Land
Hessen
Sozialgericht
SG Kassel (HES)
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Kassel (HES)
Aktenzeichen
S 1 U 35/13
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 3 U 90/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt die Anerkennung einer Epicondylitis als Berufskrankheit (BK) nach der Nummer 2101 der Anlage I zur Berufskrankheitenverordnung (BKV).
Nach ihrem Studium an der Gesamthochschule D-Stadt in der Zeit von 1978 bis 1981 war die Klägerin im Zeitraum November 1981 bis März 1982 zunächst als Betriebshelferin bei der Arbeitsgemeinschaft für Landwirtschaftliche Betriebs- und Haushaltshilfen E-Stadt tätig. Im April 1982 bis Oktober 1983 schloss sich eine Ausbildung als Regierungslandwirtschaftsinspektorin beim Land F. an. Seit November 1983 war die Klägerin dann als Diplom-Ingenieurin in der landwirtschaftlichen Praxis tätig. Von Februar 1987 bis Dezember 1996 führte sie gemeinsam mit ihrem damaligen Ehemann selbständig einen ca. 80 ha großen landwirtschaftlichen Gutsbetrieb mit mehreren Angestellten und einer umfassenden Direktvermarktung der Produkte. 1999 bis Dezember 2005 war sie nebenberuflich selbständig mit einem Büroservice, bevor sie vom September 2002 bis Dezember 2004 in der Forschung im Ökolandbau bei der G. G Stadt tätig war. Vom März 2005 bis März 2006 übte sie eine Tätigkeit im Regierungspräsidium H-Stadt aus. Dem schloss sich nochmals eine Tätigkeit als Betriebshelferin für die Zeit vom November 2007 bis Mai 2010 an.
Tätigkeiten mit einer Handschere führte sie nach den Feststellungen des technischen Aufsichtsdienstes der Beklagten seit 1981 aus. Zunächst war sie mithelfend tätig bei der Herrichtung der Zuckermaise unter Verwendung einer Handschere. Seit 1984 bis 1996 erntete sie nach den Feststellungen des Technischen Aufsichtsdienstes jeweils von Anfang Juli bis Ende Oktober täglich ca. 185 Maiskolben von Hand und kürzte diese oben und unten mit der Gartenschere. Eine weitere relevante Exposition fand in der Zeit von Januar 2008 bis Anfang 2009 statt. In dieser Zeit war sie im Reb- und Baumschnitt tätig. Im Januar 2008 waren dies im Rebschnitt ca. 50,25 Stunden im Februar 2008 ca. 37 Stunden im Baum- und Rebschnitt und im Januar 2009 ca. 85 Stunden u.a. im Rebschnitt.
In den Jahren der Bearbeitung von Mais litt die Klägerin nicht unter Beschwerden im rechten Arm. Diese traten erstmals im Rahmen ihrer Tätigkeit beim Rebschnitt auf. Erstmals stellte der Allgemeinmediziner Dr. J. am 11.04.2008 die Diagnose einer Epicondylitis rechts. Im Januar 2009 erfolgte dann Überweisung zum Orthopäden Dr. K. Die spätere Behandlung nahm u.a. Herr Dr. L. vor.
Mit Schreiben vom 29.03.2011 stellte die Klägerin vom 30.03.2011 den Antrag auf Feststellung des Vorliegens einer Berufskrankheit. Sie teilte mit, seit Januar 2008 sei sie in der M. als Landwirtschaftliche Betriebshelferin eingesetzt gewesen. Im Rahmen dieser Tätigkeit sei sie auch auf den Rebbetrieben eingesetzt gewesen. Hier habe sie im Schnitt 8 und 9 Stunden täglich Reben geschnitten. Infolge dessen habe sie Beschwerden in ihrem Arm gehabt. Der Arm heile bis heute nicht aus. Bis heute habe sie Schmerzen bei allen Tätigkeiten, die Kraft erforderten.
Nach Einholung medizinscher Befundberichte und Befragen der Klägerin zu ihrem Lebenslauf gelangte der Technische Aufsichtsdienst der Beklagten zu dem Ergebnis, dass die Arbeit bei der Maisbearbeitung über ein Jahrzehnt mit einer Handschere die größere Belastung gewesen sei. Die Tätigkeit der Klägerin beim Reb- und Baumschnitt mit dem Einsatz von mechanischen Scheren über wenige Tage im Jahr und über zwei Jahre sei zwar sicher ungewohnt, aber nicht langdauernd gewesen. Das darauf von der Beklagten in Auftrag gegebene orthopädische Zusammenhangsgutachten der Frau N. und Herrn Dr. O. gelangte unter dem 30.01.2012 zu dem Ergebnis, dass eine berufsinduzierte Epicondylitis humeri radialis nicht gegeben sei. Die Tätigkeit beim Reb- und Baumschnitt mit einem Einsatz von mechanischen Scheren über wenige Tage im Jahr und über zwei Jahre sei zwar ungewohnt, aber nicht langdauernd genug gewesen. Die Arbeit bei der Maisbereitung über ein Jahrzehnt mit einer Handschere sei die größere Belastung gewesen. Eine mit hinreichender Wahrscheinlichkeit kausaler Verknüpfung zwischen der beruflichen Einwirkung und der Erkrankung lasse sich plausibel nicht begründen. Da die Klägerin über zehn Jahre beim Maisschneiden gearbeitet habe und diese Tätigkeit mit dem Rebenschneiden bezüglich der Belastung annährend vergleichbar sei, so dass adaptierte Vorgänge im Bereich des Gewebes hätten erfolgen müssen. Infolgedessen habe keine Überbeanspruchung am Ansatz am Epikondylus humeri radialis durch die in etwa gleichartige Tätigkeit beim Rebenschneiden verursacht werden können.
Nach Anhörung des staatlichen Gewerbearztes beim Regierungspräsidium P-Stadt vom 13.07.2012, welcher das Vorliegen gemäß Nr. 2101 der BKV nicht zur Anerkennung vorschlug (Schreiben vom 13.07.2012), lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 26.07.2012 das Vorliegen einer Berufskrankheit nach der Nr. 2101 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung wie auch einer Berufskrankheit nach § 9 Abs. 2 SGB VII ab.
Auf den darauf von der Klägerin mit Schreiben vom 30.07.2012 am 01.08.2012 eingelegten Widerspruch und nach Einholung weiterer Befundberichte gelangten die darauf nochmals gehörten Gutachter Dr. N. und Dr. O. in ihrer ergänzenden Stellungnahme vom 27.11.2012 zu dem Ergebnis, dass gegen eine berufsinduzierte Epicondylitis humeri radialis zudem spreche, dass nach dem Unterlassen der schädigenden Tätigkeit weiterhin Beschwerden beständen. Überdies sei nochmals darauf hingewiesen, dass die Klägerin zehn Jahre lang beim Maisschneiden gearbeitet und diese Tätigkeit mit dem Rebschneiden bezüglich der Belastung annährend zu vergleichen sei, so dass adaptierte Vorgänge im Bereich des Gewebes hätten erfolgt sein müssen; andernfalls wäre die Klägerin wesentlich früher mit den Beschwerden ärztlich vorstellig geworden.
Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 21.02.2013 zurück.
Dagegen hat die Klägerin mit anwaltlichem Schreiben vom 01.03.2013 am 04.03.2013 Klage erhoben. Sie stellt sich auf den Standpunkt, dass die Voraussetzungen der Berufskrankheit gegeben sind. Der Rebschnitt sei eine schwierige und anstrengende Arbeit, wobei man in zwei Stunden ca. 250 Rebstöcke schneiden müsse. Bei jedem Rebstock müssten bis zu vier bis sechs Schnitte durchgeführt werden, damit mit der mechanischen Rebschere das Rebreisig entfernt werden könne. Bei niedrig angenommenen vier Schnitten wäre bei einem Arbeitstag bei 8 bis 9 Stunden 4.500 mal die mechanische Rebschere zu bewegen. Dies habe bei ihr zu einer chronischen Erkrankung geführt. Sie leide unter der sogenannten "Rebschnitt-Krankheit", der häufigsten Erkrankung, an der die Winzer litten. In einer weiteren anwaltlichen Stellungnahme vom 16.07.2014 führt sie weiter aus, der Schlussfolgerung des Technischen Aufsichtsdienstes, der Meistbearbeitung über ein Jahrzehnt mit der Handschere käme die größere Bedeutung zu, könne nicht gefolgt werden. Der Anbau und die Vermarktung von Zuckermais sei auf dem eigenen landwirtschaftlichen Betrieb erfolgt. Begonnen habe man mit dem Anbau von Zuckermais 1984 mit 0,25 ha. In den folgenden Jahren sei er entsprechend mit der wachsenden Anfrage kontinuierlich ausgebaut worden bis 1996 auf ca. 10 ha. Zunächst sei nur direkt ab Hof zum Selberpflücken verkauft worden, erst nach und nach seien auch andere Vermarktungswege erschlossen worden, die die Ernte und marktfähige Aufbereitung von Zuckermais erforderten. Pro Hektar könnten etwa 10.000 vermarktungsfähige Zuckermaiskolben geerntet werden. Gehe man von dem Endbestand 1996 aus, wären dies 100.000 Kolben in drei Monaten maximal. Geteilt durch die Anbauperiode von etwa 90 Tagen wären dies 1.111 Kolben tägliches Erntevolumen für den gesamten Betrieb gewesen. Unberücksichtigt bleibe hier jedoch, dass schon 1989 eine Maschine als Sonderanfertigung zum Maisschneiden angeschafft worden sei. Ab 1989 sei also kein Zuckermais mehr manuell geschnitten worden. Gehe man davon aus, dass die Vermarktungsfläche kontinuierlich ausgebaut worden sei, wären dies in 1988 etwa 4 ha Zuckermais gewesen, also 444 Zuckermaiskolben als Erntemenge für den gesamten Betrieb täglich. Von diesen 444 Maiskolben sei ein großer Anteil von Selbstpflückern direkt ab Feld geerntet worden, seien also nie in die Weiterverarbeitung des Betriebes gelangt. Die restlichen seien zunächst durch das einfachere Abbrechen der Maisstängel bearbeitet worden. Nur ein Bruchteil der verbliebenen Maiskolben sei dann noch mit der Gartenschere oder Messer abgeschnitten worden. Der landwirtschaftliche Betrieb habe feste Angestellte und auch Saisonarbeitskräfte beschäftigt, die alle auch bei der Maisverarbeitung mitgeholfen hätten. Als Betriebsleiterin habe sie natürlich vielfältige andere Aufgaben wahrgenommen. Da die Zuckermaisernte bereits 20 bis 30 Jahre zurückliege, habe es ihrer genaueren Reflektion und Recherchen bedurft, um ihr diesen Vorgang wieder genauer in Erinnerung zu rufen. Aus den Ausführungen ergebe sich, dass die Angaben des Technischen Aufsichtsdienstes von angenommenen und aufgeführten 400 Maiskolben täglich über ein Jahrzehnt nicht haltbar seien, sie minimierten sich auf eine nicht näher erwähnenswerte Anzahl. Logischerweise könnten bei einer so geringen Belastung auch damals keine Beschwerden aufgetreten sein.
Sie rechnet vor, dass sie in der Zeit vom 08.01.2008 bis 06.02.2008 121 Stunden (täglich 3 bis 9 Stunden) im Rebschnitt gearbeitet und am 05.02. und 08.02. jeweils acht Stunden täglich Baumschnitt geleistet habe. Vom 05.01. bis 23.01.2009 habe sie 85 Stunden im Rebschnitt gearbeitet. Diese 85 Stunden hätten sich auf elf Arbeitstage verteilt. Im Januar sei der Rebschnitt die wichtigste Arbeit auf dem 7 ha großen Winzerhof gewesen. Allein die Tatsache, dass sich der Rebschnitt auf ein paar Wochen gedrängt habe und die lange Arbeitszeit täglich sprächen für die Entstehung der Erkrankung bei dieser für die Klägerin ungewohnten Arbeit. Pro Tag seien bis zu 5.000 Rebschnitte und mehr erfolgt. Unberücksichtigt sei dabei geblieben das Scharfschleifen der Rebschere, welches zu einer zusätzlichen Belastung geführt habe. Wegen der weiteren Einzelheiten diesbezüglich wird auf den klägerischen Schriftsatz vom 16.07.2014 (Bl. 169 ff. der Gerichtsakte) verwiesen.
Sie beantragt,
die Beklagte unter entsprechender Aufhebung des Bescheides vom 26.07.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.02.2013 zu verpflichten festzustellen, dass die Gesundheitsstörung "Epicondylitis humeri ulnaris" rechts eine Berufskrankheit ist, und weiter zu verpflichten, ihr eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie verteidigt die angegriffenen Bescheide.
Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines fachorthopädischen Gutachtens bei der Chefärztin der Orthopädischen Abteilung der Klinik Hoher Meißner, Dr. Q., welches unter dem 10.02.2014 zu dem Ergebnis gelangt, dass mehr gegen als für eine durch die berufliche Tätigkeit verursachte Erkrankung spreche. Wegen des Inhalts des den Beteiligten bekannten Gutachtens vom 10.02.2014 wird auf Blatt 119 ff. der Gerichtsakte verwiesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten, insbesondere auch der Stellungnahmen der Beteiligten, wird auf den Inhalt der Gerichtsakte verwiesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und den beigezogenen Behördenvorgang (1 Hefter) Bezug genommen.
Sämtliche Unterlagen sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg. Die angegriffenen Bescheide der Beklagten sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten. Es liegt keine entschädigungspflichtige Berufskrankheit vor.
Rechtsgrundlage für die Anerkennung einer Berufskrankheit ist § 9 Abs. 1 SGB VII. Nach dieser Vorschrift sind als Berufskrankheiten solche Krankheiten anzusehen, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als Berufskrankheiten bezeichnet und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 und 6 begründenden Tätigkeiten erleiden. Die Bundesregierung ist ermächtigt, in der Rechtsverordnung solche Krankheiten als Berufskrankheiten zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblichen höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind.
Man unterscheidet zwischen sogenannten Listenberufskrankheiten nach § 9 Abs. 1 SGB VII i. V. m. der Berufskrankheitenverordnung und den "Quasi-Berufskrankheiten" nach § 9 Abs. 2 SGB VII.
Die Anerkennung einer Berufskrankheit setzt zum einen voraus, dass eine versicherte Tätigkeit, gesundheitsschädigende Einwirkungen und ein Gesundheitsschaden im Vollbeweis nachgewiesen sind. In diesem Sinne gilt eine Tatsache als bewiesen, wenn sie in so hohem Grade wahrscheinlich ist, dass alle Umstände des Falles nach vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens und nach allgemeiner Lebenserfahrung geeignet sind, die volle richterliche Überzeugung hiervon zu begründen (BSGE 61, 127, 128; BSG Urt. v. 28.06.2000 B 9 VG 3/99 R; Urt. v. 07.09.2004 B 2 U 25/03 R).
Für den Ursachenzusammenhang zwischen Einwirkungen und Erkrankungen gilt im Recht der Berufskrankheiten, wie auch sonst in der gesetzlichen Unfallversicherung, die Theorie der wesentlichen Bedingung (BSG Urt. v. 09.05.2006 B 2 U 1/05). Die Theorie der wesentlichen Bedingung beruht auf der naturwissenschaftlich-philosophischen Bedingungstheorie als Ausgangsbasis (BSG Urt. v. 09.05.06 B 2 U 1/05 R). Nach dieser ist jedes Ereignis Ursache eines Erfolges, das nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele (conditio-sine-qua-non). Aufgrund der Unbegrenztheit der naturwissenschaftlich-philopsophischen Ursachen für einen Erfolg ist für die praktische Rechtsanwendung in einem zweiten Prüfungsschritt die Unterscheidung zwischen solchen Ursachen notwendig, die für den Erfolg rechtlich verantwortlich gemacht werden und den für den Erfolg rechtlich unerheblichen Ursachen. Auf dieser zweiten Prüfungsstufe kommt die Theorie von der rechtlichen wesentlichen Bedingung zur Anwendung. Nach dieser werden als kausal und rechtserheblich nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben (Grundlegend: Reichsversicherungsamt, AN 1912, S. 930; übernommen durch BSG in BSGE 1, 72, 76; 150, 156 f. st. Rspr. zuletzt BSGE 96, 196). Welche Ursache wesentlich ist und welche nicht, muss aus der Auffassung des praktischen Lebens über die besondere Beziehung der Ursache zum Eintritt des Erfolgs abgeleitet werden (BSGE 1, 72, 76). Es handelt sich um eine wertende Entscheidung. Es kann mehrere rechtlich wesentliche Mitursachen geben. Sozialrechtlich relevant ist allein, ob die Berufskrankheit wesentlich war (BSG Urt. v. 09.05.06 B 2 U 1/05 R). "Wesentlich" ist nicht gleichzusetzen mit "gleichwertig" oder "annährend gleichwertig". Auch eine nicht annährend gleichwertige, sondern rechnerisch verhältnismäßig niedriger zu bewertende Ursache kann für den Erfolg rechtlich wesentlich sein, solange die andere(m) Ursache(n) keine überragende Bedeutung hat (haben) – (BSG Uer. v. 09.05.06 B 2 U 1/05). Ist eine Ursache oder sind mehrere Ursachen gemeinsam gegenüber einer anderen von überragender Bedeutung, so ist oder sind nur die erstgenannten Ursache(n) "wesentlich" und damit Ursache(n) im Sinne des Sozialrechts (BSGE 12, 242, 245; BSG Urt. v. 09.05.06 B 2 U 26/04 R). Die andere Ursache, die zwar naturwissenschaftlich ursächlich ist, aber (im zweiten Prüfungsschritt) nicht als "wesentlich" anzusehen ist und damit als Ursache nach der Theorie der wesentlichen Bedingung und im Sinne des Sozialrechts ausscheidet, kann in bestimmten Fallgestaltungen als "Gelegenheitsursache" oder Auslöser bezeichnet werden (BSGE 62, 220, 222 f.; BSGE 94, 269; BSG Urt. v. 09.05.06 B 2 U 26/04 R).
Unter Berücksichtigung dessen liegen die Voraussetzungen der Berufskrankheit nach der Nr. 2101 der BKVO nicht vor. Voraussetzung dieser Berufskrankheit ist eine Erkrankung der Sehnenscheiden oder des Sehnengleitgewebes sowie der Sehnen- oder Muskelansätze, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können.
Eine Erkrankung im Sinne dieser Vorschrift liegt vor. Die Klägerin leidet an einer Epicondylitis humeri ulnaris rechts. Dies ergibt sich sowohl aus den beigezogenen Arztberichten als auch den Begutachtungen im Verwaltungs- und Gerichtsverfahren. Bei einer Epicondylitis handelt es sich grundsätzlich um eine Erkrankung im Rahmen der BK 2101 (vgl. Schönberger/Mertens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Aufl., S. 1164 ff.; Mertens/Brandenburg, Die Berufskrankheitenverordnung, Stand: Februar 2015 M 2101, 1 ff.; HLSG, 29.10.2013 - L 3 U 28/10 -, juris).
Indes liegen die arbeitstechnischen Voraussetzungen dieser BK nicht vor. Zu den Voraussetzungen führt das Hessische Landessozialgericht (a.a.O.) wie folgt aus:
"Nach dem Ärztlichen Merkblatt zur BK-Nr. 2101 sind für diese BK erkrankungsursächlich kurzzyklische, repetitive, feinmotorische Handtätigkeiten mit sehr hoher Bewegungsfrequenz (wie z.B. beim Maschinenschreiben und Klavierspielen), hochfrequente, gleichförmige, feinmotorische Tätigkeiten bei unphysiologischer, achsenungünstiger Auslenkung des Handgelenks (wie z.B. beim Stricken), repetitive Manipulationen mit statischen und dynamischen Anteilen mit hoher Auslenkung des Handgelenks bei gleichzeitig hoher Kraftanwendung (wie z.B. beim Drehen, Montieren oder Obst pflücken), forcierte Dorsalextension der Hand (wie z.B. Rückhandschlag beim Tennis, Hämmern) oder monoton wiederholte oder plötzlich einsetzende Aus- und Einwärtsdrehungen der Hand und des Vorderarmes (z.B. beim Betätigen eines Schraubendrehers). Langjährige Schwerarbeit bzw. "eintönige Fließbandarbeit" kommen als arbeitstechnische Voraussetzungen nicht in Betracht, sofern es sich dabei nicht um unphysiologische Bewegungsabläufe bzw. unnatürliche Haltungen der beteiligten Gliedmaßen handelt. Hier ist eine rasche Gewöhnung (Trainingseffekt) zu erwarten, die eine Störung des Anpassungsgleichgewichts verhindert. Die tägliche Einwirkungsdauer sollte mindestens drei Stunden, die Gesamtbelastungszeit in der Regel fünf Jahre betragen. Dies entspricht den Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen Dr. E., der bereits im Aufsatz "Arbeitstechnische Voraussetzungen für die Entstehung einer BK 2101" in: ErgoMed. 1999, S. 26 betont hatte, dass der organisch und funktionell gesunde Bewegungsapparat durchschnittlichen und sogar hohen Berufsbelastungen weitgehend gewachsen ist. Er verlangt darin zur Krankheitsverursachung repetitive Arbeitsverrichtungen mit statischen und dynamischen Anteilen, bei denen eine einseitige, von der Ruhestellung stark abweichende Haltung der Gliedmaßen erforderlich ist. Ferner muss es sich um kurzzyklische, immer wiederkehrende Bewegungsabläufe handeln, bei denen im Handbereich die gleichen Muskeln und Sehnen unter gleichartiger Belastung betätigt werden. Dabei ist insbesondere eine sich ständig wiederholende Zugbeanspruchung der Sehnenansätze erforderlich. In Betracht kommen auch solche repetitiven Arbeitsverrichtungen, bei denen eine wiederholte grobe Kraftanwendung bei hoher Auslenkung des Handgelenks im Sinne einer unphysiologischen Haltung erforderlich ist (vgl. hierzu Urteil des Senats vom 10. März 2008 – L 3 U 2/07 sowie LSG Schleswig-Holstein, Urteil vom 14. April 2005, NZS 2006, 157 zur Tätigkeit eines Masseurs; Bayerisches LSG, Urteil vom 28. November 2003, L 18 U 181/01 zur Tätigkeit eines Herrenfrisörs; Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Aufl., S. 1165, 1166)."
Unter Berücksichtigung dessen und der eingeholten Sachverständigengutachten, auch des im Verfahren des Sozialgerichts Kassel S 8 R 403/13 eingeholten fachorthopädischen Gutachtens des Facharztes für Orthopädie Dr. R. vom 27.10.2014 ist dargetan, dass die von der Klägerin angeschuldigte Arbeit beim Rebschnitt nicht wesentliche Ursache für die Entstehung ihrer Krankheit war. Zwar sind die Gutachten im Verwaltungsverfahren wie auch das Gutachten der Frau Dr. Q. bislang davon ausgegangen, dass die Klägerin im Ergebnis zehn Jahre lang beim Maisschneiden gearbeitet hatte, ohne deshalb wegen Beschwerden ärztlich vorstellig geworden zu sein. Die weitere Schlussfolgerung, dass damit keine Überbeanspruchung beim Rebenschneiden verursacht worden sein könne, weil die Belastung dem Rebenschneiden annähernd vergleichbar gewesen sei, so dass adaptierte Vorgänge im Bereich des Gewebes hätten erfolgen müssen und in der Folge keine Überbeanspruchung bei der gleichartigen Tätigkeit Rebenschneiden hätte verursacht werden können, ist vor dem Hintergrund des Vortrages im gerichtlichen Verfahren nicht schlüssig. Denn hier hat die Klägerin dargetan, dass das Schneiden von Mais in einer nicht mehr erwähnenswerten Anzahl erfolgt sei (Schriftsatz vom 16.07.2014). Das bedeutet aber gleichzeitig, dass unter Berücksichtigung der Aufzeichnungen der Klägerin eine belastende Tätigkeit nur im Januar und Februar 2008 sowie im Januar 2009 stattgefunden haben kann. Eine Gesamtbelastungszeit von fünf Jahren ist damit nicht gegeben. Nichts anderes ergibt sich aus dem beigezogenen Gutachten des Dr. R. vom 27.10.2014. Dieser führt nämlich aus, durchaus nachvollziehbar sei, dass eine länger andauernde, ungewohnte Tätigkeit mit einer Astschere überlastungsbedingte Beschwerden am Epikondylus auslösen könne. Aber auch Dr. R. verweist eben darauf, dass es sich um eine länger andauernde, ungewohnte Tätigkeit hätte handeln muss. Daran mangelt es hier indes.
Auch die Voraussetzungen einer Berufskrankheit nach § 9 Abs. 2 SGB VII liegen unter Berücksichtigung der eingeholten Gutachten nicht vor.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt die Anerkennung einer Epicondylitis als Berufskrankheit (BK) nach der Nummer 2101 der Anlage I zur Berufskrankheitenverordnung (BKV).
Nach ihrem Studium an der Gesamthochschule D-Stadt in der Zeit von 1978 bis 1981 war die Klägerin im Zeitraum November 1981 bis März 1982 zunächst als Betriebshelferin bei der Arbeitsgemeinschaft für Landwirtschaftliche Betriebs- und Haushaltshilfen E-Stadt tätig. Im April 1982 bis Oktober 1983 schloss sich eine Ausbildung als Regierungslandwirtschaftsinspektorin beim Land F. an. Seit November 1983 war die Klägerin dann als Diplom-Ingenieurin in der landwirtschaftlichen Praxis tätig. Von Februar 1987 bis Dezember 1996 führte sie gemeinsam mit ihrem damaligen Ehemann selbständig einen ca. 80 ha großen landwirtschaftlichen Gutsbetrieb mit mehreren Angestellten und einer umfassenden Direktvermarktung der Produkte. 1999 bis Dezember 2005 war sie nebenberuflich selbständig mit einem Büroservice, bevor sie vom September 2002 bis Dezember 2004 in der Forschung im Ökolandbau bei der G. G Stadt tätig war. Vom März 2005 bis März 2006 übte sie eine Tätigkeit im Regierungspräsidium H-Stadt aus. Dem schloss sich nochmals eine Tätigkeit als Betriebshelferin für die Zeit vom November 2007 bis Mai 2010 an.
Tätigkeiten mit einer Handschere führte sie nach den Feststellungen des technischen Aufsichtsdienstes der Beklagten seit 1981 aus. Zunächst war sie mithelfend tätig bei der Herrichtung der Zuckermaise unter Verwendung einer Handschere. Seit 1984 bis 1996 erntete sie nach den Feststellungen des Technischen Aufsichtsdienstes jeweils von Anfang Juli bis Ende Oktober täglich ca. 185 Maiskolben von Hand und kürzte diese oben und unten mit der Gartenschere. Eine weitere relevante Exposition fand in der Zeit von Januar 2008 bis Anfang 2009 statt. In dieser Zeit war sie im Reb- und Baumschnitt tätig. Im Januar 2008 waren dies im Rebschnitt ca. 50,25 Stunden im Februar 2008 ca. 37 Stunden im Baum- und Rebschnitt und im Januar 2009 ca. 85 Stunden u.a. im Rebschnitt.
In den Jahren der Bearbeitung von Mais litt die Klägerin nicht unter Beschwerden im rechten Arm. Diese traten erstmals im Rahmen ihrer Tätigkeit beim Rebschnitt auf. Erstmals stellte der Allgemeinmediziner Dr. J. am 11.04.2008 die Diagnose einer Epicondylitis rechts. Im Januar 2009 erfolgte dann Überweisung zum Orthopäden Dr. K. Die spätere Behandlung nahm u.a. Herr Dr. L. vor.
Mit Schreiben vom 29.03.2011 stellte die Klägerin vom 30.03.2011 den Antrag auf Feststellung des Vorliegens einer Berufskrankheit. Sie teilte mit, seit Januar 2008 sei sie in der M. als Landwirtschaftliche Betriebshelferin eingesetzt gewesen. Im Rahmen dieser Tätigkeit sei sie auch auf den Rebbetrieben eingesetzt gewesen. Hier habe sie im Schnitt 8 und 9 Stunden täglich Reben geschnitten. Infolge dessen habe sie Beschwerden in ihrem Arm gehabt. Der Arm heile bis heute nicht aus. Bis heute habe sie Schmerzen bei allen Tätigkeiten, die Kraft erforderten.
Nach Einholung medizinscher Befundberichte und Befragen der Klägerin zu ihrem Lebenslauf gelangte der Technische Aufsichtsdienst der Beklagten zu dem Ergebnis, dass die Arbeit bei der Maisbearbeitung über ein Jahrzehnt mit einer Handschere die größere Belastung gewesen sei. Die Tätigkeit der Klägerin beim Reb- und Baumschnitt mit dem Einsatz von mechanischen Scheren über wenige Tage im Jahr und über zwei Jahre sei zwar sicher ungewohnt, aber nicht langdauernd gewesen. Das darauf von der Beklagten in Auftrag gegebene orthopädische Zusammenhangsgutachten der Frau N. und Herrn Dr. O. gelangte unter dem 30.01.2012 zu dem Ergebnis, dass eine berufsinduzierte Epicondylitis humeri radialis nicht gegeben sei. Die Tätigkeit beim Reb- und Baumschnitt mit einem Einsatz von mechanischen Scheren über wenige Tage im Jahr und über zwei Jahre sei zwar ungewohnt, aber nicht langdauernd genug gewesen. Die Arbeit bei der Maisbereitung über ein Jahrzehnt mit einer Handschere sei die größere Belastung gewesen. Eine mit hinreichender Wahrscheinlichkeit kausaler Verknüpfung zwischen der beruflichen Einwirkung und der Erkrankung lasse sich plausibel nicht begründen. Da die Klägerin über zehn Jahre beim Maisschneiden gearbeitet habe und diese Tätigkeit mit dem Rebenschneiden bezüglich der Belastung annährend vergleichbar sei, so dass adaptierte Vorgänge im Bereich des Gewebes hätten erfolgen müssen. Infolgedessen habe keine Überbeanspruchung am Ansatz am Epikondylus humeri radialis durch die in etwa gleichartige Tätigkeit beim Rebenschneiden verursacht werden können.
Nach Anhörung des staatlichen Gewerbearztes beim Regierungspräsidium P-Stadt vom 13.07.2012, welcher das Vorliegen gemäß Nr. 2101 der BKV nicht zur Anerkennung vorschlug (Schreiben vom 13.07.2012), lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 26.07.2012 das Vorliegen einer Berufskrankheit nach der Nr. 2101 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung wie auch einer Berufskrankheit nach § 9 Abs. 2 SGB VII ab.
Auf den darauf von der Klägerin mit Schreiben vom 30.07.2012 am 01.08.2012 eingelegten Widerspruch und nach Einholung weiterer Befundberichte gelangten die darauf nochmals gehörten Gutachter Dr. N. und Dr. O. in ihrer ergänzenden Stellungnahme vom 27.11.2012 zu dem Ergebnis, dass gegen eine berufsinduzierte Epicondylitis humeri radialis zudem spreche, dass nach dem Unterlassen der schädigenden Tätigkeit weiterhin Beschwerden beständen. Überdies sei nochmals darauf hingewiesen, dass die Klägerin zehn Jahre lang beim Maisschneiden gearbeitet und diese Tätigkeit mit dem Rebschneiden bezüglich der Belastung annährend zu vergleichen sei, so dass adaptierte Vorgänge im Bereich des Gewebes hätten erfolgt sein müssen; andernfalls wäre die Klägerin wesentlich früher mit den Beschwerden ärztlich vorstellig geworden.
Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 21.02.2013 zurück.
Dagegen hat die Klägerin mit anwaltlichem Schreiben vom 01.03.2013 am 04.03.2013 Klage erhoben. Sie stellt sich auf den Standpunkt, dass die Voraussetzungen der Berufskrankheit gegeben sind. Der Rebschnitt sei eine schwierige und anstrengende Arbeit, wobei man in zwei Stunden ca. 250 Rebstöcke schneiden müsse. Bei jedem Rebstock müssten bis zu vier bis sechs Schnitte durchgeführt werden, damit mit der mechanischen Rebschere das Rebreisig entfernt werden könne. Bei niedrig angenommenen vier Schnitten wäre bei einem Arbeitstag bei 8 bis 9 Stunden 4.500 mal die mechanische Rebschere zu bewegen. Dies habe bei ihr zu einer chronischen Erkrankung geführt. Sie leide unter der sogenannten "Rebschnitt-Krankheit", der häufigsten Erkrankung, an der die Winzer litten. In einer weiteren anwaltlichen Stellungnahme vom 16.07.2014 führt sie weiter aus, der Schlussfolgerung des Technischen Aufsichtsdienstes, der Meistbearbeitung über ein Jahrzehnt mit der Handschere käme die größere Bedeutung zu, könne nicht gefolgt werden. Der Anbau und die Vermarktung von Zuckermais sei auf dem eigenen landwirtschaftlichen Betrieb erfolgt. Begonnen habe man mit dem Anbau von Zuckermais 1984 mit 0,25 ha. In den folgenden Jahren sei er entsprechend mit der wachsenden Anfrage kontinuierlich ausgebaut worden bis 1996 auf ca. 10 ha. Zunächst sei nur direkt ab Hof zum Selberpflücken verkauft worden, erst nach und nach seien auch andere Vermarktungswege erschlossen worden, die die Ernte und marktfähige Aufbereitung von Zuckermais erforderten. Pro Hektar könnten etwa 10.000 vermarktungsfähige Zuckermaiskolben geerntet werden. Gehe man von dem Endbestand 1996 aus, wären dies 100.000 Kolben in drei Monaten maximal. Geteilt durch die Anbauperiode von etwa 90 Tagen wären dies 1.111 Kolben tägliches Erntevolumen für den gesamten Betrieb gewesen. Unberücksichtigt bleibe hier jedoch, dass schon 1989 eine Maschine als Sonderanfertigung zum Maisschneiden angeschafft worden sei. Ab 1989 sei also kein Zuckermais mehr manuell geschnitten worden. Gehe man davon aus, dass die Vermarktungsfläche kontinuierlich ausgebaut worden sei, wären dies in 1988 etwa 4 ha Zuckermais gewesen, also 444 Zuckermaiskolben als Erntemenge für den gesamten Betrieb täglich. Von diesen 444 Maiskolben sei ein großer Anteil von Selbstpflückern direkt ab Feld geerntet worden, seien also nie in die Weiterverarbeitung des Betriebes gelangt. Die restlichen seien zunächst durch das einfachere Abbrechen der Maisstängel bearbeitet worden. Nur ein Bruchteil der verbliebenen Maiskolben sei dann noch mit der Gartenschere oder Messer abgeschnitten worden. Der landwirtschaftliche Betrieb habe feste Angestellte und auch Saisonarbeitskräfte beschäftigt, die alle auch bei der Maisverarbeitung mitgeholfen hätten. Als Betriebsleiterin habe sie natürlich vielfältige andere Aufgaben wahrgenommen. Da die Zuckermaisernte bereits 20 bis 30 Jahre zurückliege, habe es ihrer genaueren Reflektion und Recherchen bedurft, um ihr diesen Vorgang wieder genauer in Erinnerung zu rufen. Aus den Ausführungen ergebe sich, dass die Angaben des Technischen Aufsichtsdienstes von angenommenen und aufgeführten 400 Maiskolben täglich über ein Jahrzehnt nicht haltbar seien, sie minimierten sich auf eine nicht näher erwähnenswerte Anzahl. Logischerweise könnten bei einer so geringen Belastung auch damals keine Beschwerden aufgetreten sein.
Sie rechnet vor, dass sie in der Zeit vom 08.01.2008 bis 06.02.2008 121 Stunden (täglich 3 bis 9 Stunden) im Rebschnitt gearbeitet und am 05.02. und 08.02. jeweils acht Stunden täglich Baumschnitt geleistet habe. Vom 05.01. bis 23.01.2009 habe sie 85 Stunden im Rebschnitt gearbeitet. Diese 85 Stunden hätten sich auf elf Arbeitstage verteilt. Im Januar sei der Rebschnitt die wichtigste Arbeit auf dem 7 ha großen Winzerhof gewesen. Allein die Tatsache, dass sich der Rebschnitt auf ein paar Wochen gedrängt habe und die lange Arbeitszeit täglich sprächen für die Entstehung der Erkrankung bei dieser für die Klägerin ungewohnten Arbeit. Pro Tag seien bis zu 5.000 Rebschnitte und mehr erfolgt. Unberücksichtigt sei dabei geblieben das Scharfschleifen der Rebschere, welches zu einer zusätzlichen Belastung geführt habe. Wegen der weiteren Einzelheiten diesbezüglich wird auf den klägerischen Schriftsatz vom 16.07.2014 (Bl. 169 ff. der Gerichtsakte) verwiesen.
Sie beantragt,
die Beklagte unter entsprechender Aufhebung des Bescheides vom 26.07.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.02.2013 zu verpflichten festzustellen, dass die Gesundheitsstörung "Epicondylitis humeri ulnaris" rechts eine Berufskrankheit ist, und weiter zu verpflichten, ihr eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie verteidigt die angegriffenen Bescheide.
Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines fachorthopädischen Gutachtens bei der Chefärztin der Orthopädischen Abteilung der Klinik Hoher Meißner, Dr. Q., welches unter dem 10.02.2014 zu dem Ergebnis gelangt, dass mehr gegen als für eine durch die berufliche Tätigkeit verursachte Erkrankung spreche. Wegen des Inhalts des den Beteiligten bekannten Gutachtens vom 10.02.2014 wird auf Blatt 119 ff. der Gerichtsakte verwiesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten, insbesondere auch der Stellungnahmen der Beteiligten, wird auf den Inhalt der Gerichtsakte verwiesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und den beigezogenen Behördenvorgang (1 Hefter) Bezug genommen.
Sämtliche Unterlagen sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg. Die angegriffenen Bescheide der Beklagten sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten. Es liegt keine entschädigungspflichtige Berufskrankheit vor.
Rechtsgrundlage für die Anerkennung einer Berufskrankheit ist § 9 Abs. 1 SGB VII. Nach dieser Vorschrift sind als Berufskrankheiten solche Krankheiten anzusehen, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als Berufskrankheiten bezeichnet und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 und 6 begründenden Tätigkeiten erleiden. Die Bundesregierung ist ermächtigt, in der Rechtsverordnung solche Krankheiten als Berufskrankheiten zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblichen höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind.
Man unterscheidet zwischen sogenannten Listenberufskrankheiten nach § 9 Abs. 1 SGB VII i. V. m. der Berufskrankheitenverordnung und den "Quasi-Berufskrankheiten" nach § 9 Abs. 2 SGB VII.
Die Anerkennung einer Berufskrankheit setzt zum einen voraus, dass eine versicherte Tätigkeit, gesundheitsschädigende Einwirkungen und ein Gesundheitsschaden im Vollbeweis nachgewiesen sind. In diesem Sinne gilt eine Tatsache als bewiesen, wenn sie in so hohem Grade wahrscheinlich ist, dass alle Umstände des Falles nach vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens und nach allgemeiner Lebenserfahrung geeignet sind, die volle richterliche Überzeugung hiervon zu begründen (BSGE 61, 127, 128; BSG Urt. v. 28.06.2000 B 9 VG 3/99 R; Urt. v. 07.09.2004 B 2 U 25/03 R).
Für den Ursachenzusammenhang zwischen Einwirkungen und Erkrankungen gilt im Recht der Berufskrankheiten, wie auch sonst in der gesetzlichen Unfallversicherung, die Theorie der wesentlichen Bedingung (BSG Urt. v. 09.05.2006 B 2 U 1/05). Die Theorie der wesentlichen Bedingung beruht auf der naturwissenschaftlich-philosophischen Bedingungstheorie als Ausgangsbasis (BSG Urt. v. 09.05.06 B 2 U 1/05 R). Nach dieser ist jedes Ereignis Ursache eines Erfolges, das nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele (conditio-sine-qua-non). Aufgrund der Unbegrenztheit der naturwissenschaftlich-philopsophischen Ursachen für einen Erfolg ist für die praktische Rechtsanwendung in einem zweiten Prüfungsschritt die Unterscheidung zwischen solchen Ursachen notwendig, die für den Erfolg rechtlich verantwortlich gemacht werden und den für den Erfolg rechtlich unerheblichen Ursachen. Auf dieser zweiten Prüfungsstufe kommt die Theorie von der rechtlichen wesentlichen Bedingung zur Anwendung. Nach dieser werden als kausal und rechtserheblich nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben (Grundlegend: Reichsversicherungsamt, AN 1912, S. 930; übernommen durch BSG in BSGE 1, 72, 76; 150, 156 f. st. Rspr. zuletzt BSGE 96, 196). Welche Ursache wesentlich ist und welche nicht, muss aus der Auffassung des praktischen Lebens über die besondere Beziehung der Ursache zum Eintritt des Erfolgs abgeleitet werden (BSGE 1, 72, 76). Es handelt sich um eine wertende Entscheidung. Es kann mehrere rechtlich wesentliche Mitursachen geben. Sozialrechtlich relevant ist allein, ob die Berufskrankheit wesentlich war (BSG Urt. v. 09.05.06 B 2 U 1/05 R). "Wesentlich" ist nicht gleichzusetzen mit "gleichwertig" oder "annährend gleichwertig". Auch eine nicht annährend gleichwertige, sondern rechnerisch verhältnismäßig niedriger zu bewertende Ursache kann für den Erfolg rechtlich wesentlich sein, solange die andere(m) Ursache(n) keine überragende Bedeutung hat (haben) – (BSG Uer. v. 09.05.06 B 2 U 1/05). Ist eine Ursache oder sind mehrere Ursachen gemeinsam gegenüber einer anderen von überragender Bedeutung, so ist oder sind nur die erstgenannten Ursache(n) "wesentlich" und damit Ursache(n) im Sinne des Sozialrechts (BSGE 12, 242, 245; BSG Urt. v. 09.05.06 B 2 U 26/04 R). Die andere Ursache, die zwar naturwissenschaftlich ursächlich ist, aber (im zweiten Prüfungsschritt) nicht als "wesentlich" anzusehen ist und damit als Ursache nach der Theorie der wesentlichen Bedingung und im Sinne des Sozialrechts ausscheidet, kann in bestimmten Fallgestaltungen als "Gelegenheitsursache" oder Auslöser bezeichnet werden (BSGE 62, 220, 222 f.; BSGE 94, 269; BSG Urt. v. 09.05.06 B 2 U 26/04 R).
Unter Berücksichtigung dessen liegen die Voraussetzungen der Berufskrankheit nach der Nr. 2101 der BKVO nicht vor. Voraussetzung dieser Berufskrankheit ist eine Erkrankung der Sehnenscheiden oder des Sehnengleitgewebes sowie der Sehnen- oder Muskelansätze, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können.
Eine Erkrankung im Sinne dieser Vorschrift liegt vor. Die Klägerin leidet an einer Epicondylitis humeri ulnaris rechts. Dies ergibt sich sowohl aus den beigezogenen Arztberichten als auch den Begutachtungen im Verwaltungs- und Gerichtsverfahren. Bei einer Epicondylitis handelt es sich grundsätzlich um eine Erkrankung im Rahmen der BK 2101 (vgl. Schönberger/Mertens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Aufl., S. 1164 ff.; Mertens/Brandenburg, Die Berufskrankheitenverordnung, Stand: Februar 2015 M 2101, 1 ff.; HLSG, 29.10.2013 - L 3 U 28/10 -, juris).
Indes liegen die arbeitstechnischen Voraussetzungen dieser BK nicht vor. Zu den Voraussetzungen führt das Hessische Landessozialgericht (a.a.O.) wie folgt aus:
"Nach dem Ärztlichen Merkblatt zur BK-Nr. 2101 sind für diese BK erkrankungsursächlich kurzzyklische, repetitive, feinmotorische Handtätigkeiten mit sehr hoher Bewegungsfrequenz (wie z.B. beim Maschinenschreiben und Klavierspielen), hochfrequente, gleichförmige, feinmotorische Tätigkeiten bei unphysiologischer, achsenungünstiger Auslenkung des Handgelenks (wie z.B. beim Stricken), repetitive Manipulationen mit statischen und dynamischen Anteilen mit hoher Auslenkung des Handgelenks bei gleichzeitig hoher Kraftanwendung (wie z.B. beim Drehen, Montieren oder Obst pflücken), forcierte Dorsalextension der Hand (wie z.B. Rückhandschlag beim Tennis, Hämmern) oder monoton wiederholte oder plötzlich einsetzende Aus- und Einwärtsdrehungen der Hand und des Vorderarmes (z.B. beim Betätigen eines Schraubendrehers). Langjährige Schwerarbeit bzw. "eintönige Fließbandarbeit" kommen als arbeitstechnische Voraussetzungen nicht in Betracht, sofern es sich dabei nicht um unphysiologische Bewegungsabläufe bzw. unnatürliche Haltungen der beteiligten Gliedmaßen handelt. Hier ist eine rasche Gewöhnung (Trainingseffekt) zu erwarten, die eine Störung des Anpassungsgleichgewichts verhindert. Die tägliche Einwirkungsdauer sollte mindestens drei Stunden, die Gesamtbelastungszeit in der Regel fünf Jahre betragen. Dies entspricht den Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen Dr. E., der bereits im Aufsatz "Arbeitstechnische Voraussetzungen für die Entstehung einer BK 2101" in: ErgoMed. 1999, S. 26 betont hatte, dass der organisch und funktionell gesunde Bewegungsapparat durchschnittlichen und sogar hohen Berufsbelastungen weitgehend gewachsen ist. Er verlangt darin zur Krankheitsverursachung repetitive Arbeitsverrichtungen mit statischen und dynamischen Anteilen, bei denen eine einseitige, von der Ruhestellung stark abweichende Haltung der Gliedmaßen erforderlich ist. Ferner muss es sich um kurzzyklische, immer wiederkehrende Bewegungsabläufe handeln, bei denen im Handbereich die gleichen Muskeln und Sehnen unter gleichartiger Belastung betätigt werden. Dabei ist insbesondere eine sich ständig wiederholende Zugbeanspruchung der Sehnenansätze erforderlich. In Betracht kommen auch solche repetitiven Arbeitsverrichtungen, bei denen eine wiederholte grobe Kraftanwendung bei hoher Auslenkung des Handgelenks im Sinne einer unphysiologischen Haltung erforderlich ist (vgl. hierzu Urteil des Senats vom 10. März 2008 – L 3 U 2/07 sowie LSG Schleswig-Holstein, Urteil vom 14. April 2005, NZS 2006, 157 zur Tätigkeit eines Masseurs; Bayerisches LSG, Urteil vom 28. November 2003, L 18 U 181/01 zur Tätigkeit eines Herrenfrisörs; Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Aufl., S. 1165, 1166)."
Unter Berücksichtigung dessen und der eingeholten Sachverständigengutachten, auch des im Verfahren des Sozialgerichts Kassel S 8 R 403/13 eingeholten fachorthopädischen Gutachtens des Facharztes für Orthopädie Dr. R. vom 27.10.2014 ist dargetan, dass die von der Klägerin angeschuldigte Arbeit beim Rebschnitt nicht wesentliche Ursache für die Entstehung ihrer Krankheit war. Zwar sind die Gutachten im Verwaltungsverfahren wie auch das Gutachten der Frau Dr. Q. bislang davon ausgegangen, dass die Klägerin im Ergebnis zehn Jahre lang beim Maisschneiden gearbeitet hatte, ohne deshalb wegen Beschwerden ärztlich vorstellig geworden zu sein. Die weitere Schlussfolgerung, dass damit keine Überbeanspruchung beim Rebenschneiden verursacht worden sein könne, weil die Belastung dem Rebenschneiden annähernd vergleichbar gewesen sei, so dass adaptierte Vorgänge im Bereich des Gewebes hätten erfolgen müssen und in der Folge keine Überbeanspruchung bei der gleichartigen Tätigkeit Rebenschneiden hätte verursacht werden können, ist vor dem Hintergrund des Vortrages im gerichtlichen Verfahren nicht schlüssig. Denn hier hat die Klägerin dargetan, dass das Schneiden von Mais in einer nicht mehr erwähnenswerten Anzahl erfolgt sei (Schriftsatz vom 16.07.2014). Das bedeutet aber gleichzeitig, dass unter Berücksichtigung der Aufzeichnungen der Klägerin eine belastende Tätigkeit nur im Januar und Februar 2008 sowie im Januar 2009 stattgefunden haben kann. Eine Gesamtbelastungszeit von fünf Jahren ist damit nicht gegeben. Nichts anderes ergibt sich aus dem beigezogenen Gutachten des Dr. R. vom 27.10.2014. Dieser führt nämlich aus, durchaus nachvollziehbar sei, dass eine länger andauernde, ungewohnte Tätigkeit mit einer Astschere überlastungsbedingte Beschwerden am Epikondylus auslösen könne. Aber auch Dr. R. verweist eben darauf, dass es sich um eine länger andauernde, ungewohnte Tätigkeit hätte handeln muss. Daran mangelt es hier indes.
Auch die Voraussetzungen einer Berufskrankheit nach § 9 Abs. 2 SGB VII liegen unter Berücksichtigung der eingeholten Gutachten nicht vor.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
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