L 2 AL 45/18

Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 14 AL 503/16
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 2 AL 45/18
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Der Gerichtsbescheid vom 23. August 2018 wird aufgehoben. Es wird festgestellt, dass das Verfahren durch Rücknahme der Klage beendet worden ist. 2. Außergerichtliche Kosten sind im Klage- und Berufungsverfahren nicht zu erstatten. 3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über ein Auskunftsersuchen gegenüber der Beklagten.

Der am xxxxx 1966 geborene Kläger hat am 9. August 2016 Klage beim Sozialgericht Hamburg gegen die Beklagte und das Jobcenter team.arbeit. h. (im Folgenden: Jobcenter) erhoben. Das Verfahren gegen das Jobcenter ist unter einem anderen Aktenzeichen einer für dieses Rechtsgebiet zuständigen Kammer erfasst worden. Der Kläger hat beantragt, dass die Beklagte zu verpflichten sei, ihn zu informieren, nach welcher Sozialgesetzgebung sie berechtigt sei, Sozialdetektive mit Nachforschungen über Leistungsbezieher zu beauftragen. Seinen Antrag hat er damit begründet, dass eine frühere Bekannte von ihm aus B. in der Reha-Abteilung der Beklagten arbeiten würde und seinen Fall als Vertretung im Dezember 2014 übernommen habe, ohne sich zu erkennen zu geben. Die betreffende Bekannte halte sich regelmäßig bei seinen Nachbarn auf, die sich über seine Sachverhalte bei der Beklagten und dem Jobcenter unterhalten würden. Die Nachbarn wiederum würden auch regelmäßig Informationen über Geschehnisse aus beiden Ämtern an Dritte weitergeben. Darüber hinaus bestehe zwischen der früheren Bekannten und seiner Verwandtschaft, mit der er seit fast 20 Jahren zerstritten sei, intensiver Kontakt und es würden Informationen über seine Privatsphäre und seine Amtsgeschäfte weitergegeben. Er beabsichtige, nach Erhalt der Informationen über die Rechtslage bezüglich der Sozialdetektive Klage gegen diese Verstöße zu erheben.

Die Beklagte hat darauf verwiesen, dass der Vortrag des Klägers unsubstantiiert sei. Es werde nicht vorgetragen, wie die Bekannte heiße und welche konkreten Sozialdaten an wen weitergegeben worden seien.

Der Kläger hat darauf erwidert, dass Angaben zu involvierten Personen nicht erfolgen würden, da dies für diese Klage vollkommen irrelevant sei. Er begehre lediglich, über die rechtliche Grundlage zur Beauftragung von Sozialdetektiven informiert zu werden. Er habe auch nicht beantragt oder erwartet, dass die Beklagte zu seinen Angaben zu den Hintergründen seiner Klage Stellung nehme.

Das Sozialgericht Hamburg hat den Kläger mit Schreiben vom 23. März 2017 auf die Vorschrift des § 67a des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) hingewiesen und angefragt, ob sich das Auskunftsbegehren des Klägers damit erledigt habe. Nachdem der Kläger auch auf Erinnerungen vom 10. April 2017 und 27. April 2017 nicht reagiert hatte, hat das Sozialgericht dem Kläger eine Aufforderung vom 24. Mai 2017 nach § 102 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) übersandt. Das Gericht habe erhebliche Zweifel daran, ob dem Kläger noch an einer Entscheidung in der Sache gelegen sei, da er die gerichtlichen Schreiben vom 23. März 2017, 10. April 2017 und 27. April 2017 nicht fristgemäß beantwortet habe. Nach § 102 Abs. 2 Satz 1 SGG gelte eine Klage als zurückgenommen, wenn der Kläger das Verfahren trotz Aufforderung des Gerichts länger als drei Monate nicht betreibe. Es werde daher für das Betreiben des Verfahrens eine Frist von drei Monaten nach Zustellung dieses Schreibens gesetzt. Sollte das Gericht binnen dieser Frist nichts vom Kläger hören, sei das Verfahren erledigt. Die entsprechende gerichtliche Verfügung und auch das Aufforderungsschreiben selbst sind vom Vorsitzenden mit vollem Namen unterzeichnet worden. Dem Kläger ist von dem Aufforderungsschreiben am 27. Mai 2017 eine beglaubigte Kopie zugestellt worden.

Der Kläger hat am 29. August 2017 (Dienstag) ein Schreiben vom gleichen Tag betreffend das gerichtliche Schreiben vom 24. Mai 2017, das ihm am 27. Mai 2017 zugestellt worden sei, bei Gericht eingereicht. Sein Auskunftsersuchen sei nicht erfüllt. Denn § 67a SGB X erlaube keine Unternehmungen wie z. B. Postdiebstahl, Abfangen von E-Mails, Denunziation oder Observationen bis zu Reisen. Außerdem möchte er darauf aufmerksam machen, dass er lediglich darum gebeten habe, dass die Beklagte ihm die Rechtsgrundlage für den Einsatz von Sozialdetektiven mitteile.

In einem weiteren Schreiben vom 13. Juni 2018 hat der Kläger mitgeteilt, dass in § 67a SGB X keine Hinweise zu Sozialdetektiven und zu Überwachungsmaßnahmen im privaten Bereich zu finden seien. Er verweise daher auf sein Klageschreiben, dass er Klage nach Erhalt der Informationen zu Sozialdetektiven beabsichtige. Als Rechtsgrundlage für seine Klage verweise er auf die EU-Datenschutzgrundverordnung, wonach er ein Recht auf wirksamen Rechtsbehelf habe. In einem späteren Schreiben hat sich der Kläger auf das Hamburgische Transparenzgesetz gestützt. Gleichzeitig hat der Kläger seine Klage erweitert und Herausgabe sämtlicher Organisationspläne, Globalrichtlinien, Fachanweisungen, Verwaltungsvorschriften und Dienstanweisungen betreffend jedweder Regelung der Beklagten, die die Beschaffung von Informationen über Leistungsbezieher ohne deren Mitwirkung betreffen, gefordert.

Das Sozialgericht hat die Klage nach Anhörung der Beteiligten mit Gerichtsbescheid vom 23. August 2018 abgewiesen. Das Sozialgericht hat den Klageantrag des Klägers dahingehend ausgelegt, dass er begehre, der Beklagten zu untersagen, gegen ihn Sozialdetektive einzusetzen. Die Klage sei unzulässig, da die behauptete Rechtsverletzung "Einsatz von Sozialdetektiven" eine Behauptung ins Blaue hinein und durch nichts belegt sei. Wenn es solche behördlichen Maßnahmen gegeben hätte, wäre eine Klage hiergegen nach § 56a SGG unzulässig, weil es sich um behördliche Verfahrenshandlungen gehandelt hätte. Verstöße gegen die Datenschutzgrundverordnung seien ebenfalls nicht plausibel dargelegt.

Der Kläger hat gegen den ihm am 25. August 2018 zugestellten Gerichtsbescheid am 25. September 2018 Berufung eingelegt. Er habe den vom Sozialgericht zugrunde gelegten Antrag nicht gestellt. Seine tatsächlichen Anträge seien dagegen nicht beschieden worden. Der Kläger beantragt im beigefügten Schreiben noch einmal ausdrücklich, dass die Beklagte verpflichtet werden solle, ihm die eingeklagten Informationen über die Rechtsgrundlagen einschließlich von Dienst- und Arbeitsanweisungen mitzuteilen, die sie zum Einsatz von sog. Sozialdetektiven für Ermittlungen gegen Leistungsbezieher ermächtigten.

Der Kläger beantragt, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hamburg vom 23. August 2018 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihm die Rechtsgrundlage für den Einsatz von sogenannten "Sozialdetektiven" zwecks Ermittlung gegen Bezieher von Sozialleistungen mitzuteilen und sämtliche Dienst- und Arbeitsanweisungen diesbezüglich offenzulegen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Zur Ergänzung des Tatbestands wird Bezug genommen auf die vorbereitenden Schriftsätze der Beteiligten, die Sitzungsniederschrift vom 30. Januar 2019 sowie den weiteren Inhalt der Prozessakte.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist statthaft (§§ 143, 144 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG)) und auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt (§ 151 SGG). Auf die Berufung des Klägers ist der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hamburg aufzuheben und die Beendigung des Verfahrens festzustellen, da das Klageverfahren bereits durch die Klagerücknahmefiktion nach § 102 Abs. 2 SGG beendet gewesen ist. Der Kläger hatte das Verfahren nach Aufforderung des Gerichts mehr als drei Monate nicht betrieben. Die Aufforderung des Gerichts vom 24. Mai 2017, die den Formvorschriften des § 102 SGG genügt und auch einen Hinweis auf die sich ergebenden Rechtsfolgen enthält, ist dem Kläger am 27. Mai 2017 zugestellt worden. Das Gericht hatte dem Kläger die aus seiner Sicht für das Auskunftsbegehren des Klägers einschlägige Rechtsgrundlage mitgeteilt und ist daher zu Recht davon ausgegangen, dass aus der Nichtreaktion auf dieses gerichtliche Schreiben zu schließen sei, dass der Kläger kein Interesse mehr an der Fortführung des Verfahrens habe. Ein Schreiben des Klägers ist erst am 29. August 2017 nach Ablauf von mehr als drei Monaten nach Zustellung der gerichtlichen Aufforderung bei Gericht eingegangen. Es handelt sich hierbei um eine Ausschlussfrist, so dass eine Wiedereinsetzung grundsätzlich nicht möglich ist. Der dennoch ergangene Gerichtsbescheid ist nichtig und aus diesem Grund zur Beseitigung des Rechtsscheins aufzuheben.

Ergänzend wird darauf hingewiesen, dass die Klage des Klägers unzulässig gewesen ist. Der Kläger begehrt die Mitteilung der Rechtsgrundlage für den Einsatz von "Sozialdetektiven". Eine Auslegung des Klageantrags des Klägers nach dem Meistbegünstigungsprinzip dahingehend, dass er in seinem konkreten Fall die Untersagung des Einsatzes von Sozialdetektiven begehre, ist gegen seinen ausdrücklichen Willen nicht möglich. Für eine Leistungsklage auf einen allgemeinen Auskunftsanspruch zur Mitteilung von Rechtsgrundlagen gegen die Beklagte fehlt dem Kläger jedoch die Klagebefugnis. Er hat nicht schlüssig vorgetragen, in eigenen Rechten betroffen zu sein. Zudem trifft die Beklagte keine Verpflichtung zur allgemeinen Rechtsauskunft bzw. -beratung – weder aus dem Hamburgischen Transparenzgesetz noch aus dem Informationsfreiheitsgesetz, auf die sich der Kläger beruft.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG. Hierbei war zu berücksichtigen, dass die Klage des Klägers von Anfang an unzulässig war.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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