L 4 R 2452/17

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 12 R 3282/14
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 R 2452/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 23. Mai 2017 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt höhere Altersrente für langjährig Versicherte unter Anerkennung der Zeit vom 15. August 1999 bis 31. März 2003 als Beitragszeit, hilfsweise als Anrechnungszeit.

Der am 1942 geborene Kläger war bis zum 31. Dezember 1994 als Ingenieur versicherungspflichtig beschäftigt. Im Anschluss bezog er bis zur Ausschöpfung seines Anspruchs am 15. Oktober 1997 Arbeitslosengeld bzw. Unterhaltsgeld. Ab 16. Oktober 1997 bewilligte das Arbeitsamt W. (jetzt Agentur für Arbeit) Arbeitslosehilfe bis zuletzt 15. Oktober 2003. Ab dem 1. April 2003 wurden die Leistungen vorläufig eingestellt. Mit Bescheid vom 7. Mai 2003 hob das Arbeitsamt den letzten Bewilligungsbescheid für die Zeit ab dem 1. April 2003 auf. Der hiergegen eingelegte Widerspruch blieb ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 10. Juli 2003). Mit zwei Bescheiden vom 2. September 2003 hob das Arbeitsamt die Bewilligung von Arbeitslosenhilfe für die Zeit ab 15. August 1999 auf und forderte die erbrachten Leistungen in Höhe von rund EUR 60.000,00 soweit Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung vom Kläger zurück, da er ab dem 15. August 1999 mehr als 15 Stunden wöchentlich selbständig tätig gewesen sei und deshalb Arbeitslosigkeit nicht vorgelegen habe. In den Anträgen auf Weiterbewilligung der Arbeitslosenhilfe habe der Kläger vorsätzlich unvollständige Angaben gemacht. Im Klageverfahren gegen den Bescheid vom 7. Mai 2003 bezog das Sozialgericht Stuttgart (SG) die Bescheide vom 2. September 2003 entsprechend § 96 Sozialgerichtsgesetz (SGG) mit ein und wies die Klage insgesamt ab (Urteil vom 20. April 2005, S 13 AL 4067/03). Das Arbeitsamt sei gestützt auf §§ 50, 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) in Verbindung mit § 330 Abs. 3 Satz 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) berechtigt gewesen, die Bewilligung von Arbeitslosenhilfe rückwirkend aufzuheben und zurückzufordern. Der Kläger sei vorsätzlich seiner Verpflichtung zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse nicht nachgekommen. Die hiergegen eingelegte Berufung des Klägers wies das Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg mit Urteil vom 28. April 2006 zurück (L 8 AL 2248/05). Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG verwarf das Bundessozialgericht (BSG) mit Beschluss vom 30. Juli 2007 als unzulässig (B 11a AL 103/06 B).

Auf die Strafanzeige des Arbeitsamts wurde gegen den Kläger mit Strafbefehl des Amtsgerichts B. vom 19. Januar 2004 (2 Cs 91 25959/03) wegen vier Vergehen des Betrugs eine Gesamtfreiheitsstrafe von 12 Monaten verhängt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Den hiergegen eingelegten Einspruch nahm der Kläger zurück.

Bereits am 19. Mai 2003 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Gewährung einer Altersrente wegen Arbeitslosigkeit. Auf Anfrage der Beklagten teilte das Arbeitsamt am 16. September 2003 mit, dass die Leistungen für die Zeit ab dem 15. August 1999 zurückgefordert worden seien, weil der Kläger in dieser Zeit mindestens 15 Stunden pro Woche selbständig tätig gewesen sei.

Mit Bescheid vom 31. Oktober 2003 lehnte die Beklagte den Antrag ab, weil im maßgeblichen Zehnjahreszeitraum vom 1. Juli 1991 bis 30. April 2003 nur 76 Pflichtbeiträge nachgewiesen seien sowie zum Beginn der Altersrente und nach Vollendung des Lebensjahres von 58 Jahren und sechs Monaten nicht insgesamt 52 Wochen Arbeitslosigkeit vorliege. Das Arbeitsamt habe eine Arbeitslosigkeit wegen des laufenden Widerspruchsverfahrens nur bis 14. August 1999 bestätigt. Die Zeit ab 15. August 1999 wertete die Beklagte dabei nicht als Pflichtbeitragszeit. Den hiergegen eingelegten Widerspruch nahm der Kläger wieder zurück.

Am 7. März 2005 veranlasste die Arbeitsagentur maschinell eine Beendigungsmeldung nach der Datenerfassungs- und Übermittlungsverordnung (DEÜV) zum 14. August 1999. Als Beendigungsgrund nannte sie die Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit ab dem 15. August 1999.

Mit Bescheid vom 10. Juni 2005 lehnte die Beklagte eine Vormerkung der Zeit vom 15. August 1999 bis 31. März 2003 als Anrechnungszeit ab. Der Bescheid enthielt den Hinweis, dass dieser Gegenstand des anhängigen Widerspruchsverfahrens werde.

Mit Bescheid vom 30. September 2005 bewilligte die Beklagte zunächst Altersrente für langjährig Versicherte ab dem 1. September 2005. Mit Bescheid vom 22. November 2005 hob die Beklagte diesen Bescheid wieder auf und bewilligte Altersrente für langjährig Versicherte bereits ab dem 1. Juni 2005. Bei der Berechnung der Rente berücksichtigte die Beklagte die Zeit vom 15. August 1999 bis 31. März 2003 weder als Beitragszeit noch als Anrechnungszeit. Mit Bescheid vom 16. Oktober 2007 berechnete die Beklagte die Rente unter Berücksichtigung der von der Agentur für Arbeit gemeldeten – Zeit vom 18. Dezember 1997 bis 14. August 1999 als Pflichtbeitragszeiten neu.

Am 12. September 2010 stellte der Kläger bei der Beklagte einen Überprüfungsantrag. Zur Begründung legte er Bescheinigungen der Techniker Krankenkasse vom 16. August 2010 und 27. September 2010 vor, wonach in der Zeit vom 16. Oktober 1997 bis 31. März 2003 wegen Bezugs von Arbeitslosenhilfe Beiträge an die Rentenversicherung abgeführt worden seien.

Die Beklagte lehnte es mit Bescheid vom 16. Dezember 2010 ab, den Bescheid vom 16. Oktober 2007 nach § 44 SGB X zurückzunehmen. Die Rente sei in zutreffender Höhe festgestellt worden. Das Arbeitsamt habe hinsichtlich der Zeit vom 15. August 1999 bis 31. August 2003 keine Arbeitslosigkeit bestätigt, so dass diese Zeit nicht als Anrechnungszeit berücksichtigt werden könne. Der Widerspruch des Klägers war ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 25. März 2011). Der Kläger erhob daraufhin Klage beim SG und beantragte, die Zeit vom 15. August 1999 bis 31. August 2003 als Anrechnungszeit zu berücksichtigen. Zur Begründung trug er vor, das Arbeitsamt habe die Bewilligung von Arbeitslosenhilfe zwar rückwirkend aufgehoben. Diese Entscheidung sei aber unzutreffend und für die Beklagte nicht bindend. Er habe in der gesamten Zeit dem Arbeitsmarkt zur Verfügung gestanden. Die Beklagte habe Beiträge vereinnahmt. Die Erstattungsforderung gegen ihn werde von der Arbeitsverwaltung nicht weiterverfolgt. Dies stelle ein Verzicht dar, der von ihm angenommen worden sei. Das SG wies die Klage mit Gerichtsbescheid vom 15. April 2013 ab (S 8 R 2529/11). Aus den Feststellungen in den rechtskräftigen Urteilen zur Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosenhilfe folge, dass der Kläger im streitigen Zeitraum nicht arbeitslos gewesen sei. Außerdem liege es nicht in der Kompetenz der Beklagten, die Rechtmäßigkeit von Bescheiden der Arbeitsverwaltung zu überprüfen. Dass die Erstattungsforderung wegen drohender Hilfebedürftigkeit niedergeschlagen worden sei, ändere nichts. Seine hiergegen eingelegte Berufung (L 13 R 2272/13) nahm der Kläger im Termin zur Erörterung der Rechts- und Sachlage am 9. Oktober 2013 wieder zurück.

Am 31. Januar 2014 beantragte der Kläger bei der Beklagten erneut die Überprüfung seiner Rente und legte erneut das Schreiben der Techniker Krankenkasse vom 27. September 2010 vor.

Mit Bescheid vom 26. Februar 2014 lehnte es die Beklagte ab, den Rentenbescheid vom 30. September 2005 zurückzunehmen. Es sei weder das Recht unrichtig angewandt noch von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen und die Rente in zutreffender Höhe festgestellt worden. Auf den Gerichtsbescheid des SG werde verwiesen. Bei der Rentenberechnung seien alle nachgewiesenen bzw. glaubhaft gemachten Beitragszeiten, Ersatzzeiten und Anrechnungszeiten berücksichtigt worden.

Hiergegen legte der Kläger am 14. März 2014 Widerspruch ein und machte zuletzt geltend, dass u.a. die Zeit vom 15. August 1999 bis 31. August 2003 als Beitragszeit berücksichtigt werden müsse.

Mit Widerspruchsbescheid vom 3. Juni 2014 wies die Widerspruchstelle der Beklagten den Widerspruch zurück. Die Zeit vom 15. August 1999 bis 31. August 2003 könne weiterhin nicht als Anrechnungs- oder Beitragszeit berücksichtigt werden, weil die Bewilligung von Arbeitslosenhilfe rückwirkend aufgehoben worden sei. Das SG habe dies im Gerichtsbescheid vom 15. April 2013 bereits entschieden.

Am 10. Juni 2014 erhob der Kläger beim SG Klage. Er begehrte, die Zeit vom 15. August 1999 bis 31. August 2003 als Beitragszeit anzuerkennen und trug zur Begründung vor, er habe sich im fraglichen Zeitraum dem Arbeitsmarkt zur Verfügung gestellt. 1.200 Bewerbungen habe er ohne Erfolg geschrieben. Er habe sich nichts zu Schulden kommen lassen. Die Vorwürfe gegen ihn seien haltlos.

Die Beklagte trat der Klage unter Verweis auf Ihre Bescheide entgegen.

Mit Gerichtsbescheid vom 23. Mai 2017 wies das SG die Klage ab und führte zur Begründung aus, der angefochtene Bescheid sei rechtmäßig und verletze den Kläger nicht in seinen Rechten. Die Zeit vom 15. August 1999 bis 31. August 2003 sei weder als Beitragszeit noch als Anrechnungszeit zu berücksichtigen. Eine Beitragszeit scheide aus, weil der Kläger im fraglichen Zeitraum weder Pflichtbeitragszeiten zurückgelegt noch freiwillige Beiträge entrichtet habe. Auch eine Berücksichtigung als Anrechnungszeit komme nicht in Betracht. Anrechnungszeiten seien nach § 58 Abs. 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) Zeiten, in denen Versicherte wegen Arbeitslosigkeit bei einer deutschen Agentur für Arbeit als Arbeitssuchende gemeldet waren und eine öffentlich-rechtliche Leistung bezogen oder nur wegen des zu berücksichtigen Einkommens oder Vermögens nicht bezogen haben. Zwar habe der Kläger zunächst Arbeitslosenhilfe bezogen. Die Bewilligungsbescheide seien jedoch rückwirkend wieder aufgehoben worden, weil der Kläger nicht arbeitslos gewesen sei. Die Entscheidungen seien rechtskräftig. Der Kläger habe damit keine öffentlich-rechtliche Leistung bezogen. Grund hierfür sei nicht zu berücksichtigendes Einkommen oder Vermögen gewesen, sondern das Fehlen der Arbeitslosigkeit. An die Entscheidung der Arbeitsverwaltung sei die Beklagte gebunden.

Gegen den seinem Prozessbevollmächtigen am 1. Juni 2017 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 26. Juni 2017 beim LSG Baden-Württemberg Berufung eingelegt und zur Begründung vorgetragen, er habe im fraglichen Zeitraum Anspruch auf Arbeitslosenhilfe gehabt. Die Voraussetzungen hätten vorgelegen. Insoweit werde auf den bisherigen Vortrag Bezug genommen. Unabhängig davon, sei der streitige Zeitraum als Beitragszeit zu berücksichtigen. Pflichtbeitragszeigen nach § 55 Abs. 1 SGB VI lägen vor, wenn Pflichtbeiträge gezahlt worden seien. Nach § 3 Abs. 1 Nr. 3 SGB VI in der damaligen Fassung sei er aufgrund des Bezugs von Arbeitslosenhilfe versicherungspflichtig in der gesetzlichen Rentenversicherung gewesen. Auf dieser Grundlage seien vom Träger der Arbeitsförderung Beiträge wirksam gezahlt worden. Die rückwirkende Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosenhilfe sei unschädlich. Vor der Aufhebung und Rückforderung der Arbeitslosenhilfe habe er bereits einen Rentenantrag mit Rentenbeginn ab 1. Juni 2003 gestellt gehabt. Da mit diesem Rentenbeginn die Voraussetzungen für eine Altersrente vorgelegen hätten, sei das Stammrecht und damit sein Rentenanspruch mit der Antragstellung bereits entstanden gewesen. Nach der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 15. Mai 1984 – 12 RK 7/83 – juris) seien rückwirkende Veränderungen grundsätzlich unbeachtlich, weil das Bestehen von Versicherungsschutz im jeweiligen Zeitpunkt klar erkennbar sein müsse. Selbst wenn davon auszugehen sei, dass die Beiträge zu Unrecht entrichtet worden seien, ändere dies nichts daran, dass die Beiträge gleichwohl als zu Recht entrichtet gelten würden (§ 26 Abs. 1 SGB Viertes Buch Sozialgesetzbuch [SGB IV]). Nach Aktenlage seien die Beiträge nicht an den Träger der Arbeitsförderung erstattet worden. Auch sei die Beitragszahlung nicht von der Beklagten beanstandet worden. Hilfsweise sei die streitgegenständliche Zeit als Anrechnungszeit zu berücksichtigen. Die Beklagte sei an die Entscheidung der Arbeitsverwaltung nicht gebunden. Bei Ermittlung des Sachverhalts werde sich ergeben, dass er tatsächlich arbeitslos gewesen sei.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 23. Mai 2017 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 26. Februar 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 3. Juni 2014 zu verurteilen, den Rentenbescheid vom 22. November 2005 in der Fassung des Rentenbescheids vom 16. Oktober 2007 teilweise zurückzunehmen und ihm ab 1. Januar 2010 höhere Altersrente unter Anerkennung der Zeit vom 15. August 1999 bis 31. März 2003 als Beitragszeit, hilfsweise als Anrechnungszeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend. Der vom Kläger angeführten Rechtsprechung des BSG liege der Gedanke zugrunde, dass der Versicherungsschutz im jeweiligen Zeitpunkt klar erkennbar sein müsse und rückwirkende Veränderungen grundsätzlich unbeachtlich seien. Auf einen solchen Vertrauensschutz könne sich der Kläger jedoch nicht berufen, weil auch sein Vertrauen auf den Bestand der Bewilligung von Arbeitslosenhilfe keinen Schutz genieße.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Senatsakten, die Akten des SG sowie die von der Beklagten vorgelegte Verwaltungsakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

1. Die Berufung des Klägers ist zulässig. Der Kläger hat die Berufung form- und fristgerecht eingelegt. Die Berufung bedurfte nicht der Zulassung. Denn der Kläger begehrt höhere Leistungen für einen Zeitraum von mehr als einem Jahr (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG).

2. Gegenstand des Rechtsstreits ist das Begehren des Klägers auf Gewährung höherer Altersrente für langjährig Versicherte. Unmittelbar streitgegenständlich ist der Bescheid der Beklagten vom 26. Februar 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 3. Juni 2014, mit dem der Antrag des Klägers auf Überprüfung der Rentenhöhe abgelehnt wurde. Mittelbar streitgegenständlich ist damit der Rentenbescheid vom 22. November 2005 in der Fassung der Neuberechnung vom 16. Oktober 2007. Weitere Neuberechnungen sind nicht aktenkundig und werden von den Beteiligten nicht behauptet.

3. Die Berufung des Klägers ist unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 26. Februar 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 3. Juni 2014 ist rechtmäßig. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Änderung des Rentenbescheids vom 22. November 2005 in der Fassung der Neuberechnung vom 16. Oktober 2007 und Bewilligung einer höheren Rente unter Berücksichtigung der Zeit vom 15. August 1999 bis 31. März 2003 als Beitragszeit. Auch der hilfsweise geltend gemachte Anspruch auf Berücksichtigung der Zeit als Anrechnungszeit besteht nicht.

a) Rechtsgrundlage der vom Kläger begehrten Überprüfung des Rentenbescheids vom 22. November 2005 in der Fassung der Neuberechnung vom 16. Oktober 2007 ist § 44 SGB X. Gemäß § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsakts das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind.

b) Die Voraussetzungen des § 44 SGB X sind nicht erfüllt. Die Beklagte hat weder das Recht unrichtig angewandt noch ist sie von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen. Der Rentenbescheid vom 22. November 2005 in der Fassung der Neuberechnung vom 16. Oktober 2007 ist soweit er hier zur Überprüfung steht – rechtmäßig.

aa) Maßgeblich für das Begehren des Klägers auf höhere Altersrente sind die Regelungen der §§ 63 ff. SGB VI über die Rentenhöhe, in der am 1. Juni 2005 (Beginn der Altersrente) geltenden Fassung (§ 300 Abs. 3 SGB VI). § 300 Abs. 3 SGB VI greift auch dann ein, wenn wie hier – eine frühere Rentenbewilligung im Rahmen eines Verfahrens nach § 44 SGB X zu überprüfen ist (BSG, Urteil vom 1. Dezember 1999 – B 5 RJ 20/98 R – juris, Rn. 15 m.w.N.).

Nach § 63 Abs. 1 SGB VI richtet sich die Höhe einer Rente vor allem nach der Höhe der während des Versicherungslebens durch Beiträge versicherten Arbeitsentgelte und Arbeitseinkommen. Das in den einzelnen Kalenderjahren durch Beiträge versicherte Arbeitsentgelt und Arbeitseinkommen wird nach § 63 Abs. 2 Satz 1 SGB VI in Entgeltpunkte umgerechnet. Die Versicherung eines Arbeitsentgelts oder Arbeitseinkommens in Höhe des Durchschnittsentgelts eines Kalenderjahres (Anlage 1) ergibt nach § 63 Abs. 2 Satz 2 SGB VI einen vollen Entgeltpunkt. Der Monatsbetrag der Rente ergibt sich gemäß § 63 Abs. 6, § 64 Nr. 1 bis 3 SGB VI, wenn die unter Berücksichtigung des Zugangsfaktors ermittelten persönlichen Entgeltpunkte, der Rentenartfaktor und der aktuelle Rentenwert mit ihrem Wert bei Rentenbeginn miteinander vervielfacht werden. Entgeltpunkte werden für Beitragszeiten ermittelt (§ 70 Abs. 1 Satz 1 SGB VI).

bb) Die Beklagte hat unter Beachtung dieser Regelungen die Rentenhöhe zutreffend berechnet. Die streitgegenständliche Zeit vom 15. August 1999 bis 31. März 2003 erfüllt weder die Voraussetzungen einer Beitrags- noch einer Anrechnungszeit.

(1) Nach § 55 Abs. 1 Satz 1 SGB VI sind Beitragszeiten Zeiten, für die nach Bundesrecht Pflichtbeiträge (Pflichtbeitragszeiten) oder freiwillige Beiträge gezahlt worden sind. Um bei der Rentenberechnung als Beitragszeit berücksichtigt zu werden, ist nach dem eindeutigen Wortlaut erforderlich, dass Beiträge tatsächlich gezahlt sind. Pflichtbeiträge sind nur wirksam, wenn sie gezahlt werden, solange der Anspruch auf ihre Zahlung noch nicht verjährt ist (§ 197 Abs. 1 SGB VI).

Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung bei Beziehern von Arbeitslosenhilfe wurden im fraglichen Zeitraum vom Bund an die Beklagte gezahlt (§ 170 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI in der Fassung des Art. 6 Nr. 11 Arbeitsförderungsreformgesetz vom 24. März 1997, BGBl. I, S. 594). Jedoch ist entgegen der Annahme des Klägers – davon auszugehen, dass die Beiträge nachträglich wieder erstattet wurden. Dies entnimmt der Senat der Änderungsmitteilung der Arbeitsverwaltung vom 7. März 2005 im Meldeverfahren nach der Datenerfassungs- und Übermittlungsverordnung (§§ 38 Abs. 4, 14 DEÜV). Die Arbeitsverwaltung meldete den Kläger zum 14. August 1999 wegen Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit ab und stornierte damit die ursprüngliche Meldung. Die Benachrichtigung des Rentenversicherungsträgers über eine (nicht über ihn erfolgte) Erstattung (durch Aufrechnung gegen laufende Beitragszahlungen) nach § 211 Satz 3 SGB V erfolgt maschinell über die Stornierung der Meldung.

Infolge der Erstattung fehlt es mithin an einer Beitragszahlung im fraglichen Zeitraum. Die Berücksichtigung der streitgegenständlichen Zeit als Beitragszeit scheidet daher aus.

Aber selbst für den Fall, dass eine Erstattung tatsächlich nicht stattgefunden hat, kann die Zeit vom 15. August 1999 bis 31. März 2003 nicht als Beitragszeit berücksichtigt werden. Denn die Beitragszahlung erfolgte zu Unrecht (a). Außerdem hat die Beklagte die Rechtswirksamkeit der Beiträge beanstandet (b).

(a) Die Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung wurden zu Unrecht gezahlt. § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VI in der bis 31. Dezember 2004 geltenden Fassung sah vor, dass Personen in der Zeit, für die sie Arbeitslosenhilfe beziehen, in der gesetzlichen Rentenversicherung versicherungspflichtig sind, wenn sie im letzten Jahr vor Beginn der Leistung zuletzt versicherungspflichtig waren. Grundsätzlich ist dabei auf den Zeitpunkt des Bezugs der Leistungen abzustellen. Rückwirkende Änderungen im Leistungsbezug haben grundsätzlich keinen Einfluss auf die Versicherungspflicht (BSG, Urteil vom 13. Februar 1964 – 3 RK 66/59 – juris, Rn. 26 ff.; BSG, Urteil vom 18. Dezember 1980 – 8a RK 20/79 – juris, Rn. 20; BSG, Urteil vom 15. Mai 1984 – 12 RK 7/83 – juris, Rn. 15 ff.; BSG, Urteil vom 25. Januar 1995 – 12 RK 51/93 – juris, Rn. 19; LSG Berlin-Brandenburg vom 9. September 2010 – L 22 R 540/09 – juris, Rn. 26 ff.; Knorr in Schlegel/Voelzke, juris-PK, SGB VI, 2. Aufl. 2013, 1. Überarbeitung § 3 Rn. 69; Gürtner in Kasseler Kommentar, SGB VI § 3 Rn. 18; a.A. Fichte in Hauck/Noftz, SGB IV, § 3 Rn. 104). Grund für diese Kontinuität in der Versicherungspflicht ist das schutzwürdige Vertrauen des Leistungsempfängers in den mit der Beitragszahlung verbundenen Versicherungsschutz (vgl. BSG, Urteil vom 25. Januar 1995 – 12 RK 51/93 – juris, Rn. 23). Der Versicherte soll möglichst jederzeit wissen, ob er versichert ist, um gegebenenfalls durch anderweitige Versicherung Vorsorge treffen zu können. Das Vertrauen des Versicherten in die mit dem Leistungsbezug verbundene rentenversicherungsrechtliche Absicherung ist indes nicht schutzwürdig, wenn auch das Vertrauen auf den Bestand der Leistungsbewilligung keinen Schutz genießt (§§ 45 Abs. 2 Satz 3, 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 und 4 SGB X). Fehlt der Vertrauensschutz, gibt es aber keinen Grund den rückwirkenden Wegfall des Leistungsbezugs nicht auch auf die Versicherungspflicht zu erstrecken. In einem solchen Fall bewirkt die Aufhebung und Rückforderung der Leistung deshalb das rückwirkende Entfallen der Versicherungspflicht (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 24. Januar 2012 – L 13 R 4844/10 – juris, Rn. 17 f.; Knorr in Schlegel/Voelzke, juris-PK, SGB VI, 2. Aufl. 2013, 1. Überarbeitung § 3 Rn. 69). Die Beitragszahlung erfolgte dann zu Unrecht.

So liegt der Fall hier. Ein schutzwürdiges Vertrauen des Klägers in den mit der Bewilligung von Arbeitslosenhilfe verbundenen Versicherungsschutz kann nicht angenommen werden. Der Kläger hat in den jeweiligen Weiterbewilligungsanträgen vorsätzlich unvollständige Angaben gemacht, die zur rechtswidrigen Bewilligung und Auszahlung von Arbeitslosenhilfe führten. Der Senat entnimmt dies den Tatsachenfeststellungen in den bestandskräftigen Entscheidungen über die Aufhebung und Rückforderung der Arbeitslosenhilfe sowie dem Umstand, dass der Kläger wegen dieser vorsätzlichen falschen Angaben strafrechtlich belangt wurde (zur Zulässigkeit der Heranziehung von Tatsachenfeststellungen in anderen bestandskräftigen Entscheidungen, z.B. BSG, Beschluss vom 5. Mai 2010 – B 6 KA 32/09 B – juris, Rn. 9 m.w.N.).

(b) Die Rechtswirksamkeit der Beitragszahlung wurde von der Beklagten auch beanstandet. Die Beanstandung ist nicht an eine bestimmte Form gebunden (Zieglmeier in Kasseler Komm., SGB IV § 26 Rn. 10). Dem Sinn und Zweck der Beanstandung entsprechend genügt es, wenn der Versicherte erkennen kann, dass der Rentenversicherungsträger die Zahlung der Beiträge nicht anerkennt. Die Beklagte hat vorliegend bereits zu Beginn des Rentenverfahrens das Versicherungskonto des Klägers gesperrt, nachdem sie von der Arbeitsverwaltung erfahren hatte, dass die Aufhebung und Rückforderung der Arbeitslosenhilfe geprüft wird. In der ersten Bescheidung des Rentenantrags am 31. Oktober 2003 berücksichtigte sie dann auch die fragliche Zeit nicht als Beitragszeit. Auch in den folgenden Bescheiden gab sie jeweils zu erkennen, dass sie die Zeit vom 15. August 1999 bis 31. März 2003 nicht als Beitragszeit anerkennt. Die Beanstandung war auch zulässig; ein Fall, in dem der Versicherte Beanstandungsschutz genießt (vgl. § 26 Abs. 1 SGB IV), liegt nicht vor.

(2) Die Anerkennung des vom Kläger hilfsweise geltend gemachten Anrechnungszeittatbestandes wegen Arbeitslosigkeit scheidet ebenfalls aus. § 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VI bestimmt: Anrechnungszeiten sind Zeiten, in denen Versicherte wegen Arbeitslosigkeit bei einer deutschen Arbeitsagentur als Arbeitsuchende gemeldet waren und eine öffentlich-rechtliche Leistung bezogen oder nur wegen des zu berücksichtigenden Einkommens oder Vermögens nicht bezogen haben.

Nachdem die Bewilligung von Arbeitslosenhilfe rückwirkend aufgehoben und Leistungen erstattet wurden, fehlt es an einem "Bezug" öffentlich-rechtlicher Leistungen im maßgeblichen Zeitraum. Der Kläger bezog auch nicht nur wegen zu berücksichtigenden Einkommens oder Vermögens keine Arbeitslosenhilfe, sondern weil keine Arbeitslosigkeit vorlag. Entgegen der Ansicht des Klägers musste die Beklagte nicht selbst die Voraussetzungen für die Gewährung von Arbeitslosehilfe prüfen. Die Entscheidungen des zuständigen Hoheitsträgers, öffentlich-rechtliche Leistungen wegen Arbeitslosigkeit zu gewähren (oder wie hier aufzuheben und zurückzufordern), haben für den Rentenversicherungsträger Tatbestandswirkung (vgl. BSG, Urteil vom 18. Juli 1996 – 4 RA 69/95 – juris, Rn. 20).

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

4. Die Revision war nicht zuzulassen, da Gründe hierfür (§ 160 Abs. 2 SGG) nicht vorlagen.
Rechtskraft
Aus
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