Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 1 R 6271/14
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 3 R 779/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.
Die 1962 geborene Klägerin beantragte im April 2013 bei der Beklagten die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung aufgrund von Depressionen, Bluthochdruck, Schilddrüsenerkrankung, Ohnmachtsanfällen und Arthrose.
Die Beklagte holte daraufhin einen Befundbericht vom Arzt für Neurologie und Psychiatrie H ein und veranlasste eine psychiatrische Begutachtung durch die Fachärztin für Psychiatrie F. Diese kam nach ambulanter Untersuchung der Klägerin vom 20. Januar 2014 in ihrem Gutachten vom 14. Februar 2014 zu dem Ergebnis, dass die Klägerin sowohl in dem von ihr zuletzt ausgeübten Beruf als Verkäuferin in einer Bäckerei (zuletzt 2010), als auch auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt täglich 6 Stunden erwerbstätig sein könne. Daraufhin lehnte die Beklagte den Rentenantrag der Klägerin mit Bescheid vom 04. März 2014 ab.
Den Widerspruch der Klägerin wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 30. Oktober 2014 zurück.
Hiergegen hat die Klägerin vor dem Sozialgericht (SG) Berlin Klage erhobenen und vorgetragen, dass sie mit der Beurteilung ihres Gesundheitszustandes durch die Beklagte nicht einverstanden sei. Aufgrund der bei ihr vorliegenden Erkrankungen auf orthopädischem, internistischem und psychischem Gebiet sei eine Erwerbstätigkeit nicht mehr möglich.
Das Gericht hat im Rahmen der medizinischen Sachverhaltsaufklärung Befundberichte der behandelnden Arzte der Klägerin eingeholt, und zwar vom Facharzt für Orthopädie G, von den Fachärzten für Allgemeinmedizin Dr. Ö, vom Arzt für Neurologie und Psychiatrie H und vom Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie S Weiterhin hat das Gericht die im Auftrag der Bundesagentur für Arbeit erstellten sozialmedizinischen Gutachten beigezogen. In dem nach ambulanter Untersuchung der Klägerin vom 04. Dezember 2015 von Dr. PDM P erstellten Gutachten wurde der Klägerin unter Berücksichtigung von Funktionsstörungen beider Kniegelenke, des Kreislaufs, des Schilddrüsenstoffwechsels und einer psychischen Minderbelastbarkeit ein Leistungsvermögen für täglich 6 Stunden körperlich leichter bis mittelschwerer Tätigkeiten bescheinigt. Im Gutachten nach Aktenlage vom 17. April 2012 war das Leistungsvermögen der Klägerin aufgrund eines seelischen Leidens (schwere depressive Episode, die 2009 vor allem medikamentös behandelt werde), Migräne sowie Halswirbelsäulensyndroms von Dr. E auf täglich weniger als 3 Stunden eingeschätzt worden.
Mit Bescheid vom 28. Juni 2016 hat das Landesamt für Gesundheit und Soziales Berlin (LAGeSo) der Klägerin einen Grad der Behinderung (GdB) von 40 ohne Merkzeichen zuerkannt.
Sodann hat das Gericht über das sozialmedizinische Leistungsvermögen der Klägerin Beweis erhoben durch Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens, welches der Allgemeinmediziner Dr. B erstellt hat. Der Sachverständige gelangte nach ambulanter Untersuchung der Klägerin vom 09. Dezember 2016 zu der Einschätzung, dass bei der Klägerin ein seelisches Leiden (Depression sowie Angst- und Somatisierungsstörung), degenerative Veränderungen beider Kniegelenke, rechts stärker als links, degenerative Veränderungen der Wirbelsäule ohne Funktionsdefizit sowie ohne Wurzelreizsymptomatik sowie ein metabolisches Syndrom (Hypertonus und Fettstoffwechselstörung bei Adipositas) vorlägen. Die Klägerin könne täglich nach 6 Stunden körperlich leichte Tätigkeiten überwiegend im Sitzen mit weiteren, im Gutachten näher benannten, qualitativen Leistungseinschränkungen verrichten. Die Wegefähigkeit sei erhalten, betriebsunübliche Pausen seien nicht erforderlich.
Nach Anhörung der Beteiligten zur beabsichtigten Entscheidung durch Gerichtsbescheid nach § 105 Sozialgerichtgesetz (SGG) hat das SG sodann mit Gerichtsbescheid vom 24. August 2017 die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Die zulässige Klage sei unbegründet, da die Klägerin keinen Anspruch auf Rente wegen Minderung der Erwerbsfähigkeit habe. Die Voraussetzungen für eine Rente wegen Minderung der Erwerbsfähigkeit nach § 43 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) lägen nicht vor, weil die Klägerin täglich noch körperlich leichte Tätigkeiten für mindestens 6 Stunden verrichten könne. Dass ein derartiges Leistungsvermögen der Klägerin bestehe, ergebe sich aus der Gesamtheit der vorliegenden medizinischen Unterlagen, insbesondere aus dem gerichtlichen Gutachten des medizinischen Sachverständigen Dr. B. Aufgrund der festgestellten Erkrankungen ergebe sich eine qualitative, nicht jedoch quantitative Einschränkung des Leistungsvermögens der Klägerin insoweit, als ihr nur noch körperlich leichte Arbeiten ohne stärkeren Zeitdruck bzw. Akkord zumutbar seien. Es lägen darüber hinaus keine zu einer relevanten Einschränkung der Erwerbsfähigkeit führenden Erkrankungen hinsichtlich der von der Klägerin geklagten Beeinträchtigungen vor, wie sich aus dem schlüssigen Gutachten des Allgemeinmediziners Dr. B ergebe. Hierbei sei das von der Klägerin angeführte subjektive Empfinden nicht ausschlaggebend, da der Sachverständige Dr. B relevante objektive medizinische Befunde nicht in dem für die Feststellung einer erheblichen Leistungsminderung erforderlichen Ausmaß habe erheben können. Er habe die Begutachtung anhand der hierfür maßgeblichen Beurteilungskriterien vorgenommen. Diese finde auch ihre Bestätigung in den Befundmitteilungen der die Klägerin behandelnden (Fach-)Ärzte. So hätten die Orthopäden G und Dr. S bestätigt, dass die Klägerin körperlich leichte Tätigkeiten noch täglich 6 Stunden verrichten könne. Die von der Klägerin angeführten (subjektiven) Beschwerden und Diagnosen seien nicht ausreichend, um eine entsprechende Leistungsminderung festzustellen. Denn hierbei sei, wie sich anhand der Beurteilungsrichtlinien für die Begutachtung unter anderem von Schmerzpatienten, Depressionen und Angsterkrankungen (Wolfgang Schneider u.a. in Sozialmedizinische Begutachtung in Psychosomatik und Psychotherapie S. 56, 59 ff, 63 f; Empfehlungen für die Sozialmedizinische Beurteilung psychischer Störungen S. Herausgegeben vom VDR S. 44 ff, 47, 51 f; N. Konrad in Versicherungsmedizin 1992 S. 45 ff, 47 f jeweils m. w. N.; Leitlinien für die Begutachtung von Schmerzen der Deutschen Gesellschaft für Neurologie, der Deutschen Gesellschaft für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie u.a. vom 02. November 2004 S. 8; Prof. Dr. Philipp, Bedeutung der Schweregradeinschätzung von Symptomatik und Aktivitätsbeeinträchtigung für die sozialmedizinische Rentenbegutachtung von Depression und Angsterkrankungen, in MED SACH 2014 S. 170 ff) ergebe, nicht allein das subjektive Empfinden des Betroffenen maßgeblich, sondern es sei insbesondere zur Objektivierung des Ausmaßes der Leistungsstörungen auch darauf abzustellen, ob und wenn ja welche vorhandenen psychopathologischen Auffälligkeiten beim Probanden bestehen. Erst wenn auch im Bereich der alltäglichen Lebensführung eine gravierende Einschränkung zu verzeichnen sei, könne eine relevante Leistungsminderung angenommen werden. Derartig gravierende, zu einer Leistungsminderung führende psychopathologische Auffälligkeiten hätten jedoch von dem Sachverständigen Dr. B nicht erhoben werden können. Eine weitgehende Einschränkung der Fähigkeit zur Teilnahme an den Aktivitäten des täglichen Lebens (im Sinne einer "Vita minima"), die sich vor allem in dem Bereich der Mobilität, Selbstversorgung, Kommunikation, Antrieb etc. darstelle, habe sich durch den Gutachter nicht in dem erforderlichen Ausmaß feststellen lassen. Die Klägerin habe einen weitgehend strukturierten Tagesablauf. Sie könne sich noch selbst versorgen, auch wenn die Hausarbeit und die größeren Einkäufe von dem Sohn übernommen würden. Auch Urlaubsaktivitäten seien der Klägerin, so z. B. 2016 in der Türkei, möglich. Die Klägerin könne soziale Kontakte zur Familie und zu einer langjährigen Freundin halten. Sie sei auch in der Lage, sich zweimal monatlich um die seit Geburt geistig behinderte Tochter ihres ersten Ehemannes zu kümmern. Im Übrigen sei darauf hinzuweisen, dass ein großer psychischer Leidensdruck, der die Notwendigkeit für eine engmaschige fachpsychiatrische Behandlung begründen würde, offenbar nicht bestehe, wie sich u. a. aus dem Befundbericht des Psychiaters H ergebe. Ebenso wenig seien durch die gerichtliche Sachverständige Dr. B gravierende orthopädische, internistische und/oder neurologische/psychische Befunde erhoben worden. Wie in den Vorgutachten (F und Dr. P) habe sich die Klägerin zwar bedrückt und leidensbezogen gezeigt, nicht aber manifest depressiv oder wesentlich ängstlich. Die Stimmungslage der Klägerin habe sich im Laufe der Exploration auflockern lassen. In der Kommunikation mit der Dolmetscherin habe sie ein gutes Durchhaltevermögen gezeigt und recht vital gewirkt. Es seien auch erhebliche Diskrepanzen zwischen der Beschwerdeschilderung und den objektiv erhebbaren Befunden aufgefallen. So hätten sich die von der Klägerin vorgeführten Einschränkungen mit frühzeitig positivem Laségue dann im Langsitz mit einem Abstand von 14 cm zwischen Fingerspitzen und Zehen nicht mehr nachweisen lassen.
Gegen den der Klägerin am 31. August 2017 zugestellten Gerichtsbescheid hat diese am 25. September 2017 Berufung eingelegt. Die Ermittlungen des Gerichtes seien unzureichend gewesen. Aufgrund der in der Vergangenheit gestellten Diagnose einer schweren Depression hätten weitere medizinische Ermittlungen auf diesem Fachgebiet erfolgen müssen. Auch leide die Klägerin an einer Kommunikationsstörung, einer Schmerzstörung und Krampfanfällen.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 24. August 2017 sowie den Bescheid der Beklagten vom 04. März 2014 in der Gestalt des Wider- spruchsbescheides vom 30. Oktober 2014 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Er- werbsminderung zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verweist auf den angegriffenen Gerichtsbescheid, den sie für zutreffend hält.
Der Senat hat Befundberichte der die Klägerin behandelnden Ärzte eingeholt, so vom Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. Ö vom 02. Februar 2018, vom Arzt für Neurologie und Psychiatrie H vom 06. Februar 2018 sowie vom Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie S vom 22. Februar 2018.
Sodann hat der Senat Beweis erhoben durch Einholung des medizinischen Sachverständigengutachtens der Fachärztin für Neurologie Dr. H vom 05. August 2018. Die Sachverständige hat nach ambulanter Untersuchung der Klägerin vom 12. Juli 2018 bei dieser eine somatoforme Schmerzstörung, eine leicht- bis mittelgradige depressive Episode, Migräne, Kombinationskopfschmerz, anamnestisch den Verdacht auf ein beidseitiges Kapaltunnelsyndrom, Attacken unklarer Bewusstseinsstörung, degenerative Veränderungen des Bewegungsapparates sowie Bluthochdruck festgestellt. Sie hat eingeschätzt, dass die Klägerin bei ihr erstmals über eine im Jahr 2009 erlittene schwere Traumatisierung berichtet habe.
Die festgestellten Gesundheitsstörungen führten bei der Klägerin zu einer körperlichen und psychischen Minderbelastbarkeit, affektiver Herabgestimmtheit und zu Schmerzen führen, wofür es kein hinreichendes organisches Korrelat gibt. Hierbei erwähnt die Sachverständige auch, dass sich deutliche Aggravationshinweise gezeigt haben. Die Klägerin könne ihre Fehlhaltung durch eine zumutbare Willensanstrengung überwinden, die dafür erforderlichen Ressourcen bestünden anhand der Schilderung der Alltagsaktivitäten der Klägerin. Auch eine entsprechende ärztliche Behandlung könne förderlich sein. Insgesamt sei die Klägerin unter Berücksichtigung der festgestellten Gesundheitsstörungen in der Lage ist, körperlich leichte Tätigkeiten mit weiteren qualitativen Einschränkungen - unter Verweis auf das Gutachten des Sachverständigen Dr. B - ohne Nachtschicht, besonderen Zeitdruck und hohem Publikumsverkehr über 6 Stunden täglich bei erhaltener Wegefähigkeit und betriebsüblichen Pausen zu verrichten.
Nach Anhörung der Beteiligten mit gerichtlichem Schreiben vom 17. September 2018 hat der Senat mit Beschluss vom 24. September 2018 den Rechtsstreit gemäß § 153 Abs. 5 SGG der Berichterstatterin übertragen.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten und der Gerichtsakten sowie der beigezogenen Verwaltungsakte des LAGeSo verwiesen, die bei der Entscheidung vorgelegen haben.
Entscheidungsgründe:
Aufgrund des Beschlusses des Senats vom 24. September 2018 kann die Berichterstatterin gemäß § 153 Abs. 5 SGG zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern entscheiden.
Die frist- und formgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, jedoch unbegründet. Der Klägerin steht, wie das SG zutreffend entschieden hat, kein Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen voller oder auch nur teilweiser Erwerbsminderung zu.
Die Voraussetzungen des einzig als Anspruchsgrundlage in Betracht kommenden § 43 Abs. 1 und Abs. 2 SGB VI sind nicht erfüllt. Nach § 43 Abs. 1 SGB VI haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie teilweise erwerbsgemindert sind, in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben. Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Nach § 43 Abs. 2 SGB VI haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie voll erwerbsgemindert sind, in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben. Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Voll erwerbsgemindert sind auch behinderte Versicherte nach § 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VI, die wegen Art oder Schwere der Behinderung nicht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig sein können und Versicherte, die bereits vor Erfüllung der allgemeinen Wartezeit voll erwerbsgemindert waren, in der Zeit einer nicht erfolgreichen Eingliederung in den allgemeinen Arbeitsmarkt. Nach § 43 Abs. 3 SGB VI ist dagegen nicht erwerbsgemindert, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann, wobei die jeweilige Arbeitsmarktlage insoweit nicht zu berücksichtigen ist.
Dies zugrunde gelegt erweist sich die Entscheidung des SG im Ergebnis als zutreffend. Das Vorliegen der medizinischen Voraussetzungen der vollen oder auch nur teilweisen Erwerbsminderung steht nicht gemäß § 128 Abs. 1 S. 1 SGG zur Überzeugung des Senats fest und ist so nicht bewiesen. Die Klägerin erscheint auch angesichts der bei ihr festgestellten Leiden und unter Beachtung der daraus folgenden qualitativen Leistungseinschränkungen vielmehr in der Lage, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes zumindest 6 Stunden täglich erwerbstätig zu sein.
Insoweit verweist der Senat gemäß § 153 Abs. 2 SGG zunächst auf die zutreffenden und umfassenden Ausführungen des SG im angegriffenen Gerichtsbescheid.
Das erstinstanzliche Ergebnis wird bestätigt durch das vom Senat im Berufungsverfahren eingeholte Gutachten der Fachärztin für Neurologie Dr. H. Die Sachverständige ist zudem zertifizierte Gutachterin der interdisziplinären Gesellschaft für psychosomatische Schmerztherapie. Sie hat bei der Klägerin eine somatoforme Schmerzstörung, eine leicht- bis mittelgradige depressive Episode, Migräne, Kombinationskopfschmerz, anamnestisch den Verdacht auf ein beidseitiges Kapaltunnelsyndrom, Attacken unklarer Bewusstseinsstörung, degenerative Veränderungen des Bewegungsapparates sowie Bluthochdruck festgestellt.
Bei der Untersuchung war die passive Beweglichkeit der Klägerin im Wesentlichen unauffällig, ebenso der allgemein-internistische Befund. Auch der neurologische Befund zeigte keine Auffälligkeiten, psychisch erschien die Klägerin zurückhaltend, mit gedrückter Stimmungslage, der Affekt war labil - von weinerlich bis heiter - bei jedoch unauffälliger Modulationsfähigkeit und geordnetem formalem Gedankengang. Anamnestisch und diagnostisch wurde eine somatoforme Schmerzstörung, eine rezidivierende depressive Reaktion und dissoziative Krampfanfälle im Rahmen eines vormals bestehenden schweren Ehekonfliktes und eine Angststörung beschrieben. Anamnestisch wurden Ohnmachtsanfälle und Migräne mit Spannungskopfschmerzen mitgeteilt, die zwar - so die Sachverständige nachvollziehbar - zu einer qualitativen, nicht jedoch zu einer quantitativen Leistungseinschränkung führen.
Die Sachverständige gelangt - anhand der mitgeteilten Befunde im Gutachten - nachvollziehbar zu der Einschätzung, dass die Tagesstruktur der Klägerin erhalten ist, einschließlich der sozialen Kontakte. Die therapeutischerseits empfohlene Anpassung der antidepressiven Medikation wurde von der Klägerin bisher ebenso abgelehnt wie eine psychotherapeutische Behandlung. Auch der behandelnde Psychiater H teilte im Befundbericht vom Februar 2018 mit, dass durch die Klägerin keine regelmäßigen Konsultationen, und wenn, dann im Abstand von 1 bis 2 Jahren, erfolgen. Wie auch das SG bereits zutreffend ausgeführt hat, lässt dies durchaus den Schluss auf einen nicht durchgreifend leistungsreduzierenden Krankheitsdruck bzw. -zustand zu.
Bei der Untersuchung durch die Sachverständige zeigte sich zudem, wie auch bereits im Gutachten des Sachverständigen Dr. B, dass eine deutliche Diskrepanz zwischen der Selbsteinschätzung der Klägerin und dem klinischen Befund besteht, so dass zumindest eine Beschwerdeausweitung (Aggravation) festzustellen war. So wurden unter anderem von der Klägerin Beschwerdeangaben im Bereich kognitiver Störungen (Gedächtnis, Konzentration) gemacht, die nicht dem klinischen Befund in der gutachterlichen Untersuchung entsprachen. Nachvollziehbar schließt die Sachverständige daraus, dass aus nervenärztlicher Sicht keine quantitative Einschränkung des Leistungsvermögens festzustellen ist. Mitberücksichtigt und kritisch validiert sind hierbei die Befundmitteilungen der behandelnden Ärzte der Klägerin.
Mit der Sachverständigen geht auch der Senat davon aus, dass die Klägerin über die notwendigen Ressourcen verfügt, um ihre Fehlhaltung durch eine zumutbare Willensanstrengung zu überwinden.
Wenn nun nach alldem das Restleistungsvermögen der Klägerin leichte Verrichtungen oder Tätigkeiten erlaubt (wie z.B. Zureichen, Abnehmen, Transportieren, Reinigen, Bedienen von Maschinen, Kleben, Sortieren, Verpacken, Zusammensetzen von Teilen etc.)die in ungelernten Tätigkeiten üblicherweise gefordert werden, und sich solche abstrakten Handlungsfelder im Fall der Klägerin hinreichend beschreiben lassen und deshalb ernste Zweifel an der tatsächlichen Einsatzfähigkeit der Klägerin auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unter dessen üblichen Bedingungen nicht aufkommen, stellt sich hier auch nicht die Frage, ob eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine besondere spezifische Leistungsbehinderung vorliegt (vgl. Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 09. Mai 2012 – B 5 R 68/11 R -, zitiert nach juris Rn. 26). Erst wenn es auf eine "schwere spezifische Leistungsbehinderung" oder "Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen" ankommt und eine solche vorläge, wäre der Klägerin mindestens eine konkrete Verweisungstätigkeit mit ihren typischen, das Anforderungsprofil bestimmenden Merkmalen (kein konkreter Arbeitsplatz) zu benennen gewesen, um ihren Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung auszuschließen. Erst hierbei wären dann nicht nur das körperliche, geistige und kognitive Leistungsvermögen einerseits und das berufliche Anforderungsprofil andererseits miteinander zu vergleichen und in Deckung zu bringen gewesen, sondern es hätte auch individuell geprüft werden müssen, ob die Klägerin die notwendigen fachlichen Qualifikationen und überfachlichen Schlüsselkompetenzen besäße oder zumindest innerhalb von drei Monaten erlernen könnte (BSG, a.a.O., Rn. 27).
Schließlich fehlt es der Klägerin auch nicht an der erforderlichen Wegefähigkeit. In der Regel ist auch derjenige erwerbsgemindert, welcher selbst unter Verwendung von Hilfsmitteln, zum Beispiel von Gehstützen, nicht in der Lage ist, täglich viermal eine Wegstrecke von mehr als 500 Metern mit zumutbarem Zeitaufwand zu Fuß zurückzulegen und zweimal öffentliche Verkehrsmittel während der Hauptverkehrszeiten zu benutzen (vgl. BSG, Urteil vom 17. Dezember 1991 - 13/5 RJ 73/90 -, zitiert nach juris Rn. 19). An einer Wegefähigkeit dieses Umfangs bestehen hier nach der überstimmenden Einschätzung sämtlicher im Gerichtsverfahren gehörten Sachverständigen keine durchgreifenden Zweifel.
Ein Anspruch auf die Gewährung einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit gemäß § 240 SGB VI besteht ebenfalls nicht. Nach Abs. 1 dieser Vorschrift haben Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze auch Versicherte, die vor dem 02. Januar 1961 geboren und berufsunfähig sind. Hieran gemessen kommt eine solche Rente für die erst im Dezember 1962 geborene Klägerin von vornherein nicht in Betracht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ausgang des Verfahrens in der Sache selbst.
Die Revision ist mangels Zulassungsgrunds gemäß § 160 Abs. 2 SGG nicht zuzulassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.
Die 1962 geborene Klägerin beantragte im April 2013 bei der Beklagten die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung aufgrund von Depressionen, Bluthochdruck, Schilddrüsenerkrankung, Ohnmachtsanfällen und Arthrose.
Die Beklagte holte daraufhin einen Befundbericht vom Arzt für Neurologie und Psychiatrie H ein und veranlasste eine psychiatrische Begutachtung durch die Fachärztin für Psychiatrie F. Diese kam nach ambulanter Untersuchung der Klägerin vom 20. Januar 2014 in ihrem Gutachten vom 14. Februar 2014 zu dem Ergebnis, dass die Klägerin sowohl in dem von ihr zuletzt ausgeübten Beruf als Verkäuferin in einer Bäckerei (zuletzt 2010), als auch auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt täglich 6 Stunden erwerbstätig sein könne. Daraufhin lehnte die Beklagte den Rentenantrag der Klägerin mit Bescheid vom 04. März 2014 ab.
Den Widerspruch der Klägerin wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 30. Oktober 2014 zurück.
Hiergegen hat die Klägerin vor dem Sozialgericht (SG) Berlin Klage erhobenen und vorgetragen, dass sie mit der Beurteilung ihres Gesundheitszustandes durch die Beklagte nicht einverstanden sei. Aufgrund der bei ihr vorliegenden Erkrankungen auf orthopädischem, internistischem und psychischem Gebiet sei eine Erwerbstätigkeit nicht mehr möglich.
Das Gericht hat im Rahmen der medizinischen Sachverhaltsaufklärung Befundberichte der behandelnden Arzte der Klägerin eingeholt, und zwar vom Facharzt für Orthopädie G, von den Fachärzten für Allgemeinmedizin Dr. Ö, vom Arzt für Neurologie und Psychiatrie H und vom Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie S Weiterhin hat das Gericht die im Auftrag der Bundesagentur für Arbeit erstellten sozialmedizinischen Gutachten beigezogen. In dem nach ambulanter Untersuchung der Klägerin vom 04. Dezember 2015 von Dr. PDM P erstellten Gutachten wurde der Klägerin unter Berücksichtigung von Funktionsstörungen beider Kniegelenke, des Kreislaufs, des Schilddrüsenstoffwechsels und einer psychischen Minderbelastbarkeit ein Leistungsvermögen für täglich 6 Stunden körperlich leichter bis mittelschwerer Tätigkeiten bescheinigt. Im Gutachten nach Aktenlage vom 17. April 2012 war das Leistungsvermögen der Klägerin aufgrund eines seelischen Leidens (schwere depressive Episode, die 2009 vor allem medikamentös behandelt werde), Migräne sowie Halswirbelsäulensyndroms von Dr. E auf täglich weniger als 3 Stunden eingeschätzt worden.
Mit Bescheid vom 28. Juni 2016 hat das Landesamt für Gesundheit und Soziales Berlin (LAGeSo) der Klägerin einen Grad der Behinderung (GdB) von 40 ohne Merkzeichen zuerkannt.
Sodann hat das Gericht über das sozialmedizinische Leistungsvermögen der Klägerin Beweis erhoben durch Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens, welches der Allgemeinmediziner Dr. B erstellt hat. Der Sachverständige gelangte nach ambulanter Untersuchung der Klägerin vom 09. Dezember 2016 zu der Einschätzung, dass bei der Klägerin ein seelisches Leiden (Depression sowie Angst- und Somatisierungsstörung), degenerative Veränderungen beider Kniegelenke, rechts stärker als links, degenerative Veränderungen der Wirbelsäule ohne Funktionsdefizit sowie ohne Wurzelreizsymptomatik sowie ein metabolisches Syndrom (Hypertonus und Fettstoffwechselstörung bei Adipositas) vorlägen. Die Klägerin könne täglich nach 6 Stunden körperlich leichte Tätigkeiten überwiegend im Sitzen mit weiteren, im Gutachten näher benannten, qualitativen Leistungseinschränkungen verrichten. Die Wegefähigkeit sei erhalten, betriebsunübliche Pausen seien nicht erforderlich.
Nach Anhörung der Beteiligten zur beabsichtigten Entscheidung durch Gerichtsbescheid nach § 105 Sozialgerichtgesetz (SGG) hat das SG sodann mit Gerichtsbescheid vom 24. August 2017 die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Die zulässige Klage sei unbegründet, da die Klägerin keinen Anspruch auf Rente wegen Minderung der Erwerbsfähigkeit habe. Die Voraussetzungen für eine Rente wegen Minderung der Erwerbsfähigkeit nach § 43 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) lägen nicht vor, weil die Klägerin täglich noch körperlich leichte Tätigkeiten für mindestens 6 Stunden verrichten könne. Dass ein derartiges Leistungsvermögen der Klägerin bestehe, ergebe sich aus der Gesamtheit der vorliegenden medizinischen Unterlagen, insbesondere aus dem gerichtlichen Gutachten des medizinischen Sachverständigen Dr. B. Aufgrund der festgestellten Erkrankungen ergebe sich eine qualitative, nicht jedoch quantitative Einschränkung des Leistungsvermögens der Klägerin insoweit, als ihr nur noch körperlich leichte Arbeiten ohne stärkeren Zeitdruck bzw. Akkord zumutbar seien. Es lägen darüber hinaus keine zu einer relevanten Einschränkung der Erwerbsfähigkeit führenden Erkrankungen hinsichtlich der von der Klägerin geklagten Beeinträchtigungen vor, wie sich aus dem schlüssigen Gutachten des Allgemeinmediziners Dr. B ergebe. Hierbei sei das von der Klägerin angeführte subjektive Empfinden nicht ausschlaggebend, da der Sachverständige Dr. B relevante objektive medizinische Befunde nicht in dem für die Feststellung einer erheblichen Leistungsminderung erforderlichen Ausmaß habe erheben können. Er habe die Begutachtung anhand der hierfür maßgeblichen Beurteilungskriterien vorgenommen. Diese finde auch ihre Bestätigung in den Befundmitteilungen der die Klägerin behandelnden (Fach-)Ärzte. So hätten die Orthopäden G und Dr. S bestätigt, dass die Klägerin körperlich leichte Tätigkeiten noch täglich 6 Stunden verrichten könne. Die von der Klägerin angeführten (subjektiven) Beschwerden und Diagnosen seien nicht ausreichend, um eine entsprechende Leistungsminderung festzustellen. Denn hierbei sei, wie sich anhand der Beurteilungsrichtlinien für die Begutachtung unter anderem von Schmerzpatienten, Depressionen und Angsterkrankungen (Wolfgang Schneider u.a. in Sozialmedizinische Begutachtung in Psychosomatik und Psychotherapie S. 56, 59 ff, 63 f; Empfehlungen für die Sozialmedizinische Beurteilung psychischer Störungen S. Herausgegeben vom VDR S. 44 ff, 47, 51 f; N. Konrad in Versicherungsmedizin 1992 S. 45 ff, 47 f jeweils m. w. N.; Leitlinien für die Begutachtung von Schmerzen der Deutschen Gesellschaft für Neurologie, der Deutschen Gesellschaft für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie u.a. vom 02. November 2004 S. 8; Prof. Dr. Philipp, Bedeutung der Schweregradeinschätzung von Symptomatik und Aktivitätsbeeinträchtigung für die sozialmedizinische Rentenbegutachtung von Depression und Angsterkrankungen, in MED SACH 2014 S. 170 ff) ergebe, nicht allein das subjektive Empfinden des Betroffenen maßgeblich, sondern es sei insbesondere zur Objektivierung des Ausmaßes der Leistungsstörungen auch darauf abzustellen, ob und wenn ja welche vorhandenen psychopathologischen Auffälligkeiten beim Probanden bestehen. Erst wenn auch im Bereich der alltäglichen Lebensführung eine gravierende Einschränkung zu verzeichnen sei, könne eine relevante Leistungsminderung angenommen werden. Derartig gravierende, zu einer Leistungsminderung führende psychopathologische Auffälligkeiten hätten jedoch von dem Sachverständigen Dr. B nicht erhoben werden können. Eine weitgehende Einschränkung der Fähigkeit zur Teilnahme an den Aktivitäten des täglichen Lebens (im Sinne einer "Vita minima"), die sich vor allem in dem Bereich der Mobilität, Selbstversorgung, Kommunikation, Antrieb etc. darstelle, habe sich durch den Gutachter nicht in dem erforderlichen Ausmaß feststellen lassen. Die Klägerin habe einen weitgehend strukturierten Tagesablauf. Sie könne sich noch selbst versorgen, auch wenn die Hausarbeit und die größeren Einkäufe von dem Sohn übernommen würden. Auch Urlaubsaktivitäten seien der Klägerin, so z. B. 2016 in der Türkei, möglich. Die Klägerin könne soziale Kontakte zur Familie und zu einer langjährigen Freundin halten. Sie sei auch in der Lage, sich zweimal monatlich um die seit Geburt geistig behinderte Tochter ihres ersten Ehemannes zu kümmern. Im Übrigen sei darauf hinzuweisen, dass ein großer psychischer Leidensdruck, der die Notwendigkeit für eine engmaschige fachpsychiatrische Behandlung begründen würde, offenbar nicht bestehe, wie sich u. a. aus dem Befundbericht des Psychiaters H ergebe. Ebenso wenig seien durch die gerichtliche Sachverständige Dr. B gravierende orthopädische, internistische und/oder neurologische/psychische Befunde erhoben worden. Wie in den Vorgutachten (F und Dr. P) habe sich die Klägerin zwar bedrückt und leidensbezogen gezeigt, nicht aber manifest depressiv oder wesentlich ängstlich. Die Stimmungslage der Klägerin habe sich im Laufe der Exploration auflockern lassen. In der Kommunikation mit der Dolmetscherin habe sie ein gutes Durchhaltevermögen gezeigt und recht vital gewirkt. Es seien auch erhebliche Diskrepanzen zwischen der Beschwerdeschilderung und den objektiv erhebbaren Befunden aufgefallen. So hätten sich die von der Klägerin vorgeführten Einschränkungen mit frühzeitig positivem Laségue dann im Langsitz mit einem Abstand von 14 cm zwischen Fingerspitzen und Zehen nicht mehr nachweisen lassen.
Gegen den der Klägerin am 31. August 2017 zugestellten Gerichtsbescheid hat diese am 25. September 2017 Berufung eingelegt. Die Ermittlungen des Gerichtes seien unzureichend gewesen. Aufgrund der in der Vergangenheit gestellten Diagnose einer schweren Depression hätten weitere medizinische Ermittlungen auf diesem Fachgebiet erfolgen müssen. Auch leide die Klägerin an einer Kommunikationsstörung, einer Schmerzstörung und Krampfanfällen.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 24. August 2017 sowie den Bescheid der Beklagten vom 04. März 2014 in der Gestalt des Wider- spruchsbescheides vom 30. Oktober 2014 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Er- werbsminderung zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verweist auf den angegriffenen Gerichtsbescheid, den sie für zutreffend hält.
Der Senat hat Befundberichte der die Klägerin behandelnden Ärzte eingeholt, so vom Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. Ö vom 02. Februar 2018, vom Arzt für Neurologie und Psychiatrie H vom 06. Februar 2018 sowie vom Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie S vom 22. Februar 2018.
Sodann hat der Senat Beweis erhoben durch Einholung des medizinischen Sachverständigengutachtens der Fachärztin für Neurologie Dr. H vom 05. August 2018. Die Sachverständige hat nach ambulanter Untersuchung der Klägerin vom 12. Juli 2018 bei dieser eine somatoforme Schmerzstörung, eine leicht- bis mittelgradige depressive Episode, Migräne, Kombinationskopfschmerz, anamnestisch den Verdacht auf ein beidseitiges Kapaltunnelsyndrom, Attacken unklarer Bewusstseinsstörung, degenerative Veränderungen des Bewegungsapparates sowie Bluthochdruck festgestellt. Sie hat eingeschätzt, dass die Klägerin bei ihr erstmals über eine im Jahr 2009 erlittene schwere Traumatisierung berichtet habe.
Die festgestellten Gesundheitsstörungen führten bei der Klägerin zu einer körperlichen und psychischen Minderbelastbarkeit, affektiver Herabgestimmtheit und zu Schmerzen führen, wofür es kein hinreichendes organisches Korrelat gibt. Hierbei erwähnt die Sachverständige auch, dass sich deutliche Aggravationshinweise gezeigt haben. Die Klägerin könne ihre Fehlhaltung durch eine zumutbare Willensanstrengung überwinden, die dafür erforderlichen Ressourcen bestünden anhand der Schilderung der Alltagsaktivitäten der Klägerin. Auch eine entsprechende ärztliche Behandlung könne förderlich sein. Insgesamt sei die Klägerin unter Berücksichtigung der festgestellten Gesundheitsstörungen in der Lage ist, körperlich leichte Tätigkeiten mit weiteren qualitativen Einschränkungen - unter Verweis auf das Gutachten des Sachverständigen Dr. B - ohne Nachtschicht, besonderen Zeitdruck und hohem Publikumsverkehr über 6 Stunden täglich bei erhaltener Wegefähigkeit und betriebsüblichen Pausen zu verrichten.
Nach Anhörung der Beteiligten mit gerichtlichem Schreiben vom 17. September 2018 hat der Senat mit Beschluss vom 24. September 2018 den Rechtsstreit gemäß § 153 Abs. 5 SGG der Berichterstatterin übertragen.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten und der Gerichtsakten sowie der beigezogenen Verwaltungsakte des LAGeSo verwiesen, die bei der Entscheidung vorgelegen haben.
Entscheidungsgründe:
Aufgrund des Beschlusses des Senats vom 24. September 2018 kann die Berichterstatterin gemäß § 153 Abs. 5 SGG zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern entscheiden.
Die frist- und formgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, jedoch unbegründet. Der Klägerin steht, wie das SG zutreffend entschieden hat, kein Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen voller oder auch nur teilweiser Erwerbsminderung zu.
Die Voraussetzungen des einzig als Anspruchsgrundlage in Betracht kommenden § 43 Abs. 1 und Abs. 2 SGB VI sind nicht erfüllt. Nach § 43 Abs. 1 SGB VI haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie teilweise erwerbsgemindert sind, in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben. Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Nach § 43 Abs. 2 SGB VI haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie voll erwerbsgemindert sind, in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben. Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Voll erwerbsgemindert sind auch behinderte Versicherte nach § 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VI, die wegen Art oder Schwere der Behinderung nicht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig sein können und Versicherte, die bereits vor Erfüllung der allgemeinen Wartezeit voll erwerbsgemindert waren, in der Zeit einer nicht erfolgreichen Eingliederung in den allgemeinen Arbeitsmarkt. Nach § 43 Abs. 3 SGB VI ist dagegen nicht erwerbsgemindert, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann, wobei die jeweilige Arbeitsmarktlage insoweit nicht zu berücksichtigen ist.
Dies zugrunde gelegt erweist sich die Entscheidung des SG im Ergebnis als zutreffend. Das Vorliegen der medizinischen Voraussetzungen der vollen oder auch nur teilweisen Erwerbsminderung steht nicht gemäß § 128 Abs. 1 S. 1 SGG zur Überzeugung des Senats fest und ist so nicht bewiesen. Die Klägerin erscheint auch angesichts der bei ihr festgestellten Leiden und unter Beachtung der daraus folgenden qualitativen Leistungseinschränkungen vielmehr in der Lage, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes zumindest 6 Stunden täglich erwerbstätig zu sein.
Insoweit verweist der Senat gemäß § 153 Abs. 2 SGG zunächst auf die zutreffenden und umfassenden Ausführungen des SG im angegriffenen Gerichtsbescheid.
Das erstinstanzliche Ergebnis wird bestätigt durch das vom Senat im Berufungsverfahren eingeholte Gutachten der Fachärztin für Neurologie Dr. H. Die Sachverständige ist zudem zertifizierte Gutachterin der interdisziplinären Gesellschaft für psychosomatische Schmerztherapie. Sie hat bei der Klägerin eine somatoforme Schmerzstörung, eine leicht- bis mittelgradige depressive Episode, Migräne, Kombinationskopfschmerz, anamnestisch den Verdacht auf ein beidseitiges Kapaltunnelsyndrom, Attacken unklarer Bewusstseinsstörung, degenerative Veränderungen des Bewegungsapparates sowie Bluthochdruck festgestellt.
Bei der Untersuchung war die passive Beweglichkeit der Klägerin im Wesentlichen unauffällig, ebenso der allgemein-internistische Befund. Auch der neurologische Befund zeigte keine Auffälligkeiten, psychisch erschien die Klägerin zurückhaltend, mit gedrückter Stimmungslage, der Affekt war labil - von weinerlich bis heiter - bei jedoch unauffälliger Modulationsfähigkeit und geordnetem formalem Gedankengang. Anamnestisch und diagnostisch wurde eine somatoforme Schmerzstörung, eine rezidivierende depressive Reaktion und dissoziative Krampfanfälle im Rahmen eines vormals bestehenden schweren Ehekonfliktes und eine Angststörung beschrieben. Anamnestisch wurden Ohnmachtsanfälle und Migräne mit Spannungskopfschmerzen mitgeteilt, die zwar - so die Sachverständige nachvollziehbar - zu einer qualitativen, nicht jedoch zu einer quantitativen Leistungseinschränkung führen.
Die Sachverständige gelangt - anhand der mitgeteilten Befunde im Gutachten - nachvollziehbar zu der Einschätzung, dass die Tagesstruktur der Klägerin erhalten ist, einschließlich der sozialen Kontakte. Die therapeutischerseits empfohlene Anpassung der antidepressiven Medikation wurde von der Klägerin bisher ebenso abgelehnt wie eine psychotherapeutische Behandlung. Auch der behandelnde Psychiater H teilte im Befundbericht vom Februar 2018 mit, dass durch die Klägerin keine regelmäßigen Konsultationen, und wenn, dann im Abstand von 1 bis 2 Jahren, erfolgen. Wie auch das SG bereits zutreffend ausgeführt hat, lässt dies durchaus den Schluss auf einen nicht durchgreifend leistungsreduzierenden Krankheitsdruck bzw. -zustand zu.
Bei der Untersuchung durch die Sachverständige zeigte sich zudem, wie auch bereits im Gutachten des Sachverständigen Dr. B, dass eine deutliche Diskrepanz zwischen der Selbsteinschätzung der Klägerin und dem klinischen Befund besteht, so dass zumindest eine Beschwerdeausweitung (Aggravation) festzustellen war. So wurden unter anderem von der Klägerin Beschwerdeangaben im Bereich kognitiver Störungen (Gedächtnis, Konzentration) gemacht, die nicht dem klinischen Befund in der gutachterlichen Untersuchung entsprachen. Nachvollziehbar schließt die Sachverständige daraus, dass aus nervenärztlicher Sicht keine quantitative Einschränkung des Leistungsvermögens festzustellen ist. Mitberücksichtigt und kritisch validiert sind hierbei die Befundmitteilungen der behandelnden Ärzte der Klägerin.
Mit der Sachverständigen geht auch der Senat davon aus, dass die Klägerin über die notwendigen Ressourcen verfügt, um ihre Fehlhaltung durch eine zumutbare Willensanstrengung zu überwinden.
Wenn nun nach alldem das Restleistungsvermögen der Klägerin leichte Verrichtungen oder Tätigkeiten erlaubt (wie z.B. Zureichen, Abnehmen, Transportieren, Reinigen, Bedienen von Maschinen, Kleben, Sortieren, Verpacken, Zusammensetzen von Teilen etc.)die in ungelernten Tätigkeiten üblicherweise gefordert werden, und sich solche abstrakten Handlungsfelder im Fall der Klägerin hinreichend beschreiben lassen und deshalb ernste Zweifel an der tatsächlichen Einsatzfähigkeit der Klägerin auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unter dessen üblichen Bedingungen nicht aufkommen, stellt sich hier auch nicht die Frage, ob eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine besondere spezifische Leistungsbehinderung vorliegt (vgl. Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 09. Mai 2012 – B 5 R 68/11 R -, zitiert nach juris Rn. 26). Erst wenn es auf eine "schwere spezifische Leistungsbehinderung" oder "Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen" ankommt und eine solche vorläge, wäre der Klägerin mindestens eine konkrete Verweisungstätigkeit mit ihren typischen, das Anforderungsprofil bestimmenden Merkmalen (kein konkreter Arbeitsplatz) zu benennen gewesen, um ihren Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung auszuschließen. Erst hierbei wären dann nicht nur das körperliche, geistige und kognitive Leistungsvermögen einerseits und das berufliche Anforderungsprofil andererseits miteinander zu vergleichen und in Deckung zu bringen gewesen, sondern es hätte auch individuell geprüft werden müssen, ob die Klägerin die notwendigen fachlichen Qualifikationen und überfachlichen Schlüsselkompetenzen besäße oder zumindest innerhalb von drei Monaten erlernen könnte (BSG, a.a.O., Rn. 27).
Schließlich fehlt es der Klägerin auch nicht an der erforderlichen Wegefähigkeit. In der Regel ist auch derjenige erwerbsgemindert, welcher selbst unter Verwendung von Hilfsmitteln, zum Beispiel von Gehstützen, nicht in der Lage ist, täglich viermal eine Wegstrecke von mehr als 500 Metern mit zumutbarem Zeitaufwand zu Fuß zurückzulegen und zweimal öffentliche Verkehrsmittel während der Hauptverkehrszeiten zu benutzen (vgl. BSG, Urteil vom 17. Dezember 1991 - 13/5 RJ 73/90 -, zitiert nach juris Rn. 19). An einer Wegefähigkeit dieses Umfangs bestehen hier nach der überstimmenden Einschätzung sämtlicher im Gerichtsverfahren gehörten Sachverständigen keine durchgreifenden Zweifel.
Ein Anspruch auf die Gewährung einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit gemäß § 240 SGB VI besteht ebenfalls nicht. Nach Abs. 1 dieser Vorschrift haben Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze auch Versicherte, die vor dem 02. Januar 1961 geboren und berufsunfähig sind. Hieran gemessen kommt eine solche Rente für die erst im Dezember 1962 geborene Klägerin von vornherein nicht in Betracht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ausgang des Verfahrens in der Sache selbst.
Die Revision ist mangels Zulassungsgrunds gemäß § 160 Abs. 2 SGG nicht zuzulassen.
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