L 3 U 189/17

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 196 U 298/14
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 3 U 189/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 2 U 29/19 B
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 02. August 2017 aufgehoben und die Klage abgewiesen. Die Beklagte hat dem Kläger dessen notwendigen außergerichtlichen Kosten des Verfahrens zu drei Vierteln zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist ein Anspruch auf Verletztenrente für die Zeit von August 2010 bis September 2015.

Der Kläger, der als Schauspieler tätig ist, erlitt am 14. Juli 2003 als ehrenamtlicher Darsteller bei Aufnahmen einer Kampfszene für einen Grundkursfilm von Studenten der d Film- und Fernsehfilmakademie B GmbH ein Distorsionstrauma des linken Knies, wobei er sich eine vordere Kreuzbandruptur zuzog. Die noch am gleichen Tag im Krankenhaus B erfolgte Röntgenuntersuchung ergab: "kein Hinweis auf alte oder frische Knochenverletzung, Wiberg Typ IV" (vgl. Unfallanzeige vom 17. Juli 2003, Durchgangsarzt (DA)-Bericht von Dr. Z vom 21. Juli 2003). Eine MRT-Untersuchung vom 16. Juli 2003 zeigte eine Kontinuitätsunterbrechung des vorderen Kreuzbandes, einen Gelenkerguss und ein periarticuläres Weichteilödem, jedoch keinen Nachweis einer Meniskus- oder Kollateralbandläsion (MRT-Befund vom 16. Juli 2003). Da die eingeleitete konservative Behandlung keinen Erfolg zeigte, erfolgte am 06. Januar 2004 eine Arthroskopie des linken Kniegelenkes mit Kreuzbandplastik und Mikrofrakturierung. Intraoperativ zeigte sich neben der Kreuzbandruptur eine "flake fracture" am medialen Femurkondylus mit einem 2,5 x 1,5 cm großen Knorpelulcus sowie eine Chondromalzie Grad I bis II am Femoro-Patellar-Gelenk und Grad II am lateralen Kompartiment bei unauffälligem Befund an den Menisken (OP-Bericht vom 06. Januar 2004, Histologie-Befund vom 23. Januar 2004). Arbeitsunfähigkeit bestand zuletzt bis zum 30. Juni 2004. Die Krankenkasse des Klägers teilte unter dem 18. Februar 2004 der Beklagten mit, dass für den seit 1991 bei ihr versicherten Kläger keine Erkrankungen des linken Kniegelenkes vor dem Unfall verzeichnet seien. Der DA Dr. Z untersuchte im Auftrag der Beklagten am 03. August 2004 den Kläger (Befund: Knie Streckung/Beugung links 5/0/135, rechts 5/0/140; deutliche Muskelatrophie linker Oberschenkel (Umfänge 20cm ob.inn. Kniegelenkspalt 54 cm rechts/ 51 cm links) und stellte als wesentliche Unfallfolgen "Bei Z.n. vord. Kreuzbandersatzplastik hochgradige Muskelatrophie li. Oberschenkel, diskret verminderte endgradige Beugung, noch diskret eingeschränkte Belastbarkeit li. Kniegelenk" fest; die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) schätzte er für die Zeit vom 01. Juli bis zum 03. Dezember 2004 mit 20 v.H. und für die Zeit danach voraussichtlich mit 10 v.H. ein (1. Rentengutachten vom 04. August 2004). Die Beklagte gewährte dem Kläger mit Bescheid über Gesamtvergütung vom 20. Oktober 2004 wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 14. Juli 2003 für den Zeitraum vom 01. Juli 2004 bis zum 31. Dezember 2004 eine vorläufige Entschädigung nach einer MdE von 20 v.H. in Höhe von 1.142,40 EUR.

Eine am 06. Dezember 2005 durchgeführte MRT-Untersuchung des linken Knies ergab eine initiale Gonarthrose deformans und subchondrale Sklerose an der lateralen Tibiakonsole bei Zustand nach Kontusionsherd sowie zu vermutende degenerative Veränderungen des Kreuzbandtransplantats nebst zystischen Gebilden im tibialen Bohrkanal, der relativ weit und unregelmäßig begrenzt erschien (MRT-Befund vom 08. Dezember 2005). Ende 2005 wurde der Vorgang bei der Beklagten abgeschlossen, da der Kläger keine weiteren Behandlungen mehr in Anspruch nahm und nach seinen Angaben auch im weiteren Verlauf keinerlei Beschwerden mehr hatte.

Am 06. August 2010 kam es bei Proben am Theater bei einer Verfolgungsszene um einen Brunnen plötzlich zu Schmerzzuständen und einer Instabilität (Wegsacken) im linken Kniegelenk (vgl. Unfallanzeige vom 01. September 2010; Kläger im Unfallfragebogen vom 28. September 2010). Der Kläger stellte sich am 09. August 2010 erneut bei dem DA Dr. Z vor (Befund: "li. Kniegelenk: Erguss, KG-Umf. re 36 cm/ li 38,5 cm, isotherm, Oberschenkel-Umf. 50,5 cm bds., Unterschenkel bds. 39,5 cm, E/F re 10-0-150, li 10-0-130, Lachman neg., Seitenbänder bds. stabil, Steinmann med. pos., Zohlen neg." (DA-Bericht vom 16. August 2010). Eine am gleichen Tag durchgeführte MRT-Untersuchung des linken Knies ergab: Kniegelenkerguss, Baker-Zyste, fortgeschrittene medial betonte Femorotibialarthrose (Grad 3B nach Noye), geringer ausgeprägte Femoropatellararthrose (Grad 2A-3B nach Noye), komplexer Innenmeniskushinterhornriss, Außenmeniskusvorderhorndegeneration, Entheso-pathie am Tibiaplateau und VD partielle interstitielle Ruptur, DD Tendinose der vorderen Kreuzbandplastik (MRT-Befund vom 09. August 2010). Bei bestehender Arbeitsfähigkeit erfolgte zunächst ein konservativer Therapieversuch (vgl. DA-Berichte vom 16. August 2010).

Das Theater gab unter dem 01. September 2010 bei der örtlich zuständigen Unfallkasse Sachsen-Anhalt eine Unfallanzeige ab, die zunächst die Ermittlungen durchführte.

Am 07. September 2010 erfolgte eine weitere Arthroskopie des linken Kniegelenkes mit Meniskusteilresektion medial und Chondroplastie microfracture medialer Femurkondylus. Intraoperativ zeigte sich eine Synovialitis, komplexe Rissbildung am medialen Meniskus IM/HH Zone I-III, Teilruptur der vorderen Kreuzbandplastik mit Insuffizienz, Chondromalzie Grad II bis III am Patellagleitlager sowie ein Knorpelulcus 2x2 cm am medialen Femurkondylus, bei sonst unauffälligem Befund (DA- und OP-Berichte von Dr. F vom 07. September 2010). Die histologischen Befunde der Charité vom 21./22. September 2010 ergaben eine Vereinbarkeit bzgl. des Meniskus mit einer rezidivierenden bzw. zeitlich fortschreitenden Rissrandbildung und bzgl. der vorderen Kreuzbandplastik mit einer frischeren Teilruptur, jeweils ohne Zeichen einer Kristallarthropathie. Im DA-Bericht vom 21. September 2010 berichtete Dr. Züber einen komplikationsfreien postoperativen Verlauf mit einembei der Punktion am 20. September 2010 klaren serösen Erguss von 25ml, Weiterführung der Physiotherapie und das Bestehen von Arbeitsfähigkeit seit dem 12. September 2010. Der Kläger nahm nach seinen Angaben bereits eine Woche nach der OP wieder an Theateraufführungen – im Rollstuhl – teil. Verletztengeld wurde nicht gezahlt.

Bei der Nachuntersuchung durch den DA Dr. F vom 18. Oktober 2010 ergab sich folgender Befund: reizfreies linkes Kniegelenk, Ex/Flex 5/0/140 Grad, KG-Umfang 37,5 cm bds., OS-Umfang 51,5/48,5 cm. Die letzte physiotherapeutische Behandlung erfolgte am 03. Februar 2011.

Mit Bescheid vom 13. April 2011 lehnte die Unfallkasse Sachsen-Anhalt die Anerkennung eines Arbeitsunfalls mit der Begründung ab, dass die Veränderungen und Beschwerden am linken Kniegelenk in keinem ursächlichen Zusammenhang mit dem Geschehen vom 06. August 2010 ständen, sondern Folge bereits erheblicher Vorschädigungen seien. Dem Kläger bliebe es unbenommen, bei der Unfallkasse Berlin einen Leistungsanspruch prüfen zu lassen. Auf den Widerspruch des Klägers holte die Unfallkasse Sachsen-Anhalt die beratungsärztliche Stellungnahme des Unfallchirurgen Dr. K vom 19. September 2011 ein, wonach es nach Kreuzbandplastiken häufig zu solchen, wie sich beim Kläger im MRT zeigenden, Verschleißschäden komme. Daraufhin wies die Unfallkasse Sachsen-Anhalt den Widerspruch des Klägers mit bestandskräftigem Widerspruchsbescheid vom 26. Oktober 2011 als unbegründet zurück.

Im November 2011 leitete die Beklagte das Begutachtungsverfahren mit Blick auf das Ereignis vom 14. Juli 2003 ein. Der Kläger entschied sich für Prof. Dr. E vom Unfallkrankenhaus B, der am 28. Dezember 2012 sein unter Mitwirkung von PD Dr. S und Dr. R erstelltes Gutachten erstattete. Bei der Untersuchung des Klägers am 08. Oktober 2012 ergab sich als Befund: Streckung/Beugung linkes und rechtes Kniegelenk 5/0/140, deutliche Muskelatrophie linker Oberschenkel (Umfänge 20cm ob.inn. Kniegelenkspalt 52 cm rechts/ 49 cm links), Umfänge Kniescheibenmitte 37 cm rechts/ 39 cm links, nur geringgradig vermehrte ventrale Translation bei insgesamt festem Anschlag des vorderen Kreuzbandes links, keine Einschränkungen oder Schmerzen bei der Bewegungsprüfung, stabile Bänder, keine pathologischen Meniskuszeichen, flüssiges und raumgreifendes Gangbild, Einnahme der tiefen Hocke, Einbein-, Zehen- und Hackenstand beidseits problemlos möglich. Die KT-1000 Messung ergab bei fünfmaliger Messung ein Mittelwert links von 10 mm zu rechts von 7 mm. Der Kläger berichtete, dass ihm normales Laufen und Treppensteigen problemlos möglich sei, ebenso schmerzfreies Gehen. Intermittierend käme es insbesondere bei unwillkürlichen und nicht geplanten Bewegungen zu einem Wegsacken des linken Kniegelenkes (Giving-way-Symptomatik) nach vorne, teilweise verbunden mit kurzzeitigen stechenden Schmerzen im Kniegelenk. Intermittierend habe er Schmerzen im Ansatzbereich der Patellarsehne, wobei dann das Knien schmerzhaft sei. Er vermeide belastende Situationen wie Springen und Sport. Die Kniebandage trage er nur bei höheren Belastungen des Knies, insbesondere bei Theaterproben und Aufführungen. Physiotherapeutische Behandlungen nehme er nicht mehr in Anspruch. Prof. Dr. Ekam zu dem Ergebnis, dass die neuerlichen Veränderungen bzw. das Geschehen vom 06. August 2010 eine mittelbare Unfallfolge des Ereignisses vom 14. Juli 2003 bzw. des Z.n. Kreuzbandplastik mit einem bereits im MRT vom Dezember 2005 dokumentierten veränderten Kreuzbandimplantat seien. Die Innenmeniskushinterhornrissbildung sei zumindest im Sinne einer Teilursache den Verletzungsfolgen durch den Unfall am 14. Juli 2003 geschuldet. Der jeweils in den OP-Berichten vom 06. Januar 2004 und vom 07. September 2010 beschriebene und mittels Mikrofrakturierung behandelte Knorpelulcus an der medialen Femurkondyle im Sinne einer tangentialen Abscherverletzung eines osteochondralen Fragmentes (flake fracture) sei (mittelbare) Folge des Unfalls vom 14. Juli 2003. Unfallunabhängig seien dagegen die bereits in der ersten Arthroskopie festgestellte und über die Jahre zunehmende Chondromalazie im Sinne einer fortschreitenden Arthrose Grad I-II im medialen und lateralen Kompartiment sowie beginnend femoropatellar. Die MdE betrage aktuell 20 v. H ... Es handele sich um einen Dauerzustand. Die aktuellen Klagen des Versicherten bezögen sich lediglich auf das erneut aufgetretene Instabilitätsgefühl. Eine Beschwerdesymptomatik bzgl. des teilresezierten Innenmeniskus, der Knorpelläsion des medialen Femurkondylus und der fortschreitenden Arthrose im Sinne von Belastungs- und Bewegungsschmerzen werde vom Versicherten nicht angegeben. Im Hinblick auf den ausgeprägten Muskelstatus der unteren Extremitäten des Versicherten, insbesondere der Oberschenkelmuskulatur, sei davon auszugehen, dass die muskuläre Stabilität bei Muskelmanteldefizit zu Ungunsten der linken Seite lediglich noch geringgradig gesteigert werden könne.

Nach Einholung einer beratungsärztlichen Stellungnahme vom 16. April 2013 lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 04. Juni 2013 die Gewährung einer Verletztenrente ab. Zwar werde das Ereignis vom 06. August 2010 als mittelbare Folge des Arbeitsunfalls vom 14. Juli 2003 anerkannt. Als unfallbedingte Gesundheitsschäden würden nun berücksichtigt: Muskulär gut kompensierte leichte Instabilität des linken Kniegelenkes nach operativ mittels Kreuzbandersatzplastik versorgtem vorderem Kreuzbandriss mit knöcherner Absprengung im Bereich des Oberschenkelgelenkkopfes, nachfolgend Teilruptur der vorderen Kreuzbandersatzplastik mit Entfernung des Transplantats und Innenmeniskushinterhornriss des linken Kniegelenkes. Unfallunabhängig bestünden im linken Kniegelenk eine Chondromalazie im Sinne einer fortschreitenden Arthrose Grad I-II im medialen und lateralen Kompartiment sowie beginnend femoropatellar. Eine MdE im rentenberechtigenden Grade sei nach Überprüfung und Wertung des eingeholten Gutachtens jedoch nicht verblieben.

Den Widerspruch des Klägers vom 18. Juli 2013 wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 26. März 2014 zurück: Die Einschätzung von Prof. Dr. E zur MdE sei überhöht, weil infolge der gesamten Unfallfolgen bezüglich des Ereignisses vom 14. Juli 2003 nur eine muskulär gut kompensierte leichte Instabilität des linken Kniegelenkes bei fehlenden Bewegungseinschränkungen bestehe.

Der Kläger hat am 17. April 2014 beim Sozialgericht Berlin (SG) Klage erhoben und sein Begehren auf Gewährung einer Verletztenrente unter Verweis auf das Gutachten von Prof. E vom 28. Dezember 2012 weiterverfolgt.

Das SG hat Beweis erhoben durch Einholung eines orthopädisch-unfallchirurgischen Sachverständigengutachtens, welches der Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie Dr. L am 16. September 2015 erstattet hat. Bei der Untersuchung des Klägers am 16. September 2015 hat sich als Befund ergeben: seitengleiche Gesäßmuskulatur, Streckung/Beugung linkes und rechtes Kniegelenk 05/0/140, geringe Verschmächtigung linksseitiger Oberschenkelmuskulatur (Umfänge 20cm ob.inn. Kniegelenkspalt 52 cm rechts/ 51 cm links), Umfänge Kniescheibenmitte 37 cm rechts/ 38 cm links, am linken Knie: Druckschmerz über dem medialen Gelenkspalt und medialen Tibiaplateau provozierbar, Lachman-Test deutlich positiv, vorderer Schubladentest zweifach positiv, keine hintere Schublade, stabiles mediales und laterales Kollateralband, Pivot-Shift-Zeichen positiv, keine Einschränkungen oder Schmerzen bei der Bewegungsprüfung, keine pathologischen Meniskuszeichen, flüssiges und raumgreifendes Gangbild, Einnahme der tiefen Hocke, Zehen- und Hackenstand beidseits problemlos möglich, kein Schonhinken des linken Beines, Treppensteigen im Wechselschritt unter Sichtkontrolle bei subjektivem Instabilitätsgefühl. Als vom Kläger berichtete Beschwerden sind aufgeführt: Vordergründig bestünde eine Instabilität des linken Kniegelenkes und es komme häufig zum Wegknicken des Knies, deswegen sei insbesondere eine Sprungbelastung nicht mehr möglich. Gelegentlich bestünden Schmerzen, die im Bereich des Kniescheibensehnenbandes und über dem innenseitigen Schienbeinkopf lokalisiert würden. Kein Taubheitsgefühl und keine Schwellneigung. Die Gehstrecke sei auf maximal 2 km reduziert. Treppensteigen erfolge unter Sichtkontrolle, insbesondere beim Treppenablaufen liege ein Instabilitätsgefühl vor. Der Sachverständige Dr. L hat ausgeführt, es liege nunmehr eine hochgradige anteriore Instabilität bei Ruptur der vorderen Kreuzbandersatzplastik vor. Klinisch zeige sich der Lachman-Test in 30 Grad-Flexionsstellung zweifach positiv mit einem weichen Anschlag. Es bestehe eine vordere Schublade und eine Rotationsinstabilität. Anhand der KT-1000-Messung vom 16. September 2015 habe eine Seitendifferenz von 8 mm objektiviert werden können, wobei eine Seitendifferenz von mehr als 3 mm als pathologisch bewertet werde. Die am gleichen Tag gefertigten Röntgenaufnahmen hätten die vordere Schublade und damit die Instabilität bestätigt. Dieser Zustand sei eine mittelbare Folge des Arbeitsunfalls vom 14. Juli 2003. Beim Ereignis vom 06. August 2010 handele es sich nicht um ein Unfallereignis mit äußerer Krafteinwirkung. Es habe eine Transplantatinsuffizienz mit so genannter Giving-way-Symptomatik vorgelegen. Bei schnellem Richtungswechsel sei es zur Manifestation der Ruptur des vorderen Kreuzbandes (Ersatzplastik) gekommen. Die MdE werde für die Zeit ab dem 06. August 2010 mit 20 v.H. eingeschätzt.

Die Beklagte hat mit Schreiben vom 22. Dezember 2015 mitgeteilt, dass eine MdE in Höhe von 20 v.H. aufgrund der bei der Untersuchung durch den Sachverständigen Dr. L erhobenen Befunde für die Zeit ab dem 16. September 2015 anerkannt werde, da diese eine nicht mehr muskulär kompensierbare Instabilität belegten. Im Hinblick auf die vom Gutachter Prof. Dr. E erhobenen Befunde eines stabilen Bandapparates sowie der damals vom Kläger geschilderte Beschwerden lasse sich eine MdE von 20 v.H. für Zeiträume vor dem 16. September 2015 nicht rechtfertigen. Insbesondere der Lachman-Test als zuverlässiges Kontrollinstrument für die Beurteilung des Zustandes des vorderen Kreuzbandes habe keine vermehrte Aufklappbarkeit ergeben. Zudem hätten die KT-1000 Messungen noch im Normbereich gelegen. Seit der Begutachtung im Jahr 2012 befinde sich kein weiterer ärztlicher Befund in den Akten.

Das SG hat daraufhin die ergänzende Stellungnahme des Sachverständigen Dr. L vom 10. Mai 2016 eingeholt, der bei seiner Einschätzung geblieben ist, ohne auf die von Prof. Dr. E konkret erhobenen Befunde einzugehen.

In der mündlichen Verhandlung des SG vom 02. August 2017 hat der Kläger das Teilanerkenntnis der Beklagten vom 22. Dezember 2015 angenommen und sein Rentenbegehren für frühere Leistungszeiträume weiterverfolgt. Das SG hat durch Urteil vom gleichen Tage der Klage stattgegeben und die Beklagte unter Änderung der angefochtenen Bescheide verurteilt, dem Kläger Verletztenrente auch für die Zeit vom 06. August 2010 bis zum 15. September 2015 zu zahlen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Rentenanspruch beruhe auf §§ 56 Abs. 1 und 2, 72 Abs. 1 Nr. 2 Sechstes Buch des Sozialgesetzbuches (SGB VI). Die beim Kläger am 06. August 2010 zu Tage getretene Verschlimmerung der Folgen des Unfalls vom 14. Juli 2003 würde ab diesem Zeitpunkt eine MdE von 20 v.H. begründen. Die Kammer stütze sich dafür auf das Beweisergebnis des gerichtlich beauftragten Sachverständigen Dr. L sowie auf die übrigen Ergebnisse des Verfahrens, so auch das Verwaltungsgutachten, das im Wege des Urkundenbeweises gewürdigt werde. Der gerichtliche Sachverständige sei bei seiner Beurteilung zutreffend von den Erfahrungswerten für die gesetzliche Unfallversicherung ausgegangen (vgl. Schönberger/Mertens/Valentin, 2010), wonach bei einer muskulär nicht zu stabilisierenden Instabilität in einem Kniegelenk eine MdE von 20 v. H. angezeigt sei. Die Kammer folge dem Sachverständigen auch insoweit, als er nach einer Gesamtwürdigung aller Befunde spätestens bereits ab dem 06. August 2010 beim Kläger eine muskulär nicht ausreichend kompensierbare Instabilität des linken Kniegelenkes mit immer wieder auftretenden Schmerzen bei einem Zustand nach Distorsionstrauma mit nachfolgender Ruptur des vorderen Kreuzbandes und Flake fracture des medialen Femurcondylus, Versorgung mit einer Kreuzbandersatzplastik sowie einer schon seit Ende 2005 bestehenden Transplantatinsuffizienz und letztlich einer Ruptur der vorderen Kreuzbandplastik nach dem Ereignis vom 06. August 2010 festgestellt habe. Im Gegensatz zu der Auffassung der Beklagten sei bei dem Kläger bereits seit Ende 2005 eine beginnende Instabilität des linken Kniegelenkes vorhanden gewesen, die sich spätestens im August 2010 so verschlimmert habe, dass sie auch klinisch zu Tage getreten sei. Der Sachverständige Dr. L habe für das Gericht überzeugend dargelegt, dass ohne die massive Instabilität bereits im August 2010 die weitere Strukturverletzung infolge des Wegknickens nicht eingetreten wäre. Das klinische Gesamtbild, das auch durch eine Arthroskopie vom 07. September 2010 ergänzt werde, ergebe daher seitdem den Nachweis einer muskulär nicht ausreichend kompensierten Instabilität des linken Kniegelenkes beim Kläger. Auch wenn punktuell erhobene Untersuchungsbefunde (z. B. Lachman-Test) nicht richtungsweisend pathologisch gewesen seien, lasse sich aufgrund der vorstehend dargestellten übrigen und im Erkenntniswert überlegenen Befunde, wie das der Sachverständige auch in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 10. Mai 2016 ausführe, mit Sicherheit die Instabilität des linken Knies bereits seit August 2010 nachweisen. Diese Feststellung werde auch durch das Verwaltungsgutachten von Prof. E aus dem Jahr 2012 gestützt.

Gegen das ihr am 07. September 2017 zugestellte Urteil richtet sich die am 05. Oktober 2017 eingelegte Berufung der Beklagten. Nach den vor der Untersuchung durch den Sachverständigen Dr. L erhobenen Befunden lasse sich lediglich eine muskulär kompensierte Instabilität nachweisen. Dr. L habe sich auch in seiner ergänzenden Stellungnahme weder mit den Befunden von Prof. Dr. E noch mit dem Umstand auseinandergesetzt, dass in dem gesamten Zeitraum seit August 2010 bis zu seiner Untersuchung keinerlei Befunde vorlägen, die eine gesteigerte und vermehrte Instabilität belegten. Eine nicht kompensierbare Instabilität sei vor der Untersuchung durch Dr. L nicht nachgewiesen.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 02. August 2017 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält die Entscheidung des SG im Hinblick auf die Gutachtenlage für zutreffend. Seit dem Ereignis vom August 2010 leide er an einem Instabilitätsgefühl des linken Kniegelenkes mit daraus folgenden Einschränkungen der beruflichen Belastbarkeit.

Hinsichtlich der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die frist- und formgerecht eingelegte Berufung der Beklagten ist zulässig und begründet.

Das angefochtene Urteil des SG Berlin vom 02. August 2017 ist rechtswidrig und daher aufzuheben. Die Beklagte hat mit dem angefochtenen Bescheid vom 04. Juni 2013 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 26. März 2014 sowie des angenommenen Teilanerkenntnisses vom 22. Dezember 2015 zutreffend die Gewährung von Verletztenrente wegen der (mittelbaren bzw. Spät-)Folgen des Arbeitsunfalls vom 14. Juli 2003 für die Zeit vom 06. August 2010 bis zum 15. September 2015 abgelehnt.

Gegenstand des Klageverfahrens und damit der Entscheidung des SG war zuletzt nur noch der vom Kläger verfolgte Anspruch auf Verletztenrente für die Zeit vom 06. August 2010 bis zum 15. September 2015, da durch Annahme des Teilanerkenntnisses der Beklagten vom 22. Dezember 2015 in der mündlichen Verhandlung vom 02. August 2017 der Rechtsstreit bzgl. eines Anspruches auf Gewährung von Verletztenrente ab dem 16. September 2015 erledigt ist (§ 101 Abs. 2 SGG).

Dem Kläger steht ein Anspruch auf Gewährung von Verletztenrente wegen der Folgen des anerkannten Arbeitsunfalls vom 14. Juli 2003 für die Zeit vom 06. August 2010 bis zum 15. September 2015 gemäß § 56 SGB VII i.V.m. § 72 Abs. 1 SGB VII nicht zu.

Nach § 56 Abs. 1 S. 1 SGB VII haben Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v.H. gemindert ist, Anspruch auf eine Rente. Nach § 56 Abs. 1 S. 2 SGB VII besteht für jeden, auch für einen früheren Versicherungsfall, Anspruch auf Rente, wenn die Erwerbsfähigkeit infolge mehrerer Versicherungsfälle gemindert ist und die Vomhundertsätze zusammen wenigstens die Zahl 20 erreichen. Nach § 56 Abs. 1 S. 3 SGB VII sind die Folgen eines Versicherungsfalls nur zu berücksichtigen, wenn sie die Erwerbsfähigkeit um wenigstens 10 v.H. mindern. Versicherungsfälle sind gemäß § 7 Abs. 1 SGB VII Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten.

Nach § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit. Für einen Arbeitsunfall ist danach in der Regel erforderlich, dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer bzw. sachlicher Zusammenhang), dass diese Verrichtung zu dem zeitlich begrenzten von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis - dem Unfallereignis - geführt hat (Unfallkausalität) und dass das Unfallereignis einen Gesundheitsschaden oder den Tod des Versicherten verursacht hat (haftungsbegründende Kausalität); das Entstehen von Unfallfolgen aufgrund des Gesundheitsschadens (haftungsausfüllende Kausalität) ist keine Voraussetzung für die Anerkennung eines Arbeitsunfalls (etwa Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 02. April 2009 – B 2 U 29/07 R -, zitiert nach juris Rn. 15). Hinsichtlich des Beweismaßstabes gilt, dass die Merkmale "versicherte Tätigkeit", "Verrichtung zur Zeit des Unfalls", "Unfallereignis" sowie "Gesundheitserst- bzw. Gesundheitsfolgeschaden" im Wege des Vollbeweises, also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, für das Gericht feststehen müssen. Demgegenüber genügt für den Nachweis der wesentlichen Ursachenzusammenhänge zwischen diesen Voraussetzungen die (hinreichende) Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die bloße Möglichkeit (etwa BSG, a.a.O., Rn. 16). Ob der Gesundheitsschaden eines Versicherten durch einen Arbeitsunfall (wesentlich) verursacht wurde, entscheidet sich - bei Vorliegen einer Kausalität im naturwissenschaftlich-philosophischen Sinne - danach, ob das Unfallereignis selbst - und nicht eine andere, unfallunabhängige Ursache - die wesentliche Bedingung für den Eintritt des Gesundheitsschadens war (BSG, Urteil vom 09. Mai 2006 – B 2 U 1/05 R -, zitiert nach juris Rn. 13 ff.).

Erst dann, wenn sich die haftungsausfüllende Kausalität annehmen lässt, stellt sich die Frage nach der Bemessung der MdE. Nach § 56 Abs. 2 S. 1 SGB VII richtet sich die MdE nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens. Mithin hängt die MdE-Bemessung von zwei Faktoren ab: Den verbliebenen Beeinträchtigungen des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens und dem Umfang der dadurch verschlossenen Arbeitsmöglichkeiten. Entscheidend ist nicht der Gesundheitsschaden als solcher, sondern vielmehr der Funktionsverlust unter medizinischen, juristischen, sozialen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten. Ärztliche Meinungsäußerungen darüber, inwieweit derartige Beeinträchtigungen sich auf die Erwerbsfähigkeit auswirken, haben keine verbindliche Wirkung, sie sind aber eine wichtige und vielfach unentbehrliche Grundlage für die richterliche Schätzung der MdE, vor allem soweit sie sich darauf beziehen, in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletzten durch die Unfallfolgen beeinträchtigt sind. Erst aus der Anwendung medizinischer und sonstiger Erfahrungssätze über die Auswirkungen bestimmter körperlicher und seelischer Beeinträchtigungen auf die verbliebenen Arbeitsmöglichkeiten des Betroffenen auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens und unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalles kann die Höhe der MdE im jeweiligen Einzelfall geschätzt werden. Diese zumeist in jahrzehntelanger Entwicklung von der Rechtsprechung sowie dem versicherungsrechtlichen und versicherungsmedizinischen Schrifttum herausgearbeiteten Erfahrungssätze sind bei der Beurteilung der MdE zu beachten; sie sind zwar nicht für die Entscheidung im Einzelfall bindend, bilden aber die Grundlage für eine gleiche, gerechte Bewertung der MdE in zahlreichen Parallelfällen der täglichen Praxis und unterliegen einem ständigen Wandel (etwa BSG, Urteil vom 22. Juni 2004 – B 2 U 14/03 R -, zitiert nach juris Rn. 12).

Vorliegend hatte der Kläger wegen der unmittelbaren Folgen des Arbeitsunfalls vom 14. Juli 2003 für die Zeit vom 01. Juli bis zum 31. Dezember 2004 nur eine befristete Rente als vorläufige Entschädigung (§ 75 SGB VII) bezogen, so dass nun die erstmalige Festsetzung einer Verletztenrente auf unbestimmte Zeit wegen Verschlimmerung der Unfallfolgen im Streit steht. Hierfür finden sich im SGB VII keine konkreten Regelungen, so dass aufgrund der Regelungslücke neben § 56 SGB VII die §§ 72 Abs. 1, 73 Abs. 1 SGB VII entsprechend anzuwenden sind (Ricke in Kasseler Kommentar, SGB VII, Stand September 2018, § 72 Rn. 3; vgl. Kranig in Hauck/Noftz, SGB VII Kommentar, Stand August 2018, § 72 Rn. 13). Demzufolge kann eine Verletztenrente, sofern die Voraussetzungen des § 56 Abs. 1 S. 1 SGB VII erfüllt sind (MdE über die 26. Woche nach Eintritt der Verschlimmerung hinaus um mindestens 20 v.H. gemindert), frühestens nach dem Ende des wegen einer Arbeitsunfähigkeit aufgrund der Verschlimmerung der Unfallfolgen gezahlten Verletztengeldes (§ 72 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII) bzw. bei fehlendem Anspruch auf Verletztengeld ab Eintritt der Verschlimmerung (§ 72 Abs. 1 Nr. 2 SGB VII) beginnen.

Vom Eintritt einer Verschlimmerung der Folgen des Arbeitsunfalles vom 14. Juli 2003 ist auf der Grundlage der Gutachten von Prof. Dr. E und Dr. L sowie der Angaben des Klägers erst am 06. August 2010 auszugehen, da ja vorher keinerlei Beschwerden von Seiten des linken Kniegelenkes vorlagen. Bis zum Geschehen vom 06. August 2010 war der durch die zunehmende Insuffizienz der vorderen Kreuzbandersatzplastik, wofür erste Zeichen sich bereits im MRT vom Dezember 2005 fanden, bedingte Verschleißzustand klinisch stumm. Für die Zeit vor dem 06. August 2010 fehlt es mangels entsprechender ärztlicher Befunde an jeglichem Nachweis für eine – auch nur geringe - Instabilität des linken Kniegelenkes, was sich mit den wiederholten Schilderungen des Klägers, frei von Beschwerden gewesen zu sein, deckt. Durch die Laufbelastung mit schnellem Richtungswechsel (Verfolgungsjagd um einen Brunnen) bei der Theaterprobe am 06. August 2010 manifestierte (= äußerte) sich erstmals der (klinisch stumme) Verschleißzustand der vorderen Kreuzbandersatzplastik und zwar in Form einer Giving-way-Symptomatik mit einschießenden Schmerzen, die zu dem im MRT vom 09. August 2010 bzw. intraoperativ am 07. September 2010 festgestellten komplexen Innenmeniskushinterhornriss, einem Knorpelulcus an der medialen Femurkondyle im Sinne einer tangentialen Abscherverletzung eines osteochondralen Fragmentes (flake fracture) sowie der Teilruptur der Kreuzbandersatzplastik führte. Diese Schäden sind unstreitig mittelbare Folgen des Arbeitsunfalls vom 14. Juli 2003, so dass mit dem Auftreten der Beschwerden am 06. August 2010 von einer Verschlimmerung der Unfallfolgen im Sinne einer Änderung der Verhältnisse entsprechend § 48 Abs. 1 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) auszugehen ist.

Ein Anspruch auf Verletztenrente wegen der Spätfolgen des Arbeitsunfalls kommt, da hier kein Verletztengeld gezahlt wurde und Arbeitsunfähigkeit nur kurzzeitig vom 07. bis zum 12. September 2010 bestand, nach § 56 Abs. 1 und 2 SGB VII i. V. m. §§ 72 Abs. 1 Nr. 2 SGB VII analog grundsätzlich ab dem Tag des Bestehens einer rentenberechtigenden MdE in Betracht. Nach § 56 Abs. 1 Satz 1 SGB VII muss die rentenberechtigende MdE jedoch über die 26. Woche ab ihrem Eintritt hinaus andauern, um überhaupt einen Anspruch auf Verletztenrente zu begründen.

Entgegen der Auffassung des SG kann eine über die 26. Woche andauernde MdE von 20 v.H. für die Zeit vor der Untersuchung durch den Sachverständigen Dr. L nicht zur Überzeugung des Senats (§ 128 SGG) festgestellt werden. Die in der Zeit ab August 2010 bis September 2015 dokumentierten Befunde geben dafür nichts her.

In der unfallmedizinischen Literatur wird für eine (einseitige) Bewegungseinschränkung eines Kniegelenkes bei Streckung/Beugung = 0/0/90° eine MdE von 10 v.H. (vgl. Schiltenwolf/Hollo, Begutachtung der Haltungs- und Bewegungsorgane, 6. Auflage 2014, S. 899 f.) bzw. eine MdE von 15 v.H. (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 9. Aufl. 2017, Kap. 8.10.07, S. 685; Ludolph/Lehmann/Schürmann, Kursbuch der ärztlichen Begutachtung, Stand Juni 2011, III. - 1.12, S. 17; Thomann/Schröter/Grosser, Orthopädisch-unfallchirurgische Begutachtung, 1. Auflage 2009, S. 545, Mehrhoff/Ekkernkamp/Wich, Unfallbegutachtung, 13. Auflage 2012, S. 198) angesetzt. Zum Teil wird schon bei einer Bewegungseinschränkung des Kniegelenkes bei Streckung/Beugung auf 0/0/120° eine MdE von 10 v.H. angesetzt (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O.; Mehrhoff/Ekkernkamp/Wich, a.a.O.; Thomann/Schröter/Grosser, a. a. O.). Des Weiteren wird eine MdE von 20 v.H. erst bei einer Bewegungseinschränkung eines Kniegelenkes bei Streckung/ Beugung = 0/0/80° für gerechtfertigt erachtet (vgl. Ludolph/Lehmann/Schürmann, Kursbuch der ärztlichen Begutachtung, a.a.O.). Für eine Lockerung des Kniebandapparates (leichtes Wackelknie) wird, soweit sie muskulär kompensierbar ist, eine MdE von 10 v. H. und, soweit sie nicht kompensierbar ist, eine MdE von 20 v.H. angenommen (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O., S. 686; Schiltenwolf/Hollo, a.a.O., S. 900; Mehrhoff/Ekkernkamp/Wich, a.a.O.; Thomann/Schröter/Grosser, a.a.O.). Eine geringfügige Kniebandlockerung mit einer Aufklappbarkeit am Seitenband und/oder einer Schublade von jeweils weniger als 3 mm begründet noch keine messbare MdE (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O., S. 686). Bei einer rezidivierenden Synovitis (Reizknie) wird eine MdE von 10 bis 20 v. H. angesetzt (vgl. Thomann/Schröter/Grosser, a.a.O.; Mehrhoff/Ekkernkamp/Wich, a.a.O.). Zudem sind in den vorgenannten Richtwerten bereits die üblicherweise mit den bleibenden Veränderungen verbundenen Schmerzen eingeschlossen (vgl. Schönberger/ Mehrtens/ Valentin, a.a.O., Kap. 5.7.5, S. 244).

Zwar bestand aufgrund der am 06. August 2010 aufgetretenen Symptomatik zunächst Behandlungsbedürftigkeit in Form von Ruhigstellung durch eine Schiene und Physiotherapie (vgl. DA-Berichte von Dr. Z vom 16. August 2010), bei Persistenz der Beschwerden dann durch Arthroskopie vom 07. September 2010 mit Meniskusteilresektion medial und Chondroplastie microfracture medialer Femurkondylus (DA- und OP-Bericht von Dr. F vom 07. September 2010). Bei unkompliziertem Heilungsverlauf und Eintritt der Arbeitsfähigkeit am 12. September 2010 (DA-Bericht Dr. Z vom 21. September 2010) endete die Behandlungsbedürftigkeit offensichtlich mit der letzten Physiotherapieeinheit Anfang Februar 2011. Der letzte ärztliche Befund datiert vom 18. Oktober 2010 (DA-Bericht Dr. F vom 20. Oktober 2010, wo sich ein reizfreies linkes Kniegelenk bei seitengleichem Umfang (37,5 cm), eine freie Beweglichkeit bei Streckung/Beugung bis 5/0/140 Grad sowie eine noch bestehende Umfangsdifferenz der Oberschenkelmuskulatur von 3 cm (51,5 cm rechts/48,5 cm links) zeigte. Der Zwischenbericht vom DA Dr. F vom 20. Oktober 2010 enthält jedoch keinerlei Hinweise für eine relevante Instabilität oder ein ausgeprägtes Schmerzgeschehen. Nach der guten Beweglichkeit des Kniegelenkes (Normalbefund!) und dem Fehlen eines Reizzustandes bzw. einer Schwellung (seitengleicher Kniegelenks-Umfang!) oder eines ausgeprägten Schmerzgeschehens kann bei gegebener Arbeitsfähigkeit als Schauspieler (mit doch erheblichen Anforderungen an die Steh- und Gehfähigkeit bzw. die körperliche Beweglichkeit) allenfalls bei Unterstellung einer fortbestehenden leichten Instabilität (Kompensation durch Kniebandage in der Berufstätigkeit), die sich im Bedarf weiterer Physiotherapie ausdrückt, eine MdE von 10 v.H. für die Zeit bis Anfang Februar 2011 angenommen werden.

Auch die bei der Untersuchung des Klägers am 08. Oktober 2012 von Prof. Dr. E (PD Dr. S Dr. R) erhobenen Befunden rechtfertigen noch keine MdE von 20 v.H. Die Beweglichkeit des linken Kniegelenkes war mit dem seitengleichen Ausmaß bei Streckung/Beugung von 5/0/140 Grad völlig normal. Es fanden sich bei stabilen Bändern keine Einschränkungen oder Schmerzen bei der Bewegungsprüfung und auch keine pathologischen Meniskuszeichen. Der Kläger zeigte ein flüssiges und raumgreifendes Gangbild. Die Einnahme der tiefen Hocke wie auch der Einbein-, Zehen- und Hackenstand beidseits waren ihm problemlos möglich. Passend zu dem Befund berichtete der Kläger, dass ihm normales Laufen und Treppensteigen problemlos möglich sei, ebenso schmerzfreies Gehen. Nur intermittierend komme es insbesondere bei unwillkürlichen und nicht geplanten Bewegungen zu einem Wegsacken des linken Kniegelenkes (Giving-way-Symptomatik) nach vorne, teilweise verbunden mit kurzzeitigen stechenden Schmerzen im Kniegelenk. Auch verspüre er gelegentlich Schmerzen im Ansatzbereich der Patellarsehne, wobei dann das Knien schmerzhaft sei. Die Kniebandage trage er nur bei höheren Belastungen des Knies, insbesondere bei Theaterproben und Aufführungen. Physiotherapeutische Behandlungen nehme er nicht mehr in Anspruch. Zwar zeigte sich bei dem Kläger, der über eine gut ausgeprägte Muskulatur der unteren Extremitäten verfügte, noch eine deutliche Muskelatrophie des linken Oberschenkels mit einer maximalen Umfangsdifferenz von 3 cm zur rechten Seite. Jedoch ergaben die Stabilitätsprüfungen der Kreuzbänder eine nur geringgradig vermehrte ventrale Translation bei insgesamt festem Anschlag des vorderen Kreuzbandes links. Die KT-1000 Messung ergab bei fünfmaliger Messung ein Mittelwert links von 10 mm zu rechts von 7 mm, d.h. bei der vorderen Schublade nur eine Differenz von 3 mm im Seitenvergleich. Die von Prof. Dr. E erhobenen Befunde spiegeln in Zusammenschau mit den Schilderungen des Klägers über nur gelegentliche Beschwerden, fehlende Behandlungsbedürftigkeit und dem Tragen einer kniestützenden Bandage nur zu bestimmten stärker beanspruchenden Aktivitäten allenfalls eine geringe, muskulär kompensierte Instabilität des linken Kniegelenkes wieder, die maximal eine MdE von 10 v.H. rechtfertigt. Insoweit ist die MdE-Einschätzung von Prof. Dr. E für den Senat nicht nachvollziehbar.

Noch weniger überzeugt die rückblickende Beurteilung der MdE durch den Sachverständigen Dr. L, der sich trotz der Kritik der Beklagten auch in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 10. Mai 2016 mit den tatsächlich erhobenen Befunden gerade nicht auseinander gesetzt hat.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Satz 1 SGG und berücksichtigt das teilweise Obsiegen des Klägers im erstinstanzlichen Verfahren.

Gründe für eine Zulassung der Revision im Sinne von § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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