Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
32
1. Instanz
SG Cottbus (BRB)
Aktenzeichen
S 43 AS 1125/17 WA
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 32 AS 1645/18 NZB
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Berufung im Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 30. Juli 2018 wird zurückgewiesen. Die Beteiligten haben einander außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Klägerin begehrt vom Beklagten die Aufhebung eines Aufhebungs- und Erstattungsbescheides für Dezember 2009 in Höhe von 340 Euro.
Das Sozialgericht Cottbus hat mit Urteil vom 30. Juli 2018 die Klage abgewiesen: Der Bescheid vom 8. Januar 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. Februar 2015 sei rechtmäßig. Voraussetzung für eine Überprüfung sei, dass die Verfallsfrist des § 40 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) in der Fassung vom 26. Juli 2016 i. V. m. § 44 SGB X noch nicht abgelaufen sei. Dies sei jedoch der Fall. Der streitige Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 21. Dezember 2009 betreffend den Monat Dezember 2009 sei jedenfalls vor dem 31. Dezember 2009 bekanntgegeben worden, so dass die Frist ab dem 1. Januar 2010 zu laufen begonnen habe. Die Frist sei am 1. Januar 2014 abgelaufen. Der Überprüfungsantrag sei erst am 2. November 2014 und somit außerhalb der Frist gestellt worden. Auch wenn man vom Überprüfungsantrag zurückrechne und somit auf den 1. Januar 2014 abstelle, seien Leistungen nur ab dem 1. Januar 2010 überprüfbar. Eine Überprüfung des Aufhebungs- und Erstattungsbescheides scheitere daher bereits an der vierjährigen Verfallsfrist. § 40 Abs. 1 Satz 2 SGB II sei auch auf Überprüfungsanträge anzuwenden, die vor dem 1. August 2016 gestellt worden seien, da es an einer Übergangsvorschrift im SGB II fehle. Ändere sich nach Erlass des Verwaltungsakts das für diesen maßgebliche Recht, so habe die Sozialgerichtsbarkeit das neue Recht vom Zeitpunkt des Inkrafttretens anzuwenden. Auch die Grundsätze des intertemporalen Rechts geböten keine andere Bewertung. Nach diesen Vorschriften richte sich bei Fehlen von Übergangsvorschriften der Sachverhalt grundsätzlich nach dem Recht, das zurzeit der anspruchsbegründenden Ereignisse oder Umstände gegolten habe, soweit nicht später in Kraft getretenes Recht stillschweigend oder ausdrücklich etwas anderes vorschreibe. Danach habe der Gesetzgeber jedenfalls stillschweigend eine sofortige Anwendung des § 40 Abs. 1 SGB II angeordnet. Der Wille des Gesetzgebers zur Anwendung des § 40 Abs. 1 Satz 2 SGB II komme insbesondere in der Bundestag-Drucksache 18/8909 S. 33 zum Ausdruck. Hier habe der Gesetzgeber nicht gewollt, dass aufgrund der Urteile des Bundessozialgerichts (BSG) vom 12. Dezember 1996 - 11 RAr 31/96 und vom 13. Februar 2014 – B 4 AS 19/13 R Aufhebungs- und Erstattungsbescheide 30 Jahre lang verpflichtend zu überprüfen seien. Dieses Ergebnis sei nach der Gesetzesbegründung für den Bereich der Fürsorgeleistungen unbefriedigend und stelle aufgrund der Ausgestaltung der Fürsorgeleistungen im SGB II einen enorm hohen Verwaltungsaufwand für die Jobcenter dar. Diese stelle klar, dass der Gesetzgeber immer davon ausgegangen sei, dass die Verfallsklausel des § 44 Abs. 4 SGB X auch auf Aufhebungs- und Erstattungsbescheide Geltung habe entfalten sollen und eine Neuregelung nur deshalb notwendig geworden sei, weil die höchstrichterliche Rechtsprechung eine andere Auslegung vorgenommen habe. Der Gesetzgeber habe daher eine klarstellende Regelung in § 40 Abs. 1 Satz 2 SGB II geschaffen, die eine rückwirkende Inhaltsbestimmung innerhalb bisher durchaus möglicher Auslegungen einer Vorschrift darstelle. Die Grundsätze des intertemporalen Rechts seien aufgrund des eindeutigen gesetzgeberischen Willens nicht anwendbar. Die Vorschrift sei daher zwingend ab dem 1. August 2016 in noch anhängigen Verfahren (im Rahmen der grundsätzlich zulässigen "unechten Rückwirkung") anzuwenden. Das Gesetz sei verfassungskonform. Einer verfassungskonformen Auslegung dahingehend, dass für Anträge von Beteiligten, die nach dem bisherigen Verfahrensrecht eine schutzwürdige Position erlangt hätten, die es nach dem neuen Verfahrensrecht nicht mehr gebe, das alte Recht Anwendung finden solle - aus den rechtsstaatlichen Grundsätzen der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes - , bedürfe es daher nicht.
II.
Die zulässige Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Berufung ist unbegründet, denn die Voraussetzungen für die Zulassung der Berufung liegen nicht vor.
Nach § 144 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ist die Berufung zuzulassen, wenn 1. die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, 2. das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder 3. ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung, wenn die Streitsache eine bisher nicht geklärte Rechtsfrage des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts aufwirft, deren Klärung im allgemeinen Interesse liegt, um die Rechtseinheit zu erhalten oder die Weiterentwicklung des Rechts zu fördern. Diese Rechtsfrage muss im konkreten Rechtsstreit klärungsbedürftig und klärungsfähig sein (Meyer Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, Sozialgerichtsgesetz, Kommentar, 12. Auflage, § 144 Rdnr. 28; Kummer, Neue Zeitschrift für Sozialrecht [NZS] 1993, 337, 341/342). Klärungsfähig ist eine Rechtsfrage, soweit sie im Falle der Zulassung der Berufung insbesondere entscheidungserheblich wäre (vgl. auch Bundessozialgerichts – BSG -, Beschlüsse vom 29. November 2006 – B 6 KA 23/06 B, vom 27. Juli 2006 – B 7a AL 52/06 B, vom 24. Mai 2007 – B 3 P 7/07 B, vom 19. September 2007 – B 1 KR 52/07). Auch bei fehlender gesicherter Rechtsprechung ist die Rechtsfrage nicht klärungsbedürftig, wenn die Antwort praktisch außer Zweifel steht (BSG, Beschluss vom 04. Juni 1975 – 11 BA 4/75, abgedruckt in BSGE 40, 40 = SozR 1500 § 160 a Nr. 4; BSG, Beschluss vom 22. August 1975 – 11 BA 8/75, abgedruckt in BSGE 40, 158 = SozR 1500 § 160 a Nr. 11), sie insbesondere unmittelbar dem Gesetz zu entnehmen ist oder sie überhaupt oder so gut wie unbestritten ist (BSG, Beschluss vom 14. August 1981 – 12 BK 15/81, abgedruckt in SozR 1300 § 13 Nr. 1).
Eine Abweichung liegt vor, wenn der Entscheidung des Sozialgerichts eine Rechtsauffassung zugrunde liegt, die zu einer aktuellen, inzwischen nicht überholten älteren Rechtsansicht eines dem Sozialgericht übergeordneten Gerichts im Widerspruch steht und die Entscheidung des Sozialgerichts auf dieser Abweichung beruht (Meyer Ladewig, a. a. O., § 144 Rdnr. 30, § 160 Rdnr. 10 ff; Kummer, a. a. O., Seite 342). Abweichung bedeutet Widerspruch im Rechtssatz oder das Nichtübereinstimmen tragender abstrakter Rechtssätze, die zwei Urteilen zugrunde gelegt worden sind. Nicht die Unrichtigkeit der Entscheidung im Einzelfall, sondern die Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen begründet die Zulassung wegen Abweichung (BSG, Beschluss vom 18. März 2014 - B 12 R 37/13 B, zitiert nach juris; BSG, Beschluss vom 14. Februar 2014 - B 3 P 19/13 B, zitiert nach jurisunter Hinweis auf u. a. BSG, Beschluss vom 29. November 1989 - 7 BAr 130/88, abgedruckt in BSG SozR 1500 § 160a Nr. 67; vgl. auch Meyer-Ladewig, a.a.O., § 160 Rdnr. 13).
Ein Verfahrensmangel ist gegeben, wenn infolge einer unrichtigen Anwendung oder Nichtanwendung einer Vorschrift, die das sozialgerichtliche Verfahren regelt, das Verfahren des Sozialgerichts bis zum Erlass einschließlich des Urteils fehlerhaft abgelaufen ist. Ein Verfahrensmangel liegt nicht vor, wenn unter anderem die Anwendung des materiellen Rechts oder die Beweiswürdigung fehlerhaft ist (Meyer Ladewig, a. a. O., § 144 Rdnr. 32, 34a, 32a, 36, 37, 35; Kummer, a. a. O., Seite 342).
Die genannten Voraussetzungen sind nicht erfüllt. Die Rechtssache hat insbesondere keine grundsätzliche Bedeutung. Die Antwort steht unter Berücksichtigung höchstrichterlicher Rechtsprechung praktisch außer Zweifel.
Nach § 40 Abs. 1 SGB II in der aufgrund des Gesetzes vom 26. Juli 2016 (BGBl I 2016, 1824) ab 1. August 2016 geltenden Fassung gilt: Für das Verfahren nach diesem Buch gilt das SGB X. Abweichend von Satz 1 gilt § 44 SGB X mit der Maßgabe, dass 1. rechtswidrige nicht begünstigende Verwaltungsakte nach den Absätzen 1 und 2 nicht später als vier Jahre nach Ablauf des Jahres, in dem der Verwaltungsakt bekanntgegeben wurde, zurückzunehmen sind; ausreichend ist, wenn die Rücknahme innerhalb dieses Zeitraums beantragt wird, 2. anstelle des Zeitraums von vier Jahren nach Absatz 4 Satz 1 ein Zeitraum von einem Jahr tritt.
Nach der Gesetzesbegründung (Bundestag-Drucksache 18/8909, S. 33) wird mit der Regelung des § 40 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB II folgender Zweck verfolgt: Mit § 40 Absatz 1 Satz 2 wird die Anwendung von § 44 SGB X auf die Bedürfnisse in der Grundsicherung für Arbeitsuchende angepasst. Mit der Regelung im ersten Halbsatz soll die nach § 44 SGB X bestehende Pflicht zur Rücknahme rechtswidriger nicht begünstigender Verwaltungsakte im Sinne des § 44 Absätze 1 und 2 SGB X zeitlich eingeschränkt werden. Ein angemessenes Verhältnis zwischen den Rechtsschutzinteressen der Betroffenen und den Trägern der Grundsicherung für Arbeitsuchende bleibt jedoch gewahrt. Hintergrund für diese Regelung sind die Entscheidungen des Bundessozialgerichts vom 12. Dezember 1996 – 11 Rar 31/96 – und 13. Februar 2014 – B 4 AS 19/13 – , nach denen die auf vier Jahre verkürzte Frist nach § 44 Absatz 4 SGB X auf nicht begünstigende Verwaltungsakte, die insbesondere (beispielsweise oder u. a.) die Aufhebung, Erstattung und den Ersatz von bereits erbrachten Leistungen verfügen, keine Anwendung findet. Somit greift die bisherige Regelung des § 40 Absatz 1 Satz 2 nicht. Dies hat zur Folge, dass solche Verwaltungsakte 30 Jahre lang verpflichtend zu prüfen, ggf. zurückzunehmen und bereits beglichene Forderungen zurückzuzahlen sind. Dieses Ergebnis ist für den Bereich der Fürsorgeleistungen unbefriedigend und stellt aufgrund der Ausgestaltung der Fürsorgeleistungen im SGB II einen enorm hohen Verwaltungsaufwand für die Jobcenter dar. Fürsorgeleistungen werden u. a. nur gewährt, soweit Hilfebedürftigkeit besteht. Aufgrund von Veränderungen von einerseits Bedarfen und/oder andererseits Einkommen unterliegen diese Leistungen häufigen Schwankungen. Vor diesem Hintergrund ist eine Anpassung der Bewilligungsentscheidungen an die jeweilig geänderten Verhältnisse häufig erforderlich. Da es sich bei Fürsorgeleistungen um existenzsichernde Leistungen handelt, sind diese monatlich im Voraus zu erbringen. Daraus folgt, dass die Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende auf den Eintritt wesentlicher Änderungen in den Verhältnissen eines erwerbsfähigen Leistungsberechtigten oftmals erst im Nachhinein reagieren und die Leistungen anhand der tatsächlichen Verhältnisse berechnen können. Es besteht über einen Zeitraum von vier Jahren die Möglichkeit, weiterhin neben den ordentlichen Rechtsbehelfen (Widerspruch), Rechtsmitteln (Klage) und der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand eine darüberhinausgehende Überprüfung der o. g. nicht begünstigenden Verwaltungsakte zu verlangen. Den Interessen der betroffenen Leistungsberechtigten wird damit ausreichend Rechnung getragen. Der zweite Halbsatz stellt klar, dass ein Verwaltungsakt auch außerhalb des Vierjahreszeitraumes zurückzunehmen ist, wenn ein entsprechender Antrag innerhalb dieses Zeitraumes gestellt wurde. Damit sollen Nachteile für die Betroffenen aufgrund der Bearbeitungszeit entsprechender Anträge verhindert werden. Kosten für die Aktenaufbewahrung können durch die Regelung gesenkt werden.
Diese Vorschrift erstreckt ihren zeitlichen Geltungsbereich nicht auf Zeiten vor dem 1. August 2016. Weder sieht das Gesetz dies vor, noch lässt sich dies der Gesetzesbegründung entnehmen. Es handelt sich somit nicht um eine rückwirkende Klarstellung des § 40 Abs. 1 SGB II in der Fassung vom 24. Dezember 2003 (BGBl. I 2003, 2954) und in der Fassung der Bekanntmachung vom 13. Mai 2011 (BGBl I 2001, 850). Ansonsten wäre zum einen die Erstreckung des zeitlichen Anwendungsbereichs des § 40 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB II auf den Zeitpunkt des erstmaligen Inkrafttretens dieser Vorschrift angezeigt gewesen. Um eine rückwirkende Klarstellung des § 44 Abs. 4 SGB X handelt es sich ohnehin nicht, denn eine solche hätte die Vorschrift des § 44 Abs. 4 SGB X selbst betreffen müssen. Schließlich könnte eine solche Klarstellung dem Rechtsstaatsprinzip für rückwirkende Rechtsetzung widersprechen (Bundesverfassungsgericht - BVerfG, Beschluss vom 17. Dezember 2013 – 1 BvL 5/08, Rdnrn. 53, 55, zitiert nach juris, abgedruckt in BVerfGE 135, 1), so dass schon deswegen der Gesetzgeber gehalten wäre, eine solche tatsächliche oder vermeintliche Klarstellung durch eine rückwirkende Rechtsetzung auch eindeutig kenntlich zu machen.
Der in der Gesetzesbegründung genannte Zweck ist in allen Fällen sofort zu erreichen, in denen nach dem 1. August 2016 ein Antrag auf Rücknahme gestellt oder ein entsprechendes Verwaltungsverfahren von Amts wegen eingeleitet wird. Die besondere Bedeutung, die dem Antrag für den Zeitraum von vier Jahren beigemessen wird, macht im Übrigen deutlich, dass Rechtsnachteile vermieden werden sollen, die aufgrund der Bearbeitungszeit eintreten. Dieser Gesichtspunkt ist mithin auch für Anträge, die vor dem Zeitpunkt des Inkrafttretens dieser Vorschrift zum 1. August 2016 bereits gestellt waren, insoweit wesentlich, als damit zum Ausdruck kommt, dass in durch einen solchen Antrag bereits begründete Rechte nicht eingegriffen werden soll. Auf Verwaltungsverfahren, die aufgrund eines solchen Antrages bereits vor dem 1. August 2016 anhängig waren, findet mithin die Vorschrift keine Anwendung.
Die vom Sozialgericht zitierte Kommentierung bei Merten in BeckOK Sozialrecht, Rolfs/Giesen/Kreikebohm/Udsching (jetzt Stand: 01.12.2018, SGB II § 40, Rdnr. 5) steht dem nicht entgegen, denn dort wird der Sachverhalt eines bei Inkrafttreten der Neuregelung bereits anhängigen Verwaltungsverfahrens auf Rücknahme nach § 44 SGB X überhaupt nicht kommentiert; vielmehr heißt es dort bezogen auf § 40 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 2. Halbsatz SGB II und die Bundestag-Drucksache 18/8909, S. 33: Um zu verhindern, dass die Frist während des Überprüfungsverfahrens abläuft, lässt es diese Vorschrift ausreichen, dass die Überprüfung innerhalb der Frist beantragt wird, weil so Nachteile für die Betroffenen vermieden werden, die aus der Bearbeitungszeit des zuständigen SGB II-Trägers resultieren können.
Die Anwendung des zum 1. August 2016 in kraft getretenen § 40 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB II erst auf danach eröffnete Verfahren nach § 44 SGB X entspricht den Grundsätzen einerseits dem Geltungszeitraumprinzip und andererseits sowohl dem materiellen als auch dem verfahrensrechtlichen intertemporalen Recht.
Dem Recht des SGB II liegt das sog. Geltungszeitraumprinzip zugrunde, wie dies z. B. in § 66 Abs. 1 SGB II zum Ausdruck kommt.
Nach § 66 Abs. 1 SGB II gilt: Wird dieses Gesetzbuch geändert, so sind, soweit nichts Abweichendes bestimmt ist, auf Leistungen zur Eingliederung in Arbeit bis zum Ende der Leistungen oder der Maßnahme die Vorschriften in der vor dem Tag des Inkrafttretens der Änderung geltenden Fassung weiter anzuwenden, wenn vor diesem Tag 1. der Anspruch entstanden ist, 2. die Leistung zuerkannt worden ist oder 3. die Maßnahme begonnen hat, wenn die Leistung bis zum Beginn der Maßnahme beantragt worden ist.
Zwar ist eine frühere, durch eine Änderung des Gesetzes abgelöste alte Fassung des Gesetzes kein aktuell geltendes Recht mehr. Aufgrund der gesetzlichen Konzeption der Übergangsvorschriften im SGB II, die Ausdruck des aus dem Rechtsstaatsprinzip nach Art 20 Abs. 3 Grundgesetz (GG) folgenden Grundsatz des Vertrauensschutzes auch bei Rechtsänderungen sind, ist jedoch im SGB II vom sog. Geltungszeitraumprinzip auszugehen, nach dem das Recht anzuwenden ist, das zu der Zeit galt, in der die maßgeblichen Rechtsfolgen eingetreten sind, wenn es an einer speziellen Regelung mangelt. Denn das SGB II dient der Deckung einer aktuellen Bedarfslage im jeweiligen Zeitpunkt, wie zahlreiche Regelungen belegen (BSG, Urteil vom 19. Oktober 2016 – B 14 AS 53/15 R, Rdnr. 15, m. w. N. unter Hinweis auf § 66 SGB, zitiert nach juris, abgedruckt in SozR 4-4200 § 11 Nr. 78).
Nach dem sog. Geltungszeitraumprinzip erfasst neues Recht zwar immer schon dann den Sachverhalt, wenn die maßgeblichen Rechtsfolgen in den zeitlichen Geltungsbereich des neuen Rechts fallen. Neues Recht ist also auch auf solche Leistungen anwendbar, die bereits vor der Rechtsänderung erbracht worden sind, vorausgesetzt, die Rechtsfolgen treten erst nach der Änderung der Rechtsvorschrift ein (BSG Urteil vom 12. Mai 2011 - B 11 AL 24/10 R, Rdnr. 22, zitiert nach juris, abgedruckt in SozR 4-1300 § 107 Nr. 4). Bereits vor der Rechtsänderung eingetretene Rechtswirkungen (Rechtsfolgen) werden deshalb grundsätzlich mit Inkrafttreten des neuen Rechts nicht mehr erfasst. Denn eine derartige - generell rückwirkende - Erstreckung auf solche Rechtswirkungen bezweckt das Gesetz nicht (BSG Urteil vom 6. Februar 2003 - B 7 AL 72/01 R, Rdnr. 14, zitiert nach juris, abgedruckt in SozR 4-4100 § 119 Nr. 1).
Nach den Grundsätzen des intertemporalen Verwaltungsrechts, auf die bei Fehlen besonderer Übergangs- oder Überleitungsvorschriften zurückzugreifen ist, richtet sich die Beurteilung eines Sachverhalts grundsätzlich nach dem Recht, das zur Zeit der anspruchsbegründenden Ereignisse oder Umstände (hier der Leistungsgewährung) gegolten hat, soweit nicht später in Kraft getretenes Recht ausdrücklich oder stillschweigend etwas anderes bestimmt. (BSG, Urteil vom 24. März 2009 – B 8 SO 34/07 R, Rdnr. 9, m. w. N., zitiert nach juris, abgedruckt in SozR 4-5910 § 111 Nr. 1).
Das vom Sozialgericht zitierte Urteil des BSG vom 20. Dezember 2012 – B 7 AY 5/11 R (zitiert nach juris) bestätigt dies. Nach den Grundsätzen des intertemporalen Rechts richtet sich bei Fehlen von Übergangs- und Überleitungsvorschriften die Beurteilung eines Sachverhalts grundsätzlich nach dem Recht, das zur Zeit der anspruchsbegründenden Ereignisse oder Umstände (hier die Leistungsgewährung, die den Erstattungsanspruch auslöst) gegolten hat, soweit nicht später in Kraft getretenes Recht ausdrücklich oder stillschweigend etwas anderes bestimmt (Rdnr. 24 unter Hinweis auf das o. g. Urteil des BSG vom 24. März 2009 – B 8 SO 34/07 R, Rdnr. 9).
Nach den allgemeinen Grundsätzen des intertemporalen Rechts ist ein Rechtssatz grundsätzlich nur auf solche Sachverhalte anwendbar, die nach seinem Inkrafttreten verwirklicht werden. Dementsprechend hat das Bundessozialgericht (BSG) in ständiger Rechtsprechung entschieden, dass sich die Entstehung und der Fortbestand sozialrechtlicher Ansprüche bzw. Rechtsverhältnisse nach dem Recht beurteilen, das zur Zeit der anspruchsbegründenden Ereignisse oder Umstände gegolten hat, soweit nicht später in Kraft getretenes Recht etwas anderes bestimmt (BSG, Urteil vom 27. August 2008 – B 11 AL 11/07 R, Rdnr. 13, m. w. N., zitiert nach juris, abgedruckt in SozR 4-4300 § 335 Nr. 1).
Ein Rechtssatz ist, wie auch § 300 Abs. 1 und 3 SGB VI zeigt, grundsätzlich nur auf solche Sachverhalte anwendbar, die nach seinem Inkrafttreten verwirklicht werden. Spätere Änderungen eines Rechtssatzes sind für die Beurteilung von vor seinem Inkrafttreten entstandenen Lebensverhältnissen regelmäßig unerheblich. Soweit ein Gesetz eine Rückbewirkung von Rechtsfolgen (echte Rückwirkung) auf einen Zeitraum vor seinem Inkrafttreten erstreckt, muss sich dies eindeutig aus seinem Wortlaut oder schlüssig aus seinem Zweck ergeben. Die Geltungszeit, d. h. die Spanne, in der die Anwendung des Gesetzes auf Sachverhalte überhaupt in Frage kommt, beginnt regelmäßig daher nicht vor dem Zeitpunkt, von dem ab die Rechtsfolgen des Gesetzes für die Normadressaten eintreten und seine Bestimmungen von den Behörden und Gerichten anzuwenden sind (BSG, Urteil vom 30. Januar 1997 – 4 RA 55/95, Rdnr. 17, abgedruckt in SozR 3-2600 § 300 Nr. 10).
Dies galt auch bereits vor der eben genannten Rechtsprechung: Grundsätzlich ist ein Rechtssatz nur auf solche Sachverhalte anwendbar, die nach seinem Inkrafttreten verwirklicht werden. Spätere Änderungen eines Rechtssatzes sind daher für die Beurteilung von vor seinem Inkrafttreten entstandenen Lebensverhältnissen unerheblich. Soweit ein Gesetz seine zeitliche Geltung auf einen Zeitraum vor seinem Inkrafttreten erstreckt, muss sich dies eindeutig aus seinem Wortlaut oder schlüssig aus seinem Zweck ergeben. Die Geltungszeit, d. h. die Spanne, in der die Anwendung des Gesetzes auf Sachverhalte überhaupt in Frage kommt, beginnt daher nicht vor dem Zeitpunkt, von dem ab die Rechtsfolgen des Gesetzes für die Normadressaten eintreten und seine Bestimmungen von den Behörden und Gerichten anzuwenden sind (BSG, Urteil vom 08. Oktober 1987 – 4b RV 47/86, Rdnr. 17, abgedruckt in BSGE 62, 191 = SozR 3100 § 1 Nr. 39).
Das weitere vom Sozialgericht zitierte Urteil des BSG vom 29. Mai 1956 – 6 RKa 14/54 (abgedruckt in BSGE 3, 95) bestätigt dies ebenfalls. Das BSG hat das sich während des Revisionsverfahrens zugunsten des dortigen Klägers geänderte Recht erst ab Inkrafttreten dieser Änderung auf den Sachverhalt angewandt (Rdnr. 22, zitiert nach juris).
Die genannten Grundsätze des materiellen intertemporalen Rechts gelten auch für verfahrensrechtliche Vorschriften, wie bereits das BSG (Beschluss vom 15. Dezember 1982 – GS 2/80 –, zitiert nach juris, abgedruckt in BSGE 54, 223 = SozR 1300 § 44 Nr. 3) zu den Regelungen des Art II (Übergangs- und Schlussbestimmungen zum Zehnten Buch Sozialgesetzbuch sowie weitere Änderungen von Gesetzen) § 37 Abs. 1 und § 40 Abs. 2 Sozialgesetzbuch (SGB) – Verwaltungsverfahren – vom 18. August 1980 (BGBl 1980, 1469) bezogen auf die Anwendbarkeit des SGB X (Art I dieses Gesetzes) entschieden hat.
Art II § 37 Abs. 1 SGB X lautet: Bereits begonnene Verfahren sind nach den Vorschriften dieses Gesetzes zu Ende zu führen
Art II § 40 Abs. 2 SGB X lautet: Artikel I §§ 44 bis 49 ist erstmals anzuwenden, wenn nach dem 31. Dezember 1980 ein Verwaltungsakt aufgehoben wird. Dies gilt auch dann, wenn der aufzuhebende Verwaltungsakt vor dem 1. Januar 1981 erlassen worden ist. Ausgenommen sind jedoch solche Verwaltungsakte in der Sozialversicherung, die bereits bestandskräftig waren und bei denen auch nach § 1744 der Reichsversicherungsordnung in der vor dem 1. Januar 1981 geltenden Fassung eine neue Prüfung nicht vorgenommen werden konnte.
Das BSG hat im Beschluss vom 15. Dezember 1982 - GS 2/80 – dazu Folgendes ausgeführt:
Die Wortfassung "bereits begonnene Verfahren zu Ende zu führen" gibt nach ihrem Sinngehalt zunächst nur den Maßstab an, wie laufende Verfahren abzuwickeln sind. Damit ist lediglich klargestellt, wie nach den allgemeinen Grundsätzen des intertemporären Kollisionsrechtes zu verfahren ist. Ist demnach Art II § 37 SGB X auch im gerichtlichen Verfahren heranzuziehen, erscheint gleichwohl fraglich, ob damit allein eine rückwirkende Anwendung der im SGB X enthaltenen materiellrechtlichen Vorschriften (Art I §§ 44 bis 49 SGB X) zu rechtfertigen ist. Die Überleitungsvorschrift legt sich selbst keine Rückwirkung bei (BSG, Beschluss vom 15. Dezember 1982 – GS 2/80, Rdnr. 13).
Die mit dem SGB X eingetretene Rechtsänderung erfasst jedoch rückwirkend den Streitgegenstand. Dieses Ergebnis ist nämlich - jedenfalls soweit Leistungen vor dem 1. Januar 1981 in Streit stehen und demnach eine Leistungs- bzw. Verpflichtungsklage anhängig ist - dem Art II § 40 Abs. 2 SGB X zu entnehmen. Liegen demnach Aufhebungsgründe nach dem 31. Dezember 1980 vor, können Verwaltungsakte auch für die Zeit vor dem 1. Januar 1981 zurückgenommen bzw. widerrufen werden. Mittelbar bestätigt dies auch Art II § 40 Abs. 2 Satz 3 SGB X, wonach von der Regelung in Satz 2 solche Verwaltungsakte ausgenommen sind, die bereits bestandskräftig waren und bei denen auch nach § 1744 RVO in der vor dem 1. Januar 1981 geltenden Fassung eine neue Prüfung nicht vorgenommen werden konnte. Der Gesetzgeber hat mit dieser Vorschrift dem Gebot des Vertrauensschutzes dadurch Rechnung getragen, dass die rückwirkende Anwendung neuen Rechts ausgeschlossen ist, wenn bereits nach altem Recht die Aufhebung eines bindenden, begünstigenden Verwaltungsaktes nicht bewirkt werden konnte. Diese Ausnahmeregelung bezieht sich deshalb nicht auf Fälle, in denen es - wie hier - um die Aufhebung eines bindend gewordenen Ablehnungsbescheides, also eines belastenden Verwaltungsaktes, geht (BSG, Beschluss vom 15. Dezember 1982 – GS 2/80, Rdnrn. 13, 14).
Die Rückwirkung, wie sie sich Art II § 40 Abs. 2 Satz 2 SGB X - wie ausgeführt - beigegeben hat, ist verfassungsrechtlich unbedenklich. Grundsätzlich ist die Rückwirkung einer für den Bürger belastenden gesetzlichen Vorschrift unvereinbar mit dem Gebot der Rechtsstaatlichkeit (Art 20 Abs. 3 GG), zu dessen Wesenselement die Rechtssicherheit gehört, die sich insbesondere in dem Vertrauensschutz manifestiert. Dennoch ist damit verfassungsrechtlich die Unabänderlichkeit einmal gegebener Verhältnisse und Rechtspositionen nicht gewährleistet. Das wäre auch mit der dem Gesetzgeber u. a. gestellten Aufgabe, das Recht fortzuentwickeln und den veränderten Verhältnissen anzupassen, unvereinbar. Es ist andererseits nicht zu verkennen, dass damit der Schutz des Bürgers in seinem Vertrauen auf den Bestand der rechtmäßig erworbenen Rechte in Widerstreit steht, wenn mit der Gesetzesänderung auch ein Eingriff in seine Rechtsposition verbunden ist. Diesen Konflikt versucht das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) dadurch zu lösen, dass es zwischen sogen "echter (retroaktiver)" und "unechter (retrospektiver)" Rückwirkung unterscheidet und daran unterschiedliche verfassungsrechtliche Folgen knüpft. Die unechte Rückwirkung, d. h. die Ordnung der gegenwärtigen noch nicht abgeschlossenen Sachverhalte und Rechtsbeziehungen nach neuem Recht von seinem Inkrafttreten an, ist grundsätzlich nicht verfassungswidrig, es sei denn, der Grundsatz des Vertrauensschutzes steht entgegen. Demgegenüber liegt die echte Rückwirkung vor, wenn das Gesetz nachträglich ändernd in abgewickelte, der Vergangenheit angehörenden Tatbestände eingreift, was im vorliegenden Streitfall teilweise zutrifft; sie ist mit der Verfassung grundsätzlich unvereinbar. Das Verbot echter Rückwirkung gilt jedoch nicht ausnahmslos. Die Rückwirkung ist nach den vom BVerfG entwickelten vier Sachverhaltsgruppen u. a. zulässig, sofern das Vertrauen auf eine bestimmte Rechtslage sachlich nicht gerechtfertigt ist. Das Vertrauen in die Beständigkeit der geltenden Rechtslage ist u. a. nicht schutzwürdig, wenn der Bürger nach der rechtlichen Situation in dem Zeitpunkt, auf den der Eintritt der Rechtsfolge vom Gesetz zurückbezogen wird, mit dieser Regelung rechnen musste (BSG, Beschluss vom 15. Dezember 1982 – GS 2/80, Rdnr. 16, m. w. N.).
Die Grenze der rückwirkenden Anwendung neuen Rechts liegt mithin dort, wo schon nach früheren Rechtsvorschriften die Aufhebung eines Bescheides nicht mehr bewirkt werden konnte. Wie bereits dargelegt, trägt der Gesetzgeber insoweit mit der in Art II § 40 Abs. 2 Satz 3 SGB X getroffenen Ausnahmeregelung dem Gebot des Vertrauensschutzes gebührend Rechnung (BSG, Beschluss vom 15. Dezember 1982 – GS 2/80, Rdnr. 18).
Die Begrenzung der rückwirkend der (dortigen) Klägerin zuerkannten Leistungen auf einen Zeitraum von vier Jahren ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Mit einer solchen Leistungseinschränkung wegen Verjährung musste die Klägerin rechnen; sie ist verfassungskonform. Leistungen der Sozialversicherung waren der Verjährung schlechthin unterworfen (BSG, Beschluss vom 15. Dezember 1982 – GS 2/80, Rdnr. 19). Infolge des mithin fehlenden Vertrauensschutzes ist Art I § 44 Abs. 4 SGB X rückwirkend anwendbar. Nach dieser Vorschrift werden, sofern ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden ist, Sozialleistungen nach den Vorschriften der besonderen Teile des SGB X längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht. Die Klägerin wird mit dieser Regelung gegenüber den sich aus einer Verjährung ergebenden Rechtsfolgen nicht schlechter, sondern im Gegenteil besser gestellt. Erfolgt nämlich die Rücknahme des rechtswidrigen nicht begünstigenden Verwaltungsaktes - wie hier - auf Antrag, so wird der Zeitpunkt der Rücknahme vom Beginn des Jahres an gerechnet, in dem der Antrag gestellt worden ist (BSG, Beschluss vom 15. Dezember 1982 – GS 2/80, Rdnr. 20).
Diese Rechtsprechung des BSG bedeutet hinsichtlich des § 40 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB II, der sich keine Rückwirkung beimisst, dass diese Regelung nicht auf ein vor dem 1. August 2016 infolge eines Überprüfungsantrags eingeleitetes und anhängiges Verwaltungsverfahren anwendbar ist, weil ansonsten der nach den Urteilen des Bundessozialgerichts vom 12. Dezember 1996 – 11 RAr 31/96 und vom 13. Februar 2014 – B 4 AS 19/13 bereits bestandene Anspruch auf Rücknahme beseitigt würde.
Das dargestellte Ergebnis wird durch die Rechtsprechung des BSG zur Anwendbarkeit des bis zum 30. April 2002 geltenden § 1 Abs. 3 Satz 3 Bundesversorgungsgesetz (BVG) bestätigt, wonach die Anerkennung einer Gesundheitsstörung als Folge einer Schädigung durch militärischen Dienst i. S. von Satz 1 a. a. O. und die hierauf beruhenden Verwaltungsakte mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen werden konnten, wenn unzweifelhaft feststand, dass die Gesundheitsstörung nicht Folge einer Schädigung war. Es handelte sich bei § 1 Abs. 3 Satz 3 BVG um eine Sonderregelung gegenüber § 45 SGB X, die dazu ermächtigte, zweifelsfrei fehlerhafte Bescheide über die Anerkennung von Gesundheitsstörungen als Schädigungsfolgen und "hierauf beruhende Verwaltungsakte" ohne Interessenabwägung im Einzelfall und ohne zeitliche Einschränkung, insbesondere ohne Bindung an bestimmte Fristen, auch mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. In seinem sachlichen Anwendungsbereich stand § 1 Abs. 3 Satz 3 BVG als abschließende Spezialregelung einer Anwendung des § 45 SGB X entgegen (BSG, Urteil vom 08. Oktober 1987 – 4b RV 47/86, Rdnr. 15, zitiert nach juris, abgedruckt in BSGE 62, 191 = SozR 3100 § 1 Nr. 39).
Das BSG hat in dieser Entscheidung ausgeführt: Grundsätzlich ist ein Rechtssatz nur auf solche Sachverhalte anwendbar, die nach seinem Inkrafttreten verwirklicht werden. Spätere Änderungen eines Rechtssatzes sind daher für die Beurteilung von vor seinem Inkrafttreten entstandenen Lebensverhältnissen unerheblich. Soweit ein Gesetz seine zeitliche Geltung auf einen Zeitraum vor seinem Inkrafttreten erstreckt, muss sich dies eindeutig aus seinem Wortlaut oder schlüssig aus seinem Zweck ergeben. Die Geltungszeit, d. h. die Spanne, in der die Anwendung des Gesetzes auf Sachverhalte überhaupt in Frage kommt, beginnt daher nicht vor dem Zeitpunkt, von dem ab die Rechtsfolgen des Gesetzes für die Normadressaten eintreten und seine Bestimmungen von den Behörden und Gerichten anzuwenden sind. Die Geltungszeit des § 1 Abs. 3 Satz 3 BVG hat am 1. Januar 1981 mit seinem Inkrafttreten, nicht vorher, begonnen. Anders als Art II § 40 Abs. 2 Satz 2 SGB X, der eine Bestimmung über eine Ausdehnung des zeitlichen Anwendungsbereichs der §§ 44 bis 49 SGB X auf eine Zeit vorher enthält (BSG in BSGE 54, 223 = SozR 1300 § 44 Nr. 3), indem er eine Aufhebung von vor dem 1. Januar 1981 erlassenen Verwaltungsakten ermöglicht, hat das SGB X für § 1 Abs. 3 Satz 3 BVG keine Überleitungsvorschrift geschaffen, die seinen zeitlichen Geltungsbereich auf Zeiten vor dem 1. Januar 1981 erstreckt. Jedoch wäre auf die Frage nach dem Beginn der Geltungszeit des § 1 Abs. 3 Satz 3 BVG nicht näher einzugehen, wenn darin der zuvor nach § 41 Abs. 1 Gesetz über das Verwaltungsverfahren der Kriegsopferversorgung (KOVVfG) maßgeblich gewesene Rechtszustand inhaltlich unverändert nur neu formuliert worden wäre. Das ist aber nicht der Fall. § 1 Abs. 3 Satz 3 BVG enthält nach dem im Gesetzeswortlaut objektivierten Sinngehalt eine einschneidende Rechtsänderung, die in einer wesentlichen Erleichterung der Rücknahme von Anerkennungsbescheiden und darauf beruhender Verwaltungsakte besteht. Gegen eine Erstreckung des zeitlichen Geltungsbereichs des § 1 Abs. 3 Satz 3 BVG auf Sachverhalte, die sich vor seinem Inkrafttreten am 1. Januar 1981 verwirklicht haben, spricht bereits, dass der Gesetzgeber für sie anders als bei den §§ 44 bis 49 SGB X keine dem Art II § 40 Abs. 2 Satz 2 SGB X entsprechende Übergangsregelung mit Anordnung einer Rückwirkung getroffen hat. Sie kann auch nicht darin gefunden werden, dass § 1 Abs. 3 Satz 3 BVG die Rücknahme einer Anerkennung nach den Sätzen 1 und 2 und von hierauf beruhenden Verwaltungsakten "mit Wirkung für die Vergangenheit" gestattet. Hierdurch wird nicht die Geltung des Gesetzes selbst auf Zeiten vor seinem Inkrafttreten am 1. Januar 1981 erstreckt, sondern nur die Befugnis zur Berichtigung im Einzelfalle mit Wirkung für Zeiten vor dem Erlass des Rücknahmebescheides angesprochen, die nicht weiter als bis zum Beginn der Geltung des Gesetzes zurückreichen kann. Davon ist auch der Gesetzgeber ausgegangen, wie sich daraus ergibt, dass er die Geltungszeit der wortgleich eine Aufhebung von Verwaltungsakten "mit Wirkung für die Vergangenheit" ermöglichenden §§ 44, 45, 48 SGB X in einer besonderen Norm, nämlich in Art II § 40 Abs. 2 Satz 2 SGB X ausdrücklich geregelt und auf Zeiten vor dem Inkrafttreten des SGB X erstreckt hat (BSG, Urteil vom 08. Oktober 1987 – 4b RV 47/86, Rdnrn. 17, 18, 19, 20, zitiert nach juris, abgedruckt in BSGE 62, 191 = SozR 3100 § 1 Nr. 39).
Diese Rechtsprechung macht ebenfalls deutlich, dass die Anwendung eines Rechtssatzes auf einen Sachverhalt in der Vergangenheit ohne eine besondere Vorschrift zur rückwirkenden Anwendung nicht in Betracht kommt, wenn dies mit einem Eingriff in eine bereits begründete Rechtsposition verbunden ist.
Für § 40 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB II bedeutet dies mangels einer Vorschrift zur rückwirkenden Anwendung, dass er auf vor seinem Inkrafttreten am 1. August 2016 infolge eines Überprüfungsantrags eingeleitete und anhängige Verwaltungsverfahren nicht anwendbar ist, wenn dadurch in eine schon bestehende Rechtsposition eingegriffen würde.
Nach alledem ist aufgrund ständiger Rechtsprechung des BSG geklärt, welche Rechtsfolgen mit einer Rechtsänderung, die Sachverhalte berührt, aus denen bereits vor dieser Rechtsänderung eine Rechtsposition resultierte, verbunden sind. Im Hinblick auf diese höchstrichterliche Rechtsprechung fehlt es vorliegend an einer klärungsbedürftigen Rechtsfrage, weil danach die Antwort praktisch außer Zweifel steht, so dass der vorliegenden Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung zukommt.
Es ist auch keine Entscheidung der genannten Gerichte ersichtlich, von der das Urteil des Sozialgerichts hinsichtlich seiner Rechtsauffassung abweicht. Dies gilt insbesondere für die aufgezeigte Rechtsprechung des BSG. Das Sozialgericht wendet diese vielmehr ausdrücklich an, so dass kein Widerspruch im Rechtssatz oder das Nichtübereinstimmen tragender abstrakter Rechtssätze, die zwei Urteilen zugrunde gelegt worden sind, vorliegt. Eine Unrichtigkeit der Entscheidung im Einzelfall in Anwendung der Rechtssätze des BSG begründet die Zulassung wegen Abweichung nicht. Zu den Entscheidungen der genannten Gerichte gehört das von der Klägerin genannte Urteil des Landessozialgerichts Rheinland Pfalz vom 15. August 2018 – L 6 AS 152/18 schon nicht.
Schließlich macht die Klägerin auch keinen Verfahrensmangel geltend, auf dem die Entscheidung des Sozialgerichts beruhen kann.
Die Beschwerde muss somit erfolglos bleiben.
Die Kostenentscheidung folgt aus der entsprechenden Anwendung des § 193 Abs. 1 SGG und entspricht dem Ergebnis des Beschwerdeverfahrens.
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Gründe:
I.
Die Klägerin begehrt vom Beklagten die Aufhebung eines Aufhebungs- und Erstattungsbescheides für Dezember 2009 in Höhe von 340 Euro.
Das Sozialgericht Cottbus hat mit Urteil vom 30. Juli 2018 die Klage abgewiesen: Der Bescheid vom 8. Januar 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. Februar 2015 sei rechtmäßig. Voraussetzung für eine Überprüfung sei, dass die Verfallsfrist des § 40 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) in der Fassung vom 26. Juli 2016 i. V. m. § 44 SGB X noch nicht abgelaufen sei. Dies sei jedoch der Fall. Der streitige Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 21. Dezember 2009 betreffend den Monat Dezember 2009 sei jedenfalls vor dem 31. Dezember 2009 bekanntgegeben worden, so dass die Frist ab dem 1. Januar 2010 zu laufen begonnen habe. Die Frist sei am 1. Januar 2014 abgelaufen. Der Überprüfungsantrag sei erst am 2. November 2014 und somit außerhalb der Frist gestellt worden. Auch wenn man vom Überprüfungsantrag zurückrechne und somit auf den 1. Januar 2014 abstelle, seien Leistungen nur ab dem 1. Januar 2010 überprüfbar. Eine Überprüfung des Aufhebungs- und Erstattungsbescheides scheitere daher bereits an der vierjährigen Verfallsfrist. § 40 Abs. 1 Satz 2 SGB II sei auch auf Überprüfungsanträge anzuwenden, die vor dem 1. August 2016 gestellt worden seien, da es an einer Übergangsvorschrift im SGB II fehle. Ändere sich nach Erlass des Verwaltungsakts das für diesen maßgebliche Recht, so habe die Sozialgerichtsbarkeit das neue Recht vom Zeitpunkt des Inkrafttretens anzuwenden. Auch die Grundsätze des intertemporalen Rechts geböten keine andere Bewertung. Nach diesen Vorschriften richte sich bei Fehlen von Übergangsvorschriften der Sachverhalt grundsätzlich nach dem Recht, das zurzeit der anspruchsbegründenden Ereignisse oder Umstände gegolten habe, soweit nicht später in Kraft getretenes Recht stillschweigend oder ausdrücklich etwas anderes vorschreibe. Danach habe der Gesetzgeber jedenfalls stillschweigend eine sofortige Anwendung des § 40 Abs. 1 SGB II angeordnet. Der Wille des Gesetzgebers zur Anwendung des § 40 Abs. 1 Satz 2 SGB II komme insbesondere in der Bundestag-Drucksache 18/8909 S. 33 zum Ausdruck. Hier habe der Gesetzgeber nicht gewollt, dass aufgrund der Urteile des Bundessozialgerichts (BSG) vom 12. Dezember 1996 - 11 RAr 31/96 und vom 13. Februar 2014 – B 4 AS 19/13 R Aufhebungs- und Erstattungsbescheide 30 Jahre lang verpflichtend zu überprüfen seien. Dieses Ergebnis sei nach der Gesetzesbegründung für den Bereich der Fürsorgeleistungen unbefriedigend und stelle aufgrund der Ausgestaltung der Fürsorgeleistungen im SGB II einen enorm hohen Verwaltungsaufwand für die Jobcenter dar. Diese stelle klar, dass der Gesetzgeber immer davon ausgegangen sei, dass die Verfallsklausel des § 44 Abs. 4 SGB X auch auf Aufhebungs- und Erstattungsbescheide Geltung habe entfalten sollen und eine Neuregelung nur deshalb notwendig geworden sei, weil die höchstrichterliche Rechtsprechung eine andere Auslegung vorgenommen habe. Der Gesetzgeber habe daher eine klarstellende Regelung in § 40 Abs. 1 Satz 2 SGB II geschaffen, die eine rückwirkende Inhaltsbestimmung innerhalb bisher durchaus möglicher Auslegungen einer Vorschrift darstelle. Die Grundsätze des intertemporalen Rechts seien aufgrund des eindeutigen gesetzgeberischen Willens nicht anwendbar. Die Vorschrift sei daher zwingend ab dem 1. August 2016 in noch anhängigen Verfahren (im Rahmen der grundsätzlich zulässigen "unechten Rückwirkung") anzuwenden. Das Gesetz sei verfassungskonform. Einer verfassungskonformen Auslegung dahingehend, dass für Anträge von Beteiligten, die nach dem bisherigen Verfahrensrecht eine schutzwürdige Position erlangt hätten, die es nach dem neuen Verfahrensrecht nicht mehr gebe, das alte Recht Anwendung finden solle - aus den rechtsstaatlichen Grundsätzen der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes - , bedürfe es daher nicht.
II.
Die zulässige Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Berufung ist unbegründet, denn die Voraussetzungen für die Zulassung der Berufung liegen nicht vor.
Nach § 144 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ist die Berufung zuzulassen, wenn 1. die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, 2. das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder 3. ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung, wenn die Streitsache eine bisher nicht geklärte Rechtsfrage des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts aufwirft, deren Klärung im allgemeinen Interesse liegt, um die Rechtseinheit zu erhalten oder die Weiterentwicklung des Rechts zu fördern. Diese Rechtsfrage muss im konkreten Rechtsstreit klärungsbedürftig und klärungsfähig sein (Meyer Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, Sozialgerichtsgesetz, Kommentar, 12. Auflage, § 144 Rdnr. 28; Kummer, Neue Zeitschrift für Sozialrecht [NZS] 1993, 337, 341/342). Klärungsfähig ist eine Rechtsfrage, soweit sie im Falle der Zulassung der Berufung insbesondere entscheidungserheblich wäre (vgl. auch Bundessozialgerichts – BSG -, Beschlüsse vom 29. November 2006 – B 6 KA 23/06 B, vom 27. Juli 2006 – B 7a AL 52/06 B, vom 24. Mai 2007 – B 3 P 7/07 B, vom 19. September 2007 – B 1 KR 52/07). Auch bei fehlender gesicherter Rechtsprechung ist die Rechtsfrage nicht klärungsbedürftig, wenn die Antwort praktisch außer Zweifel steht (BSG, Beschluss vom 04. Juni 1975 – 11 BA 4/75, abgedruckt in BSGE 40, 40 = SozR 1500 § 160 a Nr. 4; BSG, Beschluss vom 22. August 1975 – 11 BA 8/75, abgedruckt in BSGE 40, 158 = SozR 1500 § 160 a Nr. 11), sie insbesondere unmittelbar dem Gesetz zu entnehmen ist oder sie überhaupt oder so gut wie unbestritten ist (BSG, Beschluss vom 14. August 1981 – 12 BK 15/81, abgedruckt in SozR 1300 § 13 Nr. 1).
Eine Abweichung liegt vor, wenn der Entscheidung des Sozialgerichts eine Rechtsauffassung zugrunde liegt, die zu einer aktuellen, inzwischen nicht überholten älteren Rechtsansicht eines dem Sozialgericht übergeordneten Gerichts im Widerspruch steht und die Entscheidung des Sozialgerichts auf dieser Abweichung beruht (Meyer Ladewig, a. a. O., § 144 Rdnr. 30, § 160 Rdnr. 10 ff; Kummer, a. a. O., Seite 342). Abweichung bedeutet Widerspruch im Rechtssatz oder das Nichtübereinstimmen tragender abstrakter Rechtssätze, die zwei Urteilen zugrunde gelegt worden sind. Nicht die Unrichtigkeit der Entscheidung im Einzelfall, sondern die Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen begründet die Zulassung wegen Abweichung (BSG, Beschluss vom 18. März 2014 - B 12 R 37/13 B, zitiert nach juris; BSG, Beschluss vom 14. Februar 2014 - B 3 P 19/13 B, zitiert nach jurisunter Hinweis auf u. a. BSG, Beschluss vom 29. November 1989 - 7 BAr 130/88, abgedruckt in BSG SozR 1500 § 160a Nr. 67; vgl. auch Meyer-Ladewig, a.a.O., § 160 Rdnr. 13).
Ein Verfahrensmangel ist gegeben, wenn infolge einer unrichtigen Anwendung oder Nichtanwendung einer Vorschrift, die das sozialgerichtliche Verfahren regelt, das Verfahren des Sozialgerichts bis zum Erlass einschließlich des Urteils fehlerhaft abgelaufen ist. Ein Verfahrensmangel liegt nicht vor, wenn unter anderem die Anwendung des materiellen Rechts oder die Beweiswürdigung fehlerhaft ist (Meyer Ladewig, a. a. O., § 144 Rdnr. 32, 34a, 32a, 36, 37, 35; Kummer, a. a. O., Seite 342).
Die genannten Voraussetzungen sind nicht erfüllt. Die Rechtssache hat insbesondere keine grundsätzliche Bedeutung. Die Antwort steht unter Berücksichtigung höchstrichterlicher Rechtsprechung praktisch außer Zweifel.
Nach § 40 Abs. 1 SGB II in der aufgrund des Gesetzes vom 26. Juli 2016 (BGBl I 2016, 1824) ab 1. August 2016 geltenden Fassung gilt: Für das Verfahren nach diesem Buch gilt das SGB X. Abweichend von Satz 1 gilt § 44 SGB X mit der Maßgabe, dass 1. rechtswidrige nicht begünstigende Verwaltungsakte nach den Absätzen 1 und 2 nicht später als vier Jahre nach Ablauf des Jahres, in dem der Verwaltungsakt bekanntgegeben wurde, zurückzunehmen sind; ausreichend ist, wenn die Rücknahme innerhalb dieses Zeitraums beantragt wird, 2. anstelle des Zeitraums von vier Jahren nach Absatz 4 Satz 1 ein Zeitraum von einem Jahr tritt.
Nach der Gesetzesbegründung (Bundestag-Drucksache 18/8909, S. 33) wird mit der Regelung des § 40 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB II folgender Zweck verfolgt: Mit § 40 Absatz 1 Satz 2 wird die Anwendung von § 44 SGB X auf die Bedürfnisse in der Grundsicherung für Arbeitsuchende angepasst. Mit der Regelung im ersten Halbsatz soll die nach § 44 SGB X bestehende Pflicht zur Rücknahme rechtswidriger nicht begünstigender Verwaltungsakte im Sinne des § 44 Absätze 1 und 2 SGB X zeitlich eingeschränkt werden. Ein angemessenes Verhältnis zwischen den Rechtsschutzinteressen der Betroffenen und den Trägern der Grundsicherung für Arbeitsuchende bleibt jedoch gewahrt. Hintergrund für diese Regelung sind die Entscheidungen des Bundessozialgerichts vom 12. Dezember 1996 – 11 Rar 31/96 – und 13. Februar 2014 – B 4 AS 19/13 – , nach denen die auf vier Jahre verkürzte Frist nach § 44 Absatz 4 SGB X auf nicht begünstigende Verwaltungsakte, die insbesondere (beispielsweise oder u. a.) die Aufhebung, Erstattung und den Ersatz von bereits erbrachten Leistungen verfügen, keine Anwendung findet. Somit greift die bisherige Regelung des § 40 Absatz 1 Satz 2 nicht. Dies hat zur Folge, dass solche Verwaltungsakte 30 Jahre lang verpflichtend zu prüfen, ggf. zurückzunehmen und bereits beglichene Forderungen zurückzuzahlen sind. Dieses Ergebnis ist für den Bereich der Fürsorgeleistungen unbefriedigend und stellt aufgrund der Ausgestaltung der Fürsorgeleistungen im SGB II einen enorm hohen Verwaltungsaufwand für die Jobcenter dar. Fürsorgeleistungen werden u. a. nur gewährt, soweit Hilfebedürftigkeit besteht. Aufgrund von Veränderungen von einerseits Bedarfen und/oder andererseits Einkommen unterliegen diese Leistungen häufigen Schwankungen. Vor diesem Hintergrund ist eine Anpassung der Bewilligungsentscheidungen an die jeweilig geänderten Verhältnisse häufig erforderlich. Da es sich bei Fürsorgeleistungen um existenzsichernde Leistungen handelt, sind diese monatlich im Voraus zu erbringen. Daraus folgt, dass die Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende auf den Eintritt wesentlicher Änderungen in den Verhältnissen eines erwerbsfähigen Leistungsberechtigten oftmals erst im Nachhinein reagieren und die Leistungen anhand der tatsächlichen Verhältnisse berechnen können. Es besteht über einen Zeitraum von vier Jahren die Möglichkeit, weiterhin neben den ordentlichen Rechtsbehelfen (Widerspruch), Rechtsmitteln (Klage) und der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand eine darüberhinausgehende Überprüfung der o. g. nicht begünstigenden Verwaltungsakte zu verlangen. Den Interessen der betroffenen Leistungsberechtigten wird damit ausreichend Rechnung getragen. Der zweite Halbsatz stellt klar, dass ein Verwaltungsakt auch außerhalb des Vierjahreszeitraumes zurückzunehmen ist, wenn ein entsprechender Antrag innerhalb dieses Zeitraumes gestellt wurde. Damit sollen Nachteile für die Betroffenen aufgrund der Bearbeitungszeit entsprechender Anträge verhindert werden. Kosten für die Aktenaufbewahrung können durch die Regelung gesenkt werden.
Diese Vorschrift erstreckt ihren zeitlichen Geltungsbereich nicht auf Zeiten vor dem 1. August 2016. Weder sieht das Gesetz dies vor, noch lässt sich dies der Gesetzesbegründung entnehmen. Es handelt sich somit nicht um eine rückwirkende Klarstellung des § 40 Abs. 1 SGB II in der Fassung vom 24. Dezember 2003 (BGBl. I 2003, 2954) und in der Fassung der Bekanntmachung vom 13. Mai 2011 (BGBl I 2001, 850). Ansonsten wäre zum einen die Erstreckung des zeitlichen Anwendungsbereichs des § 40 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB II auf den Zeitpunkt des erstmaligen Inkrafttretens dieser Vorschrift angezeigt gewesen. Um eine rückwirkende Klarstellung des § 44 Abs. 4 SGB X handelt es sich ohnehin nicht, denn eine solche hätte die Vorschrift des § 44 Abs. 4 SGB X selbst betreffen müssen. Schließlich könnte eine solche Klarstellung dem Rechtsstaatsprinzip für rückwirkende Rechtsetzung widersprechen (Bundesverfassungsgericht - BVerfG, Beschluss vom 17. Dezember 2013 – 1 BvL 5/08, Rdnrn. 53, 55, zitiert nach juris, abgedruckt in BVerfGE 135, 1), so dass schon deswegen der Gesetzgeber gehalten wäre, eine solche tatsächliche oder vermeintliche Klarstellung durch eine rückwirkende Rechtsetzung auch eindeutig kenntlich zu machen.
Der in der Gesetzesbegründung genannte Zweck ist in allen Fällen sofort zu erreichen, in denen nach dem 1. August 2016 ein Antrag auf Rücknahme gestellt oder ein entsprechendes Verwaltungsverfahren von Amts wegen eingeleitet wird. Die besondere Bedeutung, die dem Antrag für den Zeitraum von vier Jahren beigemessen wird, macht im Übrigen deutlich, dass Rechtsnachteile vermieden werden sollen, die aufgrund der Bearbeitungszeit eintreten. Dieser Gesichtspunkt ist mithin auch für Anträge, die vor dem Zeitpunkt des Inkrafttretens dieser Vorschrift zum 1. August 2016 bereits gestellt waren, insoweit wesentlich, als damit zum Ausdruck kommt, dass in durch einen solchen Antrag bereits begründete Rechte nicht eingegriffen werden soll. Auf Verwaltungsverfahren, die aufgrund eines solchen Antrages bereits vor dem 1. August 2016 anhängig waren, findet mithin die Vorschrift keine Anwendung.
Die vom Sozialgericht zitierte Kommentierung bei Merten in BeckOK Sozialrecht, Rolfs/Giesen/Kreikebohm/Udsching (jetzt Stand: 01.12.2018, SGB II § 40, Rdnr. 5) steht dem nicht entgegen, denn dort wird der Sachverhalt eines bei Inkrafttreten der Neuregelung bereits anhängigen Verwaltungsverfahrens auf Rücknahme nach § 44 SGB X überhaupt nicht kommentiert; vielmehr heißt es dort bezogen auf § 40 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 2. Halbsatz SGB II und die Bundestag-Drucksache 18/8909, S. 33: Um zu verhindern, dass die Frist während des Überprüfungsverfahrens abläuft, lässt es diese Vorschrift ausreichen, dass die Überprüfung innerhalb der Frist beantragt wird, weil so Nachteile für die Betroffenen vermieden werden, die aus der Bearbeitungszeit des zuständigen SGB II-Trägers resultieren können.
Die Anwendung des zum 1. August 2016 in kraft getretenen § 40 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB II erst auf danach eröffnete Verfahren nach § 44 SGB X entspricht den Grundsätzen einerseits dem Geltungszeitraumprinzip und andererseits sowohl dem materiellen als auch dem verfahrensrechtlichen intertemporalen Recht.
Dem Recht des SGB II liegt das sog. Geltungszeitraumprinzip zugrunde, wie dies z. B. in § 66 Abs. 1 SGB II zum Ausdruck kommt.
Nach § 66 Abs. 1 SGB II gilt: Wird dieses Gesetzbuch geändert, so sind, soweit nichts Abweichendes bestimmt ist, auf Leistungen zur Eingliederung in Arbeit bis zum Ende der Leistungen oder der Maßnahme die Vorschriften in der vor dem Tag des Inkrafttretens der Änderung geltenden Fassung weiter anzuwenden, wenn vor diesem Tag 1. der Anspruch entstanden ist, 2. die Leistung zuerkannt worden ist oder 3. die Maßnahme begonnen hat, wenn die Leistung bis zum Beginn der Maßnahme beantragt worden ist.
Zwar ist eine frühere, durch eine Änderung des Gesetzes abgelöste alte Fassung des Gesetzes kein aktuell geltendes Recht mehr. Aufgrund der gesetzlichen Konzeption der Übergangsvorschriften im SGB II, die Ausdruck des aus dem Rechtsstaatsprinzip nach Art 20 Abs. 3 Grundgesetz (GG) folgenden Grundsatz des Vertrauensschutzes auch bei Rechtsänderungen sind, ist jedoch im SGB II vom sog. Geltungszeitraumprinzip auszugehen, nach dem das Recht anzuwenden ist, das zu der Zeit galt, in der die maßgeblichen Rechtsfolgen eingetreten sind, wenn es an einer speziellen Regelung mangelt. Denn das SGB II dient der Deckung einer aktuellen Bedarfslage im jeweiligen Zeitpunkt, wie zahlreiche Regelungen belegen (BSG, Urteil vom 19. Oktober 2016 – B 14 AS 53/15 R, Rdnr. 15, m. w. N. unter Hinweis auf § 66 SGB, zitiert nach juris, abgedruckt in SozR 4-4200 § 11 Nr. 78).
Nach dem sog. Geltungszeitraumprinzip erfasst neues Recht zwar immer schon dann den Sachverhalt, wenn die maßgeblichen Rechtsfolgen in den zeitlichen Geltungsbereich des neuen Rechts fallen. Neues Recht ist also auch auf solche Leistungen anwendbar, die bereits vor der Rechtsänderung erbracht worden sind, vorausgesetzt, die Rechtsfolgen treten erst nach der Änderung der Rechtsvorschrift ein (BSG Urteil vom 12. Mai 2011 - B 11 AL 24/10 R, Rdnr. 22, zitiert nach juris, abgedruckt in SozR 4-1300 § 107 Nr. 4). Bereits vor der Rechtsänderung eingetretene Rechtswirkungen (Rechtsfolgen) werden deshalb grundsätzlich mit Inkrafttreten des neuen Rechts nicht mehr erfasst. Denn eine derartige - generell rückwirkende - Erstreckung auf solche Rechtswirkungen bezweckt das Gesetz nicht (BSG Urteil vom 6. Februar 2003 - B 7 AL 72/01 R, Rdnr. 14, zitiert nach juris, abgedruckt in SozR 4-4100 § 119 Nr. 1).
Nach den Grundsätzen des intertemporalen Verwaltungsrechts, auf die bei Fehlen besonderer Übergangs- oder Überleitungsvorschriften zurückzugreifen ist, richtet sich die Beurteilung eines Sachverhalts grundsätzlich nach dem Recht, das zur Zeit der anspruchsbegründenden Ereignisse oder Umstände (hier der Leistungsgewährung) gegolten hat, soweit nicht später in Kraft getretenes Recht ausdrücklich oder stillschweigend etwas anderes bestimmt. (BSG, Urteil vom 24. März 2009 – B 8 SO 34/07 R, Rdnr. 9, m. w. N., zitiert nach juris, abgedruckt in SozR 4-5910 § 111 Nr. 1).
Das vom Sozialgericht zitierte Urteil des BSG vom 20. Dezember 2012 – B 7 AY 5/11 R (zitiert nach juris) bestätigt dies. Nach den Grundsätzen des intertemporalen Rechts richtet sich bei Fehlen von Übergangs- und Überleitungsvorschriften die Beurteilung eines Sachverhalts grundsätzlich nach dem Recht, das zur Zeit der anspruchsbegründenden Ereignisse oder Umstände (hier die Leistungsgewährung, die den Erstattungsanspruch auslöst) gegolten hat, soweit nicht später in Kraft getretenes Recht ausdrücklich oder stillschweigend etwas anderes bestimmt (Rdnr. 24 unter Hinweis auf das o. g. Urteil des BSG vom 24. März 2009 – B 8 SO 34/07 R, Rdnr. 9).
Nach den allgemeinen Grundsätzen des intertemporalen Rechts ist ein Rechtssatz grundsätzlich nur auf solche Sachverhalte anwendbar, die nach seinem Inkrafttreten verwirklicht werden. Dementsprechend hat das Bundessozialgericht (BSG) in ständiger Rechtsprechung entschieden, dass sich die Entstehung und der Fortbestand sozialrechtlicher Ansprüche bzw. Rechtsverhältnisse nach dem Recht beurteilen, das zur Zeit der anspruchsbegründenden Ereignisse oder Umstände gegolten hat, soweit nicht später in Kraft getretenes Recht etwas anderes bestimmt (BSG, Urteil vom 27. August 2008 – B 11 AL 11/07 R, Rdnr. 13, m. w. N., zitiert nach juris, abgedruckt in SozR 4-4300 § 335 Nr. 1).
Ein Rechtssatz ist, wie auch § 300 Abs. 1 und 3 SGB VI zeigt, grundsätzlich nur auf solche Sachverhalte anwendbar, die nach seinem Inkrafttreten verwirklicht werden. Spätere Änderungen eines Rechtssatzes sind für die Beurteilung von vor seinem Inkrafttreten entstandenen Lebensverhältnissen regelmäßig unerheblich. Soweit ein Gesetz eine Rückbewirkung von Rechtsfolgen (echte Rückwirkung) auf einen Zeitraum vor seinem Inkrafttreten erstreckt, muss sich dies eindeutig aus seinem Wortlaut oder schlüssig aus seinem Zweck ergeben. Die Geltungszeit, d. h. die Spanne, in der die Anwendung des Gesetzes auf Sachverhalte überhaupt in Frage kommt, beginnt regelmäßig daher nicht vor dem Zeitpunkt, von dem ab die Rechtsfolgen des Gesetzes für die Normadressaten eintreten und seine Bestimmungen von den Behörden und Gerichten anzuwenden sind (BSG, Urteil vom 30. Januar 1997 – 4 RA 55/95, Rdnr. 17, abgedruckt in SozR 3-2600 § 300 Nr. 10).
Dies galt auch bereits vor der eben genannten Rechtsprechung: Grundsätzlich ist ein Rechtssatz nur auf solche Sachverhalte anwendbar, die nach seinem Inkrafttreten verwirklicht werden. Spätere Änderungen eines Rechtssatzes sind daher für die Beurteilung von vor seinem Inkrafttreten entstandenen Lebensverhältnissen unerheblich. Soweit ein Gesetz seine zeitliche Geltung auf einen Zeitraum vor seinem Inkrafttreten erstreckt, muss sich dies eindeutig aus seinem Wortlaut oder schlüssig aus seinem Zweck ergeben. Die Geltungszeit, d. h. die Spanne, in der die Anwendung des Gesetzes auf Sachverhalte überhaupt in Frage kommt, beginnt daher nicht vor dem Zeitpunkt, von dem ab die Rechtsfolgen des Gesetzes für die Normadressaten eintreten und seine Bestimmungen von den Behörden und Gerichten anzuwenden sind (BSG, Urteil vom 08. Oktober 1987 – 4b RV 47/86, Rdnr. 17, abgedruckt in BSGE 62, 191 = SozR 3100 § 1 Nr. 39).
Das weitere vom Sozialgericht zitierte Urteil des BSG vom 29. Mai 1956 – 6 RKa 14/54 (abgedruckt in BSGE 3, 95) bestätigt dies ebenfalls. Das BSG hat das sich während des Revisionsverfahrens zugunsten des dortigen Klägers geänderte Recht erst ab Inkrafttreten dieser Änderung auf den Sachverhalt angewandt (Rdnr. 22, zitiert nach juris).
Die genannten Grundsätze des materiellen intertemporalen Rechts gelten auch für verfahrensrechtliche Vorschriften, wie bereits das BSG (Beschluss vom 15. Dezember 1982 – GS 2/80 –, zitiert nach juris, abgedruckt in BSGE 54, 223 = SozR 1300 § 44 Nr. 3) zu den Regelungen des Art II (Übergangs- und Schlussbestimmungen zum Zehnten Buch Sozialgesetzbuch sowie weitere Änderungen von Gesetzen) § 37 Abs. 1 und § 40 Abs. 2 Sozialgesetzbuch (SGB) – Verwaltungsverfahren – vom 18. August 1980 (BGBl 1980, 1469) bezogen auf die Anwendbarkeit des SGB X (Art I dieses Gesetzes) entschieden hat.
Art II § 37 Abs. 1 SGB X lautet: Bereits begonnene Verfahren sind nach den Vorschriften dieses Gesetzes zu Ende zu führen
Art II § 40 Abs. 2 SGB X lautet: Artikel I §§ 44 bis 49 ist erstmals anzuwenden, wenn nach dem 31. Dezember 1980 ein Verwaltungsakt aufgehoben wird. Dies gilt auch dann, wenn der aufzuhebende Verwaltungsakt vor dem 1. Januar 1981 erlassen worden ist. Ausgenommen sind jedoch solche Verwaltungsakte in der Sozialversicherung, die bereits bestandskräftig waren und bei denen auch nach § 1744 der Reichsversicherungsordnung in der vor dem 1. Januar 1981 geltenden Fassung eine neue Prüfung nicht vorgenommen werden konnte.
Das BSG hat im Beschluss vom 15. Dezember 1982 - GS 2/80 – dazu Folgendes ausgeführt:
Die Wortfassung "bereits begonnene Verfahren zu Ende zu führen" gibt nach ihrem Sinngehalt zunächst nur den Maßstab an, wie laufende Verfahren abzuwickeln sind. Damit ist lediglich klargestellt, wie nach den allgemeinen Grundsätzen des intertemporären Kollisionsrechtes zu verfahren ist. Ist demnach Art II § 37 SGB X auch im gerichtlichen Verfahren heranzuziehen, erscheint gleichwohl fraglich, ob damit allein eine rückwirkende Anwendung der im SGB X enthaltenen materiellrechtlichen Vorschriften (Art I §§ 44 bis 49 SGB X) zu rechtfertigen ist. Die Überleitungsvorschrift legt sich selbst keine Rückwirkung bei (BSG, Beschluss vom 15. Dezember 1982 – GS 2/80, Rdnr. 13).
Die mit dem SGB X eingetretene Rechtsänderung erfasst jedoch rückwirkend den Streitgegenstand. Dieses Ergebnis ist nämlich - jedenfalls soweit Leistungen vor dem 1. Januar 1981 in Streit stehen und demnach eine Leistungs- bzw. Verpflichtungsklage anhängig ist - dem Art II § 40 Abs. 2 SGB X zu entnehmen. Liegen demnach Aufhebungsgründe nach dem 31. Dezember 1980 vor, können Verwaltungsakte auch für die Zeit vor dem 1. Januar 1981 zurückgenommen bzw. widerrufen werden. Mittelbar bestätigt dies auch Art II § 40 Abs. 2 Satz 3 SGB X, wonach von der Regelung in Satz 2 solche Verwaltungsakte ausgenommen sind, die bereits bestandskräftig waren und bei denen auch nach § 1744 RVO in der vor dem 1. Januar 1981 geltenden Fassung eine neue Prüfung nicht vorgenommen werden konnte. Der Gesetzgeber hat mit dieser Vorschrift dem Gebot des Vertrauensschutzes dadurch Rechnung getragen, dass die rückwirkende Anwendung neuen Rechts ausgeschlossen ist, wenn bereits nach altem Recht die Aufhebung eines bindenden, begünstigenden Verwaltungsaktes nicht bewirkt werden konnte. Diese Ausnahmeregelung bezieht sich deshalb nicht auf Fälle, in denen es - wie hier - um die Aufhebung eines bindend gewordenen Ablehnungsbescheides, also eines belastenden Verwaltungsaktes, geht (BSG, Beschluss vom 15. Dezember 1982 – GS 2/80, Rdnrn. 13, 14).
Die Rückwirkung, wie sie sich Art II § 40 Abs. 2 Satz 2 SGB X - wie ausgeführt - beigegeben hat, ist verfassungsrechtlich unbedenklich. Grundsätzlich ist die Rückwirkung einer für den Bürger belastenden gesetzlichen Vorschrift unvereinbar mit dem Gebot der Rechtsstaatlichkeit (Art 20 Abs. 3 GG), zu dessen Wesenselement die Rechtssicherheit gehört, die sich insbesondere in dem Vertrauensschutz manifestiert. Dennoch ist damit verfassungsrechtlich die Unabänderlichkeit einmal gegebener Verhältnisse und Rechtspositionen nicht gewährleistet. Das wäre auch mit der dem Gesetzgeber u. a. gestellten Aufgabe, das Recht fortzuentwickeln und den veränderten Verhältnissen anzupassen, unvereinbar. Es ist andererseits nicht zu verkennen, dass damit der Schutz des Bürgers in seinem Vertrauen auf den Bestand der rechtmäßig erworbenen Rechte in Widerstreit steht, wenn mit der Gesetzesänderung auch ein Eingriff in seine Rechtsposition verbunden ist. Diesen Konflikt versucht das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) dadurch zu lösen, dass es zwischen sogen "echter (retroaktiver)" und "unechter (retrospektiver)" Rückwirkung unterscheidet und daran unterschiedliche verfassungsrechtliche Folgen knüpft. Die unechte Rückwirkung, d. h. die Ordnung der gegenwärtigen noch nicht abgeschlossenen Sachverhalte und Rechtsbeziehungen nach neuem Recht von seinem Inkrafttreten an, ist grundsätzlich nicht verfassungswidrig, es sei denn, der Grundsatz des Vertrauensschutzes steht entgegen. Demgegenüber liegt die echte Rückwirkung vor, wenn das Gesetz nachträglich ändernd in abgewickelte, der Vergangenheit angehörenden Tatbestände eingreift, was im vorliegenden Streitfall teilweise zutrifft; sie ist mit der Verfassung grundsätzlich unvereinbar. Das Verbot echter Rückwirkung gilt jedoch nicht ausnahmslos. Die Rückwirkung ist nach den vom BVerfG entwickelten vier Sachverhaltsgruppen u. a. zulässig, sofern das Vertrauen auf eine bestimmte Rechtslage sachlich nicht gerechtfertigt ist. Das Vertrauen in die Beständigkeit der geltenden Rechtslage ist u. a. nicht schutzwürdig, wenn der Bürger nach der rechtlichen Situation in dem Zeitpunkt, auf den der Eintritt der Rechtsfolge vom Gesetz zurückbezogen wird, mit dieser Regelung rechnen musste (BSG, Beschluss vom 15. Dezember 1982 – GS 2/80, Rdnr. 16, m. w. N.).
Die Grenze der rückwirkenden Anwendung neuen Rechts liegt mithin dort, wo schon nach früheren Rechtsvorschriften die Aufhebung eines Bescheides nicht mehr bewirkt werden konnte. Wie bereits dargelegt, trägt der Gesetzgeber insoweit mit der in Art II § 40 Abs. 2 Satz 3 SGB X getroffenen Ausnahmeregelung dem Gebot des Vertrauensschutzes gebührend Rechnung (BSG, Beschluss vom 15. Dezember 1982 – GS 2/80, Rdnr. 18).
Die Begrenzung der rückwirkend der (dortigen) Klägerin zuerkannten Leistungen auf einen Zeitraum von vier Jahren ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Mit einer solchen Leistungseinschränkung wegen Verjährung musste die Klägerin rechnen; sie ist verfassungskonform. Leistungen der Sozialversicherung waren der Verjährung schlechthin unterworfen (BSG, Beschluss vom 15. Dezember 1982 – GS 2/80, Rdnr. 19). Infolge des mithin fehlenden Vertrauensschutzes ist Art I § 44 Abs. 4 SGB X rückwirkend anwendbar. Nach dieser Vorschrift werden, sofern ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden ist, Sozialleistungen nach den Vorschriften der besonderen Teile des SGB X längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht. Die Klägerin wird mit dieser Regelung gegenüber den sich aus einer Verjährung ergebenden Rechtsfolgen nicht schlechter, sondern im Gegenteil besser gestellt. Erfolgt nämlich die Rücknahme des rechtswidrigen nicht begünstigenden Verwaltungsaktes - wie hier - auf Antrag, so wird der Zeitpunkt der Rücknahme vom Beginn des Jahres an gerechnet, in dem der Antrag gestellt worden ist (BSG, Beschluss vom 15. Dezember 1982 – GS 2/80, Rdnr. 20).
Diese Rechtsprechung des BSG bedeutet hinsichtlich des § 40 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB II, der sich keine Rückwirkung beimisst, dass diese Regelung nicht auf ein vor dem 1. August 2016 infolge eines Überprüfungsantrags eingeleitetes und anhängiges Verwaltungsverfahren anwendbar ist, weil ansonsten der nach den Urteilen des Bundessozialgerichts vom 12. Dezember 1996 – 11 RAr 31/96 und vom 13. Februar 2014 – B 4 AS 19/13 bereits bestandene Anspruch auf Rücknahme beseitigt würde.
Das dargestellte Ergebnis wird durch die Rechtsprechung des BSG zur Anwendbarkeit des bis zum 30. April 2002 geltenden § 1 Abs. 3 Satz 3 Bundesversorgungsgesetz (BVG) bestätigt, wonach die Anerkennung einer Gesundheitsstörung als Folge einer Schädigung durch militärischen Dienst i. S. von Satz 1 a. a. O. und die hierauf beruhenden Verwaltungsakte mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen werden konnten, wenn unzweifelhaft feststand, dass die Gesundheitsstörung nicht Folge einer Schädigung war. Es handelte sich bei § 1 Abs. 3 Satz 3 BVG um eine Sonderregelung gegenüber § 45 SGB X, die dazu ermächtigte, zweifelsfrei fehlerhafte Bescheide über die Anerkennung von Gesundheitsstörungen als Schädigungsfolgen und "hierauf beruhende Verwaltungsakte" ohne Interessenabwägung im Einzelfall und ohne zeitliche Einschränkung, insbesondere ohne Bindung an bestimmte Fristen, auch mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. In seinem sachlichen Anwendungsbereich stand § 1 Abs. 3 Satz 3 BVG als abschließende Spezialregelung einer Anwendung des § 45 SGB X entgegen (BSG, Urteil vom 08. Oktober 1987 – 4b RV 47/86, Rdnr. 15, zitiert nach juris, abgedruckt in BSGE 62, 191 = SozR 3100 § 1 Nr. 39).
Das BSG hat in dieser Entscheidung ausgeführt: Grundsätzlich ist ein Rechtssatz nur auf solche Sachverhalte anwendbar, die nach seinem Inkrafttreten verwirklicht werden. Spätere Änderungen eines Rechtssatzes sind daher für die Beurteilung von vor seinem Inkrafttreten entstandenen Lebensverhältnissen unerheblich. Soweit ein Gesetz seine zeitliche Geltung auf einen Zeitraum vor seinem Inkrafttreten erstreckt, muss sich dies eindeutig aus seinem Wortlaut oder schlüssig aus seinem Zweck ergeben. Die Geltungszeit, d. h. die Spanne, in der die Anwendung des Gesetzes auf Sachverhalte überhaupt in Frage kommt, beginnt daher nicht vor dem Zeitpunkt, von dem ab die Rechtsfolgen des Gesetzes für die Normadressaten eintreten und seine Bestimmungen von den Behörden und Gerichten anzuwenden sind. Die Geltungszeit des § 1 Abs. 3 Satz 3 BVG hat am 1. Januar 1981 mit seinem Inkrafttreten, nicht vorher, begonnen. Anders als Art II § 40 Abs. 2 Satz 2 SGB X, der eine Bestimmung über eine Ausdehnung des zeitlichen Anwendungsbereichs der §§ 44 bis 49 SGB X auf eine Zeit vorher enthält (BSG in BSGE 54, 223 = SozR 1300 § 44 Nr. 3), indem er eine Aufhebung von vor dem 1. Januar 1981 erlassenen Verwaltungsakten ermöglicht, hat das SGB X für § 1 Abs. 3 Satz 3 BVG keine Überleitungsvorschrift geschaffen, die seinen zeitlichen Geltungsbereich auf Zeiten vor dem 1. Januar 1981 erstreckt. Jedoch wäre auf die Frage nach dem Beginn der Geltungszeit des § 1 Abs. 3 Satz 3 BVG nicht näher einzugehen, wenn darin der zuvor nach § 41 Abs. 1 Gesetz über das Verwaltungsverfahren der Kriegsopferversorgung (KOVVfG) maßgeblich gewesene Rechtszustand inhaltlich unverändert nur neu formuliert worden wäre. Das ist aber nicht der Fall. § 1 Abs. 3 Satz 3 BVG enthält nach dem im Gesetzeswortlaut objektivierten Sinngehalt eine einschneidende Rechtsänderung, die in einer wesentlichen Erleichterung der Rücknahme von Anerkennungsbescheiden und darauf beruhender Verwaltungsakte besteht. Gegen eine Erstreckung des zeitlichen Geltungsbereichs des § 1 Abs. 3 Satz 3 BVG auf Sachverhalte, die sich vor seinem Inkrafttreten am 1. Januar 1981 verwirklicht haben, spricht bereits, dass der Gesetzgeber für sie anders als bei den §§ 44 bis 49 SGB X keine dem Art II § 40 Abs. 2 Satz 2 SGB X entsprechende Übergangsregelung mit Anordnung einer Rückwirkung getroffen hat. Sie kann auch nicht darin gefunden werden, dass § 1 Abs. 3 Satz 3 BVG die Rücknahme einer Anerkennung nach den Sätzen 1 und 2 und von hierauf beruhenden Verwaltungsakten "mit Wirkung für die Vergangenheit" gestattet. Hierdurch wird nicht die Geltung des Gesetzes selbst auf Zeiten vor seinem Inkrafttreten am 1. Januar 1981 erstreckt, sondern nur die Befugnis zur Berichtigung im Einzelfalle mit Wirkung für Zeiten vor dem Erlass des Rücknahmebescheides angesprochen, die nicht weiter als bis zum Beginn der Geltung des Gesetzes zurückreichen kann. Davon ist auch der Gesetzgeber ausgegangen, wie sich daraus ergibt, dass er die Geltungszeit der wortgleich eine Aufhebung von Verwaltungsakten "mit Wirkung für die Vergangenheit" ermöglichenden §§ 44, 45, 48 SGB X in einer besonderen Norm, nämlich in Art II § 40 Abs. 2 Satz 2 SGB X ausdrücklich geregelt und auf Zeiten vor dem Inkrafttreten des SGB X erstreckt hat (BSG, Urteil vom 08. Oktober 1987 – 4b RV 47/86, Rdnrn. 17, 18, 19, 20, zitiert nach juris, abgedruckt in BSGE 62, 191 = SozR 3100 § 1 Nr. 39).
Diese Rechtsprechung macht ebenfalls deutlich, dass die Anwendung eines Rechtssatzes auf einen Sachverhalt in der Vergangenheit ohne eine besondere Vorschrift zur rückwirkenden Anwendung nicht in Betracht kommt, wenn dies mit einem Eingriff in eine bereits begründete Rechtsposition verbunden ist.
Für § 40 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB II bedeutet dies mangels einer Vorschrift zur rückwirkenden Anwendung, dass er auf vor seinem Inkrafttreten am 1. August 2016 infolge eines Überprüfungsantrags eingeleitete und anhängige Verwaltungsverfahren nicht anwendbar ist, wenn dadurch in eine schon bestehende Rechtsposition eingegriffen würde.
Nach alledem ist aufgrund ständiger Rechtsprechung des BSG geklärt, welche Rechtsfolgen mit einer Rechtsänderung, die Sachverhalte berührt, aus denen bereits vor dieser Rechtsänderung eine Rechtsposition resultierte, verbunden sind. Im Hinblick auf diese höchstrichterliche Rechtsprechung fehlt es vorliegend an einer klärungsbedürftigen Rechtsfrage, weil danach die Antwort praktisch außer Zweifel steht, so dass der vorliegenden Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung zukommt.
Es ist auch keine Entscheidung der genannten Gerichte ersichtlich, von der das Urteil des Sozialgerichts hinsichtlich seiner Rechtsauffassung abweicht. Dies gilt insbesondere für die aufgezeigte Rechtsprechung des BSG. Das Sozialgericht wendet diese vielmehr ausdrücklich an, so dass kein Widerspruch im Rechtssatz oder das Nichtübereinstimmen tragender abstrakter Rechtssätze, die zwei Urteilen zugrunde gelegt worden sind, vorliegt. Eine Unrichtigkeit der Entscheidung im Einzelfall in Anwendung der Rechtssätze des BSG begründet die Zulassung wegen Abweichung nicht. Zu den Entscheidungen der genannten Gerichte gehört das von der Klägerin genannte Urteil des Landessozialgerichts Rheinland Pfalz vom 15. August 2018 – L 6 AS 152/18 schon nicht.
Schließlich macht die Klägerin auch keinen Verfahrensmangel geltend, auf dem die Entscheidung des Sozialgerichts beruhen kann.
Die Beschwerde muss somit erfolglos bleiben.
Die Kostenentscheidung folgt aus der entsprechenden Anwendung des § 193 Abs. 1 SGG und entspricht dem Ergebnis des Beschwerdeverfahrens.
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
Login
BRB
Saved