L 32 AS 6/19 NZB RG

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
32
1. Instanz
SG Cottbus (BRB)
Aktenzeichen
S 4 AS 5222/12
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 32 AS 6/19 NZB RG
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Gegenvorstellung und die darin zugleich enthaltene Anhörungsrüge der Klägerin gegen den Beschluss des Senats vom 20. November 2018 werden als unzulässig verworfen. Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander für dieses Verfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Mit Beschluss vom 20. November 2018 hat der Senat die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Berufung im Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 19. Januar 2018 zurückgewiesen.

Gegen den ihrem Prozessbevollmächtigten am 29. November 2018 zugestellten Beschluss richtet sich die am 31. Dezember 2018 eingelegte Gegenvorstellung der Klägerin.

II.

1. Die Gegenvorstellung ist unzulässig, denn sie ist gegen die Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde nicht statthaft; im Übrigen sind auch die Voraussetzungen, die einen möglichen Anspruch auf Überprüfung der gerichtlichen Entscheidung begründen, nicht schlüssig dargetan.

Eine Gegenvorstellung ist auch nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 30. April 2003 (1 PBvU 1/02, abgedruckt in BVerfGE 107, 395 = SozR 4-1100 Art. 103 Nr. 1 = NJW 2003, 1924), wonach die von der Rechtsprechung teilweise außerhalb des geschriebenen Rechts geschaffenen außerordentlichen Rechtsbehelfe nicht den verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Rechtsmittelklarheit genügen (BVerfG, a. a. O., Rdnrn. 68 - 70), als außerordentlicher Rechtsbehelf grundsätzlich noch statthaft. Während das BVerfG eine außerordentliche Beschwerde gegen eine gerichtliche Entscheidung, die mit ordentlichen Rechtsbehelfen nicht anfechtbar ist, an das höhere Gericht im Hinblick auf seine Entscheidung vom 30. April 2003 für unstatthaft gehalten hat (BVerfG, Beschluss vom 16. Januar 2007 – 1 BvR 2803/06, Rdnr. 5, zitiert nach juris, abgedruckt in NJW 2007, 2538), hat es bezogen auf die Gegenvorstellung im Beschluss vom 25. November 2008 – 1 BvR 848/07 (Rdnrn. 33 bis 37, zitiert nach juris) eine Gegenvorstellung weder aus verfassungsrechtlichen Gründen als generell unzulässig angesehen noch eine offensichtliche Unzulässigkeit auf der Grundlage des einfachen Rechts aus der Rechtsprechung der Fachgerichte abgeleitet. Es hat zwar betont, dass die Gegenvorstellung den rechtsstaatlichen Anforderungen an die Rechtsmittelklarheit nicht genügt, was zu erheblichen Unsicherheiten bei der Entscheidung über die Frage, ob erst Gegenvorstellung oder zugleich Verfassungsbeschwerde einzulegen ist, führt. Der aus Gründen des Rechtsstaatsprinzips gebotene Schutz des Einzelnen bei der Einlegung von Rechtsbehelfen zwingt jedoch nicht weitergehend dazu, von Verfassungs wegen bereits die Zulässigkeit der Gegenvorstellung als eine Abhilfemöglichkeit zu verneinen. Dies betrifft gerade den Sachverhalt, wenn das Fachgericht nach der entsprechenden gesetzlichen Regelung zu einer Abänderung seiner vorangegangenen Entscheidung befugt ist und ihm die Gegenvorstellung Anlass zu einer dahingehenden Prüfung gibt. Da die Frage nach der Zulässigkeit einer Gegenvorstellung gegen gerichtliche Entscheidungen von den Obersten Gerichtshöfen des Bundes unterschiedlich beantwortet wird, hat das BVerfG auch einfachrechtlich die Gegenvorstellung nicht als offensichtlich unzulässig angesehen.

Soweit danach die Gegenvorstellung weiterhin grundsätzlich statthaft ist, ist sie nach Einführung der Anhörungsrüge in § 178a SGG zum 1. Januar 2005 allerdings auf die Geltendmachung der Verletzung anderer Verfahrensgrundrechte als dem Recht auf rechtliches Gehör und auf die Rüge einer willkürlichen Rechtsanwendung beschränkt (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, Sozialgerichtsgesetz, Kommentar, 12. Auflage, § 172, Rdnr. 9, § 178 a Rdnr. 12, vor § 143, Rdnr. 16, m. w. N.). Ein Verstoß gegen das Willkürverbot besteht dann, wenn eine schlechthin unverständliche, nicht nachvollziehbare und damit willkürliche Rechtsanwendung vorliegt (Bundessozialgericht - BSG, Beschluss vom 28. September 2006 – B 3 P 1/06 C, Rdnr. 15, zitiert nach juris, abgedruckt in SozR 4-1500 § 178 a Nr. 5).

Ihre Zulässigkeit erfährt im Hinblick auf den Beschluss des BVerfG vom 25. November 2008 – 1 BvR 848/07 zudem eine Einschränkung dahingehend, dass die Gegenvorstellung gegen eine nicht mehr abänderbare Entscheidung nicht statthaft ist. Dies betrifft alle gerichtlichen Entscheidungen, die materiell rechtskräftig werden und daher nicht mehr änderbar sind (vgl. Meyer-Ladewig, a. a. O., § 178a Rdnr. 12 m. w. N.), wie die Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde (Bundesverwaltungsgericht - BVerwG, Beschluss vom 22. März 2016 – 8 B 31/16, Rdnr. 8, zitiert nach juris; Bundesfinanzhof - BFH, Beschluss vom 16. April 2015 – XI S 7/15, Rdnr. 16, zitiert nach juris; Bundesarbeitsgericht - BAG, Beschluss vom 10. Oktober 2012 – 5 AZN 991/12 (A), Rdnr. 3, zitiert nach juris, abgedruckt in NJW 2013, 1549), aber auch die Kostenentscheidung in einem rechtskräftigen Urteil (BVerwG, Beschluss vom 03. Mai 2011 – 6 KSt 1/11, Rdnrn. 2 und 3, zitiert nach juris).

Danach ist die Gegenvorstellung der Klägerin nicht statthaft, denn sie richtet sich gegen einen rechtskräftigen Beschluss, mit dem die Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen wurde.

Im Übrigen ist sie auch deswegen unzulässig, weil nicht schlüssig deren Voraussetzungen dargetan sind: Die Klägerin macht geltend, der Senat habe bei seinem Beschluss vom 20. November 2018 verkannt, dass "(wohl ebenfalls)" am 12. September 2006 ein weiterer Bescheid betreffend die Leistungsgewährung ab April 2007 ergangen sei und solchermaßen die gesamte Begründung in der hiermit angegriffenen Entscheidung ins Leere gehe. Da bislang in den gerichtlichen Verfahren zu keinem Zeitpunkt insbesondere auf sich aus dem Leistungsbewilligungsbescheid ergebende Unklarheiten hingewiesen worden sei, sei für die Klägerin noch nicht einmal die Notwendigkeit eines dahingehenden Vortrages zu einem früheren Zeitpunkt absehbar gewesen.

Mit diesem Vorbringen rügt die Klägerin als verletztes Verfahrensgrundrecht ausschließlich das Recht auf rechtliches Gehör. Eine solche Rüge ist wegen der speziellen Vorschrift des § 178a SGG im Rahmen einer Gegenvorstellung unzulässig.

Soweit die Klägerin die Rechtsfehlerhaftigkeit des Beschlusses des Senats vom 20. November 2018 beanstandet, trägt sie schon nichts dafür vor, weshalb es sich dabei um eine schlechthin unverständliche, nicht nachvollziehbare und damit willkürliche Rechtsanwendung handeln könnte. Es fehlt an einem schlüssigen Vortrag dazu, weswegen es im Rahmen der allein zu prüfenden Gründe für die Zulassung der Berufung nach § 144 Abs. 2 SGG darauf ankommen könnte, dass und ob ein weiterer Bescheid am 12. September 2006 ergangen ist - was wohl selbst nach Ansicht der Klägerin unklar ist ("wohl ebenfalls") -, zumal im Verfahren vor dem Sozialgericht die Klägerin ausschließlich den Bescheid vom 12. September 2006 mit dem Bewilligungszeitraum vom 1. Oktober 2006 bis 31. März 2007 einreichte und Feststellungen im Urteil des Sozialgerichts zu einem weiteren Bescheid vom 12. September 2006 fehlen.

2. Die Rüge der Verletzung rechtlichen Gehörs ist ebenfalls unzulässig, denn sie ist nicht fristgerecht erhoben worden.

Nach § 178a Abs. 1 SGG ist das Verfahren auf die Rüge eines durch eine gerichtliche Entscheidung beschwerten Beteiligten fortzuführen, wenn 1. ein Rechtsmittel oder ein anderer Rechtsbehelf gegen die Entscheidung nicht gegeben ist und 2. das Gericht den Anspruch dieses Beteiligten auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat. Gegen eine der Endentscheidung vorausgehende Entscheidung findet die Rüge nicht statt.

Die Rüge ist innerhalb von zwei Wochen nach Kenntnis von der Verletzung des rechtlichen Gehörs zu erheben; der Zeitpunkt der Kenntniserlangung ist glaubhaft zu machen. Die Rüge ist schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle bei dem Gericht zu erheben, dessen Entscheidung angegriffen wird. Die Rüge muss die angegriffene Entscheidung bezeichnen und das Vorliegen der in § 178a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG genannten Voraussetzungen darlegen (§ 178a Abs. 2 Sätze 1, 4 und 5 SGG).

Der Beschluss des Senats vom 20. November 2018 ist dem Prozessbevollmächtigen der Klägerin am 29. November 2018 zugestellt worden. Die Rüge der Verletzung rechtlichen Gehörs durch diesen Beschluss ist hingegen erst am 31. Dezember 2018, mithin außerhalb der Frist von zwei Wochen erhoben worden.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus der entsprechenden Anwendung des § 193 Abs. 1 SGG und entspricht dem Ergebnis des Verfahrens.

Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG, § 178a Abs. 4 Satz 3 SGG).
Rechtskraft
Aus
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