Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Düsseldorf (NRW)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 8 KR 219/18
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 16 KR 868/18
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin insgesamt 1.138.681,74 EUR zu zahlen, nebst Zinsen i.H.v. 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 99.140,86 EUR seit dem 07.04.2017, aus 123.583,78 EUR seit dem 11.05.2017, aus 142.033,28 EUR seit dem 23.06.2017, aus 50.630,28 EUR seit dem 13.07.2017, aus 59.567,24 EUR seit dem 30.08.2017, aus 266.568,51 EUR seit dem 05.09.2017, aus 32.735,34 EUR seit dem 30.10.2017, aus 64.485,79 EUR seit dem 23.11.2017, aus 119.370,83 EUR seit dem 21.12.2017, aus 33.915,24 EUR seit dem 24.01.2018, aus 113.736,81 EUR seit dem 14.05.2018 und aus 32.913,78 EUR seit dem 14.05.2018. Die Verfahrenskosten werden der Beklagten auferlegt.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Vergütung von gelieferten Kontrastmitteln als vertragsärzt-lichem Sprechstundenbedarf.
Die Klägerin, ein Pharmaunternehmen, vertreibt in Deutschland unter anderem verschie-dene Kontrastmittel, die von vertragsärztlich tätigen Radiologen zur diagnostischen Bild-gebung eingesetzt werden (z.B. Computertomographie oder Magnetresonanztomogra-phie). Hierzu gehören unter anderem die Arzneimittel Ultravist, Primovist, Gadovist sowie Gastrografin. Diese Kontrastmittel werden als sogenannter Sprechstundenbedarf von den radiologischen Praxen bezogen.
Wie in der Vergangenheit hat die Klägerin auch über Januar 2017 hinaus Kontrastmittel an Vertragsradiologen im Bezirk der Kassenärztlichen Vereinigung Rheinland-Pfalz als Sprechstundenbedarf (SSB) geliefert, die diese mit SSB-Rezepten zulasten der beklagten Krankenkasse verordnet hatten (vor allem die Kontrastmittel Ultravist, Primovist, Gadovist, Gastrografin; vertragsärztliche Verordnungen unter anderem des Radiologischen Instituts L1, der Radiologischen Praxis im Marienkrankenhaus in D, der Radiologischen Praxis am I L2 , Radiologiepraxis X, S, U sowie das Radiologische Institut Dr. von F). Die entsprechenden Rechnungen hat die Beklagte zurückgewiesen, soweit sie die Liefe-rungen der Kontrastmittel Gadovist und Gastrografin betrafen. Insgesamt kam es zur Zu-rückweisung folgender Rechnungen mit folgenden Teilbeträgen:
99.140,86 EUR Rechnung vom 10.03.2017 123.583,78 EUR Rechnung vom 07.04.2017 142.033,28 EUR Rechnung vom 09.05.2017 50.630,28 EUR Rechnung vom 14.06.2017 59.567,24 EUR Rechnung vom 14.07.2017 266.568,51 EUR Rechnung vom 09.08.2017 32.735,34 EUR Rechnung vom 05.09.2017 64.485,79 EUR Rechnung vom 20.10.2017 119.370,83 EUR Rechnung vom 17.11.2017 33.915,24 EUR Rechnung vom 13.12.2017 113.736,81 EUR Rechnungen vom 08.02.2018 und 12.02.2018 32.913,78 EUR Rechnung vom 16.03.2018 1.138.681,74 EUR insgesamt
Zur Begründung der Zahlungsablehnung wies die Beklagte bzw. der Abrechnungszentrum auf "nicht abrechnungsfähige Produkte" und "Lieferant nicht Vertragspartner" hin. Im an-schließenden Schriftverkehr zwischen den Beteiligten wies die Beklagte darauf hin, dass sie bezüglich der einschlägigen Kontrastmittel wie Gadovist und Gastrografin einen Rah-menvertrag mit zwei Lieferanten geschlossen habe, die nach einer entsprechenden Aus-schreibung den Zuschlag erhalten hätten.
Die Klägerin hat Klage erhoben, nachdem es die Beklagte abgelehnt hatte, die entspre-chenden Rechnungsbeträge vom 10.03.2017 und 07.04.2017 zu begleichen. Diese hat sie im Laufe des Klageverfahrens um die übrigen oben aufgeführten Rechnungsbeträge er-weitert. Sie macht geltend, dass ihr der entsprechende Vergütungsanspruch zustehe. Zur Abrech-nung der Kosten für Kontrastmittel sei bei der Beklagten die Rechnung des Lieferanten gemeinsam mit der Sprechstundenbedarfsverordnung einzureichen (IV. 5. SSB-Vereinbarung). Sofern der Vertragsarzt gegenüber dem Lieferanten nicht in Vorleistung getreten ist - was in der Praxis der Regelfall ist -, sei vorgesehen, dass die Beklagte den Rechnungsbetrag direkt an den Lieferanten des Kontrastmittels zahlt (vgl. IV. 5. SSB-Vereinbarung). Auf der Grundlage der SSB-Vereinbarung bestehe ihr Vergütungsan-spruch. Die SSB-Vereinbarung enthalte hinsichtlich der Einwände der Beklagten keinerlei Einschränkung, weder für das Pharmaunternehmen noch für die verordnenden Ärzte. In-soweit die Beklagte mit ihren Einwänden eine unwirtschaftliche Verordnungsweise geltend machen sollte, bestehe insoweit keine Prüfpflicht der Beklagten. Vielmehr sehe die SSB-Vereinbarung eine eigene institutionalisierte Prüfmöglichkeit vor, die von der Beklagten nicht in Anspruch genommen worden sei. Entgegen dem Standpunkt der Beklagten, sei der Abschluss eines bilateralen Rahmenvertrags mit anderen Pharmaunternehmen nicht geeignet, Lieferrechte der Klägerin einzuschränken oder auszuschließen. Diese von der Beklagten so gehandhabte Vorgehensweise stelle einen Vertrag zulasten Dritter dar, für die es keine gesetzliche Grundlage gebe. Unter Berücksichtigung der mangelnden gesetz-lichen Grundlage bestehe auch keine Rechtspflicht der Klägerin oder der verordnenden Vertragsärzte, die Verordnungen für die Kontrastmittel als Sprechstundenbedarf zuguns-ten der Präparate der Klägerin als medizinisch begründet zu kennzeichnen. Unter Berück-sichtigung der Maßgabe der SSB-Vereinbarung sei auch keine weitere Prüfpflicht der Klä-gerin oder Missachtung offensichtlicher Verordnungsfehler ersichtlich. Auf die weiteren Ausführungen der Klägerin, einschließlich der von ihr in Bezug genommenen Gerichtsent-scheidungen und Rechtsprechung, wird Bezug genommen. Die Klägerin macht darüber hinaus geltend, dass die ausschreibungsgegenständlichen Präparate und die von der Klägerin gelieferten Kontrastmittel nicht miteinander vergleich-bar seien. Es bestehe keine Wirkstoffgleichheit, was von der Beklagten bestätigt werde. Zudem bestehe für das Kontrastmittel Gadovist noch ein Patentschutz, während es sich bei den Kontrastmitteln der Ausschreibungsgewinner um Generika handele.
Die Klägerin beantragt schriftsätzlich,
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin insgesamt 1.138.681,74 EUR nebst Zinsen i.H.v. 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu zahlen, davon auf 99.140,86 EUR seit dem 07.04.2017, auf 123.583,78 EUR seit dem 11.05.2017, auf 142.033,28 EUR seit dem 23.06.2017, auf 50.630,28 EUR seit dem 13.07.2017, auf 59.567,24 EUR seit dem 30.08.2017, auf 266.568,51 EUR seit dem 05.09.2017, auf 32.735,34 EUR seit dem 30.10.2017, auf 64.485,79 EUR seit dem 23.11.2017, auf 119.370,83 EUR seit dem 21.12.2017, auf 33.915,24 EUR seit dem 24.01.2018, auf 113.736,81 EUR seit dem 14.05.2018 und auf 32.913,78 EUR seit dem 14.05.2018.
Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,
die Klage abzuweisen.
Sie hält den geltend gemachten Zahlungsanspruch für unbegründet. Der Klägerin stehe kein Vergütungsanspruch zu. Sie sei nicht lieferberechtigt gewesen. Die streitgegenständ-lichen Kontrastmittel seien Gegenstand eines durchgeführten Ausschreibungsverfahrens gewesen, dass zum Abschluss eines Rahmenvertrages zur Belieferung der radiologischen Vertragsarztpraxen mit dem Kontrastmittel des Ausschreibungsgewinners geführt habe. Die Klägerin sei auch nach ihrer Teilnahme nicht Zuschlagsempfängerin des Ausschrei-bungsverfahrens geworden. Das Ausschreibungsverfahren sei vergaberechtskonform durchgeführt worden, wie die Vergabekammer und das OLG Düsseldorf bestätigt hätten. Der Abschluss der daraus resultierenden Exklusivlieferverträge sei allen an der Versor-gung mit den Kontrastmitteln potentiell Betroffenen, einschließlich der Klägerin, rechtzeitig bekannt gegeben worden (Schreiben vom 03.01.2017: Wir möchten sie darauf hinwei-sen, dass die Erstattung von nicht bezuschlagten Kontrastmitteln bzw. die Abrechnung von bezuschlagten Kontrastmitteln durch einen anderen Lieferanten als den Zuschlagsge-winner aufgrund der Exklusivität der Ausschreibung grundsätzlich nicht möglich ist. Eine Ausnahme besteht nur dann, wenn ein medizinisch begründeter Ausnahmefall vorliegt o-der der Zuschlagsgewinner nicht lieferfähig ist. ).
Nach dem bekannt gegebenen Abschluss der Exklusivlieferverträge hätte es der Klägerin oblegen, nicht bezuschlagte Verordnungen zurückzuweisen. Es sei auch aus der Sicht der Klägerin nach der Bekanntgabe offensichtlich gewesen, dass die Beklagte mit der Klägerin über die ausschreibungsgegenständlichen Kontrastmittel keinen Kaufvertrag abschließen wollte. Ein solcher sei, auch mangels entsprechender anderweitiger Regelung, nicht zu-stande gekommen. Sie sei berechtigt gewesen, die Exklusivlieferverträge auch zulasten von Drittanbietern abzuschließen, da solche durch das Gesetz nicht ausgeschlossen sei-en. So bestehe z.B. auch kein gesetzlicher Ausschluss für entsprechende Rabattverträge, da das SGB V keine Regelungen zum Sprechstundenbedarf enthalte. Vielmehr müsse das allgemeine Wirtschaftlichkeitsgebot Beachtung finden (§ 53 SGB X, § 12 SGB V, § 73 Abs. 8 SGB V). Darüber hinaus hätten die zu Grunde liegenden Verordnungen die formellen Vorausset-zungen für eine ordnungsgemäße Verordnung der Kontrastmittel nicht erfüllt, da sie keine Kennzeichnung nicht bezuschlagter Kontrastmittel beinhalten. Sie sei weder verpflichtet noch berechtigt anzugeben, welche Zahlungen sie für den streit-gegenständlichen entsprechende Lieferungen des Exklusivpartners hätte aufbringen müs-sen.
Auf die weiteren Ausführungen Beklagten einschließlich der angegebenen Rechtsprechung wird Bezug genommen.
Zur weiteren Sachdarstellung wird auf die zu den Gerichtsakten gereichten Schriftsätze und Unterlagen der Beteiligten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die als Leistungsklage zulässige Klage ist begründet.
Der Klägerin steht der geltend gemachte Zahlungsanspruch zu. Ihr Anspruch ist ein bereicherungsrechtlicher Anspruch, § 812 Abs. 1 S. 1, Alt. 1 i.V.m. § 818 Abs. 2 BGB. Es handelte sich vorliegend um Leistungen im Dreiecksverhältnis ohne vertragliche Ver-einbarung. Die Klägerin hat mit der Lieferung der Kontrastmittel an die jeweiligen Ver-tragsarztpraxen die Ansprüche der Versicherten der Beklagten auf entsprechende Sach-leistung gegenüber der Beklagten erfüllt (so zutreffend: LSG Hamburg, Urteil vom 24.02.2011 – L 1 KR 32/08 -; juris.de, Rn. 23).
Eine vertragliche Vereinbarung, ein Kaufvertrag, ist zwischen den Beteiligten nicht zustan-de gekommen, nachdem die Beklagte ausdrücklich unter anderem mit ihrem Schreiben vom 03.01.2017 Vertragsabschlüsse mit der Klägerin abgelehnt hatte. Es ist darüber hinaus keine Anspruchsgrundlage für ein direktes Vertragsverhältnis zwi-schen den Beteiligten ersichtlich, so wie es z.B. für Apotheker oder im Hilfsmittel-, und Heilmittel Bereich existiert. Die SSB-Vereinbarung regelt das Verhältnis zwischen den Ver-tragsärzten und den Krankenkassen.
Dennoch ist sie durch die Lieferungen der Klägerin von Kontrastmittel an die Vertragsärz-te/Kliniken von ihrer entsprechenden Leistungspflicht gegenüber ihren jeweiligen Versi-cherten freigeworden. Diesen Vermögensvorteil hat sie erlangt. Er stellt sich zumindest in Höhe des von ihr Ersparten dar. Da die Beklagte über den Ver-gütungsbetrag, den sie an ihren Exklusivvertragspartner hätte erbringen müssen, keine Angaben macht, ist das Gericht mangels weiterer Anhaltspunkte von dem Betrag ausge-gangen, den die Beklagte an die Klägerin hätte erbringen müssen. Ob die Klägerin bereicherungsrechtlich diese Vergütung auch aus einem weiteren Grund verlangen kann, kann dahingestellt bleiben. Insofern hat die Klägerin geltend gemacht, dass ihr die geltend gemachte Vergütungshöhe zustehe, da es sich bei den verordneten und von ihr zur Verfügung gestellten Kontrastmitteln einerseits und den ausschreibungs-gegenständlichen Kontrastmitteln andererseits um unterschiedliche Wirkstoffe handelt. Diese seien aus diesem Grund auch vom bereicherungsrechtlichen Wert her nicht ver-gleichbar.
Dem bereicherungsrechtlichen Anspruch stehen die durchgeführte Ausschreibung und die hieraus resultierenden Exklusivlieferverträge auch nicht grundsätzlich anspruchshindernd in dem Sinne entgegen, dass die Klägerin durch ihre Lieferungen Regelungen zur Umset-zung des Wirtschaftlichkeitsgebotes rechtswidrig umgeht. Denn mit ihrem Vorgehen hat die Beklagte ein im Gesetz nicht vorgesehenes und damit rechtswidriges Instrumentarium ergriffen.
Entgegen dem Standpunkt der Beklagten ist das Gericht davon ausgegangen, dass es für eine Ausschreibung und Exklusivverträge einer gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage be-darf. Dies ergibt sich aus dem ausdifferenzierten Regelungssystem des SGB V. So sieht insbesondere § 130a SGB V im Verhältnis zu pharmazeutischen Unternehmern allein eine Gestaltung mittels Rabatte und Festbeträge vor. Ganz ausdrücklich gibt § 130a Abs. 8 S. 7 SGB V für entsprechende Regelungen vor: "Dabei ist der Vielfalt der Anbieter Rechnung zu tragen." Bereits gegen diese Regelungsvorgabe zur Umsetzung des Wirtschaftlichkeitsgebotes bei der Versorgung mit Arzneimitteln verstoßen die von der Beklagten geschlossenen Exklu-sivlieferverträge. Bei Kontrastmitteln handelt es sich um Arzneimittel, § 2 Abs. 1 Nr. 2b AMG. Des Weiteren sieht § 131 SGB V die Möglichkeit des Abschlusses von Rahmenverträgen mit pharmazeutischen Unternehmern vor, jedoch nicht durch die einzelnen Krankenkas-sen, sondern durch ihren Spitzenverband Bund. Darüber hinaus enthalten auch § 130b Abs. 1 und § 130c u.a. Abs. 3 SGB V detaillierte Bestimmungen über die Art und Weise der Wahrung der wirtschaftlichen Interessen der gesetzlichen Krankenversicherung. Insbesondere aus der Historie des § 129 Abs. 5 S. 3 SGB V ergibt sich ein entsprechen-der differenzierter gesetzgeberischer Wille. Nach dieser Vorschrift war der Abschluss von Exklusivverträgen bis 2017 ausdrücklich vorgesehen und anschließend wieder abgeschafft worden.
Diese im SGB V erfolgte detaillierte Ausgestaltung zur Hebung wirtschaftlicher Reserven (weiteres Beispiel: § 132i Abs. 2 SGB V) wäre nicht nötig, wenn das allgemeine Wirt-schaftlichkeitsgebot allein eine ausreichende Ermächtigungsgrundlage für entsprechende Maßnahmen der Krankenkassen darstellen würde.
Insgesamt kann aus den Vorschriften ersehen werden, dass vor allem der Rabattvertrag im Arzneimittelbereich ein vorherrschendes Instrumentarium darstellt und der Gesetzge-ber darüber hinaus differenziert, welcher Institution welche Gestaltungsmöglichkeiten zu-stehen (z.B. Krankenkassen oder Spitzenverband Bund).
Das Instrument einer Ausschreibung mit Exklusivverträgen hat der Gesetzgeber nur im Hilfsmittelbereich vorgesehen (§ 127 SGB V), dagegen nicht im Arzneimittelbereich.
Zu einer anderen Entscheidung konnte auch nicht das von der Beklagten geführte Verfah-ren vor der Vergabekammer führen. Auf diesem Rechtsweg ist lediglich die Art und Weise der Durchführung des Vergabeverfahrens überprüft worden, dagegen im Rahmen seiner Zuständigkeit nicht eine Prüfung und Entscheidung, ob ein Vergabeverfahren nach den einschlägigen Vorschriften für die gesetzliche Krankenversicherung zulässig war.
Der Zinsanspruch resultiert aus §§ 288, 286 BGB.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 VwGO.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Vergütung von gelieferten Kontrastmitteln als vertragsärzt-lichem Sprechstundenbedarf.
Die Klägerin, ein Pharmaunternehmen, vertreibt in Deutschland unter anderem verschie-dene Kontrastmittel, die von vertragsärztlich tätigen Radiologen zur diagnostischen Bild-gebung eingesetzt werden (z.B. Computertomographie oder Magnetresonanztomogra-phie). Hierzu gehören unter anderem die Arzneimittel Ultravist, Primovist, Gadovist sowie Gastrografin. Diese Kontrastmittel werden als sogenannter Sprechstundenbedarf von den radiologischen Praxen bezogen.
Wie in der Vergangenheit hat die Klägerin auch über Januar 2017 hinaus Kontrastmittel an Vertragsradiologen im Bezirk der Kassenärztlichen Vereinigung Rheinland-Pfalz als Sprechstundenbedarf (SSB) geliefert, die diese mit SSB-Rezepten zulasten der beklagten Krankenkasse verordnet hatten (vor allem die Kontrastmittel Ultravist, Primovist, Gadovist, Gastrografin; vertragsärztliche Verordnungen unter anderem des Radiologischen Instituts L1, der Radiologischen Praxis im Marienkrankenhaus in D, der Radiologischen Praxis am I L2 , Radiologiepraxis X, S, U sowie das Radiologische Institut Dr. von F). Die entsprechenden Rechnungen hat die Beklagte zurückgewiesen, soweit sie die Liefe-rungen der Kontrastmittel Gadovist und Gastrografin betrafen. Insgesamt kam es zur Zu-rückweisung folgender Rechnungen mit folgenden Teilbeträgen:
99.140,86 EUR Rechnung vom 10.03.2017 123.583,78 EUR Rechnung vom 07.04.2017 142.033,28 EUR Rechnung vom 09.05.2017 50.630,28 EUR Rechnung vom 14.06.2017 59.567,24 EUR Rechnung vom 14.07.2017 266.568,51 EUR Rechnung vom 09.08.2017 32.735,34 EUR Rechnung vom 05.09.2017 64.485,79 EUR Rechnung vom 20.10.2017 119.370,83 EUR Rechnung vom 17.11.2017 33.915,24 EUR Rechnung vom 13.12.2017 113.736,81 EUR Rechnungen vom 08.02.2018 und 12.02.2018 32.913,78 EUR Rechnung vom 16.03.2018 1.138.681,74 EUR insgesamt
Zur Begründung der Zahlungsablehnung wies die Beklagte bzw. der Abrechnungszentrum auf "nicht abrechnungsfähige Produkte" und "Lieferant nicht Vertragspartner" hin. Im an-schließenden Schriftverkehr zwischen den Beteiligten wies die Beklagte darauf hin, dass sie bezüglich der einschlägigen Kontrastmittel wie Gadovist und Gastrografin einen Rah-menvertrag mit zwei Lieferanten geschlossen habe, die nach einer entsprechenden Aus-schreibung den Zuschlag erhalten hätten.
Die Klägerin hat Klage erhoben, nachdem es die Beklagte abgelehnt hatte, die entspre-chenden Rechnungsbeträge vom 10.03.2017 und 07.04.2017 zu begleichen. Diese hat sie im Laufe des Klageverfahrens um die übrigen oben aufgeführten Rechnungsbeträge er-weitert. Sie macht geltend, dass ihr der entsprechende Vergütungsanspruch zustehe. Zur Abrech-nung der Kosten für Kontrastmittel sei bei der Beklagten die Rechnung des Lieferanten gemeinsam mit der Sprechstundenbedarfsverordnung einzureichen (IV. 5. SSB-Vereinbarung). Sofern der Vertragsarzt gegenüber dem Lieferanten nicht in Vorleistung getreten ist - was in der Praxis der Regelfall ist -, sei vorgesehen, dass die Beklagte den Rechnungsbetrag direkt an den Lieferanten des Kontrastmittels zahlt (vgl. IV. 5. SSB-Vereinbarung). Auf der Grundlage der SSB-Vereinbarung bestehe ihr Vergütungsan-spruch. Die SSB-Vereinbarung enthalte hinsichtlich der Einwände der Beklagten keinerlei Einschränkung, weder für das Pharmaunternehmen noch für die verordnenden Ärzte. In-soweit die Beklagte mit ihren Einwänden eine unwirtschaftliche Verordnungsweise geltend machen sollte, bestehe insoweit keine Prüfpflicht der Beklagten. Vielmehr sehe die SSB-Vereinbarung eine eigene institutionalisierte Prüfmöglichkeit vor, die von der Beklagten nicht in Anspruch genommen worden sei. Entgegen dem Standpunkt der Beklagten, sei der Abschluss eines bilateralen Rahmenvertrags mit anderen Pharmaunternehmen nicht geeignet, Lieferrechte der Klägerin einzuschränken oder auszuschließen. Diese von der Beklagten so gehandhabte Vorgehensweise stelle einen Vertrag zulasten Dritter dar, für die es keine gesetzliche Grundlage gebe. Unter Berücksichtigung der mangelnden gesetz-lichen Grundlage bestehe auch keine Rechtspflicht der Klägerin oder der verordnenden Vertragsärzte, die Verordnungen für die Kontrastmittel als Sprechstundenbedarf zuguns-ten der Präparate der Klägerin als medizinisch begründet zu kennzeichnen. Unter Berück-sichtigung der Maßgabe der SSB-Vereinbarung sei auch keine weitere Prüfpflicht der Klä-gerin oder Missachtung offensichtlicher Verordnungsfehler ersichtlich. Auf die weiteren Ausführungen der Klägerin, einschließlich der von ihr in Bezug genommenen Gerichtsent-scheidungen und Rechtsprechung, wird Bezug genommen. Die Klägerin macht darüber hinaus geltend, dass die ausschreibungsgegenständlichen Präparate und die von der Klägerin gelieferten Kontrastmittel nicht miteinander vergleich-bar seien. Es bestehe keine Wirkstoffgleichheit, was von der Beklagten bestätigt werde. Zudem bestehe für das Kontrastmittel Gadovist noch ein Patentschutz, während es sich bei den Kontrastmitteln der Ausschreibungsgewinner um Generika handele.
Die Klägerin beantragt schriftsätzlich,
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin insgesamt 1.138.681,74 EUR nebst Zinsen i.H.v. 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu zahlen, davon auf 99.140,86 EUR seit dem 07.04.2017, auf 123.583,78 EUR seit dem 11.05.2017, auf 142.033,28 EUR seit dem 23.06.2017, auf 50.630,28 EUR seit dem 13.07.2017, auf 59.567,24 EUR seit dem 30.08.2017, auf 266.568,51 EUR seit dem 05.09.2017, auf 32.735,34 EUR seit dem 30.10.2017, auf 64.485,79 EUR seit dem 23.11.2017, auf 119.370,83 EUR seit dem 21.12.2017, auf 33.915,24 EUR seit dem 24.01.2018, auf 113.736,81 EUR seit dem 14.05.2018 und auf 32.913,78 EUR seit dem 14.05.2018.
Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,
die Klage abzuweisen.
Sie hält den geltend gemachten Zahlungsanspruch für unbegründet. Der Klägerin stehe kein Vergütungsanspruch zu. Sie sei nicht lieferberechtigt gewesen. Die streitgegenständ-lichen Kontrastmittel seien Gegenstand eines durchgeführten Ausschreibungsverfahrens gewesen, dass zum Abschluss eines Rahmenvertrages zur Belieferung der radiologischen Vertragsarztpraxen mit dem Kontrastmittel des Ausschreibungsgewinners geführt habe. Die Klägerin sei auch nach ihrer Teilnahme nicht Zuschlagsempfängerin des Ausschrei-bungsverfahrens geworden. Das Ausschreibungsverfahren sei vergaberechtskonform durchgeführt worden, wie die Vergabekammer und das OLG Düsseldorf bestätigt hätten. Der Abschluss der daraus resultierenden Exklusivlieferverträge sei allen an der Versor-gung mit den Kontrastmitteln potentiell Betroffenen, einschließlich der Klägerin, rechtzeitig bekannt gegeben worden (Schreiben vom 03.01.2017: Wir möchten sie darauf hinwei-sen, dass die Erstattung von nicht bezuschlagten Kontrastmitteln bzw. die Abrechnung von bezuschlagten Kontrastmitteln durch einen anderen Lieferanten als den Zuschlagsge-winner aufgrund der Exklusivität der Ausschreibung grundsätzlich nicht möglich ist. Eine Ausnahme besteht nur dann, wenn ein medizinisch begründeter Ausnahmefall vorliegt o-der der Zuschlagsgewinner nicht lieferfähig ist. ).
Nach dem bekannt gegebenen Abschluss der Exklusivlieferverträge hätte es der Klägerin oblegen, nicht bezuschlagte Verordnungen zurückzuweisen. Es sei auch aus der Sicht der Klägerin nach der Bekanntgabe offensichtlich gewesen, dass die Beklagte mit der Klägerin über die ausschreibungsgegenständlichen Kontrastmittel keinen Kaufvertrag abschließen wollte. Ein solcher sei, auch mangels entsprechender anderweitiger Regelung, nicht zu-stande gekommen. Sie sei berechtigt gewesen, die Exklusivlieferverträge auch zulasten von Drittanbietern abzuschließen, da solche durch das Gesetz nicht ausgeschlossen sei-en. So bestehe z.B. auch kein gesetzlicher Ausschluss für entsprechende Rabattverträge, da das SGB V keine Regelungen zum Sprechstundenbedarf enthalte. Vielmehr müsse das allgemeine Wirtschaftlichkeitsgebot Beachtung finden (§ 53 SGB X, § 12 SGB V, § 73 Abs. 8 SGB V). Darüber hinaus hätten die zu Grunde liegenden Verordnungen die formellen Vorausset-zungen für eine ordnungsgemäße Verordnung der Kontrastmittel nicht erfüllt, da sie keine Kennzeichnung nicht bezuschlagter Kontrastmittel beinhalten. Sie sei weder verpflichtet noch berechtigt anzugeben, welche Zahlungen sie für den streit-gegenständlichen entsprechende Lieferungen des Exklusivpartners hätte aufbringen müs-sen.
Auf die weiteren Ausführungen Beklagten einschließlich der angegebenen Rechtsprechung wird Bezug genommen.
Zur weiteren Sachdarstellung wird auf die zu den Gerichtsakten gereichten Schriftsätze und Unterlagen der Beteiligten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die als Leistungsklage zulässige Klage ist begründet.
Der Klägerin steht der geltend gemachte Zahlungsanspruch zu. Ihr Anspruch ist ein bereicherungsrechtlicher Anspruch, § 812 Abs. 1 S. 1, Alt. 1 i.V.m. § 818 Abs. 2 BGB. Es handelte sich vorliegend um Leistungen im Dreiecksverhältnis ohne vertragliche Ver-einbarung. Die Klägerin hat mit der Lieferung der Kontrastmittel an die jeweiligen Ver-tragsarztpraxen die Ansprüche der Versicherten der Beklagten auf entsprechende Sach-leistung gegenüber der Beklagten erfüllt (so zutreffend: LSG Hamburg, Urteil vom 24.02.2011 – L 1 KR 32/08 -; juris.de, Rn. 23).
Eine vertragliche Vereinbarung, ein Kaufvertrag, ist zwischen den Beteiligten nicht zustan-de gekommen, nachdem die Beklagte ausdrücklich unter anderem mit ihrem Schreiben vom 03.01.2017 Vertragsabschlüsse mit der Klägerin abgelehnt hatte. Es ist darüber hinaus keine Anspruchsgrundlage für ein direktes Vertragsverhältnis zwi-schen den Beteiligten ersichtlich, so wie es z.B. für Apotheker oder im Hilfsmittel-, und Heilmittel Bereich existiert. Die SSB-Vereinbarung regelt das Verhältnis zwischen den Ver-tragsärzten und den Krankenkassen.
Dennoch ist sie durch die Lieferungen der Klägerin von Kontrastmittel an die Vertragsärz-te/Kliniken von ihrer entsprechenden Leistungspflicht gegenüber ihren jeweiligen Versi-cherten freigeworden. Diesen Vermögensvorteil hat sie erlangt. Er stellt sich zumindest in Höhe des von ihr Ersparten dar. Da die Beklagte über den Ver-gütungsbetrag, den sie an ihren Exklusivvertragspartner hätte erbringen müssen, keine Angaben macht, ist das Gericht mangels weiterer Anhaltspunkte von dem Betrag ausge-gangen, den die Beklagte an die Klägerin hätte erbringen müssen. Ob die Klägerin bereicherungsrechtlich diese Vergütung auch aus einem weiteren Grund verlangen kann, kann dahingestellt bleiben. Insofern hat die Klägerin geltend gemacht, dass ihr die geltend gemachte Vergütungshöhe zustehe, da es sich bei den verordneten und von ihr zur Verfügung gestellten Kontrastmitteln einerseits und den ausschreibungs-gegenständlichen Kontrastmitteln andererseits um unterschiedliche Wirkstoffe handelt. Diese seien aus diesem Grund auch vom bereicherungsrechtlichen Wert her nicht ver-gleichbar.
Dem bereicherungsrechtlichen Anspruch stehen die durchgeführte Ausschreibung und die hieraus resultierenden Exklusivlieferverträge auch nicht grundsätzlich anspruchshindernd in dem Sinne entgegen, dass die Klägerin durch ihre Lieferungen Regelungen zur Umset-zung des Wirtschaftlichkeitsgebotes rechtswidrig umgeht. Denn mit ihrem Vorgehen hat die Beklagte ein im Gesetz nicht vorgesehenes und damit rechtswidriges Instrumentarium ergriffen.
Entgegen dem Standpunkt der Beklagten ist das Gericht davon ausgegangen, dass es für eine Ausschreibung und Exklusivverträge einer gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage be-darf. Dies ergibt sich aus dem ausdifferenzierten Regelungssystem des SGB V. So sieht insbesondere § 130a SGB V im Verhältnis zu pharmazeutischen Unternehmern allein eine Gestaltung mittels Rabatte und Festbeträge vor. Ganz ausdrücklich gibt § 130a Abs. 8 S. 7 SGB V für entsprechende Regelungen vor: "Dabei ist der Vielfalt der Anbieter Rechnung zu tragen." Bereits gegen diese Regelungsvorgabe zur Umsetzung des Wirtschaftlichkeitsgebotes bei der Versorgung mit Arzneimitteln verstoßen die von der Beklagten geschlossenen Exklu-sivlieferverträge. Bei Kontrastmitteln handelt es sich um Arzneimittel, § 2 Abs. 1 Nr. 2b AMG. Des Weiteren sieht § 131 SGB V die Möglichkeit des Abschlusses von Rahmenverträgen mit pharmazeutischen Unternehmern vor, jedoch nicht durch die einzelnen Krankenkas-sen, sondern durch ihren Spitzenverband Bund. Darüber hinaus enthalten auch § 130b Abs. 1 und § 130c u.a. Abs. 3 SGB V detaillierte Bestimmungen über die Art und Weise der Wahrung der wirtschaftlichen Interessen der gesetzlichen Krankenversicherung. Insbesondere aus der Historie des § 129 Abs. 5 S. 3 SGB V ergibt sich ein entsprechen-der differenzierter gesetzgeberischer Wille. Nach dieser Vorschrift war der Abschluss von Exklusivverträgen bis 2017 ausdrücklich vorgesehen und anschließend wieder abgeschafft worden.
Diese im SGB V erfolgte detaillierte Ausgestaltung zur Hebung wirtschaftlicher Reserven (weiteres Beispiel: § 132i Abs. 2 SGB V) wäre nicht nötig, wenn das allgemeine Wirt-schaftlichkeitsgebot allein eine ausreichende Ermächtigungsgrundlage für entsprechende Maßnahmen der Krankenkassen darstellen würde.
Insgesamt kann aus den Vorschriften ersehen werden, dass vor allem der Rabattvertrag im Arzneimittelbereich ein vorherrschendes Instrumentarium darstellt und der Gesetzge-ber darüber hinaus differenziert, welcher Institution welche Gestaltungsmöglichkeiten zu-stehen (z.B. Krankenkassen oder Spitzenverband Bund).
Das Instrument einer Ausschreibung mit Exklusivverträgen hat der Gesetzgeber nur im Hilfsmittelbereich vorgesehen (§ 127 SGB V), dagegen nicht im Arzneimittelbereich.
Zu einer anderen Entscheidung konnte auch nicht das von der Beklagten geführte Verfah-ren vor der Vergabekammer führen. Auf diesem Rechtsweg ist lediglich die Art und Weise der Durchführung des Vergabeverfahrens überprüft worden, dagegen im Rahmen seiner Zuständigkeit nicht eine Prüfung und Entscheidung, ob ein Vergabeverfahren nach den einschlägigen Vorschriften für die gesetzliche Krankenversicherung zulässig war.
Der Zinsanspruch resultiert aus §§ 288, 286 BGB.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 VwGO.
Rechtskraft
Aus
Login
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