Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
14
1. Instanz
SG Cottbus (BRB)
Aktenzeichen
S 24 AS 653/17
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 14 AS 1571/18 NZB
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Berufung im Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 24.07.2018 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Mit Urteil vom 24.07.2018 hat das SG die Klage der Klägerin auf Aufhebung des Sanktionsbescheids des Beklagten vom 08.12.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 01.03.2017 abgewiesen. Der Beklagte hatte der Klägerin, die an 15 Tagen unentschuldigt einer ihr laut Eingliederungsvereinbarung (EV) vom 30.06.2016 auferlegten Teilnahme an der Maßnahme "Baukastensystem Aktivierung und Vermittlung – BKAV" beim Träger M PARTNER Service GmbH in der Zeit vom 04.07. - 03.11.2016 ferngeblieben war, eine Sanktion i.H.v. 30 % (121,20 EUR monatlich vom 01.01.-31.03.2017) auferlegt und die Bewilligungsbescheide vom 18. und 26.11.2016 sowie vom 16.05.2017 nach § 48 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) insoweit für die Zeit vom 01.01.–31.03. 2017 aufgehoben. Wegen Nichtantritt eines Beschäftigungsverhältnisses erging am 12.12.2016 ein weiterer - gesondert angegriffener - Sanktionsbescheid, in dem der Beklagte die Leistungen wiederum um 30 % des Regelbedarfs für denselben Zeitraum minderte (nunmehr 60 % = 242,40 EUR).
Die Klägerin trug vor, dass die Eingliederungsvereinbarung vom 30.06.2016 für unwirksam zu erklären sei. Weder sei ein persönliches Leistungsbild ermittelt und ihre Wünsche und Interessen einbezogen worden noch sei das gesetzlich vorgeschriebene Profiling (§ 30 Abs. 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III)) durchgeführt worden. Auch habe die Maßnahme nicht ihren Vorstellungen entsprochen, sie habe Plakate malen müssen. Auch habe sie aufgrund der fehlenden Zusage bezüglich der Fahrkostenerstattung keine Teilnahme an der Maßnahme geschuldet (s. Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 23.06.2016, B 14 AS 30/15 R). Der Beklagte habe kein Ermessen bezüglich der Erbringung von ergänzenden Sachleistungen ausgeübt (vgl. Urteil des SG Cottbus vom 12.04.2016, S 14 AS 2981/15). Schließlich habe das SG Gotha in seinem zweiten Vorlagebeschluss an das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) vom 02.08.2016 (S 15 AS 5157/14) die Absenkung von Grundsicherungsleistungen unter das vom Gesetzgeber ermittelte Existenzminimum für verfassungswidrig gehalten.
Mit Widerspruchsbescheid vom 01.03.2017 wies der Beklagte den Widerspruch gegen den Sanktionsbescheid vom 08.12.2016 als unbegründet zurück. Die Klägerin sei der in der EV vom 30.06.2016 vereinbarten Maßnahme an etlichen Tagen ohne wichtigen Grund ferngeblieben. Auch die Anfechtung der Erklärung in der EV führe zu keinem anderen Ergebnis, es handele sich um einen Vertrag (§ 53 Abs. 1 S. 2 SGB X), der nicht nichtig sei (§ 58 Abs. 2 SGB X).
Mit Urteil vom 24.07.2018 hat das SG die Klage abgewiesen und ausgeführt, dass eine Sanktion von 30 % nicht verfassungswidrig sei (BSG, Urteil vom 29.04.2015, B 14 AS 19/14 R, juris). Der Klägerin seien auch keine Fahrtkosten zur Teilnahme an der Maßnahme entstanden, denn sie wohne in L, wo auch die Maßnahme, ca. 1 km von der Wohnung entfernt, stattgefunden habe. Die EV sei nicht wirksam angefochten worden, es sei nicht mitgeteilt worden, weswegen ein Inhaltsirrtum nach § 119 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) vorliegen solle oder dass die Klägerin getäuscht oder bedroht worden sei (§ 123 BGB). Anhaltspunkte dafür, dass die EV einer gesetzlichen Vorschrift widerspreche (§ 134 BGB) seien nicht ersichtlich.
Gegen das dem Prozessbevollmächtigten am 30.07.2018 zugestellte Urteil richtet sich die beim Landessozialgericht am 27.08.2018 eingegangene Nichtzulassungsbeschwerde (NZB), zu deren Begründung vorgetragen wird, das SG habe seine Sachaufklärungspflicht verletzt. Es hätte unter Berücksichtigung des Vortrags der Klägerin ermitteln müssen, welchen konkreten Inhalt die Maßnahme "Baukastensystem" gehabt habe, welche Vermittlungshemmnisse bei der Klägerin konkret vorgelegen hätten und inwiefern die Teilnahme an der Maßnahme geeignet gewesen wäre, die Klägerin in ein sozialversicherungspflichtiges oder auch nur geringfügig entlohntes Beschäftigungsverhältnis zu bringen.
Der Beklagte hat erwidert, ein Verfahrensmangel nach § 144 Abs. 2 Nr. 3 SGG wegen Verletzung der Sachaufklärungspflicht nach § 103 SGG nicht gegeben sei. Die Feststellungen des SG, dass wichtige Gründe für das unentschuldigte Fehlen der Klägerin an der Maßnahme "Baukastensystem" nicht vorlagen, hätten die Entscheidung getragen. Im Übrigen sei nach der Sitzungsniederschrift vom 24 Juli 2018 das Sach- und Streitverhältnis mit den Beteiligten erörtert worden.
II.
Die statthafte, form- und fristgerecht (§ 145 Abs. 1 Satz 1 und 2 SGG) eingelegte Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Berufung im Urteil des SG vom 24.07.2018 ist unbegründet.
Die Berufung gegen das Urteil ist nicht bereits kraft Gesetzes statthaft, sondern bedarf der ausdrücklichen Zulassung, denn der Wert des Beschwerdegegenstandes übersteigt nicht den nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG maßgebenden Betrag von 750 EUR. Vorliegend wendet sich die Klägerin nach ihrem ausdrücklichen Klageantrag in der öffentlichen Sitzung vom 24.07.2018 gegen den Sanktionsbescheid vom 08.12.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 01.03.2017 in Höhe von 30 % (121,20 EUR monatlich). Nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist dagegen die kurz darauf erfolgte weitere Sanktion, ebenfalls i.H.v. 30 %, wegen Nichtantritt eines Beschäftigungsangebots (Sanktionsbescheid vom 12.12.2016 - Minderung um 242,40 EUR monatlich). Die Berufungssumme wird auch nicht deshalb erreicht, weil sich die Klägerin in der Begründung ihrer NZB inhaltlich gegen die ihr in der EV auferlegte Verpflichtung zur Teilnahme an der Maßnahme "Baukastensystem" wendet. Die Überprüfung der Rechtmäßigkeit der EV vom 30.06.2016, die ihrer Rechtsqualität nach ein öffentlich-rechtlicher Vertrag ist (§§ 53 Abs. 1 S. 2, 55 SGB X), erfolgt inzident in der Prüfung der Rechtmäßigkeit des Sanktionsbescheids. Denn bei der Pflicht, eine in der EV vereinbarte Maßnahme aufzunehmen, handelt es sich um eine bloße Obliegenheit. Erweist sich bei der Inzidentprüfung, dass die der Sanktion zu Grunde liegende EV nichtig, aber nicht nur rechtswidrig ist, ist der Sanktionsbescheid rechtswidrig (vgl. BSG, Urteil vom 23.06.2016, B 14 AS 30/15 R, juris). Die erforderliche Inzident-Prüfung der EV bei behaupteter Nichtigkeit führt jedoch nicht zur Zulassungsfreiheit der Berufung, wenn die Sanktionssumme die Berufungssumme nicht erreicht, denn die Erforderlichkeit der Inzidentprüfung führt nicht zur Annahme mehrerer Streitgegenstände, zumal die Klägerin die EV vom 30.06.2016 vorliegend nicht angegriffen hat. Da mithin der Wert des Streitgegentandes nicht den Wert von 750,00 EUR übersteigt, die Berufung auch nicht wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG), hat das SG die Berufung zu Recht nicht zugelassen.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Berufung sind nicht erfüllt. Nach § 144 Abs. 2 SGG ist die Berufung – nur – zuzulassen, wenn
1. die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2. das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der Obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3. ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
Die Klägerin macht im Rahmen ihrer NZB allein einen Verfahrensmangel i.S.d. § 144 Abs. 2 Nr. 3 SGG geltend, indem sie darauf abstellt, dass das SG den Sachverhalt nicht ausreichend erforscht habe und sich auch gedrängt habe fühlen müssen, ihn weiter aufzuklären. Geltend gemacht wird damit sinngemäß eine Verletzung der Amtsermittlungspflicht gemäß § 103 SGG, wonach das Gericht den Sachverhalt von Amts wegen erforscht. Eine Verletzung der Amtsermittlungspflicht kommt jedoch nur dann in Betracht, wenn das Gericht Ermittlungen unterlässt, die es von seiner Rechtsauffassung ausgehend hätte anstellen müssen (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/ Keller/ Leitherer/ Schmidt, SGG 12. Auflage 2017, § 144 Rn. 32 ff., § 103 Rn. 5, 20). Die Klägerin macht geltend, das SG hätte den konkreten Inhalt der Maßnahme "Baukastensystem" sowie die bei ihr konkret vorliegenden Vermittlungshemmnisse aufklären und anhand dessen beurteilen müssen, ob die Teilnahme an der Maßnahme geeignet gewesen wäre, sie wieder in Arbeit zu bringen. Nach der - allerdings unzureichend begründeten - Auffassung des SG unterlag die EV vom 30.06.2017 keinen Rechtsbedenken, denn sie sei weder wegen Inhaltsirrtums nach § 119 BGB angefochten noch sei mitgeteilt worden, dass die Klägerin getäuscht oder bedroht worden sei (§ 123 BGB), auch sei ein Verstoß gegen gesetzliche Vorschriften (§ 134 BGB) nicht ersichtlich. Die Klägerin habe sich vielmehr in der EV verpflichtet, an der Veranstaltung teilzunehmen und sei dieser Pflicht unentschuldigt nicht nachgekommen. Diese Begründung entbehrt jeglicher Auseinandersetzung mit der nach § 40 Abs. 1 S. 1 SGB II i.V.m. dem Recht der öffentlich-rechtlichen Verträge nach §§ 53 ff. SGB X erforderlichen Rechtmäßigkeitsprüfung (vgl. z.B. BSG, Urteil vom 23.06.2016, B 14 AS 30/15 R, juris, Rn. 15 ff.). Jedoch ist im Rahmen des § 144 Abs. 2 Nr. 3 SGG nicht die Rechtsauffassung der Beschwerdeinstanz maßgeblich, sondern es ist allein entscheidungserheblich, ob sich das SG nach seiner Rechtsauffassung hätte gedrängt fühlen müssen, weitere Sachaufklärung zu betreiben. Das SG ging jedoch davon aus, dass die EV bereits deshalb rechtmäßig sei, weil sie von der Klägerin nicht angefochten worden sei und nicht gegen ein gesetzliches Verbot verstoßen habe (§ 134 BGB). Ausgehend von dieser Rechtsansicht musste sich das SG nicht dazu gedrängt fühlen, die "Passgenauigkeit" der Maßnahme näher aufzuklären. Ein nach § 144 Abs. 2 Nr. 3 SGG maßgeblicher Verfahrensmangel bezieht sich nicht auf den sachlichen Inhalt des Urteils und die Richtigkeit der Entscheidung, sondern es geht ausschließlich um das prozessuale Vorgehen des Gerichts auf dem Weg zum Urteil (Leitherer, a.a.O.). Die Rechtssache hat auch keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG. Abgesehen davon, dass eine solche nicht geltend gemacht wird, ist auch bei der Prüfung von Amts wegen nicht erkennbar, dass angesichts der vorliegenden obergerichtlichen Entscheidungen die Frage nach den rechtlichen Voraussetzungen für den Abschluss einer EV und die Auswirkung von Verstößen grundsätzlich bedeutsam sein könnte. Nur ergänzend sei darauf hingewiesen, dass der Senat auch unter Berücksichtigung des von der Klägerin erwähnten Vorlagebeschlusses des SG Gotha vom 02.08.2016 (S 15 AS 5157/14, juris) keine durchgreifenden Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Sanktionsvorschriften hat. Dem verfassungsrechtlichen Gebot zur Wahrung des menschenwürdigen Existenzminimums (Art. 1 Abs. 1, 20 Abs. 1 Grundgesetz (GG)) ist durch eine entsprechende verfassungskonforme Auslegung der zu einer Sanktion führenden Obliegenheiten (§ 31 SGB II - Pflichtverletzungen) zu genügen. Unter dieser Voraussetzung stellt es keinen Verstoß gegen die Menschenwürde i.V.m. dem Sozialstaatsprinzip dar, wenn auf eine ungerechtfertigte Weigerung, zumutbare Obliegenheiten zu erfüllen, ein Leistungsanspruch sich mindert. Im Beschluss vom 06.05.2016 (1 BvL 1/15, juris) hat das BVerfG keine konkreten Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des Sanktionensystems geäußert. Es hat im Übrigen bereits deutlich gemacht, dass es keine Verletzung des Grundrechts auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums annimmt, wenn der Gesetzgeber den Anspruch auf Leistungen zur Grundsicherung an zumutbare Bedingungen knüpft (vgl. BVerfG, Beschluss vom 08.10.2014, 1 BvR 886/11, juris). Schließlich hat der Beklagte der Klägerin Sachleistungen gewährt.
Ebenso wenig ist erkennbar, dass das Urteil des SG von einer Entscheidung eines der in § 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG genannten Gerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht (Divergenz). Abgesehen von der Bezugnahme auf den o.a. Vorlagebeschluss des SG Gotha hat die Klägerin keine Entscheidung des BSG oder eines der anderen in § 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG genannten Gerichte zitiert, gegen dessen Rechtssätze das SG verstoßen und einen davon abweichenden abstrakten Rechtssatz aufgestellt hätte. Eine Abweichung i.S.v. § 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG liegt insbesondere nicht schon dann vor, weil das Urteil des SG nicht den Kriterien entspricht, die das BSG oder ein anderes der in § 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG genannten Gerichte aufgestellt haben, oder wenn es Vorgaben der höchstrichterlichen Rechtsprechung infolge möglicherweise unzutreffender Subsumtion oder fehlender Rechtsprechungsrecherche nicht oder falsch übernommen hätte. Es bedarf vielmehr eines fallübergreifenden abstrakten Rechtssatzes, der mit einem abstrakten Rechtssatz eines der in § 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG genannten Gerichte nicht übereinstimmt, diesem somit im Grundsätzlichen widerspricht. Einen solchen Rechtssatz hat das SG nicht aufgestellt. Die inhaltliche Richtigkeit des angefochtenen Urteils ist im Rahmen der NZB nicht zu prüfen.
Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung des § 193 SGG und berücksichtigt, dass die Beschwerde keinen Erfolg hat.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 177 SGG). Das Urteil des Sozialgerichts ist damit rechtskräftig (§ 145 Abs. 4 Satz 4 SGG).
Gründe:
I.
Mit Urteil vom 24.07.2018 hat das SG die Klage der Klägerin auf Aufhebung des Sanktionsbescheids des Beklagten vom 08.12.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 01.03.2017 abgewiesen. Der Beklagte hatte der Klägerin, die an 15 Tagen unentschuldigt einer ihr laut Eingliederungsvereinbarung (EV) vom 30.06.2016 auferlegten Teilnahme an der Maßnahme "Baukastensystem Aktivierung und Vermittlung – BKAV" beim Träger M PARTNER Service GmbH in der Zeit vom 04.07. - 03.11.2016 ferngeblieben war, eine Sanktion i.H.v. 30 % (121,20 EUR monatlich vom 01.01.-31.03.2017) auferlegt und die Bewilligungsbescheide vom 18. und 26.11.2016 sowie vom 16.05.2017 nach § 48 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) insoweit für die Zeit vom 01.01.–31.03. 2017 aufgehoben. Wegen Nichtantritt eines Beschäftigungsverhältnisses erging am 12.12.2016 ein weiterer - gesondert angegriffener - Sanktionsbescheid, in dem der Beklagte die Leistungen wiederum um 30 % des Regelbedarfs für denselben Zeitraum minderte (nunmehr 60 % = 242,40 EUR).
Die Klägerin trug vor, dass die Eingliederungsvereinbarung vom 30.06.2016 für unwirksam zu erklären sei. Weder sei ein persönliches Leistungsbild ermittelt und ihre Wünsche und Interessen einbezogen worden noch sei das gesetzlich vorgeschriebene Profiling (§ 30 Abs. 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III)) durchgeführt worden. Auch habe die Maßnahme nicht ihren Vorstellungen entsprochen, sie habe Plakate malen müssen. Auch habe sie aufgrund der fehlenden Zusage bezüglich der Fahrkostenerstattung keine Teilnahme an der Maßnahme geschuldet (s. Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 23.06.2016, B 14 AS 30/15 R). Der Beklagte habe kein Ermessen bezüglich der Erbringung von ergänzenden Sachleistungen ausgeübt (vgl. Urteil des SG Cottbus vom 12.04.2016, S 14 AS 2981/15). Schließlich habe das SG Gotha in seinem zweiten Vorlagebeschluss an das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) vom 02.08.2016 (S 15 AS 5157/14) die Absenkung von Grundsicherungsleistungen unter das vom Gesetzgeber ermittelte Existenzminimum für verfassungswidrig gehalten.
Mit Widerspruchsbescheid vom 01.03.2017 wies der Beklagte den Widerspruch gegen den Sanktionsbescheid vom 08.12.2016 als unbegründet zurück. Die Klägerin sei der in der EV vom 30.06.2016 vereinbarten Maßnahme an etlichen Tagen ohne wichtigen Grund ferngeblieben. Auch die Anfechtung der Erklärung in der EV führe zu keinem anderen Ergebnis, es handele sich um einen Vertrag (§ 53 Abs. 1 S. 2 SGB X), der nicht nichtig sei (§ 58 Abs. 2 SGB X).
Mit Urteil vom 24.07.2018 hat das SG die Klage abgewiesen und ausgeführt, dass eine Sanktion von 30 % nicht verfassungswidrig sei (BSG, Urteil vom 29.04.2015, B 14 AS 19/14 R, juris). Der Klägerin seien auch keine Fahrtkosten zur Teilnahme an der Maßnahme entstanden, denn sie wohne in L, wo auch die Maßnahme, ca. 1 km von der Wohnung entfernt, stattgefunden habe. Die EV sei nicht wirksam angefochten worden, es sei nicht mitgeteilt worden, weswegen ein Inhaltsirrtum nach § 119 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) vorliegen solle oder dass die Klägerin getäuscht oder bedroht worden sei (§ 123 BGB). Anhaltspunkte dafür, dass die EV einer gesetzlichen Vorschrift widerspreche (§ 134 BGB) seien nicht ersichtlich.
Gegen das dem Prozessbevollmächtigten am 30.07.2018 zugestellte Urteil richtet sich die beim Landessozialgericht am 27.08.2018 eingegangene Nichtzulassungsbeschwerde (NZB), zu deren Begründung vorgetragen wird, das SG habe seine Sachaufklärungspflicht verletzt. Es hätte unter Berücksichtigung des Vortrags der Klägerin ermitteln müssen, welchen konkreten Inhalt die Maßnahme "Baukastensystem" gehabt habe, welche Vermittlungshemmnisse bei der Klägerin konkret vorgelegen hätten und inwiefern die Teilnahme an der Maßnahme geeignet gewesen wäre, die Klägerin in ein sozialversicherungspflichtiges oder auch nur geringfügig entlohntes Beschäftigungsverhältnis zu bringen.
Der Beklagte hat erwidert, ein Verfahrensmangel nach § 144 Abs. 2 Nr. 3 SGG wegen Verletzung der Sachaufklärungspflicht nach § 103 SGG nicht gegeben sei. Die Feststellungen des SG, dass wichtige Gründe für das unentschuldigte Fehlen der Klägerin an der Maßnahme "Baukastensystem" nicht vorlagen, hätten die Entscheidung getragen. Im Übrigen sei nach der Sitzungsniederschrift vom 24 Juli 2018 das Sach- und Streitverhältnis mit den Beteiligten erörtert worden.
II.
Die statthafte, form- und fristgerecht (§ 145 Abs. 1 Satz 1 und 2 SGG) eingelegte Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Berufung im Urteil des SG vom 24.07.2018 ist unbegründet.
Die Berufung gegen das Urteil ist nicht bereits kraft Gesetzes statthaft, sondern bedarf der ausdrücklichen Zulassung, denn der Wert des Beschwerdegegenstandes übersteigt nicht den nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG maßgebenden Betrag von 750 EUR. Vorliegend wendet sich die Klägerin nach ihrem ausdrücklichen Klageantrag in der öffentlichen Sitzung vom 24.07.2018 gegen den Sanktionsbescheid vom 08.12.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 01.03.2017 in Höhe von 30 % (121,20 EUR monatlich). Nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist dagegen die kurz darauf erfolgte weitere Sanktion, ebenfalls i.H.v. 30 %, wegen Nichtantritt eines Beschäftigungsangebots (Sanktionsbescheid vom 12.12.2016 - Minderung um 242,40 EUR monatlich). Die Berufungssumme wird auch nicht deshalb erreicht, weil sich die Klägerin in der Begründung ihrer NZB inhaltlich gegen die ihr in der EV auferlegte Verpflichtung zur Teilnahme an der Maßnahme "Baukastensystem" wendet. Die Überprüfung der Rechtmäßigkeit der EV vom 30.06.2016, die ihrer Rechtsqualität nach ein öffentlich-rechtlicher Vertrag ist (§§ 53 Abs. 1 S. 2, 55 SGB X), erfolgt inzident in der Prüfung der Rechtmäßigkeit des Sanktionsbescheids. Denn bei der Pflicht, eine in der EV vereinbarte Maßnahme aufzunehmen, handelt es sich um eine bloße Obliegenheit. Erweist sich bei der Inzidentprüfung, dass die der Sanktion zu Grunde liegende EV nichtig, aber nicht nur rechtswidrig ist, ist der Sanktionsbescheid rechtswidrig (vgl. BSG, Urteil vom 23.06.2016, B 14 AS 30/15 R, juris). Die erforderliche Inzident-Prüfung der EV bei behaupteter Nichtigkeit führt jedoch nicht zur Zulassungsfreiheit der Berufung, wenn die Sanktionssumme die Berufungssumme nicht erreicht, denn die Erforderlichkeit der Inzidentprüfung führt nicht zur Annahme mehrerer Streitgegenstände, zumal die Klägerin die EV vom 30.06.2016 vorliegend nicht angegriffen hat. Da mithin der Wert des Streitgegentandes nicht den Wert von 750,00 EUR übersteigt, die Berufung auch nicht wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG), hat das SG die Berufung zu Recht nicht zugelassen.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Berufung sind nicht erfüllt. Nach § 144 Abs. 2 SGG ist die Berufung – nur – zuzulassen, wenn
1. die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2. das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der Obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3. ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
Die Klägerin macht im Rahmen ihrer NZB allein einen Verfahrensmangel i.S.d. § 144 Abs. 2 Nr. 3 SGG geltend, indem sie darauf abstellt, dass das SG den Sachverhalt nicht ausreichend erforscht habe und sich auch gedrängt habe fühlen müssen, ihn weiter aufzuklären. Geltend gemacht wird damit sinngemäß eine Verletzung der Amtsermittlungspflicht gemäß § 103 SGG, wonach das Gericht den Sachverhalt von Amts wegen erforscht. Eine Verletzung der Amtsermittlungspflicht kommt jedoch nur dann in Betracht, wenn das Gericht Ermittlungen unterlässt, die es von seiner Rechtsauffassung ausgehend hätte anstellen müssen (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/ Keller/ Leitherer/ Schmidt, SGG 12. Auflage 2017, § 144 Rn. 32 ff., § 103 Rn. 5, 20). Die Klägerin macht geltend, das SG hätte den konkreten Inhalt der Maßnahme "Baukastensystem" sowie die bei ihr konkret vorliegenden Vermittlungshemmnisse aufklären und anhand dessen beurteilen müssen, ob die Teilnahme an der Maßnahme geeignet gewesen wäre, sie wieder in Arbeit zu bringen. Nach der - allerdings unzureichend begründeten - Auffassung des SG unterlag die EV vom 30.06.2017 keinen Rechtsbedenken, denn sie sei weder wegen Inhaltsirrtums nach § 119 BGB angefochten noch sei mitgeteilt worden, dass die Klägerin getäuscht oder bedroht worden sei (§ 123 BGB), auch sei ein Verstoß gegen gesetzliche Vorschriften (§ 134 BGB) nicht ersichtlich. Die Klägerin habe sich vielmehr in der EV verpflichtet, an der Veranstaltung teilzunehmen und sei dieser Pflicht unentschuldigt nicht nachgekommen. Diese Begründung entbehrt jeglicher Auseinandersetzung mit der nach § 40 Abs. 1 S. 1 SGB II i.V.m. dem Recht der öffentlich-rechtlichen Verträge nach §§ 53 ff. SGB X erforderlichen Rechtmäßigkeitsprüfung (vgl. z.B. BSG, Urteil vom 23.06.2016, B 14 AS 30/15 R, juris, Rn. 15 ff.). Jedoch ist im Rahmen des § 144 Abs. 2 Nr. 3 SGG nicht die Rechtsauffassung der Beschwerdeinstanz maßgeblich, sondern es ist allein entscheidungserheblich, ob sich das SG nach seiner Rechtsauffassung hätte gedrängt fühlen müssen, weitere Sachaufklärung zu betreiben. Das SG ging jedoch davon aus, dass die EV bereits deshalb rechtmäßig sei, weil sie von der Klägerin nicht angefochten worden sei und nicht gegen ein gesetzliches Verbot verstoßen habe (§ 134 BGB). Ausgehend von dieser Rechtsansicht musste sich das SG nicht dazu gedrängt fühlen, die "Passgenauigkeit" der Maßnahme näher aufzuklären. Ein nach § 144 Abs. 2 Nr. 3 SGG maßgeblicher Verfahrensmangel bezieht sich nicht auf den sachlichen Inhalt des Urteils und die Richtigkeit der Entscheidung, sondern es geht ausschließlich um das prozessuale Vorgehen des Gerichts auf dem Weg zum Urteil (Leitherer, a.a.O.). Die Rechtssache hat auch keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG. Abgesehen davon, dass eine solche nicht geltend gemacht wird, ist auch bei der Prüfung von Amts wegen nicht erkennbar, dass angesichts der vorliegenden obergerichtlichen Entscheidungen die Frage nach den rechtlichen Voraussetzungen für den Abschluss einer EV und die Auswirkung von Verstößen grundsätzlich bedeutsam sein könnte. Nur ergänzend sei darauf hingewiesen, dass der Senat auch unter Berücksichtigung des von der Klägerin erwähnten Vorlagebeschlusses des SG Gotha vom 02.08.2016 (S 15 AS 5157/14, juris) keine durchgreifenden Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Sanktionsvorschriften hat. Dem verfassungsrechtlichen Gebot zur Wahrung des menschenwürdigen Existenzminimums (Art. 1 Abs. 1, 20 Abs. 1 Grundgesetz (GG)) ist durch eine entsprechende verfassungskonforme Auslegung der zu einer Sanktion führenden Obliegenheiten (§ 31 SGB II - Pflichtverletzungen) zu genügen. Unter dieser Voraussetzung stellt es keinen Verstoß gegen die Menschenwürde i.V.m. dem Sozialstaatsprinzip dar, wenn auf eine ungerechtfertigte Weigerung, zumutbare Obliegenheiten zu erfüllen, ein Leistungsanspruch sich mindert. Im Beschluss vom 06.05.2016 (1 BvL 1/15, juris) hat das BVerfG keine konkreten Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des Sanktionensystems geäußert. Es hat im Übrigen bereits deutlich gemacht, dass es keine Verletzung des Grundrechts auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums annimmt, wenn der Gesetzgeber den Anspruch auf Leistungen zur Grundsicherung an zumutbare Bedingungen knüpft (vgl. BVerfG, Beschluss vom 08.10.2014, 1 BvR 886/11, juris). Schließlich hat der Beklagte der Klägerin Sachleistungen gewährt.
Ebenso wenig ist erkennbar, dass das Urteil des SG von einer Entscheidung eines der in § 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG genannten Gerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht (Divergenz). Abgesehen von der Bezugnahme auf den o.a. Vorlagebeschluss des SG Gotha hat die Klägerin keine Entscheidung des BSG oder eines der anderen in § 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG genannten Gerichte zitiert, gegen dessen Rechtssätze das SG verstoßen und einen davon abweichenden abstrakten Rechtssatz aufgestellt hätte. Eine Abweichung i.S.v. § 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG liegt insbesondere nicht schon dann vor, weil das Urteil des SG nicht den Kriterien entspricht, die das BSG oder ein anderes der in § 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG genannten Gerichte aufgestellt haben, oder wenn es Vorgaben der höchstrichterlichen Rechtsprechung infolge möglicherweise unzutreffender Subsumtion oder fehlender Rechtsprechungsrecherche nicht oder falsch übernommen hätte. Es bedarf vielmehr eines fallübergreifenden abstrakten Rechtssatzes, der mit einem abstrakten Rechtssatz eines der in § 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG genannten Gerichte nicht übereinstimmt, diesem somit im Grundsätzlichen widerspricht. Einen solchen Rechtssatz hat das SG nicht aufgestellt. Die inhaltliche Richtigkeit des angefochtenen Urteils ist im Rahmen der NZB nicht zu prüfen.
Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung des § 193 SGG und berücksichtigt, dass die Beschwerde keinen Erfolg hat.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 177 SGG). Das Urteil des Sozialgerichts ist damit rechtskräftig (§ 145 Abs. 4 Satz 4 SGG).
Rechtskraft
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