Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
SG Freiburg (BWB)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 6 KR 2237/18
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Art. 19 UN-BRK ist nicht unmittelbar anwendbar, aber bei der Auslegung des Fachrechts (hier: § 12 Abs. 1 SGB V) heranzuziehen. Danach muss behinderten Menschen nach einer stationären Behandlung eine Rückkehr in ein selbstgewähltes Wohnumfeld im Rahmen des Fachrechts nach Möglichkeit eröffnet werden, jedenfalls soweit damit keine unverhältnismäßig hohen Kosten verbunden sind. 2. Die Krankenkasse ist in einem solchen Fall verpflichtet, Hilfsmittel auch doppelt zu gewähren (hier: vorübergehende Gewährung eines zweiten Pflegebettes).
Der Bescheid der Beklagten vom 28. Juli 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. April 2018 wird aufgehoben. Die Beklagte wird verurteilt, die für die Ausleihe des Pflegebettes angefallenen Kosten i.H.v. 517,65 EUR zu übernehmen. Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten des Klägers zu erstatten. Die Berufung wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Im Streit steht die Übernahme von 517,65 EUR Entgelt für die Ausleihe eines Pflegebettes.
Der am 1961 geboren Kläger ist bei der Beklagten gesetzlich kranken- und bei der Beigeladenen pflegeversichert. Er ist querschnittsgelähmt und bezieht Leistungen der gesetzlichen Pflegeversicherung nach Pflegegrad 2. Am 6. Juli 2017 stürzte der Kläger mit seinem Rollstuhl und erlitt dabei eine ventrale Schulterluxation links, eine Fraktur des Tuberkulose majus links sowie Muskel- und Sehnenverletzungen. Er wurde vom 6. bis 17. Juli 2017 im Universitätsklinikum F. stationär behandelt.
Am 21. Juli 2017 verordnete die Fachärztin für Allgemeinmedizin Dr. B., K., ein Pflegebett mit Pflegegalgen. Der Kläger legte die Unterlagen der Beklagten vor. Am 28. Juli 2017 wurde das Pflegebett geliefert und dem Kläger wurden Kosten in der Höhe von 517,65 EUR in Rechnung gestellt. Am gleichen Tage lehnte die Beklagte die Kostenübernahme mit Bescheid ab. Der Kläger sei bereits 2017 an seinem Wohnort F. mit einem Einlegerahmen versorgt worden. Eine erneute Bewilligung komme einer Doppelversorgung gleich und übersteige das Maß des Notwendigen.
Der Kläger legte hiergegen Widerspruch ein. Zur Begründung trug er vor, er habe nach der Entlassung aus dem Krankenhaus noch weniger als zuvor alleine machen können, da er den linken Arm nicht habe stark belasten dürfen, und sei daher vorübergehend zu einer Freundin nach W. gezogen. Er plane, bei ihr zu bleiben bis er wieder alleine lebensfähig sei und er schätze, dass dies bis in den Oktober hinein gehen werde. Solange er sich dort aufhalte, benötige er leihweise ein zweites Pflegebett. Eine Kurzzeitpflege komme wesentlich teurer als das zweite Pflegebett, welches er für den gesamten Aufenthalt zum Vorzugspreis von 517,65 EUR habe mieten können.
Mit Widerspruchsbescheid vom 11. April 2018 wies die Beklagte, auch im Namen der Beigeladenen, den Widerspruch als unbegründet zurück. Zur Begründung führte sie aus, Krankenkassen bzw. Pflegekassen hätten Hilfsmittel oder Pflegehilfsmittel grundsätzlich in einfacher Stückzahl zu gewähren. Eine Mehrfachausstattung könne notwendig werden, wenn das Hilfsmittel oder Pflegehilfsmittel aus hygienischen Gründen ständig oder häufiger gewechselt werden müsse oder sicherheitstechnische Gründe dies notwendig machen würden. Dies sei hier nicht der Fall. Alternativ habe die Möglichkeit einer Kurzzeitpflege bestanden.
Der Kläger hat am 15. Mai 2018 Klage erhoben. Zur Begründung wiederholt und vertieft er seine Angaben. Gegenüber der Kurzzeitpflege sei die leihweise Überlassung des Pflegebettes eine nicht nur für die Versichertengemeinschaft wesentlich kostengünstigere und für den Kläger praktikablere Lösung, sondern auch die zumutbare und weniger einschneidende, seine vorherige Krankenbehandlung sichernde und seine verbliebene Behinderung ausgleichende sowie seine Pflege erleichternde und seine selbstständige Lebensführung ermöglichende Maßnahme.
Der Kläger beantragt (sachdienlich gefasst),
die Beklagte, hilfsweise die Beigeladene, unter Aufhebung des Bescheides vom 28. Juli 2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. April 2018 zu verurteilen, die für die Ausleihe des Pflegebettes angefallenen Kosten i.H.v. 517,65 EUR zu übernehmen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hält ihre Entscheidung für zutreffend und verweist zur Begründung insbesondere auf den Widerspruchsbescheid.
Die Beigeladene stellt keinen Antrag.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten sowie die Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Im Einverständnis der Beteiligten entscheidet das Gericht ohne mündliche Verhandlung (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG).
Die Klage ist zulässig. Der in der Klagebegründung angeregten Beiladung des Sozialhilfeträgers, bedarf es nicht. Die Übernahme der Kosten als Hilfe zur Pflege (§§ 61 ff. Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch) scheidet offensichtlich aus, da der Sozialhilfeträger während der Nutzung des Pflegebettes nicht einbezogen war und der Bedarf mittlerweile gedeckt ist. Für ausstehende Verpflichtungen des Klägers gegenüber dem Sanitätshaus steht der Sozialhilfeträger nicht ein.
Die Klage ist auch begründet. Der angefochtene Bescheid ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Er hat einen Anspruch auf Übernahme der Kosten für die leihweise Überlassung des Pflegebettes.
Versicherte haben nach § 33 Abs. 1 Satz 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) Anspruch auf Versorgung mit Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach § 34 Abs. 4 SGB V ausgeschlossen sind. Dieser Anspruch würde sich hier gegen die Beklagte richten. Pflegebedürftige haben nach § 40 Abs. 1 Satz 1 Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) Anspruch auf Versorgung mit Pflegehilfsmitteln, die zur Erleichterung der Pflege oder zur Linderung der Beschwerden des Pflegebedürftigen beitragen oder ihm eine selbständigere Lebensführung ermöglichen, soweit die Hilfsmittel nicht wegen Krankheit oder Behinderung von der Krankenversicherung oder anderen zuständigen Leistungsträgern zu leisten sind. Dieser Anspruch würde sich gegen die Beigeladene richten.
Für beide Ansprüche gilt, dass die Leistungen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten dürfen (§ 12 Abs. 1 SGB V, § 29 Abs. 1 Satz 1 SGB XI). Dies ist hier jedoch nicht der Fall. Zwar ist der Kläger bereits in seiner Wohnung in F. mit einem Pflegebett versorgt. Doch benötigte er nach der Entlassung aus der stationären Behandlung zusätzliche Hilfestellung. Die Freundin, bei der er vorübergehend einzog, konnte diese Hilfestellung nur erbringen, wenn dort ein Pflegebett zur Verfügung stand. Dieses ist daher von der Beklagten als Hilfsmittel nach § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V zu gewähren. Der Bedarf ist hier vorrangig durch die Krankheit des Klägers veranlasst und für eine voraussichtlich für mindestens 6 Monate andauernde Pflegebedürftigkeit (vgl. § 14 Abs. 1 Satz 3 SGB XI), spricht nichts. Somit ist der gegen die Beklagte gerichtete Anspruch einem etwaigen Anspruch gegen die Beigeladene vorgeht.
Eine Doppelversorgung mit Hilfsmitteln ist, wie die Beklagte im Widerspruchsbescheid ausgeführt hat, nicht schlechthin ausgeschlossen. Sie ist hier ausnahmsweise unter dem besonderen Gesichtspunkt gerechtfertigt, dem Kläger das Verlassen des Krankenhauses und die Rückkehr in eine häusliche Umgebung zu ermöglichen, also auch notwendig.
Der Kläger hat vorgetragen, dass er bei in der Entlassung aus dem Krankenhaus deutlich eingeschränkter war als zuvor. Dies lässt sich für das Gericht aus den vorliegenden medizinischen Unterlagen nachvollziehen. Im Entlassungsbericht der Universitätsklinik F. vom 18. Juli 2017 ist vermerkt, dass der Kläger dort stationär aufgenommen wurde, weil aufgrund der vorbestehenden Querschnittssymptomatik eine häusliche Versorgung nicht möglich gewesen sei. Daraus ist aber nicht im Umkehrschluss zu ziehen, dass aus Sicht der Klinik die Voraussetzung, zu Hause alleine zurecht zu kommen, zum Zeitpunkt der Entlassung wieder gegeben war. Denn der Wegfall der Notwendigkeit stationärer Behandlung ist nicht damit gleichzusetzen, dass sich der Versicherte ohne Unterstützung Dritter wieder selbst zu Hause behelfen kann. Auf eine stationäre Behandlung folgt in nicht wenigen Fällen die Notwendigkeit (erweiterter) ambulanter Behandlung, der Betreuung und Pflege durch Angehörige sowie - wie hier - der vorübergehenden Versorgung mit Hilfsmitteln. Der Kläger benötigte also nach der Entlassung für eine Übergangszeit die Hilfe Dritter, um sich außerhalb des Krankenhauses versorgen zu können. Solche Dritte, die dem Kläger in seiner Wohnung in F., wo ein Pflegebett vorhanden war, hätten helfen können, sind nicht ersichtlich. In W. aber, wo eine Freundin des Klägers lebt, zu der er vorübergehend ziehen konnte, war dies der Fall.
Die von der Beklagten aufgezeigte Möglichkeit einer Kurzzeitpflege ist keine für den Kläger zumutbare Alternative gewesen. Dass diese für die Beklagte letztlich teurer gewesen wäre, als die Anmietung eines weiteren Pflegebettes, ist dabei allerdings nicht entscheidend. Eine Kurzzeitpflege, also eine vollstationäre Pflege in einem Pflegeheim (§ 42 SGB XI), bedeutet jedoch eine erhebliche Einschränkung der persönlichen Betätigungsmöglichkeit, die hinzunehmen, vom Kläger nicht erwartet werden konnte. Er hätte sich dem Regime einer stationären Einrichtung mit weitgehend festen Essens- und Schlafenszeiten unterordnen müssen. Die Nutzung persönlicher Gegenstände und eine eigenständige Gestaltung des Alltags wäre deutlich reduziert gewesen. Nach Art. 19 lit. a des Übereinkommens über die Rechte von Menschen mit Behinderungen" (UN-Behindertenrechtskonvention - UN-BRK) vom 13. Dezember 2006 (Gesetz vom 21. Dezember 2008, BGBl. II 2008, S. 1419) gewährleisten die Vertragsstaaten u.a., dass Menschen mit Behinderungen gleichberechtigt die Möglichkeit haben, ihren Aufenthaltsort zu wählen und zu entscheiden, wo und mit wem sie leben, und nicht verpflichtet sind, in besonderen Wohnformen zu leben. Die Regelung ist zwar nicht unmittelbar anwendbar, jedoch bei der Auslegung innerstaatlichen Rechts - hier des Begriffs der "Notwendigkeit" - heranzuziehen (vgl. BSG, Urteil vom 6. März 2012, B 1 KR 10/11 R, SozR 4-1100 Art. 3 Nr. 69; Aichele, DRiZ 2016, 342, 346). Auch wenn die Vorschrift ihren Schwerpunkt in der Ausgestaltung als Abwehrrecht hat und aus ihr allein keine Leistungsansprüche unabhängig von den Kosten abgeleitet werden können (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 22. Februar 2018, L 7 SO 3516/14, juris Rn. 66 f), kann aus ihr doch eine Wertung entnommen und bei der Abwägung im konkreten Einzelfall berücksichtigt werden (vgl. Luthe, jM 2015, 190, 195). Diese geht dahin, dass dem Kläger als behinderten Menschen (vgl. Art. 1 Satz 1 UN-BRK) eine Rückkehr in ein selbstgewähltes Wohnumfeld im Rahmen des Fachrechts nach Möglichkeit eröffnet werden muss, jedenfalls soweit damit keine unverhältnismäßig hohen Kosten verbunden sind. Wenn der Kläger statt in ein Pflegeheim vorübergehend zu einer Freundin nach W. zog, war das eine naheliegende und auch mit Blick auf die anfallenden Kosten durchaus sachgerechte Lösung. Dort war zwar die notwendige Ausstattung mit Hilfsmitteln (Pflege) nicht vorhanden, jedoch war durch die Ausleihe des Pflegebettes mit überschaubarem finanziellen Aufwand eine Versorgung möglich, deren weitere Umstände den Kläger weit weniger persönlich einschränkten, als dies in einem Pflegeheim der Fall gewesen wäre.
Weiterer Ermittlungen von Amts wegen bedarf es nicht, da der Sachverhalt geklärt ist. Der geltend gemachte Anspruch auf Leistungsgewährung besteht. Da die Kosten für das Pflegebett vom Kläger gegenüber dem Sanitätshaus noch nicht beglichen worden sind, hat dies nun die Beklagte zu übernehmen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Berufung bedürfte der Zulassung, da der Beschwerdegegenstand 750,00 EUR nicht übersteigt und auch nicht wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betroffen sind (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Satz 2 SGG). Gründe für eine Zulassung der Berufung nach § 144 Abs. 2 SGG bestehen nicht. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch weicht die Entscheidung des Sozialgerichts von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senates der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts ab und beruht auf dieser Abweichung.
Tatbestand:
Im Streit steht die Übernahme von 517,65 EUR Entgelt für die Ausleihe eines Pflegebettes.
Der am 1961 geboren Kläger ist bei der Beklagten gesetzlich kranken- und bei der Beigeladenen pflegeversichert. Er ist querschnittsgelähmt und bezieht Leistungen der gesetzlichen Pflegeversicherung nach Pflegegrad 2. Am 6. Juli 2017 stürzte der Kläger mit seinem Rollstuhl und erlitt dabei eine ventrale Schulterluxation links, eine Fraktur des Tuberkulose majus links sowie Muskel- und Sehnenverletzungen. Er wurde vom 6. bis 17. Juli 2017 im Universitätsklinikum F. stationär behandelt.
Am 21. Juli 2017 verordnete die Fachärztin für Allgemeinmedizin Dr. B., K., ein Pflegebett mit Pflegegalgen. Der Kläger legte die Unterlagen der Beklagten vor. Am 28. Juli 2017 wurde das Pflegebett geliefert und dem Kläger wurden Kosten in der Höhe von 517,65 EUR in Rechnung gestellt. Am gleichen Tage lehnte die Beklagte die Kostenübernahme mit Bescheid ab. Der Kläger sei bereits 2017 an seinem Wohnort F. mit einem Einlegerahmen versorgt worden. Eine erneute Bewilligung komme einer Doppelversorgung gleich und übersteige das Maß des Notwendigen.
Der Kläger legte hiergegen Widerspruch ein. Zur Begründung trug er vor, er habe nach der Entlassung aus dem Krankenhaus noch weniger als zuvor alleine machen können, da er den linken Arm nicht habe stark belasten dürfen, und sei daher vorübergehend zu einer Freundin nach W. gezogen. Er plane, bei ihr zu bleiben bis er wieder alleine lebensfähig sei und er schätze, dass dies bis in den Oktober hinein gehen werde. Solange er sich dort aufhalte, benötige er leihweise ein zweites Pflegebett. Eine Kurzzeitpflege komme wesentlich teurer als das zweite Pflegebett, welches er für den gesamten Aufenthalt zum Vorzugspreis von 517,65 EUR habe mieten können.
Mit Widerspruchsbescheid vom 11. April 2018 wies die Beklagte, auch im Namen der Beigeladenen, den Widerspruch als unbegründet zurück. Zur Begründung führte sie aus, Krankenkassen bzw. Pflegekassen hätten Hilfsmittel oder Pflegehilfsmittel grundsätzlich in einfacher Stückzahl zu gewähren. Eine Mehrfachausstattung könne notwendig werden, wenn das Hilfsmittel oder Pflegehilfsmittel aus hygienischen Gründen ständig oder häufiger gewechselt werden müsse oder sicherheitstechnische Gründe dies notwendig machen würden. Dies sei hier nicht der Fall. Alternativ habe die Möglichkeit einer Kurzzeitpflege bestanden.
Der Kläger hat am 15. Mai 2018 Klage erhoben. Zur Begründung wiederholt und vertieft er seine Angaben. Gegenüber der Kurzzeitpflege sei die leihweise Überlassung des Pflegebettes eine nicht nur für die Versichertengemeinschaft wesentlich kostengünstigere und für den Kläger praktikablere Lösung, sondern auch die zumutbare und weniger einschneidende, seine vorherige Krankenbehandlung sichernde und seine verbliebene Behinderung ausgleichende sowie seine Pflege erleichternde und seine selbstständige Lebensführung ermöglichende Maßnahme.
Der Kläger beantragt (sachdienlich gefasst),
die Beklagte, hilfsweise die Beigeladene, unter Aufhebung des Bescheides vom 28. Juli 2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. April 2018 zu verurteilen, die für die Ausleihe des Pflegebettes angefallenen Kosten i.H.v. 517,65 EUR zu übernehmen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hält ihre Entscheidung für zutreffend und verweist zur Begründung insbesondere auf den Widerspruchsbescheid.
Die Beigeladene stellt keinen Antrag.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten sowie die Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Im Einverständnis der Beteiligten entscheidet das Gericht ohne mündliche Verhandlung (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG).
Die Klage ist zulässig. Der in der Klagebegründung angeregten Beiladung des Sozialhilfeträgers, bedarf es nicht. Die Übernahme der Kosten als Hilfe zur Pflege (§§ 61 ff. Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch) scheidet offensichtlich aus, da der Sozialhilfeträger während der Nutzung des Pflegebettes nicht einbezogen war und der Bedarf mittlerweile gedeckt ist. Für ausstehende Verpflichtungen des Klägers gegenüber dem Sanitätshaus steht der Sozialhilfeträger nicht ein.
Die Klage ist auch begründet. Der angefochtene Bescheid ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Er hat einen Anspruch auf Übernahme der Kosten für die leihweise Überlassung des Pflegebettes.
Versicherte haben nach § 33 Abs. 1 Satz 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) Anspruch auf Versorgung mit Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach § 34 Abs. 4 SGB V ausgeschlossen sind. Dieser Anspruch würde sich hier gegen die Beklagte richten. Pflegebedürftige haben nach § 40 Abs. 1 Satz 1 Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) Anspruch auf Versorgung mit Pflegehilfsmitteln, die zur Erleichterung der Pflege oder zur Linderung der Beschwerden des Pflegebedürftigen beitragen oder ihm eine selbständigere Lebensführung ermöglichen, soweit die Hilfsmittel nicht wegen Krankheit oder Behinderung von der Krankenversicherung oder anderen zuständigen Leistungsträgern zu leisten sind. Dieser Anspruch würde sich gegen die Beigeladene richten.
Für beide Ansprüche gilt, dass die Leistungen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten dürfen (§ 12 Abs. 1 SGB V, § 29 Abs. 1 Satz 1 SGB XI). Dies ist hier jedoch nicht der Fall. Zwar ist der Kläger bereits in seiner Wohnung in F. mit einem Pflegebett versorgt. Doch benötigte er nach der Entlassung aus der stationären Behandlung zusätzliche Hilfestellung. Die Freundin, bei der er vorübergehend einzog, konnte diese Hilfestellung nur erbringen, wenn dort ein Pflegebett zur Verfügung stand. Dieses ist daher von der Beklagten als Hilfsmittel nach § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V zu gewähren. Der Bedarf ist hier vorrangig durch die Krankheit des Klägers veranlasst und für eine voraussichtlich für mindestens 6 Monate andauernde Pflegebedürftigkeit (vgl. § 14 Abs. 1 Satz 3 SGB XI), spricht nichts. Somit ist der gegen die Beklagte gerichtete Anspruch einem etwaigen Anspruch gegen die Beigeladene vorgeht.
Eine Doppelversorgung mit Hilfsmitteln ist, wie die Beklagte im Widerspruchsbescheid ausgeführt hat, nicht schlechthin ausgeschlossen. Sie ist hier ausnahmsweise unter dem besonderen Gesichtspunkt gerechtfertigt, dem Kläger das Verlassen des Krankenhauses und die Rückkehr in eine häusliche Umgebung zu ermöglichen, also auch notwendig.
Der Kläger hat vorgetragen, dass er bei in der Entlassung aus dem Krankenhaus deutlich eingeschränkter war als zuvor. Dies lässt sich für das Gericht aus den vorliegenden medizinischen Unterlagen nachvollziehen. Im Entlassungsbericht der Universitätsklinik F. vom 18. Juli 2017 ist vermerkt, dass der Kläger dort stationär aufgenommen wurde, weil aufgrund der vorbestehenden Querschnittssymptomatik eine häusliche Versorgung nicht möglich gewesen sei. Daraus ist aber nicht im Umkehrschluss zu ziehen, dass aus Sicht der Klinik die Voraussetzung, zu Hause alleine zurecht zu kommen, zum Zeitpunkt der Entlassung wieder gegeben war. Denn der Wegfall der Notwendigkeit stationärer Behandlung ist nicht damit gleichzusetzen, dass sich der Versicherte ohne Unterstützung Dritter wieder selbst zu Hause behelfen kann. Auf eine stationäre Behandlung folgt in nicht wenigen Fällen die Notwendigkeit (erweiterter) ambulanter Behandlung, der Betreuung und Pflege durch Angehörige sowie - wie hier - der vorübergehenden Versorgung mit Hilfsmitteln. Der Kläger benötigte also nach der Entlassung für eine Übergangszeit die Hilfe Dritter, um sich außerhalb des Krankenhauses versorgen zu können. Solche Dritte, die dem Kläger in seiner Wohnung in F., wo ein Pflegebett vorhanden war, hätten helfen können, sind nicht ersichtlich. In W. aber, wo eine Freundin des Klägers lebt, zu der er vorübergehend ziehen konnte, war dies der Fall.
Die von der Beklagten aufgezeigte Möglichkeit einer Kurzzeitpflege ist keine für den Kläger zumutbare Alternative gewesen. Dass diese für die Beklagte letztlich teurer gewesen wäre, als die Anmietung eines weiteren Pflegebettes, ist dabei allerdings nicht entscheidend. Eine Kurzzeitpflege, also eine vollstationäre Pflege in einem Pflegeheim (§ 42 SGB XI), bedeutet jedoch eine erhebliche Einschränkung der persönlichen Betätigungsmöglichkeit, die hinzunehmen, vom Kläger nicht erwartet werden konnte. Er hätte sich dem Regime einer stationären Einrichtung mit weitgehend festen Essens- und Schlafenszeiten unterordnen müssen. Die Nutzung persönlicher Gegenstände und eine eigenständige Gestaltung des Alltags wäre deutlich reduziert gewesen. Nach Art. 19 lit. a des Übereinkommens über die Rechte von Menschen mit Behinderungen" (UN-Behindertenrechtskonvention - UN-BRK) vom 13. Dezember 2006 (Gesetz vom 21. Dezember 2008, BGBl. II 2008, S. 1419) gewährleisten die Vertragsstaaten u.a., dass Menschen mit Behinderungen gleichberechtigt die Möglichkeit haben, ihren Aufenthaltsort zu wählen und zu entscheiden, wo und mit wem sie leben, und nicht verpflichtet sind, in besonderen Wohnformen zu leben. Die Regelung ist zwar nicht unmittelbar anwendbar, jedoch bei der Auslegung innerstaatlichen Rechts - hier des Begriffs der "Notwendigkeit" - heranzuziehen (vgl. BSG, Urteil vom 6. März 2012, B 1 KR 10/11 R, SozR 4-1100 Art. 3 Nr. 69; Aichele, DRiZ 2016, 342, 346). Auch wenn die Vorschrift ihren Schwerpunkt in der Ausgestaltung als Abwehrrecht hat und aus ihr allein keine Leistungsansprüche unabhängig von den Kosten abgeleitet werden können (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 22. Februar 2018, L 7 SO 3516/14, juris Rn. 66 f), kann aus ihr doch eine Wertung entnommen und bei der Abwägung im konkreten Einzelfall berücksichtigt werden (vgl. Luthe, jM 2015, 190, 195). Diese geht dahin, dass dem Kläger als behinderten Menschen (vgl. Art. 1 Satz 1 UN-BRK) eine Rückkehr in ein selbstgewähltes Wohnumfeld im Rahmen des Fachrechts nach Möglichkeit eröffnet werden muss, jedenfalls soweit damit keine unverhältnismäßig hohen Kosten verbunden sind. Wenn der Kläger statt in ein Pflegeheim vorübergehend zu einer Freundin nach W. zog, war das eine naheliegende und auch mit Blick auf die anfallenden Kosten durchaus sachgerechte Lösung. Dort war zwar die notwendige Ausstattung mit Hilfsmitteln (Pflege) nicht vorhanden, jedoch war durch die Ausleihe des Pflegebettes mit überschaubarem finanziellen Aufwand eine Versorgung möglich, deren weitere Umstände den Kläger weit weniger persönlich einschränkten, als dies in einem Pflegeheim der Fall gewesen wäre.
Weiterer Ermittlungen von Amts wegen bedarf es nicht, da der Sachverhalt geklärt ist. Der geltend gemachte Anspruch auf Leistungsgewährung besteht. Da die Kosten für das Pflegebett vom Kläger gegenüber dem Sanitätshaus noch nicht beglichen worden sind, hat dies nun die Beklagte zu übernehmen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Berufung bedürfte der Zulassung, da der Beschwerdegegenstand 750,00 EUR nicht übersteigt und auch nicht wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betroffen sind (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Satz 2 SGG). Gründe für eine Zulassung der Berufung nach § 144 Abs. 2 SGG bestehen nicht. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch weicht die Entscheidung des Sozialgerichts von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senates der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts ab und beruht auf dieser Abweichung.
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