Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Gelsenkirchen (NRW)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
39
1. Instanz
SG Gelsenkirchen (NRW)
Aktenzeichen
S 39 R 783/17
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Der Klägerin werden Verschuldenskosten zu Gunsten der Staatskasse i.H.v. 150,00 EUR auferlegt. Im Übrigen haben die Beteiligten einander keine Kosten zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung um-stritten.
Mittlerweile ist der am 00.00.1900 geborenen Klägerin ein Grad der Behinderung (GdB) i.H.v 40 zuerkannt worden. Gegenwärtig bezieht sie Verletztenrente aufgrund eines Arbeitsunfalles am 18.02.2010 (Minderung der Erwerbsfähigkeit i.H.v. 30).
Am 04.10.2016 beantragte die Klägerin die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung bei der Beklagten. Daraufhin zog diese medizinische Unterlagen über sie bei und ließ diese durch Ihre Abteilung Sozialmedizin auswerten. Vor diesem Hintergrund lehnte die Beklagte den Rentenantrag mit Bescheid vom 20.02.2017 ab. Zwar leide die Klägerin an einer Funktionsminderung des rechten Handgelenkes sowie Verschleißleiden des Bewegungsapparates. Allerdings sei sie noch in der Lage, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes sechs Stunden und mehr täglich erwerbstätig zu sein.
Hiergegen erhob die Klägerin über ihre Bevollmächtigte Widerspruch, welcher mit Widerspruchsbescheid vom 04.09.2017 als unbegründet zurückgewiesen wurde. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der angefochtene Bescheid auch nach Überprüfung im Widerspruchsverfahren nicht zu beanstanden sei.
Mit ihrer am 28.09.2017 erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Rentenbegehren weiter. Sie macht geltend, dass sie unter multiplen Leistungseinschränkungen, insbesonde-re hinsichtlich ihrer rechten Hand, leide.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid vom 20.02.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.09.2017 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr ab dem 04.10.2016 Rente wegen voller Erwerbsminderung, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsmin-derung nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hält ihre angegriffene Entscheidung für zutreffend und verweist auf den Inhalt ihres Widerspruchsbescheides.
Zur Aufklärung des medizinischen Sachverhaltes hat das Gericht zunächst Befundberichte der behandelnden Ärzte Fr. Dr. X. (Fachärztin für Allgemeinmedizin) und Dr. L. (Arzt für Orthopädie und Sportmedizin) eingeholt.
Vor diesem Hintergrund hat das Gericht Beweis erhoben über den Gesundheitszustand der Klägerin und ihr Leistungsvermögen durch Einholung eines schriftlichen fachchirurgisch-sozialmedizinischen Gutachtens von Fr. Dr. E.-W. (Fachärztin für Chirurgie, So-zialmedizin, Medizinische Begutachtungen).
Frau Dr. E.-W. hat in ihrem Gutachten vom 09.05.2018 aufgrund ambulanter Untersuchung am 20.04.2018 folgende Diagnosen gestellt:
1) Gelenkleiden 2) Wiederkehrende Wirbelsäulensyndrome 3) seelisches Leiden
Sie ist der Ansicht, dass die Klägerin in Ansehung der vorgenannten Diagnosen in der Lage ist, leichte und gelegentlich mittelschwere Arbeiten in wechselnder Körperhaltung bzw. überwiegend im Sitzen sechs Stunden und mehr an fünf Tagen in der Woche regelmäßig zu verrichten. Sie könne Lasten zwischen 10 bis 15 kg Heben, Tragen und Bewegen. Weiter seien Arbeiten mit Publikumsverkehr, Bildschirmarbeit, Tätigkeiten mit durchschnittlichen Anforderungen an Reaktion, Übersicht, Aufmerksamkeit, Verantwor-tungsbewusstsein und Zuverlässigkeit möglich. Hinweise auf eine wesentliche Ein-schränkung des geistigen Leistungsvermögens bestünden nicht. Die Gebrauchsfähig-keit der Hände sei gegeben. Weiter sei die Wegefähigkeit nicht in sozialmedizinisch rele-vanter Weise eingeschränkt. Die Klägerin könne auch öffentliche Verkehrsmittel zur Hauptverkehrszeit benutzen sowie ein Kraftfahrzeug steuern. Hingegen seien ihr Arbei-ten mit ständigem Bücken, Knien oder Hocken, unter besonderem Zeitdruck, in Zwangs- oder überwiegend einseitiger Körperhaltung, mit Wechselschicht oder Nachtschicht so-wie mit Gefährdung durch erhöhte Umwelteinflüsse nicht mehr zuzumuten.
Weiter hat das Gericht das neurologisch-psychiatrische Gutachten von Dr. S. vom 02.02.2018 zu dem gerichtlichen Verfahren (S 30 SB 812/17) beigezogen. In dem vorge-nannten Gutachten – auf dessen Inhalt im Übrigen Bezug genommen wird – heißt es u.a.:
"Zum Tagesablauf und zu Freizeitaktivitäten befragt, berichtet die Klägerin, sie sei sehr viel unterwegs, treffe sich mit ihren Freundinnen, dies fast täglich. Sie würden shoppen gehen, Kaffee trinken u.a. Sie habe sehr gute Kontakte, habe sich nicht zurückgezogen. Mit ihrem Mann gehe sie auch sehr viel spazieren, sei etwa 5 km unterwegs, lege die gleiche Strecke auch für den Rückweg zurück. Nur gelegentlich nehme sie da den Bus. Jetzt wolle sie in ein Fitnessstudio gehen. Ansonsten fahre sie Fahrrad und schwimme. Den Haushalt in einer Wohnung von 95 qm macht sie im Wesentlichen allein. Sie hätten eine Loggia, wo sie auch die Blumen versorge."
Auf die gerichtliche Anfrage vom 24.05.2018, ob die Klage mit Rücksicht auf den Inhalt des Gutachtens von Fr. Dr. E.-W. zurückgenommen werde, hat die Prozessbevollmäch-tigte der Klägerin um Anberaumung eines Erörterungstermins gebeten.
Anschließend sind die vorgenannten Gutachten im Termin zur Erörterung des Sachver-haltes am 06.07.2018, zu dem auch die Klägerin persönlich erschienen ist, mit den Beteiligten erörtert worden. Im Lichte der vorgenannten Gutachten hat der Kammervorsitzende darauf hingewiesen, dass die Klage offensichtlich unbegründet ist. Der Vorsitzende hat die Klägerin im Beisein ihrer Bevollmächtigten darauf hingewiesen, dass die Klage im Hinblick auf das Ergebnis der medizinischen Ermittlungen im hiesigen Verfahren sowie das beigezogene Gutachten von Dr. S. als vollkommen aussichtslos angesehen werden muss. Vor diesem Hintergrund ist mit den Beteiligten die Kostenfolge von § 192 Sozialgerichtsgesetz (SGG) erörtert worden. Die anschließende Nachfrage des Kammervorsitzen-den, ob die Klägerin die Aussichtslosigkeit ihrer Klage verstanden habe, hat diese bejaht und erklärt, dass sie trotzdem eine Entscheidung beanspruche. Im Übrigen wird wegen des Ergebnisses des Erörterungstermins auf die Sitzungsniederschrift selben Datums Bezug genommen.
In der mündlichen Verhandlung am 05.10.2018 – wegen deren Inhalts auf die Sitzungs-niederschrift selben Datums Bezug genommen wird – hat die Prozessbevollmächtigte der Klägerin erklärt, dass sie im Vorfeld des Termins noch einmal mit der Klägerin über eine mögliche Kostenfolge nach § 192 SGG gesprochen habe. Sie hat weiter erklärt, dass die Klägerin dies verstanden habe, aber nach wie vor an ihrer Klage festhalten wolle.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte, des beigezogenen Gutachtens von Dr. S. vom 02.10.2018 zu dem gerichtlichen Verfahren S 30 SB 812/17 sowie der beigezogenen Verwaltungsakte, welcher Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Die Kammer kann in Abwesenheit der rechtlich vertretenen Klägerin verhandeln und entscheiden, da diese ordnungsgemäß zum Termin geladen worden war (§ 110 Abs. 1 S. 1 SGG). Ausweislich der Terminmitteilung – laut Empfangsbekenntnis gegenüber der Bevollmächtigten der Klägerin am 18.09.2018 zugegangen – ist der Klägerin darüber un-terrichtet worden, dass im Falle ihres Ausbleibens verhandelt und entschieden werden kann (§ 110 Abs. 1 S. 2 SGG).
Die Klägerin ist durch den Bescheid vom 20.02.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbe-scheides vom 04.09.2017 nicht beschwert im Sinne von § 54 Abs. 2 S. 1 SGG. Die ange-griffene Entscheidung ist rechtmäßig. Die Klägerin hat unter keinem rechtlichen Ge-sichtspunkt Anspruch auf Gewährung von Rente wegen voller – bzw. teilweiser – Erwerbsminderung.
Die Beklagte hat die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung zu Recht abgelehnt. Die Klägerin ist weder teilweise noch voll erwerbsgemindert.
Anspruchsgrundlage für die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung ist § 43 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Rentenversicherung – (SGB VI). Da-nach haben Versicherte bei Vorliegen der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen (§ 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und 3 bzw. § 43 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 und 3 SGB VI) Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie teilweise erwerbsgemindert sind (§ 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI) bzw. auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie voll erwerbsgemindert sind (§ 43 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VI). Teilweise erwerbsge-mindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI). Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht ab-sehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI). Hingegen ist nicht erwerbsgemindert, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs. 3 SGB VI).
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist die Klägerin zur Überzeugung der Kammer in Ansehung ihres festgestellten Gesundheitszustandes sowie ihres hieraus resultieren-den Leistungsvermögens weder voll noch teilweise erwerbsgemindert im Sinne der vor-genannten Vorschriften.
1. Zwar ist die Erwerbsfähigkeit der Klägerin auf Grund ihres Gesundheitszustandes eingeschränkt. Denn sie leidet an den im Tatbestand im Einzelnen aufgeführten Gesund-heitsstörungen, welche ihr Leistungsvermögen beeinträchtigten. Allerdings ist sie zur Überzeugung der Kammer noch in der Lage, leichte und gelegentlich mittelschwere Arbeiten in wechselnder Körperhaltung bzw. überwiegend im Sitzen sechs Stunden und mehr an fünf Tagen in der Woche regelmäßig zu verrichten. Weiter ist sie fähig, Lasten zwischen 10 bis 15 kg zu heben, zu tragen und zu bewegen. Arbeiten mit Publikumsver-kehr, Bildschirmarbeit, Tätigkeiten mit durchschnittlichen Anforderungen an Reaktion, Übersicht, Aufmerksamkeit, Verantwortungsbewusstsein und Zuverlässigkeit sind eben-so möglich. Hinweise auf eine wesentliche Einschränkung des geistigen Leistungsver-mögens bestehen nicht. Die Gebrauchsfähigkeit ihrer Hände ist gegeben. Hingegen sind der Klägerin Arbeiten mit ständigem Bücken, Knien oder Hocken, unter besonderem Zeitdruck, in Zwangs- oder überwiegend einseitiger Körperhaltung, mit Wechselschicht oder Nachtschicht sowie mit Gefährdung durch erhöhte Umwelteinflüsse nicht mehr zu-zumuten.
Diese Feststellungen zum Gesundheitszustand sowie des hieraus resultierenden Leis-tungsvermögens der Klägerin im Erwerbsleben stützt die Kammer zunächst auf die aus-führlichen und schlüssig begründeten Schlussfolgerungen der von Amts wegen beauf-tragten Sachverständigen Frau Dr. E.-W ... Diese Sachverständige hat – als erfahrene und anerkannte Fachärztin – aufgrund eingehender ambulanter Untersuchung der Klägerin und sorgfältiger Befunderhebung sowie unter Berücksichtigung der im Untersuchungs-zeitraum aktenkundigen ärztlichen Unterlagen die oben genannten Gesundheitsstörun-gen sowie die hieraus resultierenden Auswirkungen auf die Leistungsfähigkeit der Klä-gerin festgestellt. Anhaltspunkte für eine unvollständige Befunderhebung oder eine un-zutreffende Leistungsbeurteilung sind für die Kammer nicht ersichtlich und sind im Übri-gen auch nicht vorgetragen worden. Die Ausführungen der Sachverständigen sind schlüssig, in sich widerspruchsfrei und plausibel begründet.
Insbesondere ist die Leistungsbeurteilung von Frau Dr. E.-W. deswegen überzeugend, weil die festgestellten Diagnosen – weder einzeln noch in ihrer Summe – nicht so schwer wiegen, als dass sie eine Aufhebung des qualitativen und/oder quantitativen Leistungsvermögens der Klägerin rechtfertigen würden. Beispielsweise ist im Hinblick auf die Gelenkleiden der Klägerin im Rahmen der ambulanten, fachchirurgischen Unter-suchung von Fr. Dr. E.-W. (Gutachten vom 09.05.2018, Seite 26) festgehalten, dass sich hinsichtlich Belastbarkeit und Einsetzbarkeit keine höherwertigen Ausfallerscheinungen zeigten. Das Aus- und Ankleiden sei ohne jede Schonhaltung der rechten Hand erfolgt. Weiter seien insbesondere die Bewegungsabläufe beim Wiederankleiden weitgehend unbeeinträchtigt gewesen. Anders stellt sich dies im Ergebnis auch nicht hinsichtlich – der im hiesigen Verfahren nicht geltend gemachten seelischen Leiden – dar. Diese sind – wie von Dr. S. im beigezogenen Gutachten bestätigt – lediglich leichtgradiger Ausprä-gung. Im Übrigen ist nicht geltend gemacht worden, dass sich die Klägerin wegen psychischer Leiden in fachärztliche Behandlung begeben habe.
Selbst aus Sicht eines medizinischen Laien spricht entscheidend gegen die Aufhebung des quantitativen Leistungsvermögens der von der Klägerin gepflegte Tagesablauf. So hat sie im Rahmen der Begutachtung durch Dr. S. beispielsweise erklärt, dass sie sehr viel unterwegs sei, regelmäßig 5 km am Stück spazieren gehe, schwimme, mit dem Rad fahre und beabsichtigte, sich in einem Fitnessstudio anzumelden. Weiter bewältige sie den Haushalt in der 95 qm großen Wohnung im Wesentlichen allein. Ein derartiger Ta-gesablauf ist der Kammer in Verfahren, in denen Rente wegen Erwerbsminderung begehrt wird, bislang nicht begegnet. Selbst aus Sicht eines medizinischen Laien erscheint die Annahme eines eingeschränkten quantitativen Leistungsvermögens in einem sol-chen Fall gänzlich abwegig.
Die Umstände, dass der Klägerin zwischenzeitlich ein GdB i.H.v. 40 zuerkannt worden ist sowie dass sie Verletztenrente bezieht, rechtfertigen kein anderes Ergebnis. Denn den insofern maßgeblichen gesetzlichen Grundlagen aus dem SGB IX bzw. SGB VII liegt ei-ne andere Beurteilungsweise als im Recht der gesetzlichen Rentenversicherung zugrunde.
Im Übrigen sind seitens der rechtlich vertretenen Klägerin weder gegen das Gutachten von Frau Dr. E.-W. noch gegen das beigezogene Gutachten von Dr. S. konkrete Einwände erhoben worden.
2. Weiter hat die Kammer insgesamt keinen Zweifel daran, dass das Restleistungsver-mögen der Klägerin Tätigkeiten unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Ar-beitsmarktes ausschließen könnte. Denn sie ist insbesondere in der Lage, noch mindestens sechs Stunden am Tag einfache und sogar gelegentlich mittelschwere auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt anfallende Tätigkeiten (z.B. Zureichen, Abnehmen, Transportieren, Reinigen, Bedienen von Maschinen, Kleben, Sortieren, Verpacken, Zusammensetzen von Teilen usw.) auszuüben. Die von der gerichtlich beauftragten Sachverständigen festgestellten qualitativen Leistungseinschränkungen stehen einer Einsatzfähigkeit der Klägerin in den vorgenannten Arbeitsfeldern nicht in der Weise entgegen, dass ernstliche Zweifel an ihrer Einsatzfähigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unter betriebsüb-lichen Bedingungen bestünden (vgl. Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 09.05.2012 – B 5 R 68/11 – juris Rn. 17 ff.). Insbesondere ist sie in der Lage, jedenfalls einfache geistige Tätigkeiten sowie Tätigkeiten mit einfachen Anforderungen an die Reaktion, die Übersicht, die Aufmerksamkeit, das Verantwortungsbewusstsein und Zuverlässigkeit auszuüben. Auch ist die Gebrauchsfähigkeit der Hände nicht eingeschränkt und Tätig-keiten mit Publikumsverkehr sind möglich. Weiter ist die Wegefähigkeit der Klägerin nicht in rentenrechtlich beachtlicher Weise eingeschränkt. Im Übrigen kann die Klägerin so-wohl öffentliche Verkehrsmittel zur Hauptverkehrszeit benutzen als auch ein Kraftfahrzeug führen.
3. Ferner kommt auch unter dem Gesichtspunkt der Summierung ungewöhnlicher Leis-tungseinschränkungen bzw. einer schweren spezifischen Behinderung – wie bereits im Termin zur Erörterung des Sachverhaltes am 06.07.2018 mit den Beteiligten erörtert – ein Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung nicht in Betracht.
Die vorgenannten von der Rechtsprechung entwickelten Fallgestaltungen sind unter dem Tatbestandsmerkmal "übliche Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes" in ei-nen Dreischritt zu prüfen (zusammenfassend Freudenberg in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VI, 2. Aufl. 2013, § 43 SGB VI, Rn. 166 ff. siehe dort auch zu den folgenden Sät-zen). Zunächst ist zu fragen, ob das Restleistungsvermögen dem Versicherten noch Tä-tigkeiten erlaubt wie Zureichen, Abnehmen, Transportieren, Reinigen, Bedienen von Maschinen, Kleben, Sortieren, Verpacken, Zusammensetzen von Teilen usw. Ist dies der Fall, so gibt es genügend Arbeits- bzw. Tätigkeitsfelder, die der Versicherte mit seinem Restleistungsvermögen noch ausfüllen kann. Erscheinen hingegen Tätigkeiten in diesen abstrakten Handlungsfeldern nicht mehr möglich, bestehen ernstliche Zweifel an der tatsächlichen Einsatzfähigkeit des Versicherten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unter dessen üblichen Bedingungen. In diesem Fall ist in einem zweiten Schritt zu prüfen, ob bei dem Versicherten eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung im Sinne der Summierungsrecht-sprechung des BSG gegeben ist. Ist dies zu bejahen, so ist es bei den ernsten Zweifeln an der Einsatzfähigkeit des Versicherten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt verblieben. In diesem Fall ist dem Versicherten im dritten Schritt mindestens eine konkrete Verwei-sungstätigkeit mit ihren typischen, das Anforderungsprofil bestimmenden Merkmalen zu benennen, um seinen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung auszuschließen (a.a.O.).
Dabei ist jedoch zu beachten, dass beide Alternativen – Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen sowie schwere spezifische Leistungsbehinderung – nur in Betracht kommen, soweit in qualitativer Hinsicht lediglich leichte Tätigkeiten möglich sind (Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 11.05.1999 – B 13 RJ 71/97 R – juris Rn. 18). Dies ist – wie oben ausgeführt – jedoch nicht der Fall. Denn die Klägerin ist nach den überzeugenden Feststellungen von Frau Dr. E.-W. in der Lage, körperlich auch mittel-schwere Arbeiten zu verrichten.
Dessen ungeachtet ist – angesichts des unter Ziffer 2. ausgeführten positiven Restleistungsvermögens – für die Kammer nicht erkennbar, dass ernstliche Zweifel an der Einsatzfähigkeit der Klägerin unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeits-marktes bestünden. Die Situation der Klägerin ist insbesondere nicht mit Fällen der Ein-armigkeit oder Einäugigkeit – in denen eine schwere spezifische Leistungsbehinderung von der Rechtsprechung angenommen worden ist (vgl. von Koch, in Kreikebohm, SGB VI, 3. Aufl. 2008, § 43 Rn. 35) – vergleichbar.
4. Im Übrigen kommt auch – die nicht beantragte – Rente wegen teilweiser Erwerbsmin-derung bei Berufsunfähigkeit (§ 240 SGB VI) nicht in Betracht, da die Klägerin nach dem 02.01.1961 geboren ist.
5. Die Kammer hat von der Möglichkeit, Verschuldenskosten gemäß § 192 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGG aufzuerlegen, Gebrauch gemacht. Hiernach kann das Gericht im Urteil einem Beteiligten ganz oder teilweise die Kosten auferlegen, die dadurch verursacht werden, dass der Beteiligte den Rechtsstreit fortführt, obwohl ihm vom Vorsitzenden die Missbräuchlichkeit der Rechtsverfolgung oder -verteidigung dargelegt worden und er auf die Möglichkeit der Kostenauferlegung hingewiesen worden ist. Missbräuchlichkeit in die-sem Sinne kann beispielsweise anzunehmen sein, wenn der Rechtsstreit trotz Hinweises auf die offensichtliche Aussichtslosigkeit fortgeführt wird (vgl. Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (LSG NRW), Urteil vom 12.05.2016 – L 7 AS 845/17 – juris Rn. 30). Dies ist hier zur Überzeugung der Kammer der Fall. Denn der Kammervor-sitzende hat der Klägerin bereits im Termin zur Erörterung des Sachverhaltes den Inhalt des eingeholten sowie des beigezogenen Gutachtens erläutert und darauf hingewiesen, dass die Klage offensichtlich unbegründet ist. Insbesondere angesichts des im Rahmen der Begutachtung durch Dr. S. dargestellten Tagesablaufes erscheint auch aus Sicht ei-nes medizinischen Laien offenkundig, dass die medizinischen Voraussetzungen für Rente wegen Erwerbsminderung nicht gegeben sind. In diesem Zusammenhang ist wei-ter darauf hingewiesen worden, dass die Fortführung des Rechtstreites missbräuchlich erscheint und deswegen eine Kostenbeteiligung in Betracht kommt. Nach Auskunft der Prozessbevollmächtigten der Klägerin hat sie dies auch im Vorfeld des Verhandlungstermins – zu dem die Klägerin dann nicht erschienen ist – noch einmal besprochen. Gleichwohl hat die Klägerin auf der Fortführung des Rechtstreites beharrt. Der Höhe nach hält die Kammer die Auferlegung von Verschuldenskosten in Höhe des Mindestbe-trages i.H.v. 150,00 EUR für noch angemessen (§§ 192 Abs. 1 S. 2, 184 Abs. 2 Nr. 2 SGG).
Die Beklagte hat keine Kosten zu tragen, da sie nicht unterliegt (vgl. §§ 193, 184 SGG).
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung um-stritten.
Mittlerweile ist der am 00.00.1900 geborenen Klägerin ein Grad der Behinderung (GdB) i.H.v 40 zuerkannt worden. Gegenwärtig bezieht sie Verletztenrente aufgrund eines Arbeitsunfalles am 18.02.2010 (Minderung der Erwerbsfähigkeit i.H.v. 30).
Am 04.10.2016 beantragte die Klägerin die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung bei der Beklagten. Daraufhin zog diese medizinische Unterlagen über sie bei und ließ diese durch Ihre Abteilung Sozialmedizin auswerten. Vor diesem Hintergrund lehnte die Beklagte den Rentenantrag mit Bescheid vom 20.02.2017 ab. Zwar leide die Klägerin an einer Funktionsminderung des rechten Handgelenkes sowie Verschleißleiden des Bewegungsapparates. Allerdings sei sie noch in der Lage, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes sechs Stunden und mehr täglich erwerbstätig zu sein.
Hiergegen erhob die Klägerin über ihre Bevollmächtigte Widerspruch, welcher mit Widerspruchsbescheid vom 04.09.2017 als unbegründet zurückgewiesen wurde. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der angefochtene Bescheid auch nach Überprüfung im Widerspruchsverfahren nicht zu beanstanden sei.
Mit ihrer am 28.09.2017 erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Rentenbegehren weiter. Sie macht geltend, dass sie unter multiplen Leistungseinschränkungen, insbesonde-re hinsichtlich ihrer rechten Hand, leide.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid vom 20.02.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.09.2017 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr ab dem 04.10.2016 Rente wegen voller Erwerbsminderung, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsmin-derung nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hält ihre angegriffene Entscheidung für zutreffend und verweist auf den Inhalt ihres Widerspruchsbescheides.
Zur Aufklärung des medizinischen Sachverhaltes hat das Gericht zunächst Befundberichte der behandelnden Ärzte Fr. Dr. X. (Fachärztin für Allgemeinmedizin) und Dr. L. (Arzt für Orthopädie und Sportmedizin) eingeholt.
Vor diesem Hintergrund hat das Gericht Beweis erhoben über den Gesundheitszustand der Klägerin und ihr Leistungsvermögen durch Einholung eines schriftlichen fachchirurgisch-sozialmedizinischen Gutachtens von Fr. Dr. E.-W. (Fachärztin für Chirurgie, So-zialmedizin, Medizinische Begutachtungen).
Frau Dr. E.-W. hat in ihrem Gutachten vom 09.05.2018 aufgrund ambulanter Untersuchung am 20.04.2018 folgende Diagnosen gestellt:
1) Gelenkleiden 2) Wiederkehrende Wirbelsäulensyndrome 3) seelisches Leiden
Sie ist der Ansicht, dass die Klägerin in Ansehung der vorgenannten Diagnosen in der Lage ist, leichte und gelegentlich mittelschwere Arbeiten in wechselnder Körperhaltung bzw. überwiegend im Sitzen sechs Stunden und mehr an fünf Tagen in der Woche regelmäßig zu verrichten. Sie könne Lasten zwischen 10 bis 15 kg Heben, Tragen und Bewegen. Weiter seien Arbeiten mit Publikumsverkehr, Bildschirmarbeit, Tätigkeiten mit durchschnittlichen Anforderungen an Reaktion, Übersicht, Aufmerksamkeit, Verantwor-tungsbewusstsein und Zuverlässigkeit möglich. Hinweise auf eine wesentliche Ein-schränkung des geistigen Leistungsvermögens bestünden nicht. Die Gebrauchsfähig-keit der Hände sei gegeben. Weiter sei die Wegefähigkeit nicht in sozialmedizinisch rele-vanter Weise eingeschränkt. Die Klägerin könne auch öffentliche Verkehrsmittel zur Hauptverkehrszeit benutzen sowie ein Kraftfahrzeug steuern. Hingegen seien ihr Arbei-ten mit ständigem Bücken, Knien oder Hocken, unter besonderem Zeitdruck, in Zwangs- oder überwiegend einseitiger Körperhaltung, mit Wechselschicht oder Nachtschicht so-wie mit Gefährdung durch erhöhte Umwelteinflüsse nicht mehr zuzumuten.
Weiter hat das Gericht das neurologisch-psychiatrische Gutachten von Dr. S. vom 02.02.2018 zu dem gerichtlichen Verfahren (S 30 SB 812/17) beigezogen. In dem vorge-nannten Gutachten – auf dessen Inhalt im Übrigen Bezug genommen wird – heißt es u.a.:
"Zum Tagesablauf und zu Freizeitaktivitäten befragt, berichtet die Klägerin, sie sei sehr viel unterwegs, treffe sich mit ihren Freundinnen, dies fast täglich. Sie würden shoppen gehen, Kaffee trinken u.a. Sie habe sehr gute Kontakte, habe sich nicht zurückgezogen. Mit ihrem Mann gehe sie auch sehr viel spazieren, sei etwa 5 km unterwegs, lege die gleiche Strecke auch für den Rückweg zurück. Nur gelegentlich nehme sie da den Bus. Jetzt wolle sie in ein Fitnessstudio gehen. Ansonsten fahre sie Fahrrad und schwimme. Den Haushalt in einer Wohnung von 95 qm macht sie im Wesentlichen allein. Sie hätten eine Loggia, wo sie auch die Blumen versorge."
Auf die gerichtliche Anfrage vom 24.05.2018, ob die Klage mit Rücksicht auf den Inhalt des Gutachtens von Fr. Dr. E.-W. zurückgenommen werde, hat die Prozessbevollmäch-tigte der Klägerin um Anberaumung eines Erörterungstermins gebeten.
Anschließend sind die vorgenannten Gutachten im Termin zur Erörterung des Sachver-haltes am 06.07.2018, zu dem auch die Klägerin persönlich erschienen ist, mit den Beteiligten erörtert worden. Im Lichte der vorgenannten Gutachten hat der Kammervorsitzende darauf hingewiesen, dass die Klage offensichtlich unbegründet ist. Der Vorsitzende hat die Klägerin im Beisein ihrer Bevollmächtigten darauf hingewiesen, dass die Klage im Hinblick auf das Ergebnis der medizinischen Ermittlungen im hiesigen Verfahren sowie das beigezogene Gutachten von Dr. S. als vollkommen aussichtslos angesehen werden muss. Vor diesem Hintergrund ist mit den Beteiligten die Kostenfolge von § 192 Sozialgerichtsgesetz (SGG) erörtert worden. Die anschließende Nachfrage des Kammervorsitzen-den, ob die Klägerin die Aussichtslosigkeit ihrer Klage verstanden habe, hat diese bejaht und erklärt, dass sie trotzdem eine Entscheidung beanspruche. Im Übrigen wird wegen des Ergebnisses des Erörterungstermins auf die Sitzungsniederschrift selben Datums Bezug genommen.
In der mündlichen Verhandlung am 05.10.2018 – wegen deren Inhalts auf die Sitzungs-niederschrift selben Datums Bezug genommen wird – hat die Prozessbevollmächtigte der Klägerin erklärt, dass sie im Vorfeld des Termins noch einmal mit der Klägerin über eine mögliche Kostenfolge nach § 192 SGG gesprochen habe. Sie hat weiter erklärt, dass die Klägerin dies verstanden habe, aber nach wie vor an ihrer Klage festhalten wolle.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte, des beigezogenen Gutachtens von Dr. S. vom 02.10.2018 zu dem gerichtlichen Verfahren S 30 SB 812/17 sowie der beigezogenen Verwaltungsakte, welcher Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Die Kammer kann in Abwesenheit der rechtlich vertretenen Klägerin verhandeln und entscheiden, da diese ordnungsgemäß zum Termin geladen worden war (§ 110 Abs. 1 S. 1 SGG). Ausweislich der Terminmitteilung – laut Empfangsbekenntnis gegenüber der Bevollmächtigten der Klägerin am 18.09.2018 zugegangen – ist der Klägerin darüber un-terrichtet worden, dass im Falle ihres Ausbleibens verhandelt und entschieden werden kann (§ 110 Abs. 1 S. 2 SGG).
Die Klägerin ist durch den Bescheid vom 20.02.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbe-scheides vom 04.09.2017 nicht beschwert im Sinne von § 54 Abs. 2 S. 1 SGG. Die ange-griffene Entscheidung ist rechtmäßig. Die Klägerin hat unter keinem rechtlichen Ge-sichtspunkt Anspruch auf Gewährung von Rente wegen voller – bzw. teilweiser – Erwerbsminderung.
Die Beklagte hat die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung zu Recht abgelehnt. Die Klägerin ist weder teilweise noch voll erwerbsgemindert.
Anspruchsgrundlage für die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung ist § 43 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Rentenversicherung – (SGB VI). Da-nach haben Versicherte bei Vorliegen der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen (§ 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und 3 bzw. § 43 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 und 3 SGB VI) Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie teilweise erwerbsgemindert sind (§ 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI) bzw. auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie voll erwerbsgemindert sind (§ 43 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VI). Teilweise erwerbsge-mindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI). Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht ab-sehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI). Hingegen ist nicht erwerbsgemindert, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs. 3 SGB VI).
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist die Klägerin zur Überzeugung der Kammer in Ansehung ihres festgestellten Gesundheitszustandes sowie ihres hieraus resultieren-den Leistungsvermögens weder voll noch teilweise erwerbsgemindert im Sinne der vor-genannten Vorschriften.
1. Zwar ist die Erwerbsfähigkeit der Klägerin auf Grund ihres Gesundheitszustandes eingeschränkt. Denn sie leidet an den im Tatbestand im Einzelnen aufgeführten Gesund-heitsstörungen, welche ihr Leistungsvermögen beeinträchtigten. Allerdings ist sie zur Überzeugung der Kammer noch in der Lage, leichte und gelegentlich mittelschwere Arbeiten in wechselnder Körperhaltung bzw. überwiegend im Sitzen sechs Stunden und mehr an fünf Tagen in der Woche regelmäßig zu verrichten. Weiter ist sie fähig, Lasten zwischen 10 bis 15 kg zu heben, zu tragen und zu bewegen. Arbeiten mit Publikumsver-kehr, Bildschirmarbeit, Tätigkeiten mit durchschnittlichen Anforderungen an Reaktion, Übersicht, Aufmerksamkeit, Verantwortungsbewusstsein und Zuverlässigkeit sind eben-so möglich. Hinweise auf eine wesentliche Einschränkung des geistigen Leistungsver-mögens bestehen nicht. Die Gebrauchsfähigkeit ihrer Hände ist gegeben. Hingegen sind der Klägerin Arbeiten mit ständigem Bücken, Knien oder Hocken, unter besonderem Zeitdruck, in Zwangs- oder überwiegend einseitiger Körperhaltung, mit Wechselschicht oder Nachtschicht sowie mit Gefährdung durch erhöhte Umwelteinflüsse nicht mehr zu-zumuten.
Diese Feststellungen zum Gesundheitszustand sowie des hieraus resultierenden Leis-tungsvermögens der Klägerin im Erwerbsleben stützt die Kammer zunächst auf die aus-führlichen und schlüssig begründeten Schlussfolgerungen der von Amts wegen beauf-tragten Sachverständigen Frau Dr. E.-W ... Diese Sachverständige hat – als erfahrene und anerkannte Fachärztin – aufgrund eingehender ambulanter Untersuchung der Klägerin und sorgfältiger Befunderhebung sowie unter Berücksichtigung der im Untersuchungs-zeitraum aktenkundigen ärztlichen Unterlagen die oben genannten Gesundheitsstörun-gen sowie die hieraus resultierenden Auswirkungen auf die Leistungsfähigkeit der Klä-gerin festgestellt. Anhaltspunkte für eine unvollständige Befunderhebung oder eine un-zutreffende Leistungsbeurteilung sind für die Kammer nicht ersichtlich und sind im Übri-gen auch nicht vorgetragen worden. Die Ausführungen der Sachverständigen sind schlüssig, in sich widerspruchsfrei und plausibel begründet.
Insbesondere ist die Leistungsbeurteilung von Frau Dr. E.-W. deswegen überzeugend, weil die festgestellten Diagnosen – weder einzeln noch in ihrer Summe – nicht so schwer wiegen, als dass sie eine Aufhebung des qualitativen und/oder quantitativen Leistungsvermögens der Klägerin rechtfertigen würden. Beispielsweise ist im Hinblick auf die Gelenkleiden der Klägerin im Rahmen der ambulanten, fachchirurgischen Unter-suchung von Fr. Dr. E.-W. (Gutachten vom 09.05.2018, Seite 26) festgehalten, dass sich hinsichtlich Belastbarkeit und Einsetzbarkeit keine höherwertigen Ausfallerscheinungen zeigten. Das Aus- und Ankleiden sei ohne jede Schonhaltung der rechten Hand erfolgt. Weiter seien insbesondere die Bewegungsabläufe beim Wiederankleiden weitgehend unbeeinträchtigt gewesen. Anders stellt sich dies im Ergebnis auch nicht hinsichtlich – der im hiesigen Verfahren nicht geltend gemachten seelischen Leiden – dar. Diese sind – wie von Dr. S. im beigezogenen Gutachten bestätigt – lediglich leichtgradiger Ausprä-gung. Im Übrigen ist nicht geltend gemacht worden, dass sich die Klägerin wegen psychischer Leiden in fachärztliche Behandlung begeben habe.
Selbst aus Sicht eines medizinischen Laien spricht entscheidend gegen die Aufhebung des quantitativen Leistungsvermögens der von der Klägerin gepflegte Tagesablauf. So hat sie im Rahmen der Begutachtung durch Dr. S. beispielsweise erklärt, dass sie sehr viel unterwegs sei, regelmäßig 5 km am Stück spazieren gehe, schwimme, mit dem Rad fahre und beabsichtigte, sich in einem Fitnessstudio anzumelden. Weiter bewältige sie den Haushalt in der 95 qm großen Wohnung im Wesentlichen allein. Ein derartiger Ta-gesablauf ist der Kammer in Verfahren, in denen Rente wegen Erwerbsminderung begehrt wird, bislang nicht begegnet. Selbst aus Sicht eines medizinischen Laien erscheint die Annahme eines eingeschränkten quantitativen Leistungsvermögens in einem sol-chen Fall gänzlich abwegig.
Die Umstände, dass der Klägerin zwischenzeitlich ein GdB i.H.v. 40 zuerkannt worden ist sowie dass sie Verletztenrente bezieht, rechtfertigen kein anderes Ergebnis. Denn den insofern maßgeblichen gesetzlichen Grundlagen aus dem SGB IX bzw. SGB VII liegt ei-ne andere Beurteilungsweise als im Recht der gesetzlichen Rentenversicherung zugrunde.
Im Übrigen sind seitens der rechtlich vertretenen Klägerin weder gegen das Gutachten von Frau Dr. E.-W. noch gegen das beigezogene Gutachten von Dr. S. konkrete Einwände erhoben worden.
2. Weiter hat die Kammer insgesamt keinen Zweifel daran, dass das Restleistungsver-mögen der Klägerin Tätigkeiten unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Ar-beitsmarktes ausschließen könnte. Denn sie ist insbesondere in der Lage, noch mindestens sechs Stunden am Tag einfache und sogar gelegentlich mittelschwere auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt anfallende Tätigkeiten (z.B. Zureichen, Abnehmen, Transportieren, Reinigen, Bedienen von Maschinen, Kleben, Sortieren, Verpacken, Zusammensetzen von Teilen usw.) auszuüben. Die von der gerichtlich beauftragten Sachverständigen festgestellten qualitativen Leistungseinschränkungen stehen einer Einsatzfähigkeit der Klägerin in den vorgenannten Arbeitsfeldern nicht in der Weise entgegen, dass ernstliche Zweifel an ihrer Einsatzfähigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unter betriebsüb-lichen Bedingungen bestünden (vgl. Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 09.05.2012 – B 5 R 68/11 – juris Rn. 17 ff.). Insbesondere ist sie in der Lage, jedenfalls einfache geistige Tätigkeiten sowie Tätigkeiten mit einfachen Anforderungen an die Reaktion, die Übersicht, die Aufmerksamkeit, das Verantwortungsbewusstsein und Zuverlässigkeit auszuüben. Auch ist die Gebrauchsfähigkeit der Hände nicht eingeschränkt und Tätig-keiten mit Publikumsverkehr sind möglich. Weiter ist die Wegefähigkeit der Klägerin nicht in rentenrechtlich beachtlicher Weise eingeschränkt. Im Übrigen kann die Klägerin so-wohl öffentliche Verkehrsmittel zur Hauptverkehrszeit benutzen als auch ein Kraftfahrzeug führen.
3. Ferner kommt auch unter dem Gesichtspunkt der Summierung ungewöhnlicher Leis-tungseinschränkungen bzw. einer schweren spezifischen Behinderung – wie bereits im Termin zur Erörterung des Sachverhaltes am 06.07.2018 mit den Beteiligten erörtert – ein Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung nicht in Betracht.
Die vorgenannten von der Rechtsprechung entwickelten Fallgestaltungen sind unter dem Tatbestandsmerkmal "übliche Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes" in ei-nen Dreischritt zu prüfen (zusammenfassend Freudenberg in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VI, 2. Aufl. 2013, § 43 SGB VI, Rn. 166 ff. siehe dort auch zu den folgenden Sät-zen). Zunächst ist zu fragen, ob das Restleistungsvermögen dem Versicherten noch Tä-tigkeiten erlaubt wie Zureichen, Abnehmen, Transportieren, Reinigen, Bedienen von Maschinen, Kleben, Sortieren, Verpacken, Zusammensetzen von Teilen usw. Ist dies der Fall, so gibt es genügend Arbeits- bzw. Tätigkeitsfelder, die der Versicherte mit seinem Restleistungsvermögen noch ausfüllen kann. Erscheinen hingegen Tätigkeiten in diesen abstrakten Handlungsfeldern nicht mehr möglich, bestehen ernstliche Zweifel an der tatsächlichen Einsatzfähigkeit des Versicherten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unter dessen üblichen Bedingungen. In diesem Fall ist in einem zweiten Schritt zu prüfen, ob bei dem Versicherten eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung im Sinne der Summierungsrecht-sprechung des BSG gegeben ist. Ist dies zu bejahen, so ist es bei den ernsten Zweifeln an der Einsatzfähigkeit des Versicherten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt verblieben. In diesem Fall ist dem Versicherten im dritten Schritt mindestens eine konkrete Verwei-sungstätigkeit mit ihren typischen, das Anforderungsprofil bestimmenden Merkmalen zu benennen, um seinen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung auszuschließen (a.a.O.).
Dabei ist jedoch zu beachten, dass beide Alternativen – Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen sowie schwere spezifische Leistungsbehinderung – nur in Betracht kommen, soweit in qualitativer Hinsicht lediglich leichte Tätigkeiten möglich sind (Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 11.05.1999 – B 13 RJ 71/97 R – juris Rn. 18). Dies ist – wie oben ausgeführt – jedoch nicht der Fall. Denn die Klägerin ist nach den überzeugenden Feststellungen von Frau Dr. E.-W. in der Lage, körperlich auch mittel-schwere Arbeiten zu verrichten.
Dessen ungeachtet ist – angesichts des unter Ziffer 2. ausgeführten positiven Restleistungsvermögens – für die Kammer nicht erkennbar, dass ernstliche Zweifel an der Einsatzfähigkeit der Klägerin unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeits-marktes bestünden. Die Situation der Klägerin ist insbesondere nicht mit Fällen der Ein-armigkeit oder Einäugigkeit – in denen eine schwere spezifische Leistungsbehinderung von der Rechtsprechung angenommen worden ist (vgl. von Koch, in Kreikebohm, SGB VI, 3. Aufl. 2008, § 43 Rn. 35) – vergleichbar.
4. Im Übrigen kommt auch – die nicht beantragte – Rente wegen teilweiser Erwerbsmin-derung bei Berufsunfähigkeit (§ 240 SGB VI) nicht in Betracht, da die Klägerin nach dem 02.01.1961 geboren ist.
5. Die Kammer hat von der Möglichkeit, Verschuldenskosten gemäß § 192 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGG aufzuerlegen, Gebrauch gemacht. Hiernach kann das Gericht im Urteil einem Beteiligten ganz oder teilweise die Kosten auferlegen, die dadurch verursacht werden, dass der Beteiligte den Rechtsstreit fortführt, obwohl ihm vom Vorsitzenden die Missbräuchlichkeit der Rechtsverfolgung oder -verteidigung dargelegt worden und er auf die Möglichkeit der Kostenauferlegung hingewiesen worden ist. Missbräuchlichkeit in die-sem Sinne kann beispielsweise anzunehmen sein, wenn der Rechtsstreit trotz Hinweises auf die offensichtliche Aussichtslosigkeit fortgeführt wird (vgl. Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (LSG NRW), Urteil vom 12.05.2016 – L 7 AS 845/17 – juris Rn. 30). Dies ist hier zur Überzeugung der Kammer der Fall. Denn der Kammervor-sitzende hat der Klägerin bereits im Termin zur Erörterung des Sachverhaltes den Inhalt des eingeholten sowie des beigezogenen Gutachtens erläutert und darauf hingewiesen, dass die Klage offensichtlich unbegründet ist. Insbesondere angesichts des im Rahmen der Begutachtung durch Dr. S. dargestellten Tagesablaufes erscheint auch aus Sicht ei-nes medizinischen Laien offenkundig, dass die medizinischen Voraussetzungen für Rente wegen Erwerbsminderung nicht gegeben sind. In diesem Zusammenhang ist wei-ter darauf hingewiesen worden, dass die Fortführung des Rechtstreites missbräuchlich erscheint und deswegen eine Kostenbeteiligung in Betracht kommt. Nach Auskunft der Prozessbevollmächtigten der Klägerin hat sie dies auch im Vorfeld des Verhandlungstermins – zu dem die Klägerin dann nicht erschienen ist – noch einmal besprochen. Gleichwohl hat die Klägerin auf der Fortführung des Rechtstreites beharrt. Der Höhe nach hält die Kammer die Auferlegung von Verschuldenskosten in Höhe des Mindestbe-trages i.H.v. 150,00 EUR für noch angemessen (§§ 192 Abs. 1 S. 2, 184 Abs. 2 Nr. 2 SGG).
Die Beklagte hat keine Kosten zu tragen, da sie nicht unterliegt (vgl. §§ 193, 184 SGG).
Rechtskraft
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