ggf. in Verbindung mit Retrospondylose, Spondylarthrose, Foramenstenose, Rezessusstenose und/oder Spinalkanalstenose, im Ausnahmefall bei engem Spinalkanal auch Protrusion - Neurologie: Zeichen der Reizung bzw. Schädigung der entsprechenden Nervenwurzel(n) - Typ 1 und 2 kommen häufig auch als Mischform vor. Das Kaudasyndrom ist eine Sonderform des lumbalen Wurzelsyndroms.

Für die Anerkennung einer BK-Nr. 2108 BKV muss danach nicht nur ein Bandscheiben-schaden nachweisbar sein, hinzutreten muss zwingend eine damit einhergehende (also bandscheibenbedingte) klinische Symptomatik. Dabei müssen die notwendigen radiologischen Veränderungen und die klinischen Symptome zeitlich sowohl miteinander als auch mit der Aufgabe der belastenden Tätigkeit korrelieren.

Übereinstimmend gehen die mit dem Fall betrauten behandelnden Ärzte und der im gerichtlichen Verfahren gehörte Sachverständige von einer bandscheibenbedingten Erkrankung in diesem Sinne aus. Bei dem Kläger bestand ein (zwischenzeitlich operativ behandelter) Bandscheibenvorfall im Segment L5/S1 mit Radikulopathie, was einer Erkrankung Typ 2 entspricht. Dr. H ... erachtete in seinem Gutachten die bei der Untersuchung festgestellten Funktionseinschränkungen und die vom Kläger dargelegten Beschwerden als korrelierend mit den radiologischen Befunden. Für den Senat bestanden keine Ansatzpunkte, diese Bewertung in Frage zu stellen.

Die bei dem Kläger nachgewiesene bandscheibenbedingte Erkrankung der Lendenwirbelsäule ist jedoch nicht im Beweisgrad der Wahrscheinlichkeit durch die genannten beruflichen Einwirkungen im Sinne der BK-Nr. 2108 BKV verursacht.

Zwar besteht bei dem Kläger eine plausible zeitliche Korrelation zwischen der beruflichen Tätigkeit und der Ausbildung der bandscheibenbedingten Erkrankung der Lendenwirbelsäule. Die "Konsensempfehlungen" (a.a.O., S. 216) fordern, dass eine ausreichende Exposition der Erkrankung vorausgegangen sein muss. Der Kläger war seit 1991 als Stahlbetonbauer tätig, bis zum erstmaligen Nachweis einer bandscheibenbedingten Lendenwirbelsäulenerkrankung im Jahr 2013 war er langjährig tätig gewesen, wobei die Erkrankung bei dem 1974 geborenen Kläger zudem als altersvorauseilend, also altersuntypisch zu bewerten ist. Unmittelbar mit dem Nachweis der bandscheibenbedingten Lendenwirbelsäulenerkrankung gab der Kläger auch die wirbelsäulenbelastende Tätigkeit auf.

Diese Aspekte allein genügen jedoch nicht für die Anerkennung einer bandscheibenbedingten Erkrankung der Lendenwirbelsäule als BK-Nr. 2108 BKV. In den "Konsensempfehlungen" (a.a.O., S. 217 ff.) wurden typische Fallkonstellationen aufgeführt und von der Expertengruppe hinsichtlich einer wahrscheinlichen beruflichen Verursachung bewertet, wobei bei 6 von 21 gebildeten Befundkonstellationen kein Konsens hergestellt werden konnte, da u.a. die Bedeutung der Begleitspondylose unterschiedlich beurteilt wurde.

Bezogen auf den Fall des Klägers ist festzustellen, dass neben der Bejahung einer lumbalen bandscheibenbedingten Erkrankung in Folge des Bandscheibenvorfalls im Segment L5/S1 und einer altersuntypischen Chondrose Grad III in diesem Segment keine spondylotischen Veränderungen im Bereich der Lendenwirbelsäule vorliegen. Dr. H ... hat insofern in seinem Gutachten vom 08.04.2016 sowie in den ergänzenden Stellungnahmen vom 01.06.2016 und vom 04.10.2018 die beratungsärztlichen Bewertungen von Dr. X ... und Dr. W ... im Wesentlichen bestätigt. Zwar hat Dr. H ... ergänzend auch Spondylarthrosen über den beiden unteren Segmenten der Lendenwirbelsäule befundet, ohne jedoch diesen Veränderungen eine Bedeutung im Rahmen der Beurteilung für die BK-Nr. 2108 BKV beizumessen. Neben der Verneinung einer Begleitspondylose hat Dr. H ... zudem auch das Vorliegen von chondrotischen Veränderungen in Segmenten der Lendenwirbelsäule oberhalb des einzig betroffenen Segments L5/S1 verneint.

Das bei dem Kläger bestehende Schadensbild ist einer Konstellation mit dem Buchstaben "B" zuzuordnen: Die bandscheibenbedingte Erkrankung betrifft L5/S1 und/oder L4/5, die Ausprägung des Bandscheibenschadens ist Chondrose Grad II oder höher und/oder Vorfall (vgl. "Konsensempfehlungen", a.a.O., S. 217). Konkret betroffen ist bei dem Kläger das Segment L5/S1 mit einem Bandscheibenvorfall und einer Chondrose Grad III. Dies ergibt sich für den Senat überzeugend aus dem Gutachten von Dr. H ...

Folgende Konstellationen der Gruppe B sind im vorliegenden Fall wegen des Fehlens von Veränderungen im Bereich der Halswirbelsäule bzw. konkurrierender Ursachen (für den Senat sind weder aus dem Gutachten von Dr. H ... vom 18.04.2016 noch sonst aus den Akten Ansatzpunkte für diesbezügliche Annahmen abzuleiten) in Betracht zu ziehen: • Konstellation B1 Wesentliche konkurrierende Ursachenfaktoren erkennbar: nein Begleitspondylose: ja Beurteilung: Zusammenhang wahrscheinlich

• Konstellation B2 Wesentliche konkurrierende Ursachenfaktoren erkennbar: nein Begleitspondylose: nein zusätzlich mindestens eins der folgenden Kriterien erfüllt: - Höhenminderung und/oder Prolaps an mehreren Bandscheiben – bei monosegmentaler/m Chondrose/Vorfall in L5/S1 oder L4/5 "black disc" im Magnetresonanztomogramm in mindestens zwei angrenzenden Segmenten - Besonders intensive Belastung; Anhaltspunkt: Erreichen des Richtwertes für die Lebensdosis in weniger als 10 Jahren. - Besonderes Gefährdungspotential durch hohe Belastungsspitzen; Anhaltspunkt: Erreichen der Hälfte des MDD-Tagesdosis-Richtwertes durch hohe Belastungsspitzen (Frauen ab 4 ½ kN; Männer ab 6 kN) Beurteilung: Zusammenhang wahrscheinlich.

• Konstellation B3 Wie Konstellation B2, aber keins der unter B2 genannten Zusatzkriterien erfüllt Beurteilung: Bei dieser Konstellation bestand kein Konsens.

Das Fehlen einer konkurrierenden Ursache entsprechend der Konstellationen B1 und B2 ist nach den Bewertungen von Dr. H ... gegeben. Er konnte keine anderweitige Erkrankung benennen, die als konkurrierende Ursache für die Erkrankung des Klägers im Bereich der Lendenwirbelsäule in Betracht gezogen werden könnte. Dies steht im Einklang mit den beratungsärztlichen Bewertungen von Dr. W ... und Dr. X ...

Da eine Begleitspondylose von Dr. H ... in Übereinstimmung mit den beratungsärztlichen Bewertungen ausdrücklich verneint wurde, liegt die Konstellation B1 nicht vor. Heranzuziehen ist vielmehr aufgrund der nachvollziehbaren und in sich schlüssigen Bewertungen von Dr. H ... in seinen gutachterlichen Äußerungen die Konstellation B3. Im Einklang mit den beratungsärztlichen Stellungnahmen liegen keine Zusatzkriterien der Konstellation B2 vor. Weder ist abgesehen vom Schaden an der Bandscheibe L5/S1 eine Höhenminderung und/oder ein Prolaps an mehreren Bandschreiben bzw. eine "black disc" in den Bandscheiben oberhalb des Segments L5/S1 nachgewiesen, noch konnten im Hinblick auf die Exposition des Klägers eine besonders intensive Belastung im Sinne des Zusatzkriteriums 2 der Konstellation B2 oder hohe Belastungsspitzen entsprechend des Zusatzkriteriums 3 der Konstellation B2 eruiert werden. Diesbezüglich verweist der Senat auf die ergänzende Expositionsanalyse der Beklagten vom 19.12.2014. Selbst unter Heranziehung der Rechtsprechung des Sächsischen Landessozialgerichts, wonach das Erreichen des Richtwertes für die Lebensdosis in weniger als 10 Jahren (Zusatzkriterium 2) auch dann vorliegt, wenn als Richtwert 12,5 MNh herangezogen werden (vgl. Urteile des Senats vom 10.04.2013, L 6 U 211/09, und vom 29.01.2014, L 6 U 111/11), ist dieses Kriterium nicht erfüllt. Der Kläger hat während seiner beruflichen Tätigkeit in keinem 10-jährigen Abschnitt eine Belastungsdosis von 12,5 MNh erreicht. Der Senat bezieht sich hier auf die Expositionsanalyse der Beklagten vom 03.09.2014 und die in dieser Analyse aufgeführten Teildosen. Für den Senat waren keine Ansatzpunkte dafür ersichtlich, die Bewertungen der Beklagten zur Exposition des Klägers in Frage zu stellen. Ansatzpunkte für ergänzende Ermittlungen ergeben sich für den Senat weder aus dem Vortrag des Klägers noch sonst aus dem Inhalt der Akten. Das gilt auch für die Bewertung im Hinblick auf das 3. Zusatzkriterium der Konstellation B2.

Bei der Konstellation B3 (wesentliche konkurrierende Ursachenfaktoren sind nicht erkennbar, eine Begleitspondylose fehlt und keines der in der Konstellation B2 genannten Zusatzkriterien ist erfüllt) bestand innerhalb der Expertengruppe kein Konsens im Hinblick auf die berufliche Verursachung. Dabei ist für den Senat von Bedeutung, dass ausweislich der grundsätzlichen Ausführungen der Expertengruppe unter 1.4 der "Konsensempfehlungen" (a.a.O., S. 216 f., hier letzter Anstrich in der linken Spalte auf S. 217) bei monosegmentaler Chondrose im Röntgenbild ohne Begleitspondylose sowie bei fehlenden magnetresonanztomografischen Begleitbefunden in anderen Segmenten ("black disc") Plausibilitätsüberlegungen eher gegen das Vorliegen einer Berufskrankheit sprechen, wenn das 45. Lebensjahr überschritten ist. Mit anderen Worten kommt bei der bei dem Kläger bestehenden Situation (monosegmentaler Bandscheibenschaden im Segment L5/S1 ohne Begleitspondylose und ohne "black disc" in anderen Segmenten) nur dann überhaupt ein Zusammenhang in Betracht, wenn das 45. Lebensjahr noch nicht vollendet wurde. Dies trifft zwar auf den Kläger zu, der bei Auftreten der Erkrankung 39 Jahre alt war. Gleichwohl konnte sich der Senat der Bewertung von Dr. H ... in dem Gutachten und in den ergänzenden Stellungnahmen vom 01.06.2016 und vom 04.10.2018 nicht anschließen.

Dr. H ... und Dr. W ... haben zur Konstellation B3 ausführt, dass eine Einzelfallabwägung vorzunehmen sei. In der Rechtsprechung wurde auch die Auffassung vertreten, dass beim Vorliegen der Konstellation B3 eine BK-Nr. 2108 BKV grundsätzlich zu verneinen ist (vgl. Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 13.01.2010 – L 3 U 1139/05 – juris). Der erkennende Senat stellt auf die zwischenzeitlich ergangene Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zur Konstellation B3 ab. Das BSG hat im Urteil vom 23.04.2015 (Az.: B 2 U 6/13 R – juris Rdnr. 26) ausführt: "Soweit weder eine Begleitspondylose noch eines der zuvor genannten Zusatzkriterien der Konstellation B2 vorliegen und keine konkurrierenden Faktoren erkennbar sind, war die Einschätzung des Zusammenhangs durch die Arbeitsgruppenteilnehmer der Konsensarbeitsgruppe offensichtlich unterschiedlich und es wurde folglich auch keine Anerkennungsempfehlung ausgesprochen (U. Bolm-Audorff et al, Medizinische Beurteilungskriterien zu bandscheibenbedingten Berufskrankheiten der Lendenwirbelsäule, Trauma und Berufskrankheit 2005/3, S 211, 221 f). Dieser fehlende Konsens in der Arbeitsgruppe kann aber nicht so gedeutet werden, dass damit eine Anerkennung des Verursachungszusammenhangs im Einzelfall unmöglich wäre. Zwar wird die Schlussfolgerung des LSG häufig zutreffen, jedoch ist die vom LSG zugrunde gelegte generelle Aussage wissenschaftlich nicht belegt, so dass es im Einzelfall nicht ausgeschlossen und dementsprechend jeweils erst im Rahmen der Amtsermittlung festzustellen ist, ob individuelle, dem aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstand entsprechende Umstände vorliegen, die im konkreten Einzelfall den Ursachenzusammenhang als hinreichend wahrscheinlich erscheinen lassen (BSG vom 24.7.2012 - B 2 U 9/11 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 44 RdNr 52). Dies lässt sich anhand der tatsächlichen Feststellungen des LSG indes nicht beurteilen, das - von seiner Rechtsansicht her konsequent - die Ermittlungen bereits mit der Bejahung der Konstellation B3 beendet hat. Das LSG wird daher erst zu ermitteln haben, ob es einen nach dem neuesten Stand der medizinischen Wissenschaft anerkannten Erfahrungssatz gibt, nach dem isolierte Bandscheibenvorfälle ohne die in der Konstellation B2 genannten Zusatzkriterien durch schweres Heben und Tragen verursacht werden können."

Der Senat schließt sich diesen Erwägungen an. In Anwendung dieser Grundsätze zieht der Senat die ergänzende Stellungnahme von Dr. H ... vom 04.10.2018 heran, wonach im Vergleich zur Herausgabe der "Konsensempfehlungen" kein anderer allgemein gültiger Konsens veröffentlicht wurde. Dem Senat ist auch sonst aus einer Vielzahl vergleichbarer Verfahren oder aus der Rechtsprechung anderer Gerichte keine neue Erkenntnisgrundlage bekannt. Im Einklang damit hat das Hessische Landessozialgericht im Urteil vom 24.01.2017 (L 3 U 253/15 – juris) ausgeführt: "Einen solchen durch neue Erkenntnisse bestätigten Erfahrungssatz hat der Senat nicht feststellen können. Grosser, Meyer-Clement und Schröter (Auswirkungen der Deutschen Wirbelsäulenstudie, in: Der medizinische Sachverständige 2015, Seiten 140 bis 143) haben diese Frage untersucht und nach Bewertung der 2007 veröffentlichten Studie und ihrer 2013 veröffentlichten Nachauswertung (DWS II) festgestellt, dass deren Inhalt weder neue Dosisrichtwerte begründet noch neue medizinische Kriterien für die Zusammenhangsbeurteilung hergibt (ebenso: LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 7. April 2014, L 9 U 121/11 - juris - Rdnr. 40; Kranig, Die Krux mit dem Kreuz - Anmerkungen zu dem Urteil des BSG vom 23. April 2015 zur Berufskrankheit Nr. 2108, in: Die Sozialgerichtsbarkeit 2016, 504, 509). Selbst Prof. J ..., der bei der Erarbeitung der Konsensempfehlungen die Auffassung vertreten hat, die Konstellation B3 sei zur Anerkennung zu empfehlen, spricht sich in "Informationen für den Gutachter der Berufskrankheit 2108" (Zentralblatt für Arbeitsmedizin, Arbeitsschutz und Ergonomie 2014, 35, 43) lediglich für eine Überarbeitung der Konsensempfehlungen aus und führt speziell zur Konstellation B3 aus, dass die Studienergebnisse "im Rahmen einer multivarianten Auswertung überprüft werden" sollten. Für die Beurteilung des Einzelfalls verwertbare Ergebnisse hat auch er nicht mitgeteilt und auch der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnungen hat nach Vorstellung der Ergebnisse der DWS im ärztlichen Sachverständigenbeirat die Aufnahmen neuer Beratungen abgelehnt und weiteren Forschungsbedarf konstatiert, so dass die DGUV keinen Anlass sieht, die bisherigen Empfehlungen zur Bearbeitung der BK 2108 zu verändern (dazu: Römer in: Hauck, Sozialgesetzbuch, SGB VII, Gesetzliche Unfallversicherung, Kommentar, Anhang zu K § 9 Anlage zur BKV BK-Nrn. 2108 bis 2110, Seite 13)."

Damit ist nach dem neuesten Stand der medizinischen Wissenschaft kein allgemein anerkannter Erfahrungssatz existent, nach dem monosegmentale isolierte Bandscheibenschäden ohne die in der Konstellation B2 genannten Zusatzkriterien durch Expositionen im Sinne der BK-Nr. 2108 BKV hervorgerufen werden.

Selbst bei Durchführung einer Einzelfallbetrachtung ergibt sich kein anderes Ergebnis. Die von Dr. H ... in seinem Gutachten vorgenommene Abwägung, die er in der ergänzenden Stellungnahme vom 04.10.2018 bestätigt hat, überzeugt den Senat nicht. Die von ihm angeführten Argumente &61485; gesicherte bandscheibenbedingte Erkrankung der Lendenwirbelsäule &61485; ausreichende Exposition &61485; plausible zeitliche Korrelation &61485; Betroffenheit des untersten Segments &61485; deutliche altersuntypische Chondrose Grad III &61485; keine konkurrierende Ursachen &61485; Lebensalter 39 bei Auftreten der Chondrose Grad III sind allesamt Aspekte, die notwendig sind, um überhaupt die Konstellation B3 rechtfertigen zu können. Das Vorliegen einer altersuntypischen Chondrose Grad III im vom Bandscheibenvorfall betroffenen Segment ist gerade die bandscheibenbedingte Erkrankung, die zur Beurteilung ansteht. Ohne gesicherte bandscheibenbedingte Erkrankung der Lendenwirbelsäule wäre die Konstellation A1 heranzuziehen, ohne ausreichende Exposition die Konstellation A2 (jeweils Ablehnung einer BK-Nr. 2108 BKV, "Konsensempfehlungen", a.a.O., S. 217). Die plausible zeitliche Korrelation ist Grundvoraussetzung überhaupt für alle Konstellationen ab Buchstabe B, ebenso eine gesicherte bandscheibenbedingte Erkrankung der Lendenwirbelsäule und eine ausreichende Exposition (vgl. "Konsensempfehlungen", a.a.O., S. 217 mittlere Spalte). Die Betroffenheit des untersten Segments führt zur Einordnung in die Konstellationen mit dem Buchstaben B, das Fehlen konkurrierender Ursachen ist Eingangsvoraussetzung u.a. für die Konstellation B2 und damit auch für die Konstellation B3. Auch der Verweis auf das Lebensalter rechtfertigt angesichts der bereits dargelegten grundsätzlichen Ausführungen in den "Konsensempfehlungen" (a.a.O., S. 217 linke Spalte letzter Anstrich) keine einzelfallbezogene Anerkennung des Krankheitsbildes als BK-Nr. 2108 BKV.

Dass Dr. H ... die in der Nachbefundung der Röntgenaufnahmen festgestellten Spondylarthrosen nicht als Ausdruck der bandscheibenbedingten Erkrankung der Lendenwirbelsäule oder als Zeichen einer beruflichen Belastung der Bandscheiben anführt, überzeugt den Senat ebenfalls. Dies korrespondiert mit den "Konsensempfehlungen" (a.a.O., S. 215 f.), wonach Spondylarthrosen nicht zwingend sekundäre Folge eines Bandscheibenschadens sind, sondern auch als primäre und daher nicht von der BK-Nr. 2108 BKV erfasste nicht bandscheibenbedingte Erkrankung vorkommen kann.

Für den Senat waren vorliegend keine Umstände erkennbar, die abweichend vom Regelfall der Konstellation B3 eine berufliche Verursachung des monosegmentalen Bandscheibenschadens im Segment L5/S1 wahrscheinlich machen könnten. Zwischen Dr. H ... und Dr. W ... besteht insofern Übereinstimmung, als die Konstellation B3 die häufigste Manifestationsform eigenständiger bandscheibenbedingter Erkrankungen aus innerer Ursache ist. Wenn der Normalfall der Konstellation B3 vorliegt, ohne dass zusätzliche Aspekte eine Gewichtung z. in Richtung der Konstellationen B1 oder B2 rechtfertigen, bleibt für eine Einzelfallabwägung kein Raum. Zwar ist die Möglichkeit einer beruflichen Verursachung entsprechend der in der medizinischen Literatur teilweise vertretenen Auffassung nicht auszuschließen, mangels einer diesbezüglichen herrschenden medizinischen Lehrmeinung wird jedoch der Beweisgrad der Wahrscheinlichkeit nicht erreicht. Ein deutliches Überwiegen der Kriterien, die für einen (wesentlichen) Verursachungsbeitrag der beruflichen Einwirkungen sprechen, war vorliegend nicht zu rechtfertigen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1, 4 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor, § 160 Abs. 2 SGG.
Rechtskraft
Aus
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