L 2 AL 16/18

Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 14 AL 586/15
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 2 AL 16/18
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 13. Dezember 2017 abgeändert. Die Klage wird in vollem Umfang abgewiesen. Die Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen. 2. Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin im Vor- und Klageverfahren voll und im Berufungsverfahren zur Hälfte. 3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Im Streit sind der Zeitpunkt des Endes eines Versicherungspflichtverhältnisses auf Antrag nach § 28a Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) in der hier maßgeblichen Fassung vom 23. Oktober 2012 (BGBl. I S. 2246; a.F.) und vorab die Frage, ob die Klage wegen Wegfalls des Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig geworden ist.

Die 1953 geborene Klägerin war vom 15. Oktober 2011 bis 31. März 2012 als Projektleiterin beim B. beschäftigt, bezog anschließend bis zum 20. Januar 2013 Krankengeld und Übergangsgeld sowie vom 1. bis 10. Februar 2013 und vom 14. Februar bis 24. Juli 2013 Arbeitslosengeld.

Am 8./24. Juli 2013 beantragte sie bei der Beklagten die Feststellung einer Antragspflichtversicherung nach § 28a SGB III a.F. ab dem 25. Juli 2013. Ab diesem Tag werde sie ihre seit 2007 als Nebentätigkeit ausgeübte selbstständige Tätigkeit als Dozentin/Projektmanagerin in einem zeitlichen Umfang von mindestens 15 Stunden wöchentlich ausüben.

Die Beklagte entsprach dem Antrag mit Bescheid vom 7. August 2013 und stellte unter Hinweis auf die Beendigungstatbestände des § 28a Abs. 5 SGB III a.F. den Beginn der Antragspflichtversicherung als selbstständig Tätige im Sinne des § 28a Abs. 1 Nr. 2 SGB III a.F. am 25. Juli 2013 fest.

Erstmals am 30. September 2014 bat die Klägerin die Beklagte im Zusammenhang mit einer in Aussicht stehenden, auf maximal 12 Monate befristeten Beschäftigung "in I1 bei einer internationalen Organisation" um Auskunft zur voraussichtlichen Dauer und Höhe ihres Arbeitslosengeldanspruchs nach Ablauf dieses Jahres, den damit verbundenen Anforderungen und zu der Frage, ob ihre Antragspflichtversicherung weiterlaufe oder ruhe. Am Ende eines dadurch eingeleiteten intensiven, fast ausschließlich per E-Mail geführten Dialogs unter Vorlage von Nachweisen zu Einzelheiten der in Aussicht stehenden Tätigkeit erhielt die Klägerin von der Beklagten am 10. Oktober 2014 die Auskunft, dass es sich um keine beitragspflichtige Beschäftigung handle, da keine Beiträge zur I1 Sozialversicherung abgeführt würden, sodass einer Fortführung der freiwilligen Arbeitslosenversicherung nichts im Wege stehe. Daraufhin bat die Klägerin um deren Fortführung auch für die Zeit der Auslandstätigkeit. Sie werde ihre selbstständige Tätigkeit weiterführen und hoffe, dass sie durch diese Tätigkeit noch bessere Möglichkeiten als freie Gutachterin für Forschungsanträge habe. Sie werde auch ihre Wohnung in Hamburg nicht aufgeben und dort spätestens alle zwei bis drei Wochen nach dem Rechten sehen. Sie bat darum, ihr aufzugeben, welchen Beitrag sie insgesamt für 2015 im Voraus überweisen solle, was dann in der Folge auch geschah.

Am 16. Oktober 2014 nahm die Klägerin ihre auf ein Jahr befristete Beschäftigung im J. auf, einer Forschungsstelle und Generaldirektion der E. Kommission. Das J. befindet sich zwar im I1 I., gilt aber als exterritoriales Gebiet und wird entsprechend von einer Zollgrenze umschlossen. Die Klägerin, die auf dem exterritorialen Gelände wohnte und in I1 nicht meldepflichtig war, war aufgrund dieser Tätigkeit keinem nationalen Sozialversicherungssystem unterworfen, sondern erwarb Sozialleistungsansprüche gegen die E. Kommission als sogenannte Vertragsbedienstete ("member of the contract staff") nach Art. 96 der Verordnung Nr. 31 (EWG) 11 (EAG) über das Statut der Beamten und über die Beschäftigungsbedingungen für die sonstigen Bediensteten der E. Wirtschaftsgemeinschaft und der E. Atomgemeinschaft vom 14. Juni 1962 in der 2014 geltenden Fassung (auszugsweiser Abdruck auf Bl. 50 ff. der Prozessakte). Danach erhalten ehemalige Vertragsbedienstete während eines Zeitraums von höchstens 36 Monaten von dem Tage an, an dem sie aus dem Dienst ausscheiden, auf keinen Fall aber für mehr als ein Drittel der geleisteten Dienstzeit, unter im Detail aufgeführten Voraussetzungen ein monatliches Arbeitslosengeld, das während eines Anfangszeitraums von 12 Monaten auf 60 % des Grundgehalts festgesetzt und auf das etwaiges Arbeitslosengeld aus einer einzelstaatlichen Versicherung angerechnet wird. Von der Möglichkeit nach Art. 112 der Verordnung Nr. 31 (EWG) 11 (EAG) machte die Klägerin keinen Gebrauch. Danach kann der Vertragsbedienstete beantragen, dass für einen Zeitraum von bis zu sechs Monaten, unter Umständen bis zu einem Jahr, das Organ die Zahlungen leistet, die er zur Bildung oder Aufrechterhaltung u.a. von Ansprüchen aus einer Arbeitslosenversicherung in dem Land entrichten muss, in dem er zuletzt versichert war. Einen Hinweis auf diese Möglichkeit erhielt sie zum damaligen Zeitpunkt von der Beklagten nicht.

Anlässlich eines Telefongesprächs am 19. März 2015 wegen der Meldung rentenrelevanter Zeiten durch die Beklagte gegenüber dem Rentenversicherungsträger erklärte die Klägerin, dass sie seit Beginn der Antragspflichtversicherung durchgehend im Rahmen der Selbstständigkeit zumindest Akquise betrieben und dies auch noch zu Beginn der Angestelltentätigkeit in I1 getan habe, dies aber nun nicht mehr "extensiv" könne aufgrund der zeitlichen Belastungen.

Daraufhin hob die Beklagte mit Bescheid vom 26. März 2015 nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) in Verbindung mit § 330 Abs. 3 SGB III ihren Bescheid über die Feststellung eines Versicherungspflichtverhältnisses auf Antrag vom 7. August 2013 mit Wirkung ab 16. Oktober 2014 auf, weil die Tätigkeit als Selbstständige am 15. Oktober 2014 geendet habe (§ 28a Abs. 5 Nr. 2 SGB III a.F.). Die überzahlten Beiträge würden erstattet. Mündlich wurde der Klägerin am 7. April 2015 auf Nachfrage erklärt, die Aufhebung sei erfolgt, weil die Klägerin anderweitig arbeitslosenversichert sei.

Mit ihrem hiergegen erhobenen Widerspruch verwies die Klägerin darauf, dass sie den Antrag auf Fortsetzung des freiwilligen Versicherungsverhältnisses auf dringendes Anraten der Agentur für Arbeit Eimsbüttel gestellt habe und der Beklagten die Aufnahme des Arbeitsverhältnisses hinlänglich bekannt gewesen sei. Sie zahle zwar monatliche Beiträge zu einer Arbeitslosenversicherung der EU-Kommission, diese würden jedoch nicht der staatlichen I1 Arbeitslosenversicherung oder der eines anderen EU-Staates zugeführt. Sie übe nach wie vor nebenberuflich ihre freiberufliche Tätigkeit als Dozentin und Gutachterin aus und habe auch gerade im Januar einen größeren Gutachterauftrag umgesetzt.

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 5. Mai 2015 als unbegründet zurück. Das Versicherungpflichtverhältnis der Klägerin habe kraft Gesetzes mit der Aufnahme der Tätigkeit bei der EU geendet, weil mit Ablauf des Tages davor zuletzt die Voraussetzungen des § 28a Abs. 1 Satz 1 SGB III a.F. erfüllt gewesen seien. Im Rahmen des Widerspruchsverfahrens sei bekannt geworden, dass die Klägerin seit dem 16. Oktober 2014 angestellt bei der EU tätig sei und nach eigenen Angaben ihre Selbstständigkeit lediglich nebenberuflich und nicht mehr über 15 Stunden wöchentlich hauptberuflich weiter ausübe. Darüber hinaus sei sie nicht außerhalb eines Mitgliedstaates der E. Union tätig. Die Aufhebung der Bewilligungsentscheidung stütze sich auf § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB X in Verbindung mit § 330 Abs. 3 SGB III. Die Klägerin habe gewusst oder grob fahrlässig nicht gewusst, dass der Leistungsanspruch weggefallen sei. Überzahlte Beiträge seien zu erstatten.

Hiergegen hat die Klägerin am 5. Juni 2015 Klage beim Sozialgericht (SG) Nürnberg erhoben, das den Rechtsstreit mit Beschluss vom 13. Juli 2015 ans SG Hamburg verwiesen hat. Die Antragspflichtversicherung als Selbstständige habe nicht geendet, denn sie habe auch nach Aufnahme der Tätigkeit für die E. Kommission ihre freiberufliche Tätigkeit als Dozentin und Gutachterin nebenberuflich ausgeübt und befinde sich laufend in Verhandlungen mit verschiedenen Institutionen, für die sie als Gutachterin tätig werden wolle. Die Nebentätigkeit sei auch grundsätzlich von ihrer Arbeitgeberin bewilligt worden, könne aber leider in einigen Fällen aus Gründen von Interessenkonflikten dann doch nicht ausgeübt werden. Im Übrigen lägen auch die Voraussetzungen des § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB III a.F. für ein Versicherungspflichtverhältnis auf Antrag wegen einer Beschäftigung in einem Staat außerhalb eines Mitgliedstaates der E. Union, eines Vertragsstaates des E. Wirtschaftsraums oder der Schweiz vor. Sie habe als Vertragsbedienstete der E. Kommission exterritorial gewohnt und gearbeitet und kein versichertes Beschäftigungsverhältnis im Sinne des SGB ausgeübt. Sie habe nach Eintritt der Arbeitslosigkeit lediglich für vier Monate die gedeckelte EU-Unterstützung unter Anrechnung des gezahlten nationalen Arbeitslosengelds erhalten. Das Verfahren sei deshalb von besonderer Bedeutung für sie, weil ihr mittlerweile nach Beendigung der befristeten Beschäftigung und Arbeitslosmeldung mit Wirkung zum 16. Oktober 2015 von der Beklagten lediglich fiktiv bemessenes Arbeitslosengeld in Höhe von 41,60 Euro täglich für nur 180 Kalendertage bewilligt worden sei, wogegen sie Widerspruch eingelegt habe. Im Falle eines Klageerfolgs wäre ihr für einen längeren Zeitraum (tatsächlich wohl für weitere vier Monate) ein höheres Arbeitslosengeld zu bewilligen. Ihren die Klage vorübergehend erweiternden Antrag, die Beklagte zum Ersatz des Schadens in Höhe von 1520 Euro wegen des aufgrund fehlender Information entgangenen Überbrückungsgeldes des Bundesversicherungsamts zu verurteilen, hat die Klägerin später wieder zurückgenommen, um diesen aus ihrer Sicht bestehenden Amtshaftungsanspruch ggf. im Zivilrechtsweg zu verfolgen.

Die Beklagte ist dem unter Hinweis darauf entgegengetreten, dass die Klägerin ausweislich ihres Widerspruchs ihre Selbstständigkeit mit einem Umfang von weniger als 15 Stunden wöchentlich ausgeübt habe. Außerdem habe sie seit dem 16. Oktober 2014 Versicherungsbeiträge zur Arbeitslosenversicherung der EU-Kommission entrichtet und sei daher "versicherungspflichtig in I1 (EU)" gewesen.

Das SG hat über die Klage am 13. Dezember 2017 mündlich verhandelt und ihr unter Abweisung der weitergehenden Klage mit Urteil vom selben Tag teilweise insoweit stattgegeben, als es den Bescheid der Beklagten vom 26. März 2015 "und" den Widerspruchsbescheid vom 5. Mai 2015 dahingehend abgeändert hat, dass das Versicherungsverhältnis auf Antrag der Klägerin zum 29. März 2015 beendet wird. Zur Begründung hat das SG ausgeführt, dass die Klägerin aufgrund der Auskunft der Beklagten vom 10. Oktober 2014 bis zur Bekanntgabe des Bescheides vom 26. März 2015 gutgläubig und eine rückwirkende Beendigung der Berechtigung zur freiwilligen Versicherung in der Arbeitslosenversicherung aufgrund der hauptberuflichen Anstellung ab 16. Oktober 2014 gemäß § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X nicht möglich gewesen sei. Es bleibe daher bei der Aufhebung lediglich für die Zukunft gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Ein Versicherungspflichtverhältnis auf Antrag über den 29. März 2015 hinaus gemäß § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB III a.F. scheide unabhängig von der Frage der Exterritorialität des J. aus, weil die hierfür gemäß § 28 Abs. 2 SGB III a.F. erforderliche Vorversicherungszeit nicht erfüllt sei.

Das Urteil ist dem damaligen Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 7. Februar 2018 zugestellt worden, der Beklagten am 9. Februar 2018.

Die Klägerin hat am 2. März 2018 Berufung hiergegen eingelegt, die Beklagte ihrerseits am 7. März 2018.

Die Klägerin, die seit dem 1. November 2018 Regelaltersrente bezieht und ihren ab 16. Oktober 2015 bewilligten Arbeitslosengeldanspruch für 180 Tage bis heute nicht ausgeschöpft, sondern einen Restanspruch von 2 Tagen bewusst stehen gelassen hat, trägt vor, dass § 28a SGB III a.F. nicht zwischen Haupt- und Nebengewerbe differenziere und sie ihre ab 16. Oktober 2013 nebenberufliche selbstständige Tätigkeit bei durchschnittlicher Betrachtung durchgehend mindestens 15 Stunden wöchentlich ausgeübt habe. Nach § 28a Abs. 1 Satz 2 SGB III a.F. seien gelegentliche Abweichungen unbeachtlich. Sie habe bereits im Telefonat mit der Beklagten vom 19. März 2015 vorgetragen, dass es inhaltlich bei dieser freiberuflichen Tätigkeit nicht nur um umfängliche Akquisitionstätigkeiten für Vortrags- und Beratungsangebote, Workshops und Networking gehe, von denen sie einige beispielhaft unter Angabe der betreffenden Zeitkorridore seit Oktober 2014 bis November 2015 und Vorlage einer Arbeitsprobe benennt. Vielmehr habe der Schwerpunkt in der Sichtung und Bewertung von wissenschaftlichen Forschungsanträgen im Rahmen eines konkreten (Gutachter-) Vertragsverhältnisses mit der Research Executive Agency in Brüssel (REA) mit konkreten Bedingungen zur Erbringung der vertraglich geschuldeten Leistung gelegen. Zeitlich ermöglicht worden sei diese zusätzliche selbstständige Tätigkeit auch durch die enorme Zeiteinsparung der üblicherweise für Arbeitnehmer anfallenden Zeiten für Arbeitsanfahrten, Einkäufe und Besorgungen durch die konsequente Nutzung der Infrastrukturen auf dem Gelände des J.: das möblierte Wohnen im Boardinghaus mit Service und Wäscherei, die Gemeinschaftsverpflegung, das Kasino und die eigene Post- und Bankfiliale hätten dies möglich gemacht. Die vom Dienstherrn vorab ausdrücklich genehmigte Selbstständigkeit und freie Arbeitseinteilung sowie eine Vielzahl gesetzlicher/religiöser Feiertage in I1 unter Einbeziehung von Ausgleichszeiten und Urlaubsbrücken hätten in Kombination mit der mediterranen Mittagspause von drei Stunden auch den telefonischen Kontakt mit potentiellen Auftraggebern während der Bürozeiten im nördlichen Europa ermöglicht. Bei einer Wochenarbeitszeit von 37,5 Stunden für die EU in der Zeit von 7.00 bis 20.00 Uhr habe sich bei täglicher Mehrarbeit von zwei Stunden und ergänzender Wochenendarbeit ein zusätzliches Pensum von 15 bis 20 Stunden unter diesen Rahmenbedingungen somit ohne weiteres bewältigen lassen. Im Übrigen stehe ihr ein Anspruch auf Gewährung von Arbeitslosenversicherung aus dem sozialrechtlichen Herstellungsanspruch zu. Da sie mehrfach bei der Beklagten vorgesprochen habe mit der Bitte um Beratung, welches Arbeitslosenversicherungssystem für sie das richtige wäre, hätte die Beklagte sie frühzeitig darauf hinweisen müssen, dass die – nun nicht mehr realisierbare – Antragsmöglichkeit aus Art. 112 der Verordnung Nr. 31 (EWG) 11 (EAG) bestehe. Für den Fall, dass sie den Antrag gestellt hätte, wäre ihr jetzt zumindest Arbeitslosengeld aus der entsprechenden deutschen Arbeitslosenversicherung zu bezahlen. Schließlich trägt die Klägerin ausführlich vor, dass ihr durch fehlerhafte Beratung, mangelhafte Betreuung und Dokumentation und anderes Fehlverhalten der Beklagten nicht nur ein zu geringes Arbeitslosengeld gezahlt worden sei, sondern es auch zu einem durch die Beklagte schuldhaft verursachten Verlust des Krankengeldes gekommen sei sowie zu einer vorzeitigen und sie gefährdenden Entlassung aus dem Krankenhaus wegen durch die Beklagte bei der zuständigen Krankenkasse verursachten Zweifeln am Bestehen eines Versicherungsschutzes.

Die Klägerin, die zur weiteren Aufklärung des von ihr gesehenen Fehlverhaltens von Mitarbeitern bzw. Mitarbeiterinnen der Beklagten deren Zeugeneinvernahme dringend anregt, beantragt in der Sache,

1. das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 13. Dezember 2017 sowie den Bescheid der Beklagten vom 26. März 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 5. Mai 2015 abzuändern und unter Zurückweisung der Berufung der Beklagten festzustellen, dass das Versicherungspflichtverhältnis auf Antrag erst mit Ablauf des 15. Oktober 2015 endete, 2. die Beklagte zu verurteilen, die Arbeitslosenversicherungsbeiträge, die sich noch auf den Konten der Beklagten befinden, für die unstrittige Antragspflichtversicherung gemäß Art. 112 VO zu verwenden und der Klägerin das daraus in Dauer und Höhe resultierende Arbeitslosengeld im Rahmen des sozialrechtlichen Wiederherstellungsanspruchs auszuzahlen und die daraus resultierenden Beiträge zur Rentenversicherung und Krankenversicherung an die Deutsche Rentenversicherung bzw. Techniker Krankenkasse abzuführen, 3. die Beklagte zu verurteilen, das Krankengeld von 10 Monaten gemäß einem Arbeitslosengeld gemäß Art. 112 zu zahlen, entsprechende Versicherungsbeiträge für die Zeiten des Krankengeldes an die Deutsche Rentenversicherung und Techniker Krankenkasse abzuführen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung der Klägerin zurückzuweisen sowie das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 13. Dezember 2017 abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen.

Sie ist der Auffassung, dass Vertrauensschutzgesichtspunkte, mit denen das SG in seinen Entscheidungsgründen argumentiere, neben der Sache lägen. Das Versicherungspflichtverhältnis ende kraft Gesetzes (Hinweis auf Urteile des Bundessozialgerichts (BSG) vom 30. März 2011 – B 12 AL 2/09 R – sowie des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts (LSG) vom 25. November 2011 – L 3 AL 24/10). Vorliegend seien die Tatbestandsvoraussetzungen für die Antragspflichtversicherung durch die Beschäftigungsaufnahme in I1 zum 16. Oktober 2014 weggefallen, sodass das Versicherungspflichtverhältnis kraft Gesetzes mit Ablauf des 15. Oktober 2014 geendet habe. Es könne dahinstehen, in welchem zeitlichen Umfang die Klägerin neben ihrer vertraglichen Tätigkeit noch selbstständig tätig gewesen sei, da die Ausübung einer nicht nur geringfügigen Beschäftigung (gleich ob versicherungspflichtig oder versicherungsfrei) jedes Antragspflichtversicherungsverhältnis nach § 28a SGB III a.F. ausschließe, was sich aus Abs. 2 Satz 1 der Vorschrift ergebe. Im Übrigen könne die Beklagte aus den Erklärungen der Klägerin zu den aus ihrer selbstständigen Tätigkeit erzielten Einkünften keine Schlüsse auf die wöchentliche Arbeitszeit ziehen und rege deshalb an, zum zeitlichen Umfang der selbstständigen Tätigkeit der Klägerin Beweis zu erheben durch Aufforderung an die Klägerin zu erklären, für welche Tage sie in welchen Wochen, ggf. wieviel Tage die Woche durchschnittlich, in der streitgegenständlichen Zeit (15. Oktober 2014 bis 15. Oktober 2015) die von ihr genannte tägliche Vergütung erhalten habe, und dafür geeignete Nachweise vorzulegen, zum Beispiel Aufträge, Verträge, Rechnungen sowie ihre Umsatzsteuererklärungen und Einkommensteuererklärungen für das Jahr 2015. Schließlich hege sie schon grundsätzliche Zweifel, ob § 28a SGB III Rechtsgrundlage für ein Antragspflichtversicherungsverhältnis bei selbstständiger Tätigkeit im Ausland sein könne (Hinweis auf Urteil des erkennenden Senats vom 29. August 2018 – L 2 AL 46/17).

Zur Ergänzung des Tatbestands wird Bezug genommen auf die vorbereitenden Schriftsätze der Beteiligten, die Sitzungsniederschriften vom 7. November 2018 und 30. Januar 2019 sowie den weiteren Inhalt der Prozessakte und der ausweislich der Sitzungsniederschrift beigezogenen Akten.

Entscheidungsgründe:

Die statthafte (§§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG)) und auch im Übrigen zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte (§ 151 SGG) Berufung der Klägerin (Antrag zu 1) ist unbegründet, die ebenfalls zulässige Berufung der Beklagten hingegen begründet.

Soweit die Klägerin im Berufungsverfahren mit ihren Anträgen zu 2 und 3 über die vorliegend vom SG allein als streitgegenständlich beschiedene, statthafte kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage (§§ 54 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1, 55 Abs. 1 Nr. 1, 56 SGG; vgl. hierzu BSG, Urteil vom 30. März 2011 – B 12 AL 2/09 R, SozR 4-4300 § 28a Nr. 3; Schleswig-Holsteinisches LSG, Urteil vom 25. November 2011 – L 3 AL 24/10, juris) hinaus Leistungsklage nach § 54 Abs. 5 SGG erhebt, handelt es sich um eine nach § 99 SGG unzulässige Klageänderung. Diese ist bereits deshalb nicht sachdienlich, weil die Klägerin hiermit der Sache nach einen Amtshaftungsanspruch (§ 839 Bürgerliches Gesetzbuch) geltend macht (beide geltend gemachten Ansprüche können schon deshalb kein Gegenstand des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs sein, weil nicht gegebene Tatsachen wie hier die Durchführung der Versicherung nach Art. 112 der Verordnung Nr. 31 (EWG) 11 (EAG) mit allen sich daraus ergebenden Konsequenzen wie dem Wegfall anderer Sozialleistungsansprüche nicht im Wege eines etwaigen sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs fingierbar sind (vgl. nur BSG, Urteil vom 11. März 2004 – B 13 RJ 16/03 R; LSG Hamburg, Urteil vom 18. Juni 2013 – L 2 AL 60/10; Bayerisches LSG, Beschluss vom 28. April 2014 – L 10 AL 65/14 B PKH)), für den jedoch ausschließlich die ordentlichen Gerichte zuständig sind (Art. 34 Satz 3 Grundgesetz). Soweit die Klägerin rügt, durch die lange Verfahrensdauer in ihren Rechten beschnitten worden zu sein, käme allenfalls eine Entschädigungsklage nach § 202 SGG i.V.m. §§ 198 ff. Gerichtsverfassungsgesetz in Betracht. Soweit die Klägerin die Unvollständigkeit des Protokolls des Erörterungstermins vom 7. November 2018 rügt, sei darauf hingewiesen, dass nach § 122 SGG i.V.m. § 160 Zivilprozessordnung ausschließlich die dort genannten wesentlichen Vorgänge der Verhandlung aufzunehmen sind. Außerdem hat sich selbst der Tatbestand eines Urteils auf eine gedrängte Darstellung zu beschränken (§ 136 SGG), was beinhaltet, dass nicht jedes schriftsätzlich vorgetragene Detail wiedergegeben werden kann, schon gar nicht werden sollte, wenn es für die Entscheidung ohne rechtliche Relevanz ist.

Das SG hat die ursprünglich zulässige Anfechtungs- und Feststellungsklage im Ergebnis zu Unrecht nur teilweise abgewiesen und ihr im Übrigen stattgegeben. Die Klage ist wegen Wegfalls des Rechtsschutzbedürfnisses als Sachentscheidungsvoraussetzung jeder Rechtsverfolgung (vgl. Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl. 2017, vor § 51 Rn. 16 ff. m.w.N.) unzulässig geworden.

Da das der Klägerin mit Wirkung ab 16. Oktober 2015 bewilligte Arbeitslosengeld nach § 152 Abs. 1 SGB III der Höhe nach nur fiktiv bemessen werden konnte und der Bemessung ohnehin die höchste Qualifikationsgruppe 1 nach § 152 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 SGB III zu Grunde gelegt wurde, hätte die Klägerin bei einem Erfolg ihrer Klage keinen höheren Arbeitslosengeldanspruch, sondern lediglich die Bewilligung eines längeren erreichen können (zehn Monate statt sechs Monaten nach § 147 Abs. 2 SGB III). Diese Wirkung kann nicht mehr eintreten, weil sie ihren Anspruch auf Arbeitslosengeld nicht ausgeschöpft hat und kein neuer bewilligt werden kann. Nach § 136 Abs. 2 SGB III hat, wer – wie die Klägerin zum 1. November 2018 – das für die Regelaltersrente im Sinne des Sechsten Buches erforderliche Lebensjahr vollendet hat, vom Beginn des folgenden Monats an keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld. Dies korrespondiert damit, dass die Klägerin nach § 28 Abs. 1 Nr. 1 SGB III mit Vollendung des Anspruchs auf Regelaltersrente versicherungsfreie Person ist und daher keine versicherungspflichtige Beschäftigung mehr ausüben und wegen deshalb dauerhaft fehlender Verfügbarkeit nicht mehr arbeitslos im Sinne des § 138 Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. Abs. 5 SGB III werden und auch daher keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld nach § 137 SGB III mehr erwerben kann. Die Wirkung des Verfahrensausgangs beschränkt sich demnach darauf, ob die von der Klägerin an die Beklagte gezahlten Beiträge zur freiwilligen Antragspflichtversicherung bei Letzterer verbleiben oder an Erstere wieder ausgekehrt werden, wobei die zuletzt genannte, für die Klägerin positive Wirkung nur im Fall der umfassenden Erfolglosigkeit ihrer Klage eintritt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und berücksichtigt, dass die Berufung der Klägerin nach Überzeugung des Senats ursprünglich begründet gewesen ist und diejenige der Beklagten unbegründet. Dabei kann offenbleiben, ob das Antragspflichtversicherungsverhältnis der Klägerin aufgrund selbstständiger Tätigkeit nach § 28a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB III a.F. bis zum 15. Oktober 2015 andauerte, weil es weder zu einem Ruhen (§ 28 Abs. 4 SGB III a.F.) noch zu einer Beendigung (§ 28 a Abs. 5 SGB III a.F.) kam. Denn jedenfalls wäre ein Versicherungspflichtverhältnis auf Antrag nach § 28a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB III a.F. für die Dauer der befristeten Tätigkeit der Klägerin im J. zu bejahen. Die Klägerin war durch diese Tätigkeit für die EU-Kommission als Vertragsbedienstete nach Maßgabe der Verordnung Nr. 31 (EWG) 11 (EAG) auf exterritorialem Gebiet keinem nationalen Sozialversicherungssystem unterworfen, sodass die Regelungen zur Koordinierung der Anwendung unterschiedlicher, jeweils nationaler Rechtsvorschriften und Sozialversicherungssysteme für grenzüberschreitende Sachverhalte gerade keine Anwendung fanden und damit eine Beschäftigung im Sinne des § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB III a.F. in einem Staat außerhalb eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines Vertragsstaates des Europäischen Wirtschaftsraums oder der Schweiz vorlag. Diese Regelung soll es ermöglichen, den Schutz der deutschen Arbeitslosenversicherung aufrecht zu erhalten, wenn durch eine Tätigkeit im Ausland kein von den Koordinationsregeln des EU-Rechts erfasster anderweitiger Versicherungsanspruch entsteht, wie es auch bei der Klägerin der Fall war. Einen entsprechenden (Hilfs-)Antrag hat die Klägerin schriftsätzlich im Klageverfahren gestellt und wäre anderenfalls im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs (vgl. BSG, Urteil vom 4. September 2013 – B 12 AL 2/12 R, SozR 4-4300 § 28 a Nr. 5) so zu stellen, als hätte sie es getan. Aus der umfangreichen Kommunikation zwischen der Klägerin und der Beklagten im Vorfeld der Aufnahme der Tätigkeit im J. wurde deutlich, dass der Klägerin sehr daran gelegen war, ihren Versicherungsschutz nach dem SGB III aufrecht zu erhalten, sodass es sich der Beklagten nach Klärung der rechtlichen Grundlagen des in Aussicht genommenen Beschäftigungsverhältnisses hätte aufdrängen müssen, die Klägerin auch auf diese Möglichkeit der Begründung einer Antragspflichtversicherung hinzuweisen. Aus diesem Grund wäre sie auch so zu stellen, als hätte sie nicht die Antragsfrist nach § 28a Abs. 3 Satz 1 SGB III a.F. versäumt.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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