Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 2 U 1387/15
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 1 U 2475/18
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 16.04.2018 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten über die Höhe des Grades der Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) einer Verletztenrente wegen der Folgen eines vom Kläger am 09.12.2010 erlittenen Arbeitsunfalls.
Der 1955 geborene Kläger wurde am 09.12.2010 gegen 17:45 Uhr als Lkw-Fahrer der Firma S. B. GmbH im M. B.-Z. R. von einem von hinten kommenden Gabelstapler angefahren. Der Durchgangsarzt Dr. K. diagnostizierte in seinem Bericht vom 10.12.2010 multiple Prellungen und eine Risswunde im Bereich des linken Unterschenkels. Der Arzt H. berichtete in seinem Nachschaubericht vom 13.12.2010 von Klagen über Verarbeitungsbeschwerden des Unfalls wie Schlafstörungen, Ohrensausen und die Unfähigkeit Auto zu fahren. Er empfahl eine psychiatrische Mitbetreuung.
Wegen einer schweren depressiven Episode und einer posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) befand sich der Kläger vom 12.04.2011 bis 10.05.2011 in teilstationärer und vom 10.05.2011 bis 22.06.2011 in stationärer Behandlung im O.-Klinikum A ... Gegenüber den behandelnden Ärzten berichtete er von einem hier nicht streitgegenständlichen im Oktober 2009 erlittenen LKW-Unfall, bei dem er nach seinem Erleben nur knapp dem Tode entronnen sei, an den er aber keine Erinnerung habe ("Black out"). Bei nachfolgenden Untersuchungen war eine Epilepsie festgestellt worden (Entlassungsbericht des Klinikums H. vom 09.11.2009). Das Verhältnis zu seinem Arbeitgeber beschrieb der Kläger als stark belastet, nachdem er seit Wiederaufnahme der Beschäftigung im August 2010 Wechselschicht arbeiten und erhebliche Gehaltseinbußen hinnehmen musste und deshalb auch einen Rechtsstreit geführt hatte.
Der Neurologe und Psychiater Dr. K. diagnostizierte in einem ersten Gutachten vom 22.11.2011 eine PTBS mit Angstsymptomen und dissoziativen Symptomen mit mittelgradiger Symptomatik. Der Psychiater Dr. M. beschrieb in einem für die Deutsche Rentenversicherung Baden-Württemberg erstatteten Gutachten vom 17.08.2011 eine Diskrepanz der in der Untersuchungssituation sich darstellenden Symptomatik zur tatsächlichen Verarbeitungsschwere.
Am 17.11.2012 diagnostizierte der Neurologe und Psychiater Dr. K. in einem weiteren Gutachten für die Beklagte einen rechtsbetonten Ruhetremor und eine Wesensänderung zunächst unklarer Genese, Symptome am ehesten aus einer chronifizierten dissoziativen Symptomatik bei gemischter Persönlichkeitsstörung mit vorwiegend ängstlich-vermeidenden Zügen sowie die Folge einer PTBS. Er bezeichnete die Beurteilung der Ursächlichkeit dieser Gesundheitsstörungen als außerordentlich schwierig. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) schätzte er angesichts der gravierenden Beeinträchtigungen des Klägers im Alltag auf 70 v.H.
Auf der Grundlage einer stationären Untersuchung des Klägers vom 27.06.2013 bis 10.07.2013 in den Kliniken S. in K. erstellte der Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Prof. Dr. S. ein weiteres Gutachten. Er diagnostizierte eine gemischte dissoziative Störung (Gangstörung, Tremor, Stottern, kognitive Störung), eine mittelgradige depressive Störung, eine protrahierte Anpassungsstörung mit Angst, Vermeidung und Zügen einer PTBS, eine leichtgradige Innenohrschwerhörigkeit sowie einen Tinnitus beidseitig. In Bezug auf die länger als erwartet andauernde erlebnisreaktive Anpassungsstörung maß Prof. Dr. S. neben dem Arbeitsunfall vom 09.12.2010 einer zwischenzeitlich geplanten Arbeitsplatzkonfrontation als zweitem Ereignis eine bedeutsame Rolle zu. Aktuell lasse sich nicht sagen, dass der Unfall vom 09.12.2010 überhaupt keine Rolle mehr spiele, nachdem noch Symptome abgrenzbar seien, die zu einer PTBS passten. Den unfallbedingten Störungsanteil des gesamten Krankheitsgeschehens schätzte er mit 20 % MdE ein.
Die Beklagte schloss sich dieser Auffassung nach Einschaltung ihres Beratungsarztes Dr. med. Dipl.-Psych. F. an und gewährte dem Kläger wegen der Folgen seines Arbeitsunfalls mit Bescheid vom 13.01.2014 ab dem 07.06.2012 Rente nach einer MdE von 20 v.H. auf unbestimmte Zeit. Als Unfallfolgen erkannte sie Restsymptome einer PTBS mit Beeinträchtigung des Schlafes und der geistigen Belastbarkeit, gesteigerter Ängstlichkeit und Wahrnehmung pfeifender Ohrgeräusche an. Unabhängig seien eine depressive Störung infolge ängstlich-vermeidender Persönlichkeitsstruktur, eine erhebliche Minderung der allgemeinen Belastbarkeit und der kognitiven Leistungsfähigkeit, erhöhte innere Anspannung unter psychischer oder körperlicher Belastung, eine Konversionsstörung mit Sprachstörung, mit Tics der Gesichts- und Halsmuskulatur und rechtsbetontem Tremor der oberen Extremitäten sowie einem bizarren Gangbild, leichte Schwerhörigkeit beidseits, Zustand nach Knie-TEP und Achillessehnenruptur links, Pallästhesie am Knöchel und Knie links, Varikosis beider Beine.
Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger Widerspruch und legte ein Gutachten des Hals-Nasen-Ohrenarztes Prof. Dr. Z. für das Landgericht E. vor, worin er die Diagnosen einer geringgradigen Schwerhörigkeit beidseits und einem beidseitigen psychisch und emotional den Kläger stark beeinträchtigenden Tinnitus aurium stellte und diese als mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit als unfallbedingt ansah. Ebenfalls legte der Kläger ein Gutachten des Neurologen und Psychiaters Dr. B. vom 14.05.2014 für das Landgericht E. vor. Dieser sah als unmittelbare Unfallfolge eine fraglich unvollständige PTBS an. Mittelbar unfallbedingt seien eine schwere depressive Episode mit somatischem Syndrom und eine kombinierte dissoziative Bewegungsstörung.
Die Beratungsärzte Dr. F. und Dr. H. (HNO-Arzt) traten den vom Kläger vorgelegten Gutachten mit Stellungnahmen vom 12.01.2015 und 02.03.2015 entgegen. Hierauf wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 13.01.2014 mit Widerspruchsbescheid vom 23.04.2015 zurück.
Mit der am 12.05.2015 beim Sozialgericht Ulm erhobenen Klage hat der Kläger die Gewährung einer Verletztenrente nach einer höheren MdE geltend gemacht. Die Beklagte ist der Klage unter Berufung auf die angefochtenen Bescheide entgegengetreten.
Das SG hat Beweis erhoben durch Einholung eines Gutachtens bei dem Neurologen und Psychiater Prof. Dr. Dr. W ... Dieser hat in seinem Gutachten vom 15.11.2015 die Schwierigkeit der gutachterlichen Einschätzung angesichts eines "bunten Bildes" psychopathologischer Symptome im vorliegenden Fall betont. Als Unfallfolge hat der Sachverständige Prof. Dr. Dr. W. eine spezifische Phobie bezeichnet. Er hatte keinen vernünftigen Zweifel daran, dass der Kläger aufgrund seiner spezifischen Persönlichkeitsstruktur mit ängstlich-vermeidenden Anteilen auf das Erlebnis des nach objektiven Kriterien minderschweren Unfalls eine ängstlich-depressive Anpassungsstörung entwickelt hat, bei der in der Anfangszeit mit Wahrscheinlichkeit auch Züge einer PTBS vorgelegen hätten. Mit Ausnahme einer weiterhin noch erkennbaren spezifischen Phobie vor Gabelstaplern sei diese Symptomatik jedoch im Verlauf des Frühjahrs 2011 zunehmend abgeklungen, während sich unfallunabhängig aufgrund konkurrierender Faktoren und der fehlenden Möglichkeiten des Klägers, diese adäquat zu verarbeiten, eine depressive Störung mit regressivem Verhalten und einer damit verbundenen dissoziativen Symptomatik entwickelt habe. Dem Unfall komme hierbei - mit Ausnahme der spezifischen Phobie - dann allerdings keine wesentliche Bedeutung mehr zu. Nach dem Abklingen einer ängstlich-depressiven Anpassungsstörung (MdE: 40 v.H.) mit Ablauf des ersten Halbjahrs nach dem Unfallereignis haben nach der Einschätzung von Prof. Dr. Dr. W. über die eng begrenzte spezifische Phobie hinaus wesentlich dem Unfallereignis zuzurechnende Gesundheitsstörungen auf nervenärztlichem Fachgebiet nicht mehr mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit bestanden. Die MdE für die Phobie vor Gabelstaplern hat er mit 10 v.H. eingeschätzt. Eine Höherbewertung mit einer MdE von 20 v.H. komme dann in Betracht, wenn Gabelstapler in der Arbeitswelt als "zentral" i.S.v. "zentralen Situationen der allgemeinen Arbeitswelt" bzw. bei "mehreren bedeutsamen Arbeitssituationen" anzusehen seien. Dem Gutachten des Prof. Dr. S. hat er in der grundlegenden Einschätzung zugestimmt, den unfallfremden "Störungsanteil" am Gesamtbild jedoch als noch gravierender beurteilt.
Schließlich hat auf Antrag des Klägers gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) der Neurologe und Psychiater Dr. B. am 30.03.2017 ein weiteres psychiatrisches Gutachten erstattet. Er kam darin nochmals zu dem Ergebnis, dass alle drei auf von ihm auf psychiatrischem Fachgebiet diagnostizierten Störungen, eine PTBS (aktuell subsyndromales Residuum), eine depressive Störung in Form einer depressiven Episode (initial schwergradig, im Verlauf schwankend, jetzt mittelgradig) und eine gemischte dissoziative Bewegungsstörung unmittelbare (PTBS) oder mittelbare Folgen (depressive Störung, dissoziative Störung) des Arbeitsunfalls vom 09.12.2010 seien. Die MdE hat er bis Juni 2012 auf 70 v.H. geschätzt, bis Juni 2013 auf 50 v.H., bis Dezember 2014 auf 55 v.H. und ab Januar 2015 -auf 40 v.-H. Es sei davon auszugehen, dass es durch den Arbeitsunfall vom 09.12.2010 zu einer (fraglich subsyndromalen) PTBS und, um wenige Wochen zeitlich versetzt, zur Entwicklung einer schweren depressiven Episode gekommen sei, die seither chronisch zwischen mittelgradig bis schwergradig fortbestehe. Infolge der aus dem Berufsunfall hervorgegangenen posttraumatischen Belastungsstörung und dem Leiden an deren Symptomatik sei der Kläger psychisch schwer belastet worden, außerdem habe er sich subjektiv als psychischer Symptomträger stigmatisiert erlebt. Auch sei es nach der langen Krankschreibungsphase aufgrund der linksseitigen Kniearthrose aufgrund der durch die posttraumatische Belastungsstörung verursachten Arbeitsunfähigkeit zu einem erneut erlebten Funktionsverlust als "Ernährer der Familie" gekommen. In dieser Kausalkette sei damit der Arbeitsunfall auch für die Entwicklung der depressiven Episode eine conditio sine qua non. Es sei im Rahmen der Behandlung der aus dem Unfall hervorgegangenen posttraumatischen Belastungssymptomatik zu einer so ausgeprägten psychischen Belastung gekommen, dass diese Störung ausgelöst worden sei. Somit sei die dissoziative Störung über das Bindeglied der posttraumatischen Belastungssymptomatik und dem Behandlungsversuch mittelbare Folge des Arbeitsunfalls.
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 16.04.2018 abgewiesen. Gestützt auf die Gutachten von Prof. Dr. S., und Prof. Dr. Dr. W. und die beratungsärztlichen Stellungnahmen von Dr. F. hat es gegenüber den bereits durch die Beklagte anerkannten Unfallfolgen bis auf eine spezifische Phobie vor Gabelstaplern keine Gesundheitsstörungen als nachgewiesen angesehen, deren wesentliche Ursache mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit der streitbefangene Arbeitsunfall war. Die Unfallfolgen rechtfertigten indes ab dem 07.06.2012 keine höhere MdE als 20 v.H., zumal die spezifische Phobie vor Gabelstaplern bereits in der festgestellten Unfallfolge der gesteigerten Ängstlichkeit enthalten sei. Dem Gutachten der Neurologen und Psychiater Dr. B. und Dr. K. vermochte es sich demgegenüber wegen im Einzelnen dargelegter Mängel in der Kausalitätsbeurteilung nicht anzuschließen.
Gegen dieses Urteil, das seinem Bevollmächtigten am 14.06.2018 zustellt worden ist, hat der Kläger am 13.07.2018 Berufung eingelegt. Er vertritt die Auffassung, von Prof. Dr. S. und Prof. Dr. W. sei unterstellt worden, dass die vorhandenen Unfallfolgen im Wesentlichen durch eine spezifische Persönlichkeitsstruktur mit ängstlich-vermeidenden Anteilen verursacht worden seien. Deren Bestehen vor dem Unfall sei aber nicht belegt. Soweit das SG dem Gutachten des Dr. B. nicht gefolgt sei, weil dieser geschrieben habe, dass die depressive Episode und dissoziative Störung dem Kläger lediglich im Wege der Äquivalenztheorie zuzuordnen seien, verstehe das SG diesen falsch und ignoriere, dass und mit welchen Ausführungen er auch die anderen Beweisfragen beantwortet habe. Das SG verkenne die Anforderungen an den Nachweis, dass das Unfallereignis die wesentliche Ursache für die später aufgetretenen Schäden sei. Vorsorglich werde beantragt, ihn ergänzende mit der Beantwortung weiterer Fragen zu beauftragen, die das Gericht für erforderlich halte. Die Ausführungen und Feststellungen von Frau Dr. E. seien überdies gänzlich unbeachtet geblieben.
Der Kläger beantragt (sachdienlich gefasst), das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 16.04.2018 aufzuheben und den Bescheid der Beklagten vom 13.01.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.04.2015 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihm vom 07.06.2012 bis zum 30.06.2012 Verletztenrente nach einer MdE von 70 v.H., vom 01.07.2012 bis zum 30.06.2013 Verletztenrente nach einer MdE von 50 v.H., vom 01.07.2013 bis zum 31.12.2014 Verletztenrente nach einer MdE von 55 v.H. und ab 01.01.2015 Verletztenrente nach einer MdE von 40 v.H. zu gewähren.
Die Beklagte beantragt, die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
Sie hält das Gutachten des Prof. Dr. S. weiterhin für überzeugend.
Mit Verfügung vom 19.09.2018 hat der Senat die Beteiligten erstmals zu einer Entscheidung durch Beschluss nach § 153 Abs. 4 SGG angehört. Hierauf hat der Kläger ausgeführt, es werde daran festgehalten, dass der Sachverständige Dr. B. ergänzend zu hören sei. Dieser sei ergänzend dazu zu befragen, ob das streitgegenständliche Unfallereignis wesentlich für die - unstreitig vorliegenden - Unfallfolgen gewesen sei bzw. noch sei. Der Senat hat dann die Beteiligten mit der weiteren Verfügung vom 01.10.2018, welche dem Bevollmächtigten des Klägers am 04.10.2018 und der Beklagten am 05.10.2018 zuging, darüber unterrichtet, dass eine ergänzende Befragung von Dr. B. nicht beabsichtigt ist und erneut Gelegenheit zur Äußerung zu einer Entscheidung durch Beschluss nach § 153 Abs. 4 SGG gegeben.
II.
Nach § 153 Abs. 4 SGG kann das Landessozialgericht – nach vorheriger Anhörung der Beteiligten – in Ausübung seines richterlichen Ermessens die Berufung durch Beschluss zurückweisen, wenn es sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Im vorliegenden Fall sind die Berufsrichter des Senats einstimmig zu dem Ergebnis gekommen, dass die Berufung unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht erforderlich ist. Den Beteiligten wurde im Vorfeld der Entscheidung Gelegenheit zur Äußerung gegeben. Die Sache weist in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht keine besonderen Schwierigkeiten auf, darüber hinaus haben sich im Berufungsverfahren wesentliche neue Tatsachen nicht ergeben.
Die nach den §§ 143, 144, 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist statthaft und zulässig, aber nicht begründet.
Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 13.01.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24.04.2015 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Dieser hat wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 09.12.2010 ab dem 07.06.2012 keinen Anspruch auf Gewährung von Verletztenrente nach einer höheren MdE als 20 v.H ...
Nach § 56 Abs. 1 SGB VII erhalten Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v.H. gemindert ist, eine Rente. Versicherungsfälle sind Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten (§ 7 Abs. 1 SGB VII). Ist die Erwerbsfähigkeit infolge mehrerer Versicherungsfälle gemindert und erreichen die Vomhundertsätze zusammen wenigstens die Zahl 20, besteht für jeden, auch für einen früheren Versicherungsfall, Anspruch auf Rente; die Folgen eines Versicherungsfalls sind nur zu berücksichtigen, wenn sie die Erwerbsfähigkeit um wenigstens 10 v.H. mindern, § 56 Abs. 1 Satz 2 und 3 SGB VII.
Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3, 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit; § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII). Bei dem Ereignis vom 09.12.2010, als der Kläger während der Ausübung seiner versicherungspflichtigen Beschäftigung von hinten von einem Gabelstapler angefahren wurde und sich infolge dessen Prellungen und eine Risswunde im Bereich des linken Unterschenkels (Gesundheitserstschäden) zugezogen hat, hat es sich um einen Arbeitsunfall gehandelt. Das wurde von der Beklagten mit Bescheid vom 13.01.2014 anerkannt und steht zwischen den Beteiligten auch nicht im Streit.
Die ab dem 07.06.2012 noch nachweisbaren Gesundheitsschäden, deren wesentliche Ursache der streitgegenständliche Arbeitsunfall ist, die der Kläger also "infolge des Versicherungsfalls" erlitten hat, begründen jedenfalls keinen höheren Grad der MdE als 20 v.H. Der Senat stützt seine Überzeugung dabei auf die schlüssigen und nachvollziehbaren Gutachten von Prof. Dr. S. und Prof. Dr. Dr. W ...
Eine Gesundheitsstörung ist Unfallfolge (im engeren Sinne) eines Versicherungsfalls im Sinne des § 8 SGB VII, wenn sie spezifisch durch den Gesundheitserstschaden des Arbeitsunfalls wesentlich verursacht worden ist. Der Anspruch setzt grundsätzlich das "objektive", d.h. aus der nachträglichen Sicht eines optimalen Beobachters gegebene Vorliegen einer Gesundheitsstörung voraus, die spezifisch durch den Gesundheitserstschaden des Arbeitsunfalls wesentlich verursacht worden ist. Da der Gesundheitserstschaden (Gesundheitsbeeinträchtigung, Tod oder Krankheit) eine den Versicherungsfall selbst begründende Tatbestandsvoraussetzung und damit keine Folge des Arbeitsunfalls ist, muss er grundsätzlich bei der Feststellung des Versicherungsfalls benannt werden.
Ob ein Gesundheitsschaden dem Gesundheitserstschaden des Arbeitsunfalls als Unfallfolge im engeren Sinne zuzurechnen ist (sog. haftungsausfüllende Kausalität), beurteilt sich nach der Zurechnungslehre der Theorie der wesentlichen Bedingung (st. Rspr., vgl. stellvertretend BSG, Urteil vom 05.07.2011 - B 2 U 17/10 R = BSGE 108, 274 = SozR 4-2700 § 11 Nr. 1 Rn. 28 ff. m.w.N.). Die Zurechnung erfolgt danach in zwei Schritten: Erstens ist die Verursachung der weiteren Schädigung durch den Gesundheitserstschaden im naturwissenschaftlich-naturphilosophischen Sinne festzustellen. Ob die Ursache-Wirkung-Beziehung besteht, beurteilt sich nach der Bedingungstheorie. Nach ihr ist eine Bedingung dann notwendige Ursache einer Wirkung, wenn sie aus dem konkret vorliegenden Geschehensablauf nach dem jeweiligen Stand der einschlägigen wissenschaftlichen Erkenntnisse (Erfahrungssätze) nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele (conditio sine-qua-non). Auf dieser ersten Stufe sind alle derartigen notwendigen Bedingungen grundsätzlich rechtlich gleichwertig (äquivalent). Alle festgestellten anderen Bedingungen (und kein Ereignis ist monokausal), die in diesem Sinn nicht notwendig sind, dürfen hingegen bei der nachfolgenden Zurechnungsprüfung nicht berücksichtigt werden.
Ist der Gesundheitserstschaden in diesem Sinne eine notwendige Bedingung des weiteren Gesundheitsschadens, wird dieser ihm aber nur dann zugerechnet, wenn er ihn wesentlich (ausreichend: mit-) verursacht hat. "Wesentlich" (zurechnungsbegründend) ist der Gesundheitserstschaden für den weiteren Gesundheitsschaden nach der in der Rechtsprechung des BSG gebräuchlichen Formel, wenn er eine besondere Beziehung zum Eintritt dieses Schadens hatte (vgl. nur BSG, Urteil vom 9.5.2006 - B 2 U 1/05 R - BSGE 96, 196 = SozR 4-2700 § 8 Nr. 17 Rn. 15 ff. m.w.N.). Ob eine konkurrierende (Mit-)Ursache auch wesentlich war, ist unerheblich. Ist jedoch eine Ursache oder sind mehrere Ursachen gemeinsam gegenüber einer anderen von überragender Bedeutung, so ist oder sind nur die erstgenannte(n) Ursache(n) "wesentlich" und damit Ursache(n) im Sinne des Sozialrechts. Die andere Ursache, die zwar naturwissenschaftlich ursächlich ist, aber (im zweiten Prüfungsschritt) nicht als "wesentlich" anzusehen ist und damit als Ursache nach der Theorie der wesentlichen Bedingung und im Sinne des Sozialrechts ausscheidet, kann in bestimmten Fallgestaltungen als "Gelegenheitsursache" oder Auslöser bezeichnet werden. Für den Fall, dass die kausale Bedeutung einer äußeren Einwirkung mit derjenigen einer bereits vorhandenen krankhaften Anlage zu vergleichen und abzuwägen ist, ist darauf abzustellen, ob die Krankheitsanlage so stark oder so leicht ansprechbar war, dass die "Auslösung" akuter Erscheinungen aus ihr nicht besonderer, in ihrer Art unersetzlicher äußerer Einwirkungen bedurfte, sondern dass jedes andere alltäglich vorkommende Ereignis zu derselben Zeit die Erscheinung ausgelöst hätte. Bei der Abwägung kann der Schwere des Unfallereignisses Bedeutung zukommen (vgl. zum Vorstehenden insgesamt BSG, a.a.O.).
Die anspruchsbegründenden Tatsachen, nämlich die versicherte Tätigkeit, die schädigende Einwirkung und die als Unfallfolge geltend gemachte - konkrete und klar definierte (BSG, Urteil vom 09.05.2006, a.a.O) - Gesundheitsstörung müssen i.S. eines Vollbeweises erwiesen sein, d.h. bei vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens muss der volle Beweis für das Vorliegen der genannten Tatsachen als erbracht angesehen werden können (vgl. u.a. BSG, Urteil vom 30.04.1985, 2 RU 43/84, SozR 2200 § 555a Nr. 1). Hingegen genügt für die haftungsbegründende und haftungsausfüllende Kausalität hinreichende Wahrscheinlichkeit (BSG, Urteil vom 09.05.2006, a.a.O., Rn. 20 auch zum Nachfolgenden). Diese liegt vor, wenn bei vernünftiger Abwägung aller wesentlichen Gesichtspunkte des Einzelfalls mehr für als gegen einen Ursachenzusammenhang spricht und ernste Zweifel ausscheiden. Es genügt nicht, wenn der Ursachenzusammenhang nicht auszuschließen oder nur möglich ist. Dabei ist zu beachten, dass der Ursachenzusammenhang zwischen dem Unfallereignis und den Unfallfolgen als anspruchsbegründende Voraussetzung positiv festgestellt werden muss. Denn es gibt im Bereich des Arbeitsunfalls keine Beweisregel, dass bei fehlender Alternativursache die versicherte naturwissenschaftliche Ursache automatisch auch eine wesentliche Ursache ist, weil dies bei komplexem Krankheitsgeschehen zu einer Beweislastumkehr führen würde. Es reicht daher zur Begründung des ursächlichen Zusammenhangs nicht aus, gegen diesen Zusammenhang sprechende Umstände auszuschließen.
Darüber, ob es sich bei den von der Beklagten im angefochtenen Bescheid vom 13.01.2014 zur Begründung der von ihr angenommenen MdE von 20 v.H. zugrunde gelegten Gesundheitsschäden - Restsymptome einer PTBS mit Beeinträchtigung des Schlafes und der geistigen Belastbarkeit, gesteigerter Ängstlichkeit und Wahrnehmung pfeifender Ohrgeräusche - tatsächlich um nachgewiesene und mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit durch den Arbeitsunfall vom 09.12.2010 verursachte Unfallfolgen handelt, hatte der Senat vorliegend nicht zu entscheiden. Denn vorliegend wird ausschließlich darüber gestritten, nach welcher MdE die von der Beklagten ab dem 07.06.2012 gewährte Verletztenrente zu bemessen ist. Ab dem 07.06.2012 bestehen zur Überzeugung des Senats jedenfalls keine Unfallfolgen mehr, die eine höhere MdE als 20 v.H. begründen könnten.
Bereits aus dem Gutachten von Prof. Dr. S., das der Senat im Urkundsbeweis verwertet hat (§ 118 Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 415 ff. ZPO), ergibt sich, dass das Unfallereignis vom 09.12.2010 zum Zeitpunkt der stationären Behandlung des Klägers vom 27.06.2013 bis 10.07.2013 nur für einen untergeordneten Teils der beim Kläger nachgewiesenen Erkrankungen auf psychiatrischem Fachgebiet wesentlich kausal war. Weder für die die gemischte dissoziative Störung (Gangstörung, Tremor, Stottern, kognitive Störung) noch für die mittelgradige depressive Störung hat Prof. Dr. S. einen Zusammenhang mit dem Unfallereignis hergestellt, sondern dieses als Teilursache - neben einer geplanten Arbeitsplatzkonfrontation - für eine erlebnisreaktive Anpassungsstörung, die er diagnostisch als protrahierte Anpassungsstörung mit Angst, Vermeidung und Zügen einer PTBS einordnete, angesehen. Er hat dabei durch die Formulierung, dass sich aktuell nicht sagen lasse, "dass der Unfall vom 09.12.2010 überhaupt keine Rolle mehr spielt", deutlich gemacht, dass er der geplanten Arbeitsplatzkonfrontation und den weiteren von ihm angeführten Konkurrenzursachen einen erheblichen Verursachungsanteil beimisst. Als konkurrierende Faktoren bezeichnet hat er eine ängstlich-vermeidende Persönlichkeitsstruktur, einen bereits vor dem Arbeitsunfall bestehenden Arbeitsplatzkonflikt, eine bereits vor dem Unfall bestehenden leichte depressive Störung aufgrund von Kniebeschwerden und den Verlust der Familienversorgerrolle.
Noch deutlicher und letztlich für den Senat überzeugend abgegrenzt hat indes Prof. Dr. Dr. W. die im streitbefangenen Zeitraum nur untergeordneten wesentlich auf dem Unfallereignis beruhenden Gesundheitsschäden von der unfallunabhängig entstandenen und im streitigen Zeitraum ganz im Vordergrund stehenden depressiven Störung mit regressivem Verhalten und einer verbundenen dissoziativen Symptomatik, weshalb der Senat seine Überzeugung maßgeblich auf dessen Gutachten stützt. Hiernach ist es durch die polizeiliche Vernehmung des Klägers im Rettungsfahrzeug, wonach er "offensichtlich noch leicht unter Schock gestanden" habe, erwiesen, dass es durch den Unfall zu einer leichten psychoreaktiven Symptomatik als (weiterem) Gesundheitserstschaden gekommen ist. Obwohl der Unfall nach objektiven Kriterien minderschwer war, hat sich daraus dann, begünstigt durch die spezifische Persönlichkeitsstruktur des Klägers mit ängstlich-vermeidenden Anteilen, zeitnah eine ängstlich-depressive Anpassungsstörung entwickelt. Dies wird belegt durch den Zwischenbericht des Arztes H ... vom 13.12.2010. Über das Frühjahr 2011 hinweg ist es dann, was belegt wird durch den Bericht der Klinik für Psychosomatik und Psychotherapeutische Medizin des O.-Klinikums A. vom 04.07.2011, bis auf eine Phobie gegenüber Gabelstaplern als überdauerndes Residuum zu einem Abklingen dieser Anpassungsstörung gekommen, während sich zugleich aufgrund konkurrierender Faktoren und fehlender Möglichkeiten des Klägers, diese zu verarbeiten, eine depressive Störung mit regressivem Verhalten und einer dissoziativen Symptomatik entwickelt hat, für die der Unfall nicht wesentlich ursächlich war. Hierfür spricht, dass sich der Gegenstand der Alpträume des Klägers während der Behandlung im O.-Klinikum zunehmend auf Kindheitserlebnisse gerichtet hat. Eine "banale" Kränkung, die Nichterfüllung eines Wunsches nach Beurlaubung am Wochenende, hat er als ausgeprägt kränkend erlebt. Bei vorbestehendem Arbeitsplatzkonflikt führte schließlich eine geplante Arbeitsplatzbegehung zur ausgeprägten Verschlimmerung der Symptomatik (Wiederauftreten eines bereits in der Kindheit bestehenden Stotterns, zunehmende Regression, Hineingleiten in eine Opferrolle mit zunehmender Hilflosigkeit, Abgabe von Verantwortung und Externalisierung): Bereits infolge des Verkehrsunfalls vom 07.10.2009 aufgrund eines epileptischen Anfalls (vgl. Bericht des Klinikum H. vom 09.11.2009), der nach dessen Angaben gegenüber Prof. Dr. Dr. W. ein zehnmonatiges Fahrverbot für den damals als Lkw-Fahrer berufstätigen Kläger nach sich zog, hatte sich vor dem hier streitigen Unfallereignis ein schwerer Arbeitsplatzkonflikt entwickelt, was der Senat durch den Bericht des O.-Klinikums vom 04.07.2011 als nachgewiesen ansieht. Hierdurch hatte er bereits vor dem streitgegenständlichen Arbeitsunfall in seiner Rolle als "Ernährer der Familie", ausweislich des Berichts vom 04.07.2011 "der Hauptstabilisator seines Selbstwerterlebens", erhebliche Einbußen erlitten. Nur ergänzend ist in diesem Zusammenhang darauf hinzuweisen, dass während des Aufenthalts im O.-Klinikum im April bis Juni 2011 erhebliche innerfamiliäre Konflikte, sowohl wegen einer verdrängten Problematik die Ehefrau des Klägers betreffend als auch als Folge eines Zerwürfnisses mit dem ältesten Sohn mit Kontaktabbruch 2007 als weitere Ursachen für die dort behandelten psychischen Gesundheitsstörungen zutage getreten sind.
Die Kausalitätsbeurteilung von Prof. Dr. Dr. W. entspricht dem neuesten Stand des unfallmedizinischen Erfahrungswissen (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 9. Auflage 2017, Kapitel 5.1.13, S. 161 ff.), welcher Kausalitätsbeurteilungen stets zugrunde zu legen ist (vgl. nur BSG, Urteil vom 24.07.2012 - B 2 U 9/11 R - SozR 4-2700 § 8 Nr. 44, juris, Rn. 61 f. und 67 f.). Er hat neben dem Schweregrad des Unfallereignisses, welches eher Bagatellcharakter hatte, auch den höheren Schweregrad des subjektiven Unfallerlebnisses des Klägers berücksichtigt und seine Schlussfolgerungen unter Einbeziehung der Persönlichkeitsstruktur des Klägers mit ängstlich-vermeidenden Anteilen und seiner eingeschränkten individuellen Bewältigungsressourcen sowie nachgewiesener Vorerkrankungen wie einem Stottern im jugendlichen Alter.
Der Senat ist nach alledem davon überzeugt, dass bis auf ein Residuum einer im Wesentlichen abgeklungenen Anpassungsstörung in Form einer spezifischen Phobie vor Gabelstaplern jedenfalls im hier streitgegenständlichen Zeitraum keine Gesundheitsschäden nachgewiesen sind, die mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit auf den Arbeitsunfall vom 09.12.2010 als wesentliche Ursache zurückgeführt werden können.
Zwar haben Prof. Dr. S. und Prof. Dr. Dr. W. die wesentlich unfallverursachten Gesundheitsstörungen des Klägers diagnostisch unterschiedlich eingeordnet. Beide kommen aber für den Senat nachvollziehbar zu dem Ergebnis, dass die MdE der wesentlich unfallkausalen Gesundheitsstörungen des Klägers den Wert von 20 v.H. nicht überschreitet. Die MdE richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII). Die Bemessung der MdE hängt also von zwei Faktoren ab (vgl. BSG, Urteil vom 22.6.2004, B 2 U 14/03 R in SozR 4-2700 § 56 Nr. 1): Den verbliebenen Beeinträchtigungen des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens und dem Umfang der dadurch verschlossenen Arbeitsmöglichkeiten. Entscheidend ist nicht der Gesundheitsschaden als solcher, sondern vielmehr der Funktionsverlust unter medizinischen, juristischen, sozialen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten. Angesichts der überragenden Bedeutung der depressiven Störung mit regressivem Verhalten und einer verbundenen dissoziativen Symptomatik, deren wesentliche Ursache nicht das streitige Unfallereignis ist, bei gleichzeitig begrenzten Auswirkungen des nach dem Abklingen einer ängstlich-depressiven Anpassungsstörung im Verlaufe des ersten Halbjahres im Jahr 2011 überdauernden Rests dieser Störung, einer spezifischen Phobie gegenüber Gabelstaplern, erscheint die im Ergebnis übereinstimmende Einschätzung der MdE-Höhe durch Prof. Dr. S. und Prof. Dr. Dr. W. für den Senat schlüssig.
Eine höhere MdE lässt sich auch aus Gesundheitsstörungen auf hno-ärztlichem Fachgebiet nicht ableiten. Denn Prof. Dr. Z. hat seine im Gutachten vom 24.10.2013, das der Senat im Urkundsbeweis verwertet hat (§ 118 Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 415 ff. ZPO), vertretene Auffassung, wonach der Arbeitsunfall vom 09.12.2010 die wesentliche Ursache für eine hochtonbetonte geringgradige Schwerhörigkeit und einen dekompensierten Tinnitus beidseits sein soll, nicht überzeugend begründet. Denn weder ergeben sich aus den zeitnah nach dem Unfallereignis gemachten Schilderungen des Unfallhergangs Anhaltspunkte für einen Sturz auf den Kopf, noch sind Gesundheitserstschäden im Bereich des Kopfes dokumentiert. Außerdem hat der Kläger, worauf Prof. Dr. Dr. W. zu Recht hingewiesen hat, über "Ohrensausen" nicht erst nach dem Unfall vom 09.12.2010 geklagt, sondern bereits nach dem Verkehrsunfall vom 07.10.2009 (vgl. Befundbericht des Klinikum Heidenheim vom 09.11.2009).
Nicht überzeugend begründet hat auch Dr. K. seine Auffassung, wonach die Unfallfolgen vorliegend mit einer MdE von 70 v.H. zu bemessen sind. Der Senat verweist insoweit auf die zutreffenden Entscheidungsgründe des SG, denen er sich anschließt und auf die er zur Vermeidung von Wiederholungen verweist (§ 152 Abs. 2 SGG).
Das für das SG erstattete Gutachten von Dr. B. ist ebenfalls nicht überzeugend, weshalb es nicht Grundlage der gerichtlichen Entscheidung sein konnte. Zutreffend hat das SG darauf verwiesen, dass er in seiner Kausalitätsbeurteilung nicht nur in seinem Gutachten für das Landgericht Ellwangen vom 14.05.2014, das der Senat im Urkundsbeweis verwertet hat (§ 118 Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 415 ff. ZPO), sondern auch in dem für das SG erstatteten Gutachten vom 30.03.2017 von den für die private Unfallversicherung geltenden Maßstäben ausgegangen ist. In beiden Gutachten hat er den Arbeitsunfall gleichermaßen als "conditio sine qua non" sowohl für die depressive Episode als auch für die dissoziative Bewegungsstörung bezeichnet und diese ausgehend davon als "mittelbare Unfallfolgen" in die MdE-Beurteilung einbezogen. Damit hat er jedoch den in der gesetzlichen Unfallversicherung geltenden Maßstab für die Beurteilung der haftungsausfüllenden Kausalität, die Theorie der wesentlichen Bedingung, verkannt. Da der Text der Kausalitätsbeurteilung im für den Zivilrechtsstreit erstatteten Gutachten mit den entsprechenden Textpassagen des für das SG erstatteten Gutachtens in den wesentlichen Formulierungen übereinstimmt, ist der Senat davon überzeugt, dass Dr. B. in beiden Gutachten einen identischen Bewertungsmaßstab angelegt hat. Beide von ihm erstattete Gutachten sind überdies noch in einem anderen - wesentlichen - Punkt widersprüchlich und damit unschlüssig. Während in der Zusammenfassung/Beurteilung lediglich der "dringende Verdacht" auf eine PTBS geäußert wird, hat Dr. B. diese, obwohl ein Nachweis gerade nicht erbracht ist, dann seiner Kausalitätsbeurteilung (mit der Einschränkung "fraglich subsyndromal") als nachgewiesen zugrunde gelegt und sie als "Bindglied" zwischen der dissoziativen Störung und dem Arbeitsunfall bezeichnet. Eine nicht im Vollbeweis erwiesene Gesundheitsstörung kann indes nicht tragender Bestandteil einer Kausalitätsbeurteilung sein. Ebenfalls hat sie, wenn es sich wie hier um eine Verdachtsdiagnose handelt, bei der MdE-Bemessung außer Betracht zu bleiben, wohingegen Dr. B. in seinem für das SG erstatteten Gutachten in seine Einschätzung der MdE-Höhe auch die von ihm als Unfallfolge (ohne Kennzeichnung als bloße Verdachtsdiagnose, lediglich mit der Relativierung "DD: subsyndromal") bezeichnete PTBS einbezogen hat.
Der Senat hat keine Veranlassung gesehen, den medizinischen Sachverständigen Dr. B., der sein Gutachten vom 30.03.2017 im SG-Verfahren auf Antrag und Kostenrisiko des Klägers nach § 109 Abs. 1 SGG erstattet hat, ergänzend zu befragen, wie vom Kläger beantragt. Aus dem Frageantragsrecht bei gerichtlichen Sachverständigengutachten, das nach ständiger Rechtsprechung des BSG aus dem Grundsatz des rechtlichen Gehörs folgt (&61506;SG, Beschluss vom 24.07.2012 - B 2 U 100/12 B -, SozR 4-1500 § 160 Nr. 24, Rn. 14, nach juris, m.w.N.) und durch § 116 Satz 2 SGG, § 118 Abs. 1 Satz 1 SGG i.Vm. §§ 397, 402, 411 Abs. 4 ZPO präzisiert wird (BSG, Beschluss vom 30.01.2017 - B 5 R 221/16 B -, Rn. 12, juris), lässt sich im vorliegenden Fall kein Anspruch auf eine nochmalige Anhörung von Dr. B. ableiten. Nachdem dieses Recht grundsätzlich in dem Rechtszug auszuüben ist, in dem das Gutachten erstattet worden ist (vgl. BSG, Beschluss vom 30.10.2017, - B 5 R 221/16 B -, a.a.O., Rn. 15 m.w.N.) und Dr. B. sein Gutachten gegenüber dem SG erstattet hat, hätte der Kläger sein Fragerecht im erstinstanzlichen Verfahren ausüben müssen, was er versäumt hat. Vielmehr hat er mit Schriftsatz vom 25.04.2017 das Gutachten von Dr. B. als "ausführlich und vollständig" bezeichnet und weder vor noch während der mündlichen Verhandlung vom 16.04.2018 entsprechende Anträge gestellt. Vorliegend war der Senat auch nicht gehalten, in Ausübung des ihm zustehenden Ermessens ausnahmsweise dem Antrag auf nochmalige Befragung von Dr. B. zu entsprechen, denn weder hat das SG einen entsprechenden Antrag des Klägers verfahrensfehlerhaft übergangen (vgl. insoweit BSG, Beschluss vom 24.07.2012 - B 2 U 100/12 B -, a.a.O., Rn. 14) noch erscheint eine nochmalige Anhörung wegen neuer medizinischer Erkenntnisse oder erstmals in der Berufungsinstanz geäußerter medizinischer Kritik geboten (vgl. dazu BSG, Beschluss vom 30.10.2017, - B 5 R 221/16 B -, a.a.O., Rn. 15 m.w.N.). Nur ergänzend verweist der Senat darauf, dass die vom Kläger aufgeworfenen Fragen, bei denen es sich um Variationen der Frage nach der Kausalität des Unfallereignisses für die festgestellten Gesundheitsschäden bzw. um eine Aufforderung zur Auseinandersetzung mit dem Inhalt der Vorgutachten von Prof. Dr. Dr. W. und Prof. Dr. S. handelt, dem Sachverständigen Dr. B. vom SG bereits gestellt und von diesem bereits beantwortet worden sind (zur fehlenden Sachdienlichkeit solcher Fragen BSG, Beschluss vom 30.10.2017, - B 5 R 221/16 B -, a.a.O., Rn. 15 m.w.N.).
Schließlich hat sich der Senat in Kenntnis der Beweisanregung des Klägers, und um eine solche handelt es sich mangels Benennung einer Beweistatsache (BSG, Beschluss vom 02.10.2015 - B 9 V 46/15 B -, juris), nicht gedrängt gesehen, die Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. E., die als Oberärztin im O.-Klinikum A. im Jahr 2011 zu den behandelnden Ärzten des Klägers gehört hat, als sachverständige Zeugin zu hören. Die von ihr erhobenen Befunde und daraus gezogenen Schlussfolgerungen hat sie sowohl mit den psychischen Befundberichten vom 17.12.2010, 21.02.2011 und 08.08.2011 als auch in Form eines von ihr gemeinsam mit ihrem Chefarzt Dr. H. unterzeichneten Schreibens vom 22.02.2011 an die Beklagte ausführlich dargelegt und aktenkundig gemacht. Damit haben sich sowohl Prof. Dr. S. als auch Prof. Dr. W. in ihren Gutachten auseinandergesetzt und sind auch in Bezug auf die Diagnose einer PTBS nachvollziehbar zu abweichenden Ergebnissen gelangt. Weiterer Klärungsbedarf insoweit besteht nicht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen, bestehen nicht.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten über die Höhe des Grades der Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) einer Verletztenrente wegen der Folgen eines vom Kläger am 09.12.2010 erlittenen Arbeitsunfalls.
Der 1955 geborene Kläger wurde am 09.12.2010 gegen 17:45 Uhr als Lkw-Fahrer der Firma S. B. GmbH im M. B.-Z. R. von einem von hinten kommenden Gabelstapler angefahren. Der Durchgangsarzt Dr. K. diagnostizierte in seinem Bericht vom 10.12.2010 multiple Prellungen und eine Risswunde im Bereich des linken Unterschenkels. Der Arzt H. berichtete in seinem Nachschaubericht vom 13.12.2010 von Klagen über Verarbeitungsbeschwerden des Unfalls wie Schlafstörungen, Ohrensausen und die Unfähigkeit Auto zu fahren. Er empfahl eine psychiatrische Mitbetreuung.
Wegen einer schweren depressiven Episode und einer posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) befand sich der Kläger vom 12.04.2011 bis 10.05.2011 in teilstationärer und vom 10.05.2011 bis 22.06.2011 in stationärer Behandlung im O.-Klinikum A ... Gegenüber den behandelnden Ärzten berichtete er von einem hier nicht streitgegenständlichen im Oktober 2009 erlittenen LKW-Unfall, bei dem er nach seinem Erleben nur knapp dem Tode entronnen sei, an den er aber keine Erinnerung habe ("Black out"). Bei nachfolgenden Untersuchungen war eine Epilepsie festgestellt worden (Entlassungsbericht des Klinikums H. vom 09.11.2009). Das Verhältnis zu seinem Arbeitgeber beschrieb der Kläger als stark belastet, nachdem er seit Wiederaufnahme der Beschäftigung im August 2010 Wechselschicht arbeiten und erhebliche Gehaltseinbußen hinnehmen musste und deshalb auch einen Rechtsstreit geführt hatte.
Der Neurologe und Psychiater Dr. K. diagnostizierte in einem ersten Gutachten vom 22.11.2011 eine PTBS mit Angstsymptomen und dissoziativen Symptomen mit mittelgradiger Symptomatik. Der Psychiater Dr. M. beschrieb in einem für die Deutsche Rentenversicherung Baden-Württemberg erstatteten Gutachten vom 17.08.2011 eine Diskrepanz der in der Untersuchungssituation sich darstellenden Symptomatik zur tatsächlichen Verarbeitungsschwere.
Am 17.11.2012 diagnostizierte der Neurologe und Psychiater Dr. K. in einem weiteren Gutachten für die Beklagte einen rechtsbetonten Ruhetremor und eine Wesensänderung zunächst unklarer Genese, Symptome am ehesten aus einer chronifizierten dissoziativen Symptomatik bei gemischter Persönlichkeitsstörung mit vorwiegend ängstlich-vermeidenden Zügen sowie die Folge einer PTBS. Er bezeichnete die Beurteilung der Ursächlichkeit dieser Gesundheitsstörungen als außerordentlich schwierig. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) schätzte er angesichts der gravierenden Beeinträchtigungen des Klägers im Alltag auf 70 v.H.
Auf der Grundlage einer stationären Untersuchung des Klägers vom 27.06.2013 bis 10.07.2013 in den Kliniken S. in K. erstellte der Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Prof. Dr. S. ein weiteres Gutachten. Er diagnostizierte eine gemischte dissoziative Störung (Gangstörung, Tremor, Stottern, kognitive Störung), eine mittelgradige depressive Störung, eine protrahierte Anpassungsstörung mit Angst, Vermeidung und Zügen einer PTBS, eine leichtgradige Innenohrschwerhörigkeit sowie einen Tinnitus beidseitig. In Bezug auf die länger als erwartet andauernde erlebnisreaktive Anpassungsstörung maß Prof. Dr. S. neben dem Arbeitsunfall vom 09.12.2010 einer zwischenzeitlich geplanten Arbeitsplatzkonfrontation als zweitem Ereignis eine bedeutsame Rolle zu. Aktuell lasse sich nicht sagen, dass der Unfall vom 09.12.2010 überhaupt keine Rolle mehr spiele, nachdem noch Symptome abgrenzbar seien, die zu einer PTBS passten. Den unfallbedingten Störungsanteil des gesamten Krankheitsgeschehens schätzte er mit 20 % MdE ein.
Die Beklagte schloss sich dieser Auffassung nach Einschaltung ihres Beratungsarztes Dr. med. Dipl.-Psych. F. an und gewährte dem Kläger wegen der Folgen seines Arbeitsunfalls mit Bescheid vom 13.01.2014 ab dem 07.06.2012 Rente nach einer MdE von 20 v.H. auf unbestimmte Zeit. Als Unfallfolgen erkannte sie Restsymptome einer PTBS mit Beeinträchtigung des Schlafes und der geistigen Belastbarkeit, gesteigerter Ängstlichkeit und Wahrnehmung pfeifender Ohrgeräusche an. Unabhängig seien eine depressive Störung infolge ängstlich-vermeidender Persönlichkeitsstruktur, eine erhebliche Minderung der allgemeinen Belastbarkeit und der kognitiven Leistungsfähigkeit, erhöhte innere Anspannung unter psychischer oder körperlicher Belastung, eine Konversionsstörung mit Sprachstörung, mit Tics der Gesichts- und Halsmuskulatur und rechtsbetontem Tremor der oberen Extremitäten sowie einem bizarren Gangbild, leichte Schwerhörigkeit beidseits, Zustand nach Knie-TEP und Achillessehnenruptur links, Pallästhesie am Knöchel und Knie links, Varikosis beider Beine.
Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger Widerspruch und legte ein Gutachten des Hals-Nasen-Ohrenarztes Prof. Dr. Z. für das Landgericht E. vor, worin er die Diagnosen einer geringgradigen Schwerhörigkeit beidseits und einem beidseitigen psychisch und emotional den Kläger stark beeinträchtigenden Tinnitus aurium stellte und diese als mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit als unfallbedingt ansah. Ebenfalls legte der Kläger ein Gutachten des Neurologen und Psychiaters Dr. B. vom 14.05.2014 für das Landgericht E. vor. Dieser sah als unmittelbare Unfallfolge eine fraglich unvollständige PTBS an. Mittelbar unfallbedingt seien eine schwere depressive Episode mit somatischem Syndrom und eine kombinierte dissoziative Bewegungsstörung.
Die Beratungsärzte Dr. F. und Dr. H. (HNO-Arzt) traten den vom Kläger vorgelegten Gutachten mit Stellungnahmen vom 12.01.2015 und 02.03.2015 entgegen. Hierauf wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 13.01.2014 mit Widerspruchsbescheid vom 23.04.2015 zurück.
Mit der am 12.05.2015 beim Sozialgericht Ulm erhobenen Klage hat der Kläger die Gewährung einer Verletztenrente nach einer höheren MdE geltend gemacht. Die Beklagte ist der Klage unter Berufung auf die angefochtenen Bescheide entgegengetreten.
Das SG hat Beweis erhoben durch Einholung eines Gutachtens bei dem Neurologen und Psychiater Prof. Dr. Dr. W ... Dieser hat in seinem Gutachten vom 15.11.2015 die Schwierigkeit der gutachterlichen Einschätzung angesichts eines "bunten Bildes" psychopathologischer Symptome im vorliegenden Fall betont. Als Unfallfolge hat der Sachverständige Prof. Dr. Dr. W. eine spezifische Phobie bezeichnet. Er hatte keinen vernünftigen Zweifel daran, dass der Kläger aufgrund seiner spezifischen Persönlichkeitsstruktur mit ängstlich-vermeidenden Anteilen auf das Erlebnis des nach objektiven Kriterien minderschweren Unfalls eine ängstlich-depressive Anpassungsstörung entwickelt hat, bei der in der Anfangszeit mit Wahrscheinlichkeit auch Züge einer PTBS vorgelegen hätten. Mit Ausnahme einer weiterhin noch erkennbaren spezifischen Phobie vor Gabelstaplern sei diese Symptomatik jedoch im Verlauf des Frühjahrs 2011 zunehmend abgeklungen, während sich unfallunabhängig aufgrund konkurrierender Faktoren und der fehlenden Möglichkeiten des Klägers, diese adäquat zu verarbeiten, eine depressive Störung mit regressivem Verhalten und einer damit verbundenen dissoziativen Symptomatik entwickelt habe. Dem Unfall komme hierbei - mit Ausnahme der spezifischen Phobie - dann allerdings keine wesentliche Bedeutung mehr zu. Nach dem Abklingen einer ängstlich-depressiven Anpassungsstörung (MdE: 40 v.H.) mit Ablauf des ersten Halbjahrs nach dem Unfallereignis haben nach der Einschätzung von Prof. Dr. Dr. W. über die eng begrenzte spezifische Phobie hinaus wesentlich dem Unfallereignis zuzurechnende Gesundheitsstörungen auf nervenärztlichem Fachgebiet nicht mehr mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit bestanden. Die MdE für die Phobie vor Gabelstaplern hat er mit 10 v.H. eingeschätzt. Eine Höherbewertung mit einer MdE von 20 v.H. komme dann in Betracht, wenn Gabelstapler in der Arbeitswelt als "zentral" i.S.v. "zentralen Situationen der allgemeinen Arbeitswelt" bzw. bei "mehreren bedeutsamen Arbeitssituationen" anzusehen seien. Dem Gutachten des Prof. Dr. S. hat er in der grundlegenden Einschätzung zugestimmt, den unfallfremden "Störungsanteil" am Gesamtbild jedoch als noch gravierender beurteilt.
Schließlich hat auf Antrag des Klägers gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) der Neurologe und Psychiater Dr. B. am 30.03.2017 ein weiteres psychiatrisches Gutachten erstattet. Er kam darin nochmals zu dem Ergebnis, dass alle drei auf von ihm auf psychiatrischem Fachgebiet diagnostizierten Störungen, eine PTBS (aktuell subsyndromales Residuum), eine depressive Störung in Form einer depressiven Episode (initial schwergradig, im Verlauf schwankend, jetzt mittelgradig) und eine gemischte dissoziative Bewegungsstörung unmittelbare (PTBS) oder mittelbare Folgen (depressive Störung, dissoziative Störung) des Arbeitsunfalls vom 09.12.2010 seien. Die MdE hat er bis Juni 2012 auf 70 v.H. geschätzt, bis Juni 2013 auf 50 v.H., bis Dezember 2014 auf 55 v.H. und ab Januar 2015 -auf 40 v.-H. Es sei davon auszugehen, dass es durch den Arbeitsunfall vom 09.12.2010 zu einer (fraglich subsyndromalen) PTBS und, um wenige Wochen zeitlich versetzt, zur Entwicklung einer schweren depressiven Episode gekommen sei, die seither chronisch zwischen mittelgradig bis schwergradig fortbestehe. Infolge der aus dem Berufsunfall hervorgegangenen posttraumatischen Belastungsstörung und dem Leiden an deren Symptomatik sei der Kläger psychisch schwer belastet worden, außerdem habe er sich subjektiv als psychischer Symptomträger stigmatisiert erlebt. Auch sei es nach der langen Krankschreibungsphase aufgrund der linksseitigen Kniearthrose aufgrund der durch die posttraumatische Belastungsstörung verursachten Arbeitsunfähigkeit zu einem erneut erlebten Funktionsverlust als "Ernährer der Familie" gekommen. In dieser Kausalkette sei damit der Arbeitsunfall auch für die Entwicklung der depressiven Episode eine conditio sine qua non. Es sei im Rahmen der Behandlung der aus dem Unfall hervorgegangenen posttraumatischen Belastungssymptomatik zu einer so ausgeprägten psychischen Belastung gekommen, dass diese Störung ausgelöst worden sei. Somit sei die dissoziative Störung über das Bindeglied der posttraumatischen Belastungssymptomatik und dem Behandlungsversuch mittelbare Folge des Arbeitsunfalls.
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 16.04.2018 abgewiesen. Gestützt auf die Gutachten von Prof. Dr. S., und Prof. Dr. Dr. W. und die beratungsärztlichen Stellungnahmen von Dr. F. hat es gegenüber den bereits durch die Beklagte anerkannten Unfallfolgen bis auf eine spezifische Phobie vor Gabelstaplern keine Gesundheitsstörungen als nachgewiesen angesehen, deren wesentliche Ursache mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit der streitbefangene Arbeitsunfall war. Die Unfallfolgen rechtfertigten indes ab dem 07.06.2012 keine höhere MdE als 20 v.H., zumal die spezifische Phobie vor Gabelstaplern bereits in der festgestellten Unfallfolge der gesteigerten Ängstlichkeit enthalten sei. Dem Gutachten der Neurologen und Psychiater Dr. B. und Dr. K. vermochte es sich demgegenüber wegen im Einzelnen dargelegter Mängel in der Kausalitätsbeurteilung nicht anzuschließen.
Gegen dieses Urteil, das seinem Bevollmächtigten am 14.06.2018 zustellt worden ist, hat der Kläger am 13.07.2018 Berufung eingelegt. Er vertritt die Auffassung, von Prof. Dr. S. und Prof. Dr. W. sei unterstellt worden, dass die vorhandenen Unfallfolgen im Wesentlichen durch eine spezifische Persönlichkeitsstruktur mit ängstlich-vermeidenden Anteilen verursacht worden seien. Deren Bestehen vor dem Unfall sei aber nicht belegt. Soweit das SG dem Gutachten des Dr. B. nicht gefolgt sei, weil dieser geschrieben habe, dass die depressive Episode und dissoziative Störung dem Kläger lediglich im Wege der Äquivalenztheorie zuzuordnen seien, verstehe das SG diesen falsch und ignoriere, dass und mit welchen Ausführungen er auch die anderen Beweisfragen beantwortet habe. Das SG verkenne die Anforderungen an den Nachweis, dass das Unfallereignis die wesentliche Ursache für die später aufgetretenen Schäden sei. Vorsorglich werde beantragt, ihn ergänzende mit der Beantwortung weiterer Fragen zu beauftragen, die das Gericht für erforderlich halte. Die Ausführungen und Feststellungen von Frau Dr. E. seien überdies gänzlich unbeachtet geblieben.
Der Kläger beantragt (sachdienlich gefasst), das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 16.04.2018 aufzuheben und den Bescheid der Beklagten vom 13.01.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.04.2015 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihm vom 07.06.2012 bis zum 30.06.2012 Verletztenrente nach einer MdE von 70 v.H., vom 01.07.2012 bis zum 30.06.2013 Verletztenrente nach einer MdE von 50 v.H., vom 01.07.2013 bis zum 31.12.2014 Verletztenrente nach einer MdE von 55 v.H. und ab 01.01.2015 Verletztenrente nach einer MdE von 40 v.H. zu gewähren.
Die Beklagte beantragt, die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
Sie hält das Gutachten des Prof. Dr. S. weiterhin für überzeugend.
Mit Verfügung vom 19.09.2018 hat der Senat die Beteiligten erstmals zu einer Entscheidung durch Beschluss nach § 153 Abs. 4 SGG angehört. Hierauf hat der Kläger ausgeführt, es werde daran festgehalten, dass der Sachverständige Dr. B. ergänzend zu hören sei. Dieser sei ergänzend dazu zu befragen, ob das streitgegenständliche Unfallereignis wesentlich für die - unstreitig vorliegenden - Unfallfolgen gewesen sei bzw. noch sei. Der Senat hat dann die Beteiligten mit der weiteren Verfügung vom 01.10.2018, welche dem Bevollmächtigten des Klägers am 04.10.2018 und der Beklagten am 05.10.2018 zuging, darüber unterrichtet, dass eine ergänzende Befragung von Dr. B. nicht beabsichtigt ist und erneut Gelegenheit zur Äußerung zu einer Entscheidung durch Beschluss nach § 153 Abs. 4 SGG gegeben.
II.
Nach § 153 Abs. 4 SGG kann das Landessozialgericht – nach vorheriger Anhörung der Beteiligten – in Ausübung seines richterlichen Ermessens die Berufung durch Beschluss zurückweisen, wenn es sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Im vorliegenden Fall sind die Berufsrichter des Senats einstimmig zu dem Ergebnis gekommen, dass die Berufung unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht erforderlich ist. Den Beteiligten wurde im Vorfeld der Entscheidung Gelegenheit zur Äußerung gegeben. Die Sache weist in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht keine besonderen Schwierigkeiten auf, darüber hinaus haben sich im Berufungsverfahren wesentliche neue Tatsachen nicht ergeben.
Die nach den §§ 143, 144, 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist statthaft und zulässig, aber nicht begründet.
Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 13.01.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24.04.2015 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Dieser hat wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 09.12.2010 ab dem 07.06.2012 keinen Anspruch auf Gewährung von Verletztenrente nach einer höheren MdE als 20 v.H ...
Nach § 56 Abs. 1 SGB VII erhalten Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v.H. gemindert ist, eine Rente. Versicherungsfälle sind Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten (§ 7 Abs. 1 SGB VII). Ist die Erwerbsfähigkeit infolge mehrerer Versicherungsfälle gemindert und erreichen die Vomhundertsätze zusammen wenigstens die Zahl 20, besteht für jeden, auch für einen früheren Versicherungsfall, Anspruch auf Rente; die Folgen eines Versicherungsfalls sind nur zu berücksichtigen, wenn sie die Erwerbsfähigkeit um wenigstens 10 v.H. mindern, § 56 Abs. 1 Satz 2 und 3 SGB VII.
Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3, 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit; § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII). Bei dem Ereignis vom 09.12.2010, als der Kläger während der Ausübung seiner versicherungspflichtigen Beschäftigung von hinten von einem Gabelstapler angefahren wurde und sich infolge dessen Prellungen und eine Risswunde im Bereich des linken Unterschenkels (Gesundheitserstschäden) zugezogen hat, hat es sich um einen Arbeitsunfall gehandelt. Das wurde von der Beklagten mit Bescheid vom 13.01.2014 anerkannt und steht zwischen den Beteiligten auch nicht im Streit.
Die ab dem 07.06.2012 noch nachweisbaren Gesundheitsschäden, deren wesentliche Ursache der streitgegenständliche Arbeitsunfall ist, die der Kläger also "infolge des Versicherungsfalls" erlitten hat, begründen jedenfalls keinen höheren Grad der MdE als 20 v.H. Der Senat stützt seine Überzeugung dabei auf die schlüssigen und nachvollziehbaren Gutachten von Prof. Dr. S. und Prof. Dr. Dr. W ...
Eine Gesundheitsstörung ist Unfallfolge (im engeren Sinne) eines Versicherungsfalls im Sinne des § 8 SGB VII, wenn sie spezifisch durch den Gesundheitserstschaden des Arbeitsunfalls wesentlich verursacht worden ist. Der Anspruch setzt grundsätzlich das "objektive", d.h. aus der nachträglichen Sicht eines optimalen Beobachters gegebene Vorliegen einer Gesundheitsstörung voraus, die spezifisch durch den Gesundheitserstschaden des Arbeitsunfalls wesentlich verursacht worden ist. Da der Gesundheitserstschaden (Gesundheitsbeeinträchtigung, Tod oder Krankheit) eine den Versicherungsfall selbst begründende Tatbestandsvoraussetzung und damit keine Folge des Arbeitsunfalls ist, muss er grundsätzlich bei der Feststellung des Versicherungsfalls benannt werden.
Ob ein Gesundheitsschaden dem Gesundheitserstschaden des Arbeitsunfalls als Unfallfolge im engeren Sinne zuzurechnen ist (sog. haftungsausfüllende Kausalität), beurteilt sich nach der Zurechnungslehre der Theorie der wesentlichen Bedingung (st. Rspr., vgl. stellvertretend BSG, Urteil vom 05.07.2011 - B 2 U 17/10 R = BSGE 108, 274 = SozR 4-2700 § 11 Nr. 1 Rn. 28 ff. m.w.N.). Die Zurechnung erfolgt danach in zwei Schritten: Erstens ist die Verursachung der weiteren Schädigung durch den Gesundheitserstschaden im naturwissenschaftlich-naturphilosophischen Sinne festzustellen. Ob die Ursache-Wirkung-Beziehung besteht, beurteilt sich nach der Bedingungstheorie. Nach ihr ist eine Bedingung dann notwendige Ursache einer Wirkung, wenn sie aus dem konkret vorliegenden Geschehensablauf nach dem jeweiligen Stand der einschlägigen wissenschaftlichen Erkenntnisse (Erfahrungssätze) nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele (conditio sine-qua-non). Auf dieser ersten Stufe sind alle derartigen notwendigen Bedingungen grundsätzlich rechtlich gleichwertig (äquivalent). Alle festgestellten anderen Bedingungen (und kein Ereignis ist monokausal), die in diesem Sinn nicht notwendig sind, dürfen hingegen bei der nachfolgenden Zurechnungsprüfung nicht berücksichtigt werden.
Ist der Gesundheitserstschaden in diesem Sinne eine notwendige Bedingung des weiteren Gesundheitsschadens, wird dieser ihm aber nur dann zugerechnet, wenn er ihn wesentlich (ausreichend: mit-) verursacht hat. "Wesentlich" (zurechnungsbegründend) ist der Gesundheitserstschaden für den weiteren Gesundheitsschaden nach der in der Rechtsprechung des BSG gebräuchlichen Formel, wenn er eine besondere Beziehung zum Eintritt dieses Schadens hatte (vgl. nur BSG, Urteil vom 9.5.2006 - B 2 U 1/05 R - BSGE 96, 196 = SozR 4-2700 § 8 Nr. 17 Rn. 15 ff. m.w.N.). Ob eine konkurrierende (Mit-)Ursache auch wesentlich war, ist unerheblich. Ist jedoch eine Ursache oder sind mehrere Ursachen gemeinsam gegenüber einer anderen von überragender Bedeutung, so ist oder sind nur die erstgenannte(n) Ursache(n) "wesentlich" und damit Ursache(n) im Sinne des Sozialrechts. Die andere Ursache, die zwar naturwissenschaftlich ursächlich ist, aber (im zweiten Prüfungsschritt) nicht als "wesentlich" anzusehen ist und damit als Ursache nach der Theorie der wesentlichen Bedingung und im Sinne des Sozialrechts ausscheidet, kann in bestimmten Fallgestaltungen als "Gelegenheitsursache" oder Auslöser bezeichnet werden. Für den Fall, dass die kausale Bedeutung einer äußeren Einwirkung mit derjenigen einer bereits vorhandenen krankhaften Anlage zu vergleichen und abzuwägen ist, ist darauf abzustellen, ob die Krankheitsanlage so stark oder so leicht ansprechbar war, dass die "Auslösung" akuter Erscheinungen aus ihr nicht besonderer, in ihrer Art unersetzlicher äußerer Einwirkungen bedurfte, sondern dass jedes andere alltäglich vorkommende Ereignis zu derselben Zeit die Erscheinung ausgelöst hätte. Bei der Abwägung kann der Schwere des Unfallereignisses Bedeutung zukommen (vgl. zum Vorstehenden insgesamt BSG, a.a.O.).
Die anspruchsbegründenden Tatsachen, nämlich die versicherte Tätigkeit, die schädigende Einwirkung und die als Unfallfolge geltend gemachte - konkrete und klar definierte (BSG, Urteil vom 09.05.2006, a.a.O) - Gesundheitsstörung müssen i.S. eines Vollbeweises erwiesen sein, d.h. bei vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens muss der volle Beweis für das Vorliegen der genannten Tatsachen als erbracht angesehen werden können (vgl. u.a. BSG, Urteil vom 30.04.1985, 2 RU 43/84, SozR 2200 § 555a Nr. 1). Hingegen genügt für die haftungsbegründende und haftungsausfüllende Kausalität hinreichende Wahrscheinlichkeit (BSG, Urteil vom 09.05.2006, a.a.O., Rn. 20 auch zum Nachfolgenden). Diese liegt vor, wenn bei vernünftiger Abwägung aller wesentlichen Gesichtspunkte des Einzelfalls mehr für als gegen einen Ursachenzusammenhang spricht und ernste Zweifel ausscheiden. Es genügt nicht, wenn der Ursachenzusammenhang nicht auszuschließen oder nur möglich ist. Dabei ist zu beachten, dass der Ursachenzusammenhang zwischen dem Unfallereignis und den Unfallfolgen als anspruchsbegründende Voraussetzung positiv festgestellt werden muss. Denn es gibt im Bereich des Arbeitsunfalls keine Beweisregel, dass bei fehlender Alternativursache die versicherte naturwissenschaftliche Ursache automatisch auch eine wesentliche Ursache ist, weil dies bei komplexem Krankheitsgeschehen zu einer Beweislastumkehr führen würde. Es reicht daher zur Begründung des ursächlichen Zusammenhangs nicht aus, gegen diesen Zusammenhang sprechende Umstände auszuschließen.
Darüber, ob es sich bei den von der Beklagten im angefochtenen Bescheid vom 13.01.2014 zur Begründung der von ihr angenommenen MdE von 20 v.H. zugrunde gelegten Gesundheitsschäden - Restsymptome einer PTBS mit Beeinträchtigung des Schlafes und der geistigen Belastbarkeit, gesteigerter Ängstlichkeit und Wahrnehmung pfeifender Ohrgeräusche - tatsächlich um nachgewiesene und mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit durch den Arbeitsunfall vom 09.12.2010 verursachte Unfallfolgen handelt, hatte der Senat vorliegend nicht zu entscheiden. Denn vorliegend wird ausschließlich darüber gestritten, nach welcher MdE die von der Beklagten ab dem 07.06.2012 gewährte Verletztenrente zu bemessen ist. Ab dem 07.06.2012 bestehen zur Überzeugung des Senats jedenfalls keine Unfallfolgen mehr, die eine höhere MdE als 20 v.H. begründen könnten.
Bereits aus dem Gutachten von Prof. Dr. S., das der Senat im Urkundsbeweis verwertet hat (§ 118 Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 415 ff. ZPO), ergibt sich, dass das Unfallereignis vom 09.12.2010 zum Zeitpunkt der stationären Behandlung des Klägers vom 27.06.2013 bis 10.07.2013 nur für einen untergeordneten Teils der beim Kläger nachgewiesenen Erkrankungen auf psychiatrischem Fachgebiet wesentlich kausal war. Weder für die die gemischte dissoziative Störung (Gangstörung, Tremor, Stottern, kognitive Störung) noch für die mittelgradige depressive Störung hat Prof. Dr. S. einen Zusammenhang mit dem Unfallereignis hergestellt, sondern dieses als Teilursache - neben einer geplanten Arbeitsplatzkonfrontation - für eine erlebnisreaktive Anpassungsstörung, die er diagnostisch als protrahierte Anpassungsstörung mit Angst, Vermeidung und Zügen einer PTBS einordnete, angesehen. Er hat dabei durch die Formulierung, dass sich aktuell nicht sagen lasse, "dass der Unfall vom 09.12.2010 überhaupt keine Rolle mehr spielt", deutlich gemacht, dass er der geplanten Arbeitsplatzkonfrontation und den weiteren von ihm angeführten Konkurrenzursachen einen erheblichen Verursachungsanteil beimisst. Als konkurrierende Faktoren bezeichnet hat er eine ängstlich-vermeidende Persönlichkeitsstruktur, einen bereits vor dem Arbeitsunfall bestehenden Arbeitsplatzkonflikt, eine bereits vor dem Unfall bestehenden leichte depressive Störung aufgrund von Kniebeschwerden und den Verlust der Familienversorgerrolle.
Noch deutlicher und letztlich für den Senat überzeugend abgegrenzt hat indes Prof. Dr. Dr. W. die im streitbefangenen Zeitraum nur untergeordneten wesentlich auf dem Unfallereignis beruhenden Gesundheitsschäden von der unfallunabhängig entstandenen und im streitigen Zeitraum ganz im Vordergrund stehenden depressiven Störung mit regressivem Verhalten und einer verbundenen dissoziativen Symptomatik, weshalb der Senat seine Überzeugung maßgeblich auf dessen Gutachten stützt. Hiernach ist es durch die polizeiliche Vernehmung des Klägers im Rettungsfahrzeug, wonach er "offensichtlich noch leicht unter Schock gestanden" habe, erwiesen, dass es durch den Unfall zu einer leichten psychoreaktiven Symptomatik als (weiterem) Gesundheitserstschaden gekommen ist. Obwohl der Unfall nach objektiven Kriterien minderschwer war, hat sich daraus dann, begünstigt durch die spezifische Persönlichkeitsstruktur des Klägers mit ängstlich-vermeidenden Anteilen, zeitnah eine ängstlich-depressive Anpassungsstörung entwickelt. Dies wird belegt durch den Zwischenbericht des Arztes H ... vom 13.12.2010. Über das Frühjahr 2011 hinweg ist es dann, was belegt wird durch den Bericht der Klinik für Psychosomatik und Psychotherapeutische Medizin des O.-Klinikums A. vom 04.07.2011, bis auf eine Phobie gegenüber Gabelstaplern als überdauerndes Residuum zu einem Abklingen dieser Anpassungsstörung gekommen, während sich zugleich aufgrund konkurrierender Faktoren und fehlender Möglichkeiten des Klägers, diese zu verarbeiten, eine depressive Störung mit regressivem Verhalten und einer dissoziativen Symptomatik entwickelt hat, für die der Unfall nicht wesentlich ursächlich war. Hierfür spricht, dass sich der Gegenstand der Alpträume des Klägers während der Behandlung im O.-Klinikum zunehmend auf Kindheitserlebnisse gerichtet hat. Eine "banale" Kränkung, die Nichterfüllung eines Wunsches nach Beurlaubung am Wochenende, hat er als ausgeprägt kränkend erlebt. Bei vorbestehendem Arbeitsplatzkonflikt führte schließlich eine geplante Arbeitsplatzbegehung zur ausgeprägten Verschlimmerung der Symptomatik (Wiederauftreten eines bereits in der Kindheit bestehenden Stotterns, zunehmende Regression, Hineingleiten in eine Opferrolle mit zunehmender Hilflosigkeit, Abgabe von Verantwortung und Externalisierung): Bereits infolge des Verkehrsunfalls vom 07.10.2009 aufgrund eines epileptischen Anfalls (vgl. Bericht des Klinikum H. vom 09.11.2009), der nach dessen Angaben gegenüber Prof. Dr. Dr. W. ein zehnmonatiges Fahrverbot für den damals als Lkw-Fahrer berufstätigen Kläger nach sich zog, hatte sich vor dem hier streitigen Unfallereignis ein schwerer Arbeitsplatzkonflikt entwickelt, was der Senat durch den Bericht des O.-Klinikums vom 04.07.2011 als nachgewiesen ansieht. Hierdurch hatte er bereits vor dem streitgegenständlichen Arbeitsunfall in seiner Rolle als "Ernährer der Familie", ausweislich des Berichts vom 04.07.2011 "der Hauptstabilisator seines Selbstwerterlebens", erhebliche Einbußen erlitten. Nur ergänzend ist in diesem Zusammenhang darauf hinzuweisen, dass während des Aufenthalts im O.-Klinikum im April bis Juni 2011 erhebliche innerfamiliäre Konflikte, sowohl wegen einer verdrängten Problematik die Ehefrau des Klägers betreffend als auch als Folge eines Zerwürfnisses mit dem ältesten Sohn mit Kontaktabbruch 2007 als weitere Ursachen für die dort behandelten psychischen Gesundheitsstörungen zutage getreten sind.
Die Kausalitätsbeurteilung von Prof. Dr. Dr. W. entspricht dem neuesten Stand des unfallmedizinischen Erfahrungswissen (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 9. Auflage 2017, Kapitel 5.1.13, S. 161 ff.), welcher Kausalitätsbeurteilungen stets zugrunde zu legen ist (vgl. nur BSG, Urteil vom 24.07.2012 - B 2 U 9/11 R - SozR 4-2700 § 8 Nr. 44, juris, Rn. 61 f. und 67 f.). Er hat neben dem Schweregrad des Unfallereignisses, welches eher Bagatellcharakter hatte, auch den höheren Schweregrad des subjektiven Unfallerlebnisses des Klägers berücksichtigt und seine Schlussfolgerungen unter Einbeziehung der Persönlichkeitsstruktur des Klägers mit ängstlich-vermeidenden Anteilen und seiner eingeschränkten individuellen Bewältigungsressourcen sowie nachgewiesener Vorerkrankungen wie einem Stottern im jugendlichen Alter.
Der Senat ist nach alledem davon überzeugt, dass bis auf ein Residuum einer im Wesentlichen abgeklungenen Anpassungsstörung in Form einer spezifischen Phobie vor Gabelstaplern jedenfalls im hier streitgegenständlichen Zeitraum keine Gesundheitsschäden nachgewiesen sind, die mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit auf den Arbeitsunfall vom 09.12.2010 als wesentliche Ursache zurückgeführt werden können.
Zwar haben Prof. Dr. S. und Prof. Dr. Dr. W. die wesentlich unfallverursachten Gesundheitsstörungen des Klägers diagnostisch unterschiedlich eingeordnet. Beide kommen aber für den Senat nachvollziehbar zu dem Ergebnis, dass die MdE der wesentlich unfallkausalen Gesundheitsstörungen des Klägers den Wert von 20 v.H. nicht überschreitet. Die MdE richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII). Die Bemessung der MdE hängt also von zwei Faktoren ab (vgl. BSG, Urteil vom 22.6.2004, B 2 U 14/03 R in SozR 4-2700 § 56 Nr. 1): Den verbliebenen Beeinträchtigungen des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens und dem Umfang der dadurch verschlossenen Arbeitsmöglichkeiten. Entscheidend ist nicht der Gesundheitsschaden als solcher, sondern vielmehr der Funktionsverlust unter medizinischen, juristischen, sozialen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten. Angesichts der überragenden Bedeutung der depressiven Störung mit regressivem Verhalten und einer verbundenen dissoziativen Symptomatik, deren wesentliche Ursache nicht das streitige Unfallereignis ist, bei gleichzeitig begrenzten Auswirkungen des nach dem Abklingen einer ängstlich-depressiven Anpassungsstörung im Verlaufe des ersten Halbjahres im Jahr 2011 überdauernden Rests dieser Störung, einer spezifischen Phobie gegenüber Gabelstaplern, erscheint die im Ergebnis übereinstimmende Einschätzung der MdE-Höhe durch Prof. Dr. S. und Prof. Dr. Dr. W. für den Senat schlüssig.
Eine höhere MdE lässt sich auch aus Gesundheitsstörungen auf hno-ärztlichem Fachgebiet nicht ableiten. Denn Prof. Dr. Z. hat seine im Gutachten vom 24.10.2013, das der Senat im Urkundsbeweis verwertet hat (§ 118 Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 415 ff. ZPO), vertretene Auffassung, wonach der Arbeitsunfall vom 09.12.2010 die wesentliche Ursache für eine hochtonbetonte geringgradige Schwerhörigkeit und einen dekompensierten Tinnitus beidseits sein soll, nicht überzeugend begründet. Denn weder ergeben sich aus den zeitnah nach dem Unfallereignis gemachten Schilderungen des Unfallhergangs Anhaltspunkte für einen Sturz auf den Kopf, noch sind Gesundheitserstschäden im Bereich des Kopfes dokumentiert. Außerdem hat der Kläger, worauf Prof. Dr. Dr. W. zu Recht hingewiesen hat, über "Ohrensausen" nicht erst nach dem Unfall vom 09.12.2010 geklagt, sondern bereits nach dem Verkehrsunfall vom 07.10.2009 (vgl. Befundbericht des Klinikum Heidenheim vom 09.11.2009).
Nicht überzeugend begründet hat auch Dr. K. seine Auffassung, wonach die Unfallfolgen vorliegend mit einer MdE von 70 v.H. zu bemessen sind. Der Senat verweist insoweit auf die zutreffenden Entscheidungsgründe des SG, denen er sich anschließt und auf die er zur Vermeidung von Wiederholungen verweist (§ 152 Abs. 2 SGG).
Das für das SG erstattete Gutachten von Dr. B. ist ebenfalls nicht überzeugend, weshalb es nicht Grundlage der gerichtlichen Entscheidung sein konnte. Zutreffend hat das SG darauf verwiesen, dass er in seiner Kausalitätsbeurteilung nicht nur in seinem Gutachten für das Landgericht Ellwangen vom 14.05.2014, das der Senat im Urkundsbeweis verwertet hat (§ 118 Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 415 ff. ZPO), sondern auch in dem für das SG erstatteten Gutachten vom 30.03.2017 von den für die private Unfallversicherung geltenden Maßstäben ausgegangen ist. In beiden Gutachten hat er den Arbeitsunfall gleichermaßen als "conditio sine qua non" sowohl für die depressive Episode als auch für die dissoziative Bewegungsstörung bezeichnet und diese ausgehend davon als "mittelbare Unfallfolgen" in die MdE-Beurteilung einbezogen. Damit hat er jedoch den in der gesetzlichen Unfallversicherung geltenden Maßstab für die Beurteilung der haftungsausfüllenden Kausalität, die Theorie der wesentlichen Bedingung, verkannt. Da der Text der Kausalitätsbeurteilung im für den Zivilrechtsstreit erstatteten Gutachten mit den entsprechenden Textpassagen des für das SG erstatteten Gutachtens in den wesentlichen Formulierungen übereinstimmt, ist der Senat davon überzeugt, dass Dr. B. in beiden Gutachten einen identischen Bewertungsmaßstab angelegt hat. Beide von ihm erstattete Gutachten sind überdies noch in einem anderen - wesentlichen - Punkt widersprüchlich und damit unschlüssig. Während in der Zusammenfassung/Beurteilung lediglich der "dringende Verdacht" auf eine PTBS geäußert wird, hat Dr. B. diese, obwohl ein Nachweis gerade nicht erbracht ist, dann seiner Kausalitätsbeurteilung (mit der Einschränkung "fraglich subsyndromal") als nachgewiesen zugrunde gelegt und sie als "Bindglied" zwischen der dissoziativen Störung und dem Arbeitsunfall bezeichnet. Eine nicht im Vollbeweis erwiesene Gesundheitsstörung kann indes nicht tragender Bestandteil einer Kausalitätsbeurteilung sein. Ebenfalls hat sie, wenn es sich wie hier um eine Verdachtsdiagnose handelt, bei der MdE-Bemessung außer Betracht zu bleiben, wohingegen Dr. B. in seinem für das SG erstatteten Gutachten in seine Einschätzung der MdE-Höhe auch die von ihm als Unfallfolge (ohne Kennzeichnung als bloße Verdachtsdiagnose, lediglich mit der Relativierung "DD: subsyndromal") bezeichnete PTBS einbezogen hat.
Der Senat hat keine Veranlassung gesehen, den medizinischen Sachverständigen Dr. B., der sein Gutachten vom 30.03.2017 im SG-Verfahren auf Antrag und Kostenrisiko des Klägers nach § 109 Abs. 1 SGG erstattet hat, ergänzend zu befragen, wie vom Kläger beantragt. Aus dem Frageantragsrecht bei gerichtlichen Sachverständigengutachten, das nach ständiger Rechtsprechung des BSG aus dem Grundsatz des rechtlichen Gehörs folgt (&61506;SG, Beschluss vom 24.07.2012 - B 2 U 100/12 B -, SozR 4-1500 § 160 Nr. 24, Rn. 14, nach juris, m.w.N.) und durch § 116 Satz 2 SGG, § 118 Abs. 1 Satz 1 SGG i.Vm. §§ 397, 402, 411 Abs. 4 ZPO präzisiert wird (BSG, Beschluss vom 30.01.2017 - B 5 R 221/16 B -, Rn. 12, juris), lässt sich im vorliegenden Fall kein Anspruch auf eine nochmalige Anhörung von Dr. B. ableiten. Nachdem dieses Recht grundsätzlich in dem Rechtszug auszuüben ist, in dem das Gutachten erstattet worden ist (vgl. BSG, Beschluss vom 30.10.2017, - B 5 R 221/16 B -, a.a.O., Rn. 15 m.w.N.) und Dr. B. sein Gutachten gegenüber dem SG erstattet hat, hätte der Kläger sein Fragerecht im erstinstanzlichen Verfahren ausüben müssen, was er versäumt hat. Vielmehr hat er mit Schriftsatz vom 25.04.2017 das Gutachten von Dr. B. als "ausführlich und vollständig" bezeichnet und weder vor noch während der mündlichen Verhandlung vom 16.04.2018 entsprechende Anträge gestellt. Vorliegend war der Senat auch nicht gehalten, in Ausübung des ihm zustehenden Ermessens ausnahmsweise dem Antrag auf nochmalige Befragung von Dr. B. zu entsprechen, denn weder hat das SG einen entsprechenden Antrag des Klägers verfahrensfehlerhaft übergangen (vgl. insoweit BSG, Beschluss vom 24.07.2012 - B 2 U 100/12 B -, a.a.O., Rn. 14) noch erscheint eine nochmalige Anhörung wegen neuer medizinischer Erkenntnisse oder erstmals in der Berufungsinstanz geäußerter medizinischer Kritik geboten (vgl. dazu BSG, Beschluss vom 30.10.2017, - B 5 R 221/16 B -, a.a.O., Rn. 15 m.w.N.). Nur ergänzend verweist der Senat darauf, dass die vom Kläger aufgeworfenen Fragen, bei denen es sich um Variationen der Frage nach der Kausalität des Unfallereignisses für die festgestellten Gesundheitsschäden bzw. um eine Aufforderung zur Auseinandersetzung mit dem Inhalt der Vorgutachten von Prof. Dr. Dr. W. und Prof. Dr. S. handelt, dem Sachverständigen Dr. B. vom SG bereits gestellt und von diesem bereits beantwortet worden sind (zur fehlenden Sachdienlichkeit solcher Fragen BSG, Beschluss vom 30.10.2017, - B 5 R 221/16 B -, a.a.O., Rn. 15 m.w.N.).
Schließlich hat sich der Senat in Kenntnis der Beweisanregung des Klägers, und um eine solche handelt es sich mangels Benennung einer Beweistatsache (BSG, Beschluss vom 02.10.2015 - B 9 V 46/15 B -, juris), nicht gedrängt gesehen, die Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. E., die als Oberärztin im O.-Klinikum A. im Jahr 2011 zu den behandelnden Ärzten des Klägers gehört hat, als sachverständige Zeugin zu hören. Die von ihr erhobenen Befunde und daraus gezogenen Schlussfolgerungen hat sie sowohl mit den psychischen Befundberichten vom 17.12.2010, 21.02.2011 und 08.08.2011 als auch in Form eines von ihr gemeinsam mit ihrem Chefarzt Dr. H. unterzeichneten Schreibens vom 22.02.2011 an die Beklagte ausführlich dargelegt und aktenkundig gemacht. Damit haben sich sowohl Prof. Dr. S. als auch Prof. Dr. W. in ihren Gutachten auseinandergesetzt und sind auch in Bezug auf die Diagnose einer PTBS nachvollziehbar zu abweichenden Ergebnissen gelangt. Weiterer Klärungsbedarf insoweit besteht nicht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen, bestehen nicht.
Rechtskraft
Aus
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