S 16 KA 90/16

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Dortmund (NRW)
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
16
1. Instanz
SG Dortmund (NRW)
Aktenzeichen
S 16 KA 90/16
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Klage und Widerklage werden abgewiesen. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob die klagende Kassenärztliche Vereinigung gegen die beklagte Krankenkasse Anspruch hat auf Zahlung rückständiger Gesamtvergütung für die Quartale 1/2006 bis 2/2007. Die Beteiligten streiten weiter darüber, ob die Beklagte gegen die Klägerin Anspruch hat auf Erstattung überzahlter Gesamtvergütung für die Quartale 1 bis 4/2008. Die Beklagte ist Rechtsnachfolgerin der BKK Waldrich Siegen.

Grundlage der wechselseitig geltend gemachten Forderungen ist der zwischen der Klägerin und dem Landesverband der Betriebskrankenkassen NRW (jetzt: BKK Landesverband NORDWEST) geschlossene Gesamtvertrag-Ärzte vom 01.03.1983. § 25 Abs. 1 des Ver-trags hat folgenden Wortlaut:

"Die Gesamtvergütung wird vierteljährlich, und zwar 10 Tage nach Eingang der Mantel-rechnung, fällig. Die Krankenkassen leisten monatliche Abschlagszahlungen von je 32 v. H. der Ge-samtvergütung des entsprechenden Vorjahresquartals. Die Abschlagszahlungen werden bis zum 15. des folgenden Monats bewirkt."

Die Gesamtvergütung ist in Anlage 1 des Vertrags geregelt und wird für jedes Kalenderjahr neu gefasst.

Die am 26.04.2006 abgeschlossene Anlage 1 für das Jahr 2005 hat auszugsweise folgen-den Wortlaut:

"8. Rechnungslegung [ ]

8. 5 Die BKK’n erhalten von der KVWL die Budgetberechnungen einschl. Anlagen sowie die Nachverrechnungslisten und für das für das 1. Quartal 2005 die Sondernachweise über die abgerechneten Leistungen nach

&61485; der Vereinbarung über eine umweltmedizinische Diagnostik der Versicherten der Primärkassen, &61485; der Vereinbarung über die Betreuung und Schulung von Diabetikern in Schwer-punktpraxen, &61485; dem Strukturvertrag zur Förderung ambulanter krankenhausersetzender Operatio-nen, &61485; der Vereinbarung über die sozialpsychiatrische Versorgung von Kindern und Jugend-lichen, &61485; der Schmerztherapie-Vereinbarung, &61485; der Vereinbarung über die Durchführung strukturierter Behandlungsprogramme für Versicherte mit Diabetes mellitus Typ 2, &61485; der Vereinbarung über die Durchführung strukturierter Behandlungsprogramme für Versicherte mit Diabetes mellitus 1, &61485; der Vereinbarung über die Durchführung strukturierter Behandlungsprogramme zur Verbesserung der Versorgungssituation von Brustkrebs-Patientinnen, &61485; sowie der Vereinbarung über die Durchführung strukturierter Behandlungsprogram-me für Versicherte mit Koronarer Herzkrankheit. [ ]

8.6 die Betriebskrankenkassen erhalten im Rahmen des Datenträgeraustausches ent-sprechend der Technischen Anlage zum Vertrag über den Datenträgeraustausch, in der jeweils gültigen Version, folgende Dateien:

&61485; den Einzelfallnachweis (EFN), &61485; die Formblätter 3 (für das 1. Quartal 2005) &61485; ab dem 01.04.2005 über die Datenannahme und Verteilstelle (DAV) den Datensatz im xml-Format inkl. KT-Viewer

Im Übrigen gelten für die Abrechnungsunterlagen die Regelungen des Vertrages der KBV mit den Spitzenverbänden der Krankenkassen über den Datenaustausch auf Da-tenträgern (Anlage 6 zum BMV-Ä) in der jeweils gültigen Fassung.

8.7 Für Fremdarztfälle gilt das Formblatt 3 A als Honorarnachweis.

8.8 Die Betriebskrankenkassen erhalten für das 1. Quartal 2005 die Formblätter 3 in Papierform. Ab dem 01.04.2005 gilt grundsätzlich die Vereinbarung zum neuen bundes-einheitlichen Formblatt 3. Die Betriebskrankenkassen erhalten das Formblatt 3 in der neuen Version (inkl. KT-Viewer) von der KVWL auf CD-ROM. [ ]

9. Zahlungen der Betriebskrankenkassen

9.1 Die Gesamtvergütung wird vierteljährlich, und zwar jeweils 10 Tage nach Eingang der Formblätter 3 und 3 A bzw. ab dem 01.04.2005 nach Eingang des gültigen Daten-satzes im xml-Format inkl. KT-Viewer, fällig und ist auf das Konto der KVWL zu über-weisen.

9.2 Die Betriebskrankenkassen leisten grundsätzlich monatliche Abschlagszahlung in Höhe von 32 % der gezahlten Gesamtvergütung des jeweiligen Quartals des Vorjahres (Formblatt 3, bereichseigen und bereichsfremd, D 99 90 99 und F 99 90 99) bis zum 15. des nachfolgenden Monats. Die Beträge sind auf volle 100,00 Euro zu runden.

9.3 Das bis zum 31.03.2005 gültige Formblatt 3 sowie der ab dem 01.04.2005 einheit-lich gültige Datensatz im xml-Format einschl. KT-Viewer sind rechnungsbegründende Unterlagen.

9.4 Überzahlungen werden als Vorauszahlungen mit der nächsten Zahlung verrechnet.

9.5 kommt eine BKK mit den nach 9.1 und 9.2 fälligen Zahlungen in Verzug, sind von der BKK Verzugszinsen i.H.v. 5 % über dem Basiszinssatz zu leisten. Dies gilt nicht, soweit schriftlich geschlossene Stundungsvereinbarungen getroffen wurden."

Die am 25.07.2007 abgeschlossenen Anlage 1 für das Jahr 2006 hat auszugsweise folgen-den Wortlaut:

"6. Rechnungslegung [ ]

6.5 Die Betriebskrankenkassen erhalten von der KVWL

1. die Budgetberechnungen einschl. Anlagen. Anstelle der Sondernachweise werden Sondervereinbarungen, die Bestandteile der Gesamtvergütung regeln, im neuen vdx-KT-Viewer ausgewiesen.

2. Im Rahmen des Datenträgeraustausches folgende Dateien

&61485; die Einzelfallnachweise (EFN), &61485; die Formblatt 3 - Datensätze im xml-Format und &61485; die KT-Viewer auf CD-Rom.

Im Übrigen gelten für die Abrechnungsunterlagen die Regelungen des Vertrages der KBV mit den Spitzenverbänden der Krankenkassen über den Datenaustausch auf Da-tenträgern (Anlage 6 zum BMV-Ä) und Technischen Anlagen zum Vertrag über den Da-tenträgeraustausch in der jeweils gültigen Fassung. [ ]

7. Zahlungen der Betriebskrankenkassen

7.1 Die Gesamtvergütung wird vierteljährlich, und zwar jeweils 10 Tage nach Eingang der Formblätter 3 im xml-Format inkl. KT-Viewer fällig und ist auf das Konto der KVWL zu überweisen.

7.2 Die Betriebskrankenkassen leisten grundsätzlich monatliche Abschlagszahlung in Höhe von 32 % der gezahlten Gesamtvergütung des jeweiligen Quartals des Vorjahres bis zum 15. des nachfolgenden Monats. Die Beträge sind auf volle 100,00 Euro zu run-den.

7.3 Das Formblatt 3 im xml-Format einschl. KT-Viewer sind rechnungsbegründende Un-terlage."

Ziff. 7.4 und Ziff. 7.5 entsprechen inhaltlich Ziff. 9.4 und 9.5 der Vereinbarung des Vorjah-res.

Die am 29.04.2008 abgeschlossenen Anlage 1 für das Jahr 2007 hat auszugsweise folgen-den Wortlaut:

"7. Rechnungslegung [ ]

7.5 Die Betriebskrankenkassen erhalten von der KVWL

1. die Budgetberechnungen einschl. Anlagen. Anstelle der Sondernachweise werden Sondervereinbarungen, die Bestandteile der Gesamtvergütung regeln, im neuen vdx-KT-Viewer ausgewiesen.

2. Im Rahmen des Datenträgeraustausches folgende Dateien

&61485; die Einzelfallnachweise (EFN), &61485; die vorläufigen Formblatt 3 - Datensätze im xml-Format &61485; die vorläufigen KT-Viewer auf CD-Rom und &61485; nach Endabrechnung des Vertragszeitraumes die korrigierten KT-Viewer auf CD-Rom sowie die endgültigen Formblatt 3 - Datensätze im xml-Format."

Im Übrigen gelten für die Abrechnungsunterlagen die Regelungen des Vertrages der KBV mit den Spitzenverbänden der Krankenkassen über den Datenaustausch auf Da-tenträgern (Anlage 6 zum BMV-Ä) und Technischen Anlagen zum Vertrag über den Da-tenträgeraustausch in der jeweils gültigen Fassung. [ ]"

Ziff. 8.1 bis 8.5 entsprechen inhaltlich Ziff. 7.1 bis 7.5 der Vereinbarung für 2006.

Die Anlagen 1 für die Jahre 2005 bis 2007 enthalten jeweils eine Protokollnotiz, wonach die Anlagen zur Vermeidung eines vertragslosen Zustands vorläufig über die Vertragslaufzeit hinaus weitergelten, bis sie durch die Anlage für das Folgejahr ersetzt werden.

Die Klägerin forderte von der Beklagten und der BKK Waldrich Siegen für die streitgegen-ständlichen Quartale jeweils Abschlagszahlungen an. Daneben erteilte die Klägerin der Be-klagten und der BKK Waldrich Siegen für die streitgegenständlichen Quartale – spätestens im zweiten Quartal nach Ablauf des jeweiligen Abrechnungsquartals – eine vorläufige Ab-rechnung, wobei die Kennzeichnung als vorläufig in den rechnungsbegründenden Unterla-gen erfolgte, teilweise auch im Begleitschreiben. Die vorläufige Abrechnung für das Quartal 1/2007 ist am 26.09.2007 sowohl bei der Beklagten als auch bei der BKK Waldrich Siegen eingegangen, die vorläufige Abrechnung für das Quartal 2/2007 am 03.12.2007.

Mit Schreiben vom 31.08.2015 erteilte die Klägerin der Beklagten für die streitgegenständli-chen Quartale eine Endabrechnung unter Einbeziehung der BKK Waldrich Siegen. Die Endabrechnung endete mit einem Guthaben zugunsten der Klägerin für die Quartale, auf die sich die Klageforderung bezieht, in Höhe von insgesamt 164.999,61 EUR. Die Endab-rechnung endete mit einem Guthaben zugunsten der Beklagten für die Quartale 3/2007 bis 4/2008 in Höhe von insgesamt 11.761,29 EUR, wovon 7.545,63 EUR auf die Quartale 1 bis 4/2008 entfallen. Die Klägerin saldierte die zu ihren Gunsten und zu Gunsten der Beklagten bestehenden Guthaben und verlangte von der Beklagten Zahlung des zu Gunsten der Klä-gerin verbleibenden Guthabens von 153.238,32 EUR.

Die Beklagte erhob die Einrede der Verjährung. Zudem forderte sie die Klägerin fruchtlos auf, das Guthaben für die Quartale 1 bis 4/2008 an sie auszukehren.

Die Klägerin hat am 01.08.2016 Klage erhoben, mit der sie die Zahlung des nach Saldie-rung verbleibenden Guthabens erstrebt. Die Beklagte hat am 28.12.2016 Widerklage erho-ben, mit der sie die Auszahlung des von der Klägerin für die Quartale 1 bis 4/2008 errech-neten Guthabens erstrebt.

Die Klägerin hat wegen der Widerklageforderung ebenfalls die Einrede der Verjährung er-hoben.

Die Klägerin behauptet, dass die Aufteilung in eine vorläufige und eine endgültige Abrech-nung einer seit über 20 Jahren gelebten Übung entspreche. Für jedes der streitgegenständ-lichen Quartale habe es dementsprechend ein Begleitschreiben zu den vorläufigen Abrech-nungen der Klägerin vom Landesverband der Betriebskrankenkassen NRW gegeben, in dem auf die Vorläufigkeit hingewiesen worden sei. Auch habe die Beklagte – insoweit un-streitig, einer aus Rücksicht auf das vertragspartnerschaftliche Verhältnis abgegebenen Empfehlung des BKK Landesverbandes NORDWEST folgend – die Differenz aus der am 27.11.2013 erteilten Endabrechnung für die Quartale des Jahres 2005 beanstandungslos bezahlt. Die Verzögerung bei der Erteilung der endgültigen Abrechnung für die streitgegen-ständlichen Quartale sei zurückzuführen auf den verzögerten Abschluss der Honorarver-einbarungen für die jeweiligen Jahre, das System der Kopfpauschalen und eine EDV-Umstellung.

Die Klägerin meint, dass die von ihr geltend gemachten Vergütungsansprüche nicht verjährt seien. Der Lauf der Verjährung beginne erst mit Fälligkeit, wobei es für die Fälligkeit auf die Erteilung der endgültigen Abrechnung ankomme. Jedenfalls werde die Differenz zwischen vorläufiger und endgültiger Abrechnung erst fällig mit Erteilung der endgültigen Abrechnung. Nicht nur sei die Anlage 1 auszulegen vor dem Hintergrund der bisherigen Praxis, auf die die Klägerin habe vertrauen dürfen. Auch hätten die Beklagte und der Landesverband der Betriebskrankenkassen NRW konkludent ihr Einverständnis mit der Aufteilung in vorläufige und endgültige Abrechnung erklärt. Die von der Klägerin vertretene Ansicht stehe in Ein-klang mit den Regelungen in anderen Rechtsbereichen, wo die Fälligkeit an Rechnungser-teilung anknüpft. Sie entspreche auch der Billigkeit. Ein unendliches Hinausschieben der Endabrechnung sei nicht zu befürchten. Die Beklagte habe es in der Hand, die Klägerin zur Endabrechnung aufzufordern und so den Beginn der Verjährung herbeizuführen. Tue sie das nicht, habe sie haushaltsrechtliche Vorkehrungen für die spätere endgültige Abrech-nung zu treffen.

Die Klägerin meint in Bezug auf die Widerklage, dass der Beklagten der geltend gemachte Anspruch nicht zustehe. Dieser scheitere bereits an der in der jeweils maßgeblichen Anlage 1 zum Gesamtvertrag enthaltenen Regelung, wonach Überzahlungen mit Vorauszahlungen für künftige Quartale verrechnet werden. Zudem sei die Widerklageforderung unter Zugrun-delegung der Rechtsauffassung der Beklagten verjährt. Falls die Beklagte bis zur Erteilung der endgültigen Abrechnung Unkenntnis von dem Guthaben gehabt habe, beruhe dies auf grober Fahrlässigkeit.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 153.238,32 EUR nebst Zinsen i. H. v. 5 Pro-zentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte beantragt widerklagend,

die Klägerin zu verurteilen, an die Beklagte 7.545,63 EUR nebst Zinsen i. H. v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 28.12.2016 zu zahlen.

Die Klägerin beantragt,

die Widerklage abzuweisen.

Die Beklagte meint, die Klageforderung sei verjährt. Das für den Verjährungsbeginn maß-gebliche Ereignis sei die Erteilung der von der Klägerin als vorläufig angesehenen ersten Abrechnung.

In Bezug auf die Widerklageforderung behauptet die Beklagte, dass eine Verrechnung mit früheren Ansprüchen nicht erfolgt sei.

Die Beklagte meint in Bezug auf die Widerklageforderung, dass ihr insoweit ein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch zustehe. Dieser sei nicht verjährt. Der Lauf der Verjährung beginne mit Kenntnis. Kenntnis liege erst vor seit Erteilung der Endabrechnung.

Wegen des weitergehenden Sach- und Streitstands wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe:

Die Kammer entscheidet gemäß § 12 Abs. 3 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) in der Besetzung mit einem ehrenamtlichen Richter aus dem Kreis der Krankenkassen und einem ehrenamtlichen Richter aus dem Kreis der Vertragsärzte, weil es sich um eine Ange-legenheit des Vertragsarztrechts handelt.

Klage und Widerklage haben keinen Erfolg. Sie sind jeweils zulässig, insbesondere als all-gemeine Leistungsklage nach § 54 Abs. 5 SGG statthaft, im Fall der Widerklage i. V. m. § 100 SGG. Klage und Widerklage sind jedoch unbegründet.

Der Klägerin steht kein durchsetzbarer Anspruch auf die mit der Klage geltend gemachte Hauptforderung zu. Die Kammer geht zwar davon aus, dass der Klägerin ein Anspruch zu-steht auf Zahlung rückständiger Gesamtvergütung für die streitgegenständlichen Quartale in der von der Klägerin errechneten Höhe. Anspruchsgrundlage ist § 85 Abs. 1 des Sozial-gesetzbuchs Fünftes Buch (SGB V). Dabei legt die Kammer die Berechnung der Klägerin zugrunde. Eigener Ermittlungen der Kammer zur Höhe des Anspruchs bedarf es trotz des Amtsermittlungsgrundsatzes des § 103 SGG nicht. Denn der Amtsermittlungsgrundsatz gebietet nicht, dass das Gericht von den Beteiligten übereinstimmend vorgetragene bzw. von der jeweiligen Gegenseite nicht bestrittene Tatsachen anzweifelt und überprüft (Schmidt, in: Meyer-Ladewig u. a., SGG, 12. Auflage 2017, § 103 Rn. 7a). Der Vortrag der Klägerin zur Höhe der Gesamtvergütung ist unstreitig. Anhaltspunkte für eine Unrichtigkeit der zugrundeliegenden Tatsachen sind nicht ersichtlich.

Der Anspruch der Klägerin ist jedoch gemäß § 214 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) nicht durchsetzbar. Denn die Bestimmungen über die Wirkung der Verjährung finden über § 45 Abs. 2 des Sozialgesetzbuchs Erstes Buch (SGB I), der im Vertragsarztrecht entsprechend gilt (vgl. Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 15.06.2016, B 6 KA 22/15 R, juris, Rn. 38 f.), auch im Sozialrecht Anwendung (Groth, in: juris PraxisKommentar SGB I, 3. Auflage 2018, § 45 Rn. 44). Nach § 214 Abs. 1 BGB ist der Schuldner einer verjährten Forderung berechtigt, die Leistung zu verweigern. Die Beklagte hat die Einrede der Verjäh-rung erhoben. Der Anspruch der Klägerin auf Zahlung rückständiger Gesamtvergütung für die streitgegenständlichen Quartale ist verjährt. Das gilt zunächst für Ansprüche für die Quartale 1 und 2/2007 und demgemäß – erst recht – auch für die Ansprüche für die übri-gen streitgegenständlichen Quartale. Im Einzelnen:

Ansprüche für die Quartale 1 und 2/2007 sind verjährt mit Ablauf des 29.04.2012. Denn die Verjährungsfrist beträgt in entsprechender Anwendung von § 45 SGB I und § 113 Abs. 1 des Sozialgesetzbuchs Zehntes Buch, abweichend von § 195 BGB, im Vertragsarztrecht vier Jahre (vgl. BSG, Urteil vom 15.06.2016, B 6 KA 22/15 R, juris, Rn. 38; Urteil vom 10.05.1995, 6 RKa 17/94, juris, Rn. 15 ff.). Umstände, die vorliegend zu einer längeren Ver-jährungsfrist führen würden, sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Die Verjäh-rungsfrist begann zunächst mit Ablauf des 31.12.2007, begann jedoch am 29.04.2008 er-neut. Hemmung, Ablaufhemmung oder Neubeginn der Verjährung sind ansonsten nicht eingetreten.

Die Verjährungsfrist begann zunächst mit Ablauf des 31.12.2007, weil in entsprechender Anwendung des § 45 Abs. 1 SGB I die Verjährungsfrist mit dem Schluss des Jahres be-ginnt, in dem der Anspruch entstanden ist. Der Gesamtvergütungsanspruch ist für die Quartale 1 und 2/2007 im Jahr 2007 entstanden. Denn Entstehung meint Fälligkeit (Groth, a. a. O., § 45 Rn. 23; ebenso anhand von § 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB Schmidt-Räntsch, in: Erman, BGB, 15. Auflage 2017, § 199 Rn. 3). Der Gesamtvergütungsanspruch für das Quartal 1/2007 ist im Oktober 2007 fällig geworden, der Gesamtvergütungsanspruch für das Quartal 2/2007 im Dezember 2007. Dies folgt aus Ziff. 7.1 der gemäß Protokollerklä-rung und mangels rechtzeitigen Abschlusses einer Folgevereinbarung damals noch fortgel-tenden, § 23 Abs. 1 des Gesamtvertrags als Spezialvorschrift verdrängenden Anlage 1 für das Jahr 2006. Nach Ziff. 7.1 der Anlage 1 für das Jahr 2006 wird der Gesamtvergütungs-anspruch fällig zehn Tage "nach Eingang der Formblätter 3 im xml-Format inkl. KT-Viewer". Die vorläufigen Abrechnungsunterlagen für das Quartal 1/2007 sind am 26.09.2007 bei der Beklagten eingegangen, für das Quartal 2/2007 am 03.12.2007.

Zur Überzeugung der Kammer ist Fälligkeit hinsichtlich desjenigen Betrags, um den die Endabrechnung die vorläufige Abrechnung übersteigt, nicht erst eingetreten mit Erteilung der endgültigen Abrechnung. Sowohl der Gesamtvertrag als auch die Anlage 1 für das Jahr 2006 sehen keine vorläufige Abrechnung und keine Teilabrechnung vor. Sie gehen vielmehr davon aus, dass zeitnah ein Abschlag für das jeweilige Quartal gezahlt und in der Folgezeit lediglich eine (End-)Abrechnung erteilt wird. Diese Abrechnung bewirkt dann – wie auch eine formell, nicht aber unbedingt materiell ordnungsgemäße Arztrechnung nach § 12 Abs. 1 der Gebührenordnung für Ärzte (vgl. Bundesgerichtshof [BGH], Urteil vom 21.12.2006, III ZR 117/06, juris, Rn. 11 ff.) – insgesamt Fälligkeit. Wenn die Klägerin also eine vertraglich nicht vorgesehene vorläufige Abrechnung erteilt und dabei für sich in Anspruch nimmt, dass – wie bei der Endabrechnung – der geforderte Betrag nach Ablauf von zehn Tagen zu zah-len ist, muss die Klägerin nach dem Grundsatz von Treu und Glauben aus § 242 BGB, der auch im öffentlichen Recht gilt (vgl. BSG, Urteil vom 08.02.2006, B 6 KA 12/05 R, juris, Rn. 21; Urteil vom 14.12.2005, B 6 KA 17/05 R, juris, Rn. 20), hinnehmen, dass – ebenfalls wie bei der Endabrechnung – Fälligkeit auch hinsichtlich eines eventuell übersteigenden, noch nicht in Rechnung gestellten Betrags eintritt.

Dieses Ergebnis steht nicht in Widerspruch zu der Regelung in Ziff. 7.5 der Anlage 1 für das Jahr 2006. Danach müssen die Betriebskrankenkassen zwar Verzugszinsen zahlen, wenn sie mit fälligen Zahlungen in Verzug kommen. Das widersinnige Ergebnis, dass die Betriebskrankenkassen wegen der durch die vorläufige Abrechnung herbeigeführten Ge-samtfälligkeit Verzugszinsen für den noch nicht abgerechneten Teil der Gesamtvergütung bezahlen müssten, tritt jedoch deshalb nicht ein, weil den Betriebskrankenkassen hinsicht-lich des noch nicht abgerechneten Teils ein Zurückbehaltungsrecht entsprechend § 273 Abs. 1 BGB zusteht (zum Bestehen eines Zurückbehaltungsrechts bei fehlender Rech-nungserteilung BGH, Urteil vom 27.10.2011, I ZR 125/10, juris, Rn. 44). Solange ein Zu-rückbehaltungsrecht besteht, tritt auch Verzug nicht ein (Grüneberg, in: Palandt, BGB, 74. Auflage 2015, § 273 Rn. 20).

Der Einwand der Klägerin, dass es langjähriger Übung entspreche, zunächst vorläufig und dann endgültig abzurechnen, rechtfertigt nicht die Annahme, dass abweichend von der ge-samtvertraglichen Regelung die Verjährung nur hinsichtlich des in Rechnung gestellten Teils beginnen soll. Ein übereinstimmender dahingehender Wille der Beteiligten wäre auf-grund dieser Übung nur dann anzunehmen, wenn die Endabrechnungen auch in der Ver-gangenheit regelmäßig schon nach Ablauf von vier Jahren nach dem Schluss des Jahres der Erteilung der vorläufigen Abrechnungen übersandt worden wären, die Beteiligten also jedenfalls stillschweigend von einem abweichenden Verjährungsbeginn ausgegangen wä-ren. Dafür ist nichts vorgetragen oder sonst ersichtlich. Zwar hat die Beklagte beanstan-dungslos die Differenz aus der Endabrechnung für das Jahr 2005 beglichen. Dies begrün-det jedoch keine Regelmäßigkeit. Die Zahlung ist auch nicht Ausdruck einer Rechtsauffas-sung der Beklagten. Die Zahlung ist – wie sich aus der vorausgegangenen Empfehlung des BKK Landesverbandes NORDWEST ergibt – vielmehr aus Kulanz erfolgt.

Die Verjährungsfrist begann am 29.04.2008 erneut. Entsprechend § 45 Abs. 2 SGB I i. V. m. § 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB, beginnt die Verjährung erneut, wenn "der Schuldner dem Gläubiger gegenüber den Anspruch durch Abschlagszahlung, Zinszahlung, Sicherheitsleis-tung oder in anderer Weise anerkennt". In dem am 29.04.2008 erfolgten Abschluss der An-lage 1 für das Jahr 2007 ist ein Anerkenntnis des Anspruchs durch die Beklagte zu sehen. Zwar ist der Vertragsschluss zwischen der Klägerin und dem Landesverband der Betriebs-krankenkassen NRW erfolgt. Letzterer hat jedoch gemäß § 83 Satz 1 SGB V Abschluss-kompetenz für die Beklagte, so dass die Beklagte den Vertragsschluss gegen sich gelten lassen muss.

Sonstige Umstände, die nach § 45 Abs. 2 SGB I i. V. m. §§ 203 ff. BGB zur Hemmung, zur Ablaufhemmung oder zum Neubeginn der Verjährung geführt haben könnten, sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Insbesondere ist der Anlage 1 für das Jahr 2007 keine Regelung dahingehend zu entnehmen, dass der Verjährungsbeginn hinausgeschoben wird auf den Zeitpunkt der Erteilung der Endabrechnung. Zwar sieht die Anlage 1 für das Jahr 2007 unter Ziff. 7.5 erstmals neben der Endabrechnung auch eine vorläufige Abrechnung vor. Auch ist möglicherweise davon auszugehen, dass nach Ziff. 8.1 deshalb für vorläufige Abrechnung und Endabrechnung künftig Fälligkeit gesondert eintreten soll und demgemäß künftig die Verjährung gesondert zu bestimmen ist. Eine Übergangsregelung, wie sich dies auf die vor Abschluss der Anlage 1 für das Jahr 2007 zu laufen begonnene Verjährung auswirken soll, ist aber nicht getroffen worden, so dass es bei den gesetzlichen Regelun-gen des § 45 Abs. 2 SGB I i. V. m. §§ 203 ff. BGB verbleibt.

Nach dem Vorstehenden sind auch die Ansprüche der Klägerin für die vorangegangenen Quartale 1 bis 4/2006 verjährt. Denn die Verjährungsfrist ist gleich. Entscheidungserhebli-che Unterschiede in den Bestimmungen der Anlage 1 für die Vorjahre sind nicht zu erken-nen. Sämtliche für Beginn und Neubeginn der Verjährung maßgeblichen Ereignisse liegen zeitlich vor den insoweit maßgeblichen Ereignissen für die Quartale 1 und 2/2007. Weitere Ereignisse, die Einfluss auf den Lauf der Verjährung haben könnten, sind weder vorgetra-gen noch sonst ersichtlich.

Es mag dahinstehen, ob die Einrede der Verjährung auf Rechtsfolgenseite im Vertragsarzt-recht – wie bei direkter Anwendung des § 45 Abs. 1 SGB I (BSG, Urteil vom 15.06.2000, B 7 AL 64/99 R, juris, Rn. 21) – eine Ermessensentscheidung darstellt. Selbst wenn eine Er-messensentscheidung zu treffen sein sollte, sind Ermessensfehler nicht ersichtlich. Im Ver-tragsarztrecht wird wegen des Wirtschaftlichkeitsgebots der §§ 12 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1, 70 Abs. 1 Satz 2 SGB V, wegen des Grundsatzes der Wirtschaftlichkeit und Sparsam-keit aus § 105 Abs. 1 Nr. 2 i. V. m. § 7 Abs. 1 Satz 1 der Bundeshaushaltsordnung und weil die bei direkter Anwendung des § 45 Abs. 1 SGB I zugunsten des Leistungsberechtigten geltenden Grundsätze der §§ 1 ff. SGB I nicht einschlägig sind, regelmäßig von einer Er-messensreduzierung auf Null zugunsten der Erhebung der Einrede der Verjährung auszu-gehen sein. Umstände, die vorliegend eine andere Bewertung erfordern, sind weder vorge-tragen noch sonst ersichtlich. Die von der Klägerin behaupteten Verzögerungsgründe (ver-zögerter Abschluss der Honorarvereinbarungen für die jeweiligen Jahre, System der Kopf-pauschalen und EDV-Umstellung) sind aus Sicht der Kammer nicht geeignet, einen Zeitab-lauf von über acht Jahren zwischen dem Schluss des Abrechnungsquartals und der Ertei-lung der Endabrechnung zu begründen.

Es wird nicht verkannt, dass eine Ermessensbetätigung und ein Absehen von der Erhebung der Verjährungseinrede dann geboten sein mögen, wenn der Gläubiger bei Verjährungsbe-ginn von der Person des Schuldners und den den Anspruch begründenden Umständen noch keine Kenntnis hatte (vgl. Bundesregierung, Gesetzesbegründung, Bundestags-Drucksache 7/868, S. 30). Bei Verjährungsbeginn, also für die streitgegenständlichen Quar-tale spätestens mit Ablauf des Jahres 2007, hatte die Klägerin aber Kenntnis von der Per-son des Schuldners und den den Anspruch begründenden Umständen. Zwar mag die Kammer nicht ausschließen, dass die Klägerin den Gesamtvergütungsanspruch Ende 2007 noch nicht abschließend beziffern konnte. Das ist allerdings auch nicht erforderlich. Es muss – wie im Rahmen von § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB auch – genügen, dass der Gläubiger den Anspruch einigermaßen erfolgversprechend jedenfalls im Wege der Feststellungsklage geltend machen kann (BGH, Urteil vom 27.05.2008, XI ZR 132/07, juris, Rn. 32). Dazu wä-re die Klägerin für die Quartale 1 und 2/2007 Ende 2007 in der Lage gewesen, für die übri-gen streitgegenständlichen Quartale teilweise noch eher.

Die Klägerin hat auch keinen durchsetzbaren Anspruch auf die mit der Klage als Nebenfor-derung geltend gemachten Verzugszinsen. Weil die Hauptforderung verjährt ist, ist gemäß § 217 BGB auch die Nebenforderung verjährt.

Der Beklagten steht kein Anspruch auf die mit der Widerklage geltend gemachte Hauptfor-derung (mehr) zu. Es mag dahinstehen, ob der Beklagten zunächst ein Anspruch auf Er-stattung überzahlter Gesamtvergütung für die insoweit streitgegenständlichen Quartale in der von der Beklagten begehrten Höhe zustand. Dieser Anspruch ist jedenfalls gemäß § 389 BGB untergegangen. Denn die Vorschriften des BGB über die Aufrechnung finden auch im Vertragsarztrecht Anwendung (BSG, Urteil vom 23.03.2011, B 6 KA 14/10 R, juris, Rn. 13). Nach § 389 BGB bewirkt die Aufrechnung, dass Forderungen, soweit sie sich de-cken, als in dem Zeitpunkt erloschen gelten, in welchem sie zur Aufrechnung geeignet ei-nander gegenübergetreten sind. Die Forderung der Klägerin auf Zahlung rückständiger Ge-samtvergütung und der Anspruch der Beklagten auf Erstattung überzahlter Gesamtvergü-tung decken sich, weil die Höhe der Forderung der Klägerin die Höhe der Forderung der Beklagten übersteigt. Jedenfalls durch die im Rahmen der Klageschrift vorgenommene Saldierung ihrer Ansprüche auf Zahlung rückständiger Gesamtvergütung und der Ansprü-che der Beklagten auf Erstattung überzahlter Gesamtvergütung hat die Klägerin konkludent gemäß § 388 Satz 1 BGB die Aufrechnung mit ihren Ansprüchen gegenüber denjenigen der Beklagten erklärt. Die Voraussetzungen der Aufrechnung nach § 387 BGB waren gegeben. Die wechselseitigen Forderungen waren gleichartig. Die Forderung der Klägerin war fällig, die Forderung der Beklagten erfüllbar.

Der Wirksamkeit der Aufrechnung steht nicht entgegen, dass die zur Aufrechnung gestellte Forderung der Klägerin verjährt ist. Gemäß § 215 Alt. 1 BGB schließt die Verjährung die Aufrechnung nicht aus, wenn der Anspruch, mit dem aufgerechnet wird, in dem Zeitpunkt noch nicht verjährt war, in dem erstmals aufgerechnet werden konnte. Erstmals aufgerech-net werden konnte spätestens im Quartal 2/2009. Denn gemäß § 387 BGB kann der Schuldner – wie ausgeführt – aufrechnen, sobald die Forderung des Schuldners fällig und die Forderung des Gläubigers erfüllbar ist. Die Aufrechnung kann erfolgen ab dem späteren der beiden Zeitpunkte. Die zur Aufrechnung gestellten Forderungen der Klägerin sind – wie ebenfalls ausgeführt – zuletzt fällig geworden im Dezember 2007. Erfüllbarkeit des Erstat-tungsanspruchs der Beklagten für die Quartale bis 4/2008 ist gemäß § 271 Abs. 2 BGB sogleich mit Zahlung des vorläufigen Rechnungsbetrags eingetreten, also bei normalem Lauf der Dinge zuletzt im Quartal 2/2009. Zu diesem Zeitpunkt waren die Forderungen der Klägerin für alle streitgegenständlichen Quartale noch nicht verjährt. Für keines dieser Quartale waren seit dem Schluss des Jahres der Erteilung der vorläufigen Abrechnung mehr als vier Jahre vergangen.

Verzugszinsen ab 28.12.2016 stehen der Beklagten nicht zu. Ein solcher Anspruch ergibt sich insbesondere nicht aus § 291 Satz 1 Halbsatz 1 BGB (zur Anwendbarkeit dieser Norm im Vertragsarztrecht BSG, Urteil vom 28.09.2005, B 6 KA 71/04 R, juris, Rn. 38 ff.), weil die mit der Widerklage geltend gemachte Hauptforderung – wie ausgeführt – vor diesem Zeitpunkt untergegangen ist.

Die gemäß § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. § 161 Abs. 1 Alt. 1 der Verwaltungsge-richtsordnung (VwGO) zu treffende Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO. Die Kammer hat der Klägerin die Kosten des Rechtsstreits ganz auferlegt, weil die Beklagte nur zu einem geringen Teil unterlegen ist.
Rechtskraft
Aus
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