L 3 R 14/17

Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 4 R 481/11
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 3 R 14/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin eine Rente wegen Erwerbsminderung beanspruchen kann. Die Klägerin ist 1954 in S. geboren und lebt seit ihrem 19. Lebensjahr in Deutschland. Sie arbeitete hier zunächst von 1973 bis 1999 als Packerin und danach bis 2008 als Haushaltshilfe. Im Anschluss daran war sie arbeitslos und bezog zuletzt Leistungen zur Grundsicherung nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuchs. Durch das Versorgungsamt H. wurde im Jahr 2010 ein Grad der Behinderung von 50 wegen einer Fibromyalgie, einem degenerativen Wirbelsäulenleiden, einer Funktionsstörung beider Arme und einer Harninkontinenz anerkannt. Die Beklagte gewährte ihr in der Zeit vom 9. bis 30. Juli 2009 eine stationäre Rehabilitations Maßnahme in D ... Im Entlassungsbericht werden als Diagnosen genannt: Karpaltunnelsyndrom und Radiocarpalarthrose, jeweils beidseits und ohne Bewegungseinschränkung; degeneratives Wirbelsäulensyndrom; Adipositas; anhaltende somatoforme Schmerzstörung. Die Klägerin wurde als grundsätzlich leistungsfähig für leichte und mittelschwere Arbeiten unter bestimmten Einschränkungen für sechs Stunden und mehr entlassen. Am 16. Februar 2010 stellte die Klägerin bei der Beklagten einen Antrag auf Gewährung einer Erwerbsminderungsrente und begründete diesen mit einem Fibromyalgie-Syndrom und chronischen Blasenbeschwerden. Nach Einholung von Befundberichten der behandelnden Ärzte beauftragte die Beklagte den Facharzt für Chirurgie Dr. N. mit der Erstellung eines Gutachtens. Dieser gelangte in seinem Gutachten vom 1. Oktober 2010 nach ambulanter Untersuchung der Klägerin vom selben Tage zu der Feststellung eines vollschichtigen Leistungsvermögens für leichte bis mittelschwere Arbeiten unter Berücksichtigung gewisser qualitativer Einschränkungen. Die Beklagte lehnte den Antrag der Klägerin daraufhin mit Bescheid vom 5. November 2010 ab und wies den dagegen gerichteten Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 18. April 2011 zurück. Mit ihrer dagegen am 16. Mai 2011 erhobenen Klage hat die Klägerin geltend gemacht, sie leide unter permanenten Schmerzen und starken Depressionen und könne daher nicht mehr arbeiten.

Das Sozialgericht hat daraufhin Befundberichte der behandelnden Ärzte Dr. D1 (Facharzt für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie), Dr. K. (Facharzt für Urologie), Dr. L. (Facharzt für Orthopädie) und Dr. N1 (Fachärztin für Neurologie) eingeholt. Es hat sodann den Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie Dr. D2 mit der Erstellung eines Sachverständigengutachtens beauftragt. Dr. D2 hat unter dem 4. Juni 2012 nach ambulanter Untersuchung der Klägerin am 30. Mai 2012 folgende Diagnosen gestellt: Allgemeine Minderbelastbarkeit durch chronisches musculoskelettales Schmerzsyndrom mit Verspannungen und demonstrierten Bewegungseinschränkungen ohne neuromuskuläre Ausfälle, wohl mit vorwiegend psychischen Einflüssen; Vertebragenes Schmerzsyndrom bei umformenden Veränderungen an Brust- und Lendenwirbelsäule, thorakal das Altersmaß deutlich übersteigend; Minderbelastbarkeit beider Handgelenke durch Reizung der Mittelnerven im Karpaltunnel, Zustand nach Operation rechts. Er hat weiter ausgeführt, hiermit seien der Klägerin noch leichte bis mittelschwere körperliche Tätigkeiten in wechselnden Körperhaltungen ohne Heben und Bewegen von Lasten über 10 kg und ohne anhaltende Rumpfzwangshaltungen, ohne häufige Tätigkeiten über Kopf sowie ohne Tätigkeiten mit erhöhten Anforderungen an die grobmechanische Belastbarkeit der Hände zumutbar. Eine quantitative Einschränkung des Leistungsvermögens bestehe aus orthopädischer Sicht nicht. Da jedoch von einer vorwiegend psychisch gefärbten Schmerzstörung auszugehen sei, werde die Einholung eines nervenärztlichen Gutachtens angeregt. Das Sozialgericht hat daher ein Gutachten des Facharztes für Psychiatrie und Neurologie Dr. N2 eingeholt. Dieser hat in seinem Gutachten vom 29. September 2012 nach ambulanter Untersuchung der Klägerin am 17. September 2012 folgende Diagnosen gestellt: Anhaltende somatoforme Schmerzstörung bei Migrationshintergrund; Dysthymia; Wirbelsäulensyndrom ohne zuverlässigen Nachweis nervenwurzelbezogener neurologischer Defizite; Karpaltunnelsyndrom beidseits, rechts operiert. Damit sei die Klägerin in der Lage, leichte, eingestreut mittelschwere körperliche Tätigkeiten einfacher geistiger Art mit geringer Verantwortung auszuüben. Zu bevorzugen seien Tätigkeiten in wechselnder Körperhaltung ohne besonderen Zeitdruck und ohne Akkord- oder Nachtarbeitsbedingungen. Tätigkeiten mit erhöhten Anforderungen an die Belastbarkeit der Hände einschließlich Feinmotorik seien zu vermeiden. Diese gesundheitlich zumutbaren Arbeiten könne die Klägerin regelmäßig sechs Stunden und mehr pro Tag verrichten. Schließlich hat das Sozialgericht ein Gutachten des Facharztes für Psychiatrie, Psychotherapie und Innere Medizin H1 eingeholt. Dieser hat in seinem Gutachten vom 19. Februar 2015 nach ambulanter Untersuchung der Klägerin am 12. Dezember 2014 ausgeführt, die Leistungsfähigkeit der Klägerin sei durch eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung in Verbindung mit einer mittelgradigen depressiven Störung, einem degenerativen Wirbelsäulensyndrom ohne neurologische Defizite und einem Karpaltunnelsyndrom beidseits, rechts mit Zustand nach Operation, beeinträchtigt. Die Klägerin leide unter einer gravierenden psychischen Störung, sodass es ihr trotz zumutbarer Willensanspannung nicht möglich sei, Hemmungen gegenüber einer Arbeitsleistung zu überwinden. Sie sei daher zu regelmäßiger Arbeitsleistung nicht mehr in der Lage. Diese Einschränkungen bestünden seit Antragstellung. Die Beklagte hat dieses Gutachten als nicht schlüssig und nicht nachvollziehbar bezeichnet und darauf hingewiesen, dass die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen zuletzt für einen Leistungsfall am 30. November 2013 erfüllt waren. Das Sozialgericht hat die Klage durch Gerichtsbescheid vom 22. Dezember 2016 abgewiesen. Es hat ausgeführt, der Gutachter H1 habe überzeugend dargelegt, dass die Klägerin im Zeitpunkt seiner Untersuchung nicht mehr in der Lage gewesen sei, Arbeiten von wirtschaftlichem Wert zu verrichten. Zu diesem Zeitpunkt seien aber die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht mehr erfüllt gewesen. Ein früherer Leistungsfall könne jedoch nicht festgestellt werden, da Dr. N2 noch eine ganz andere Klägerin beschrieben habe. Es sei daher von einer späteren Verschlechterung auszugehen. Die Klägerin hat gegen den ihr am 2. Januar 2017 zugestellten Gerichtsbescheid am 30. Januar 2017 Berufung eingelegt. Sie trägt vor, der Sachverständige H1 habe überzeugend festgestellt, dass sie bereits seit Antragstellung nicht mehr in der Lage sei, einer regelmäßigen Arbeit nachzugehen. Dies entspreche auch der Sichtweise ihrer behandelnden Ärzte. Das Gericht hat daraufhin eine ergänzende Stellungnahme von dem Sachverständigen H1 zum Zeitpunkt des Leistungsfalles eingeholt. Dieser hat unter dem 10. Juli 2018 ausgeführt, die Klägerin habe offenbar bei Dr. N2 einen gesünderen Eindruck gemacht. Insofern könne man eine Verschlechterung des Krankheitsbildes seit der Begutachtung durch Dr. N2 im September 2012 annehmen. Dies sei aber nicht wirklich belegbar, da es für die Zwischenzeit keine verwertbaren psychopathologischen Befunde gebe, weil sich die Klägerin nie in regelmäßiger psychiatrisch-psychotherapeutischer Behandlung befunden habe. Er gehe vielmehr davon aus, dass schon bei der Begutachtung durch Dr. N2 die Diagnose einer Dysthymie dem Krankheitsbild nicht angemessen gewesen sei. Unabhängig von der Einordnung eines depressiven Syndroms komme es auf das Funktionsniveau an, das er selbst nur zweieinhalb Jahre später wesentlich anders betrachtet habe. Er bleibe daher dabei, dass der Leistungsfall mit hoher Wahrscheinlichkeit bereits zum Zeitpunkt der Antragstellung vorgelegen habe.

Die Klägerin beantragt, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hamburg vom 22. Dezember 2016 sowie den Bescheid der Beklagten vom 5. November 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. April 2011 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, der Klägerin eine Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit zu gewähren.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend. Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung durch die Berichterstatterin als Einzelrichterin erklärt. Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Prozessakte sowie die Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Entscheidung ist im Einverständnis der Beteiligten durch die Berichterstatterin als Einzelrichterin ergangen (§ 155 Abs. 3 und 4 Sozialgerichtsgesetz – SGG). Die form- und fristgerecht eingelegte und auch sonst zulässige Berufung (§§ 143, 151 SGG) ist nicht begründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen, denn die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und die Klägerin hat keinen Anspruch auf eine Rente wegen Erwerbsminderung. Versicherte haben gemäß § 43 Abs. 1 S. 1 und Abs. 2 S. 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch – Gesetzliche Rentenversicherung (SGB VI) bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie voll bzw. teilweise erwerbsgemindert sind, in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben. Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 2 S. 2 SGB VI). Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 1 S. 2 SGB VI). Erwerbsgemindert ist nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs. 3 SGB VI). Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt, denn es konnte nicht festgestellt werden, dass das Leistungsvermögen der Klägerin bis zum 30. November 2013 – an diesem Tag waren zuletzt die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllt – aufgehoben oder zeitlich beschränkt war. Die Klägerin leidet sowohl unter orthopädischen als auch unter psychischen Gesundheitsstö- rungen. Für den orthopädischen Bereich hat der Sachverständige Dr. D2 in seinem Gutachten vom 4. Juni 2012 dargelegt, dass die Leistungsfähigkeit der Klägerin vorwiegend beeinträchtigt sei durch die degenerativen Veränderungen an der Brust- und Lendenwirbelsäule sowie durch die Minderbelastbarkeit beider Hände bei chronischer Medianusreizung. Hieraus hat er verschiedene qualitative Einschränkungen des Leistungsvermögens abgeleitet, aber eine quantitative Einschränkung oder eine Einschränkung der Wegefähigkeit verneint. Diese Feststellungen sind für das Gericht schlüssig und nachvollziehbar und stimmen mit den übrigen medizinischen Unterlagen auf orthopädischem Gebiet überein. So hat bereits der von der Beklagten beauftragte Gutachter Dr. N. im Oktober 2010 aus den orthopädischen Befunden keine zeitliche Einschränkung des Leistungsvermögens ableiten können und auch aus der Rehabilitationsbehandlung in D. war die Klägerin im Juli 2009 als grundsätzlich leistungsfähig entlassen worden. Schließlich ergeben sich auch aus dem Befundbericht des behandelnden Orthopäden Dr. L. vom 3. Januar 2012 keine abweichenden oder schwerwiegenderen Befunde. Zwar hat dieser die Auffassung vertreten, dass die Klägerin mittelfristig nicht mehr leistungsfähig sei, er hat dies jedoch nicht mit konkreten Einschränkungen auf orthopädischem Gebiet, sondern vorrangig mit erheblichen Depressionen der Klägerin begründet. Es konnte jedoch auch nicht zur Überzeugung des Gerichts festgestellt werden, dass die bei der Klägerin bestehenden psychischen Erkrankungen bis zum 30. November 2013 zu einer zeitlichen Einschränkung ihres Leistungsvermögens geführt hätten. Der Sachverständige Dr. N2 hat in seinem Gutachten vom 29. September 2012 nach ambulanter Untersuchung der Klägerin am 17. September 2012 eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung sowie eine Dysthymia festgestellt. Er hat hieraus weitere qualitative Einschränkungen abgeleitet, ist aber zu dem Ergebnis gelangt, dass die hiernach zumutbaren Arbeiten regelmäßig sechs Stunden und mehr pro Tag verrichtet werden können. Dies ist vor dem Hintergrund des von ihm erhobenen Befundes gut nachvollziehbar. Er hat die Klägerin als wach und bewusstseinsklar, aufmerksam und konzentriert beschrieben. Sie habe ein ausreichendes Konzentrationsvermögen, bleibe nicht gefangen im Schmerzerleben, Gestik und Mimik seien lebhaft, die affektive Schwingungslage sei nur leicht eingeengt und eine depressive Antriebshemmung nicht erkennbar. Ihre Willenskräfte seien strukturiert und zielgerichtet. Er hat ferner darauf hingewiesen, dass es eine deutliche Diskrepanz gebe zwischen der von ihr geschilderten Schmerzsymptomatik und der bemerkenswert lebhaften Schilderung und Darstellung, bei der auch lebhafte Bewegungsabläufe zutage getreten seien. Auch bestehe kein ausgewiesener sozialer Rückzug aus allen Lebensbereichen, denn die Klägerin habe angegeben, mit ihrem Ehemann kurze Spaziergänge zu machen und eine sehr gute Freundin in der Nachbarschaft zu haben. Auch mache sie zu Hause ein wenig sauber und kaufe ein. Vor diesem Hintergrund ist auch für das Gericht das Vorliegen einer schwerwiegenden psychischen Erkrankung nicht erkennbar. Soweit der behandelnde Neurologe und Psychiater Dr. D1 in seinem Befundbericht vom 21. Dezember 2011 eine schmerzbedingte Persönlichkeitsänderung diagnostiziert hat, hat Dr. N2 herausgearbeitet, dass das hierfür erforderliche Kriterium einer deutlichen Ausprägung eines unflexiblen und fehlangepassten Verhaltens nicht erfüllt sei, da die Klägerin durchaus in der Lage sei, ihr Verhalten zu modulieren. Eine andere Beurteilung der Sach- und Rechtslage ergibt sich auch nicht aus dem Gutachten von Herrn H1 vom 19. Februar 2015. Dieser hat anlässlich seiner Untersuchung der Klägerin am 12. Dezember 2014 allerdings einen deutlich schwerwiegenderen psychischen Befund geschildert als Dr. N2. Er hat ausgeführt, die Klägerin habe sich nur sehr ungenau und mit erheblichen Zeitgitterstörungen an vergangene Ereignisse erinnern können. Der Rapport sei mühsam gewesen und immer wieder abgebrochen. Die Klägerin sei in der Kontaktaufnahme hilflos und selbst mit einfachen Fragen überfordert und verunsichert gewesen.

Sie habe wie versteinert auf dem Stuhl gesessen und wie ein kleines Kind oder eher wie geistig behindert gewirkt. Ihr Antrieb sei deutlich reduziert gewesen, es habe keinerlei Schwingungsfähigkeit bestanden, sie habe innerlich leer und ohne jede Vitalität gewirkt. Es gebe mittlerweile einen weitgehenden sozialen Rückzug in allen Lebensbereichen. Der so beschriebene Befund lässt es durchaus nachvollziehbar erscheinen, im Zeitpunkt der Untersuchung durch Herrn H1 von einem aufgehobenen Leistungsvermögen auszugehen. Dies kann allerdings letztlich dahin stehen, da zu diesem Zeitpunkt die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht mehr erfüllt waren. Nicht nachvollziehbar ist dagegen die Feststellung von Herrn H1, dass die beschriebenen Einschränkungen bereits seit Antragstellung bestehen würden. Dies lässt sich bereits aus seinen eigenen Darlegungen im Gutachten nicht überzeugend ableiten. So hat er selbst ausgeführt, die depressive Symptomatik sei mittlerweile wesentlich schwerer, als Dr. N2 dies festgestellt habe. Ferner hat er darauf hingewiesen, dass vor Jahren wahrscheinlich noch ein prämorbides Niveau bestanden habe, ohne dies zeitlich näher zu konkretisieren. Er hat weiter ausgeführt, die depressive Komponente der Erkrankung sei "zum jetzigen Zeitpunkt" so schwer ausgeprägt, dass man nicht mehr nur von einer Dysthymie sprechen könne und es gebe "mittlerweile" einen weitgehenden sozialen Rückzug in allen Lebensbereichen. Herr H1 hat seine Feststellungen damit nachvollziehbar auf den Zeitpunkt seiner Untersuchung bezogen und die Unterschiede zu den früheren Feststellungen von Dr. N2 deutlich herausgestellt, ohne diese inhaltlich infrage zu stellen. Eine Begründung dafür, warum er trotzdem zu einem Leistungsfall bereits bei Antragstellung gelangt ist, fehlt in seinem Gutachten vollständig. Diese ergibt sich aber auch nicht aus seiner ergänzenden Stellungnahme vom 10. Juli 2018. Vielmehr hat er eingeräumt, dass die Klägerin bei Dr. N2 noch einen deutlich gesünderen Eindruck gemacht habe, was für eine Verschlechterung zwischen September 2012 und Februar 2015 spreche. Soweit er anschließend dagegen einwendet, dass dies aber nicht belegbar sei, weil es keine verwertbaren psychopathologischen Befunde aus dieser Zeit gebe, führt dies nicht zu einer anderen rechtlichen Beurteilung. Die Klägerin trägt die Feststellungslast für das Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen des von ihr geltend gemachten Anspruchs, mithin auch dafür, dass der Leistungsfall zu einem Zeitpunkt eingetreten ist, in dem die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen (noch) vorgelegen haben. Dies kann aber, wie auch Herr H1 letztlich eingeräumt hat, gerade nicht positiv festgestellt werden. Es mag zwar vieles dafür sprechen, dass zwischen den Untersuchungen durch Dr. N2 und Herrn H1 eine relevante Verschlechterung des Gesundheitszustands der Klägerin stattgefunden hat. Es lassen sich jedoch keine objektiven Anknüpfungspunkte dafür heranziehen, dass dieses noch vor dem 30. November 2013 der Fall war. Soweit Herr H1 außerdem die Auffassung vertreten hat, dass möglicherweise schon bei der Begutachtung durch Dr. N2 die Diagnose einer Dysthymie dem Krankheitsbild nicht angemessen gewesen sei, fehlt es hierfür an einer Begründung. Abschließend wird darauf hingewiesen, dass auch die bei der Klägerin bestehende Harninkontinenz bei Husten und Pressen sowie der imperative Harndrang mit Urge-Symptomatik ein aufgehobenes Leistungsvermögen nicht zu begründen vermag. Der behandelnde Urologe Dr. K. hat in seinem Befundbericht vom 22. Dezember 2011 dargelegt, dass die Klägerin zwar Inkontinenzartikel benötige, dies eine Tätigkeit im Sitzen und ohne körperlich schwere Anforderungen aber nicht ausschließe. Ausgehend von einem vollschichtigen Leistungsvermögen ist die Klägerin auf den allgemeinen Arbeitsmarkt zu verweisen, ohne dass hierbei die Arbeitsmarktlage zu berücksichtigen wäre (§ 43 Abs. 3 SGB VI). Zu Recht hat das Sozialgericht auch festgestellt, dass eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit (§ 240 SGB VI) nicht in Betracht kommt. Zur Begründung wird gemäß § 153 Abs. 2 SGG auf die diesbezüglichen Ausführungen im angefochtenen Gerichtsbescheid verwiesen, denen sich das Berufungsgericht anschließt. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Die Revision ist nicht zugelassen worden, weil die Voraussetzungen von § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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