Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
19
1. Instanz
SG Duisburg (NRW)
Aktenzeichen
S 38 AS 4428/17
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 19 AS 1398/18
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 18.06.2018 in der Fassung des Berechtigungsbeschlusses vom 17.07.2018 teilweise aufgehoben. Die Klage des Klägers zu 2) wird insgesamt abgewiesen. Der Rechtsstreit betreffend die Ansprüche der Klägerin zu 1) sowie Kläger zu 3) bis zu 6) wird zur erneuten Entscheidung - auch über die Kosten dieser Kläger im Verfahren L 19 AS 1398/18 - an das Sozialgericht zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten des Klägers zu 2) sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Beklagte wendet sich gegen die Verurteilung zur Gewährung von Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II an die Klägerin zu 1) und die Kläger zu 3) bis zu 6) für die Zeit vom 01.07.2017 bis zum 05.06.2018 sowie an den Kläger zu 2) für die Zeit vom 27.07.2017 bis zum 09.04.2018.
Die am 00.00.1997 geborene Klägerin zu 1) und der am 00.00.1992 geborene Kläger zu 2) haben am 27.07.2017 in Bulgarien geheiratet. Sie haben vier gemeinsame Kinder, die am 00.00.2010 geborene Klägerin zu 3), die am 00.00.2012 geborene Klägerin zu 4), den am 00.00.2014 geborenen Kläger zu 5) und den am 00.00.2016 geborenen Kläger zu 6). Die Kläger besitzen die rumänische Staatsangehörigkeit.
Am 11.05.2017 beantragte die Klägerin zu 1) die Weiterbewilligung von Grundsicherungsleistungen ab dem 01.07.2017 an sie, den Kläger zu 2) und die vier gemeinsamen Kindern. Sie gab an, dass sie Kindergeld i.H.v. von 797,00 Euro monatlich beziehe. Sie sei bei der Firma T UG, X Straße 00, E beschäftigt. Diesen Antrag lehnte der Beklagte unter Berufung auf § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II mit Bescheid vom 14.08.2017 ab. Die Klägerin zu 1) könne als einzige Erwerbstätigkeit innerhalb ihrer Bedarfsgemeinschaft nur die Beschäftigung bei der Firma "T UG" vorweisen. Es handele sich um ein Scheinarbeitsverhältnis. Es könne davon ausgegangen werden, dass die Tätigkeit weder tatsächlich ausgeübt noch entlohnt werde. Diese Annahme werde durch die Angaben des "Arbeitgebers T UG" gestützt. In dem Kündigungsschreiben vom 24.01.2017 gebe dieser an, den Betrieb abgemeldet zu haben und den Kläger zu 2) daher betriebsbedingt zum 31.01.2017 kündigen zu müssen. Mit weiterem Schreiben vom 01.02.2017 gebe die Firma "T UG" an, die Klägerin zu 1) ab dem 01.02.2017 zu beschäftigen. Zudem hätten die Ermittlungen der Arbeitsagentur ergeben, dass das Arbeitsverhältnis durch den Kläger zu 2) gekündigt worden sei und auch hier eine Falschaussage der Firma "T UG" vorliege.
Hiergegen legten die Kläger Widerspruch ein. Sie machten geltend, dass der Kläger zu 2) derzeit arbeitssuchend sei und bis zum 31.01.2017 gearbeitet habe. Daher habe er einen nachwirkenden Arbeitnehmerschutz. Die Klägerin zu 1) arbeite seit Februar 2017 auf Minijobbasis bei der Firma T UG in einem Sonnenstudio. Sie führe dort drei Stunden täglich (ca. 13 Stunden/wöchentlich) Reinigungs- und Aufräumarbeiten aus. Sie erhalte pro Monat 450,00 Euro in bar und sei zur Sozialversicherung gemeldet. Mit Widerspruchsbescheid vom 08.09.2017 wies der Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Die Kläger hielten sich noch keine fünf Jahre in Deutschland auf. Seit Juni 2015 ständen sie im Leistungsbezug des Beklagten. Gegenüber dem Beklagten seien folgende Beschäftigungsverhältnisse angegeben worden:
Kläger zu 2)
01.11.2014 bis 16.04.2015: Firma C
01.07.2016 bis 31.01.2017: Firma T UG 450,00 Euro monatlich
Klägerin zu 1)
05.10.2015 bis 31.12.2015: W
01.05.2016 bis 30.06.2016: Firma T UG
ab 01.02.2017: Firma T UG 450,00 Euro monatlich.
Mit Schreiben vom 24.01.2017 habe die Firma T UG dem Kläger zu 2) zum 31.01.2017 gekündigt, da der Betrieb abgemeldet worden sei und keine weitere Beschäftigung angeboten werden könne. Zeitgleich sei die Klägerin zu 1) mit Aushilfsvertrag vom 01.02.2017 ab dem 01.02.2017 angestellt worden. Die Angaben seien widersprüchlich. Zudem hätten die Eheleute unterschiedliche Angaben zu der Tätigkeit (Spielhalle/Wettbüro und Sonnenstudio) gemacht. Der Lohn werde laut Lohnabrechnung bar ausgezahlt, ein aussagekräftiger Nachweis über einen tatsächlichen Geldzufluss könne somit nicht geführt werden. Es sei von einem fingierten Beschäftigungsverhältnis auszugehen.
Am 13.10.2017 haben die Kläger Klage vor dem Sozialgericht Duisburg erhoben.
Sie haben vorgetragen, dass die Klägerin zu 1) bis zum 31.10.2017 [30.09.2017] als Putzkraft bei der Firma T UG in E gearbeitet habe. Es handele sich bei dieser Beschäftigung um kein Scheinarbeitsverhältnis. Die Klägerin zu 3) besuche seit dem 01.08.2017 die Schule. Daher ständen der Klägerin zu 1) und dem Kläger zu 2) ein Aufenthaltsrecht aus Art. 10 VO (EU) 492/2011 zu. Der Leistungsausschluss des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2c) SGB II sei europarechtswidrig.
Die Klägerin zu 1) hat eine erweiterte Meldebescheinigung nach § 18 Abs. 1 Bundesmeldegesetz vorgelegt, wonach sie ab dem 18.01.2012 in E gemeldet war. Die Meldebescheinigung weist Lücken in dem Zeitraum vom 22.10.2012 bis 08.01.2013 und vom 21.08.2013 bis zum 25.02.2014 auf. Die Abmeldung ist jeweils von Amts wegen nach unbekannt erfolgt.
Ergänzend haben die Kläger vorgetragen, dass sich die Klägerin zu 1) mit den Kindern in der Zeit vom 22.10.2012 bis 08.03.2013 und vom 21.08.2013 bis zum 25.02.2014 bei ihrem Schwager, Herrn H, in C aufgehalten habe. Sie seien dort nicht gemeldet gewesen, da es sich nur um einen vorübergehenden Aufenthalt gehandelt habe. Der Kläger zu 2) sei in den beiden Zeiträumen in der JVA E inhaftiert gewesen.
Am 10.04.2018 haben sich die Klägerin zu 1) und der Kläger zu 2) getrennt. Der Kläger zu 2) hält sich nicht mehr in Deutschland auf. Seine Adresse im Ausland ist unbekannt.
Die Bevollmächtigte der Kläger hat beantragt,
den Bescheid vom 04.08.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.09.2017 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, den Klägern ab 01.07.2017 Leistungen nach dem SGB II in gesetzlicher Höhe zu gewähren.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das Sozialgericht hat die Zeugin H vernommen. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 01.03.2018 Bezug genommen.
Durch Urteil vom 18.06.2018 in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 17.07.2018 hat das Sozialgericht Duisburg den Bescheid vom 14.08.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.09.2017 "dergestalt" aufgehoben, dass die Klägerin zu 1) und ihre Kinder vom 01.07.2017 bis zum 18.06.2018 Leistungen nach dem SGB II in gesetzlicher Höhe sowie der Kläger zu 2) in der Zeit vom 27.07.2017 bis zum 09.04.2018 Leistungen nach dem SGB II in gesetzlicher Höhe erhalte. Im Übrigen hat es die Klage des Klägers zu 2) abgewiesen. Die Klägerin zu 1) und ihre Kinder als Familienangehörige besäßen aufgrund des Daueraufenthaltsrechts der Klägerin zu 1) vom 01.07.2017 bis zum 18.06.2018 einen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II. Der Kläger zu 2) besitze als Familienangehöriger seit der Heirat mit der Klägerin zu 1) am 27.07.2017 bis zum 08.04.2018 einen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II. Nach § 19 Abs. 1 S. 1 SGB II erhielten erwerbsfähige Hilfebedürftige Arbeitslosengeld II. Grundlegende Voraussetzung hierfür sei neben dem Lebensalter (Nr. 1), der Erwerbsfähigkeit (Nr. 2), der Hilfebedürftigkeit (Nr. 3) - all das stehe hier nicht in Streit - und der gewöhnliche Aufenthalt im Inland (Nr. 4). Zwischen den Beteiligten sei allein die Dauer des gewöhnlichen Aufenthalts der Klägerin zu 1) streitig. Diese besitze ab dem 19.01.2017 ein Daueraufenthaltsrecht, so dass sie und ihre Kinder gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 7 FreizügG/EU zu dem Aufenthalt in der Bundesrepublik berechtigt seien. Ein Daueraufenthaltsrecht nach § 4a FreizügG/EU in der Fassung vom 24.07.2015 bestehe bei Unionsbürgern dann, wenn sie sich seit fünf Jahren ständig rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hätten, abhängig von dem Erfüllen weiterer Voraussetzungen des § 2 Abs. 2 FreizügG/EU. Etwaige Abwesenheiten der Klägerin zu 1) bzw. die Lücken in der Meldebescheinigung führten nicht dazu, dass die Klägerin zu 1) noch nicht über ein Daueraufenthaltsrecht verfüge. Die Lücke vom 22.10.2012 bis zum 08.01.2013 sei nicht zu berücksichtigen, da sie unter sechs Monaten sei und den gewöhnlichen Aufenthalt der Klägerin zu 1) in der Bundesrepublik nicht beendet habe (§ 4a Abs. 2 Nr. 1 FreizügG/EU). Etwaige Fehlzeiten vom 21.08.2013 bis zum 25.02.2014 änderten daran nichts. Gemäß § 4a Abs. 2 Nr. 3 FreizügG/EU sei insbesondere die Abwesenheit von bis zu zwölf Monaten bei Schwangerschaft und Geburt unschädlich. Das dritte Kind der Klägerin zu 1) sei am 28.02.2014 geboren worden, so dass diese Lücke in der Meldebescheinigung von über sechs Monaten nicht dazu führe, dass kein Daueraufenthaltsrecht der Klägerin zu 1) bestehe. Die Klägerin zu 1) erfülle die allgemeinen Leistungsvoraussetzungen des § 7 Abs. 1 S. 1 SGB II in der Fassung vom 29.12.2016. Bei den Klägern zu 3) bis 6) handele es sich um Familienangehörige im Sinne von § 3 Abs. 2 FreizügG/EU.
Gegen das ihm am 25.07.2018 zugestellte Urteil hat der Beklagte am 16.08.2018 Berufung eingelegt. Er vertritt die Auffassung, dass ein Leistungsanspruch nach dem SGB II aufgrund eines verfestigten Aufenthaltes von mindestens fünf Jahren nicht in Betracht komme. Jedenfalls mit der Unterbrechung in dem Zeitraum vom 21.08.2013 bis zum 25.02.2014 sei eine den Aufenthalt beendende Unterbrechung des Aufenthaltes gegeben.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 18.06.2018 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Bevollmächtigte der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie berufen sich auf das erstinstanzliche Urteil. Ergänzend führen sie aus, dass der Kläger zu 2) in der Zeit vom 01.07.2016 bis zum 31.01.2017 bei der Firma T UG in E beschäftigt gewesen sei. Die Klägerin zu 1) habe in der Zeit vom 01.02.2017 bis zum 30.09.2017 bei derselben Firma gearbeitet.
Mit Bescheid vom 18.10.2018 hat der Beklagte der Klägerin zu 1) sowie den Klägern zu 3) bis zu 6) Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 06.06.2018 bis zum 30.11.2018 bewilligt.
Die Klägerin zu 1) und die Kläger zu 3) bis zu 6) haben die in der mündlichen Verhandlung vom 14.02.2018 die Klage für den Zeitraum ab dem 06.06.2018 zurückgenommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakten des Beklagten Bezug genommen, deren wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Streitgegenstand des Berufungsverfahrens ist der Bescheid vom 04.08.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.09.2017, soweit der Beklagte die Gewährung von Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II an die Klägerin zu 1) und ihre Kinder in der Zeit vom 01.07.2017 bis zum 05.06.2018 und an den Kläger zu 2) in der Zeit vom 27.07.2017 bis zum 09.04.2018 abgelehnt hat. Die Klägerin zu 1) sowie die Kläger zu 3) bis zu 6) haben die Klage betreffend den Zeitraum ab dem 06.06.2018 im Berufungsverfahren zurückgenommen. Der angefochtene Bescheid betreffend die Ablehnung der Gewährung von Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II an den Kläger zu 2) für die Zeit vom 01.07.2017 bis zum 26.07.2017 und ab dem 10.04.2018 ist in Bestandskraft erwachsen, da der Kläger zu 2) gegen das klageabweisende Urteil keine Berufung eingelegt hat.
Die zulässige Berufung des Beklagten ist betreffend die Verurteilung zur Leistungsgewährung an den Kläger zu 2) begründet (1). Hinsichtlich der Verurteilung zur Leistungsgewährung an die Klägerin zu 1) sowie an die Kläger zu 3) bis zu 6) ist die Berufung des Beklagten im Sinne einer Zurückverweisung begründet (2).
1) Das Sozialgericht hat zu Unrecht den Beklagten verurteilt, dem Kläger zu 2) Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 27.07.2017 bis zum 09.04.2018 zu gewähren.
Die vom Kläger zu 2) erhobene kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage nach § 54 Abs. 2, 4 SGG ist unzulässig.
Zu den zwingenden Bestandteilen einer wirksamen Klage gehört nach § 92 Abs. 1 S. 1 SGG die Benennung einer ladungsfähigen Anschrift des Klägers. Erforderlich ist Angabe der Anschrift, unter der ein Kläger tatsächlich zu erreichen ist. Es handelt sich um eine wesentliche ungeschriebene Sachurteilsvoraussetzung (BSG, Beschluss vom 18.11.2003 - B 1 KR 1/02 S; siehe auch BVerwG, Urteil vom 13.04.1999 - 1 C 24/97 m.w.N.). Die Angabe der ladungsfähigen Anschrift dient zur Klärung der örtlichen Zuständigkeit (§ 57 SGG), zum Bewirken rechtswirksamer Zustellungen gerichtlicher Anordnungen und Entscheidungen, der einwandfreien Identifizierung eines Klägers sowie Realisierung des Kostenrisikos (§ 192 SGG in gerichtskostenfreien Verfahren). Schließlich erfordert das sozialgerichtliche Verfahren trotz des für das Verfahren geltenden Amtsermittlungsgrundsatzes regelmäßig ein Mindestmaß an aktiver Mitwirkung eines Klägers (§§ 103, 106 Abs. 21, 111 Abs. 1 SGG); dies ist ohne sichere, auch für den Prozessgegner transparente Kommunikationsmöglichkeiten mit dem Kläger nicht gewährleistet. Deshalb sind handbare und sichere Kommunikationswege mit einer zustellungsfähigen Adresse des Klägers unverzichtbar (BSG, Beschluss vom 18.11.2003 - B 1 KR 1/02 S).
Die Anschrift muss vom Kläger nicht angegeben oder wiederholt werden, wenn sie sich bereits von der Behörde vorzulegenden Akten ergibt, sonstwie bekannt ist oder sich auf andere Weise ohne Schwierigkeiten ermitteln lässt. Es bedarf daher in der Regel eines Hinweises des Gerichts, um den Kläger zu verpflichten, seine Anschrift nachzureichen. Die Angabe der Anschrift, da sie nicht nur Zwecken der Ladung dient, ist auch dann erforderlich, wenn der Kläger anwaltlich vertreten ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 13.04.1999 - 1 C 24/97; BGH, Urteil vom 09.12.1987 - IVb ZR 4/87; BFH, Urteil vom 28.01.1997- VII R 33/96).
Vorliegend hat der Kläger zwar zum Zeitpunkt der Klagerhebung seine ladungsfähige Anschrift angegeben. Jedoch ist zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung am 18.06.2018 dem Sozialgericht die ladungsfähige Anschrift des Klägers zu 2) nicht mehr bekannt gewesen, da dieser in das Ausland ohne Angabe einer Adresse verzogen ist. Die Adresse lässt sich auch nicht ermitteln, da weder der Prozessbevollmächtigten noch seiner Ehefrau, der Klägerin zu 1), die neue Adresse des Klägers zu 2) bekannt ist. Damit ist die Klage wegen Fehlens einer Sachurteilsvoraussetzung unzulässig geworden. Denn die Pflicht zur Angabe einer ladungsfähigen Anschrift besteht nicht nur im Zeitpunkt der Klageerhebung, sondern erstreckt sich auf das gesamte Verfahren (vgl. BVerwG, Urteil vom 13.04.1999 - 1 C 24/97; BFH, Beschluss vom 30.06.2015 - X B 28/15 m.w.N.). Deshalb obliegt es einem Kläger im Rahmen seiner Mitwirkungspflichten nach § 103 SGG, dem Gericht eine Adressenänderung während des Verfahrens mitzuteilen. Er hat dafür Sorge zu tragen, dass er durch die Angabe seines tatsächlichen Wohnortes und Lebensmittelpunktes während des gesamten Verfahrens für das Gericht erreichbar bleibt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 06.11.2009 - 2 BvL 4/07). Auch im Berufungsverfahren ist das Nichtvorliegen einer Sachurteilsvoraussetzung - Fehlen einer ladungsfähigen Adresse - nicht geheilt worden. Vielmehr hat die Prozessbevollmächtigte wie auch die Klägerin zu 1) in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat bestätigt, dass ihnen die Adresse des Klägers zu 2) unbekannt ist.
Die Pflicht zur Angabe der Anschrift entfällt, wenn ihre Erfüllung ausnahmsweise unmöglich oder unzumutbar ist. Ein solcher Ausnahmefall ist etwa gegeben, wenn der Angabe der Anschrift unüberwindliche oder nur schwer zu beseitigende Schwierigkeiten oder schutzwürdige Geheimhaltungsinteressen entgegenstehen Ebenso ist das Fehlen der ladungsfähigen Anschrift dann unschädlich, wenn der Kläger glaubhaft über eine solche Anschrift nicht verfügt. In diesen Ausnahmefällen müssen dem Gericht aber die insoweit maßgebenden Gründe unterbreitet werden, damit es prüfen kann, ob ausnahmsweise auf die Mitteilung der ladungsfähigen Anschrift des Klägers verzichtet werden kann. Wird die Angabe dagegen ohne zureichenden Grund verweigert, liegt keine ordnungsgemäße Klage vor (vgl. BVerwG, Urteil vom 13.04.1999 - 1 C 24/97). Vorliegend ergeben sich weder aus Akte noch aus dem Vortrag der Prozessbevollmächtigten des Klägers zu 2) Anhaltspunkte, dass der Kläger zu 2) einen zureichenden Grund für die Nichtangabe der Adresse hat.
2) Die zulässige Berufung des Beklagten betreffend die Verurteilung zur Leistungsgewährung an die Klägerin zu 1) sowie an die Kläger zu 3) bis zu 6) für die Zeit vom 01.07.2017 bis zum 05.06.2018 ist im Sinne einer Zurückverweisung begründet. Das Urteil leidet an einem wesentlichen Verfahrensmangel, so dass der Senat von der nach § 159 Abs. 1 Nr. 2 SGG eingeräumten Möglichkeit der Zurückverweisung Gebrauch gemacht hat.
Nach § 159 Abs. 1 Nr. 2 SGG kann das Landessozialgericht durch Urteil die angefochtene Entscheidung des Sozialgerichts aufheben und die Sache an das Gericht zurückverweisen, wenn das Verfahren an einem wesentlichen Mangel leidet und aufgrund dieses Mangels eine umfangreiche und aufwändige Beweisaufnahme notwendig ist. Verfahrensmangel ist ein Verstoß gegen eine das Gerichtsverfahren regelnde Vorschrift. Wesentlich ist der Mangel, wenn die Entscheidung des Sozialgerichts auf ihm beruhen kann (vgl. Keller in Meyer-Ladewig, SGG, 12. Aufl. 2017, § 159 Rn. 3a).
Das Sozialgericht hat gegen seine Pflicht zur umfassenden Aufklärung des entscheidungserheblichen Sachverhalts aus § 103 SGG verstoßen. Die Amtsermittlungspflicht aus § 103 SGG ist verletzt, wenn der dem Sozialgericht bekannte Sachverhalt von seinem materiell-rechtlichen Standpunkt aus nicht für das gefällte Urteil ausreicht, sondern sich das Gericht zu weiteren Ermittlungen hätte gedrängt fühlen müssen (vgl. BSG, Urteile vom 24.11.1987 - 9/9a RV 42/87 - und vom 24.06.1993 - 11 RAr 75/92 - m.w.N.). Hierbei ist von sämtlichen Ermittlungsmöglichkeiten Gebrauch zu machen, die vernünftigerweise zur Verfügung stehen.
Ausweislich seiner Urteilsbegründung ist das Sozialgericht der Auffassung, dass Unionsbürger ein Daueraufenthaltsrecht nach § 4a FreizügG/EU in der Fassung vom 24.07.2015 haben und damit dem Leistungsausschluss des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II nicht unterfallen, wenn sie sich seit fünf Jahren ständig rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten haben, abhängig von dem Erfüllen weiterer Voraussetzungen des § 2 Abs. 2 FreizügG/EU. Ausgehend von diesen materiell-rechtlichen Standpunkt ist für das Sozialgericht erforderlich gewesen, Feststelllungen hinsichtlich des Bestehens von Aufenthaltsrechten der Kläger i.S.v. § 2 Abs. 2 FreizügG/EU während ihres Aufenthaltes in der Bundesrepublik zu treffen. Denn das Entstehen eines Daueraufenthaltsrechts nach § 4a FreizügG/EU setzt voraus, dass ein Unionsbürger während einer Aufenthaltszeit von mindestens fünf Jahren ununterbrochen die Freizügigkeitsvoraussetzungen des Art. 7 Abs. 1 RL 2004/38/EG erfüllt hat (EuGH, Urteil vom 21.12.2011 - C-424/10 u.a.; BVerwG, Urteile vom 16.07.2015 - 1 C 22/14 und vom 31.05.2012 - 10 C 8.12; VGH Bayern, Beschluss vom 14. 12. 2018 - 10 ZB 18.603). Allein ein fünfjähriger Aufenthalt in der Bundesrepublik reicht - wie das Sozialgericht im Obersatz zutreffend ausgeführt hat - zur Entstehung eines Daueraufenthaltsrechts nach § 4a FreizügG/EU nicht aus. Feststellungen, dass die Klägerin zu 1) nach ihrer Einreise in die Bundesrepublik mindestens fünf Jahre ununterbrochen ein materielles Aufenthaltsrecht aus Art. 7 Abs. 1 RL 2004/38/EG bzw. nach § 2 Abs. 2 FreizügG/EU hatte, hat das Sozialgericht nicht getroffen. Ob die Klägerin zu 1) sich auf ein materielles Aufenthaltsrecht berufen kann, welches nicht dem Leistungsausschluss des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II unterfällt, kann wegen der fehlenden Feststellungen im erstinstanzlichen Urteil nicht beurteilt werden. Es fehlen insbesondere jedwede Feststellungen, ob die Klägerin zu 1) oder der Kläger zu 2) sich entgegen der Auffassung des Beklagten auf einen Arbeitnehmerstatus i.S.v. § 2 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3 FreizügG/EU (vgl. hierzu EuGH, Urteil vom 19.07.2017 - C-143/16, m.w.N.; BSG, Urteil vom 12.09.2018 - B 14 AS 18/17 R m.w.N.), insbesondere hinsichtlich der von ihnen angegebenen Beschäftigungen bei der Firma T UG, berufen können. Insoweit ist schon auffällig, das nach Aktenlage die in dem Zeitraum vom 01.05.2016 bis zum 31.01.2017 bestehenden drei Beschäftigungsverhältnisse der Klägerin zu 1) und des Klägers zu 2) mit der Firma T UG von der Arbeitgeberin in den Kündigungsschreiben jeweils mit der Begründung "Abmeldung des Betriebs" gekündigt worden sind und jeweils zeitlich unmittelbar anschließend mit dem anderen Ehepartner ein Beschäftigungsverhältnis vereinbart wurde. Insoweit bietet es sich an, die nach § 17 MiLoG von einem gewerblichen Arbeitgeber zu führenden Stundenzettel zur Abklärung der von der Klägerin zu 1) und dem Kläger zu 2) tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden beizuziehen. Ausgehend von den Einlassungen der Klägerin zu 1) in der mündlichen Verhandlung, dass sie zum 22.05.2018 fristlos entlassen worden sei, ist auch zu klären, ob die Klägerin zu 1) durch die Aufnahme einer weiteren Beschäftigung im streitigen Zeitraum ein Aufenthaltsrecht als Arbeitnehmerin i.S.v. § 2 Abs. 2 Nr. 1 FreizügG/EU erworben hat.
Ebenso sind die Feststellungen des Sozialgerichts nicht ausreichend, um beurteilen zu können, ob zu Gunsten der Kläger die Rückausnahme des § 7 Abs. 1 S. 4 SGB II eingreift. Danach erhalten Ausländer und Ausländerinnen und ihre Familienangehörige abweichend von § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II Leistungen nach diesem Buch, wenn sie seit mindestens fünf Jahren ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland haben. Ob eine durchgehende melderechtliche Erfassung bei einem Aufenthalt des Ausländers im Inland Voraussetzung für das Eingreifen der Ausnahmeregelung des § 7 Abs. 1 S. 4 SGB II ist, ist umstritten (verneinend LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 23.04.2018 - L 7 AS 2162/17 B ER; zweifelnd LSG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 04.05.2018 - L 6 AS 59/18 B ER). Das Sozialgericht hat keine Feststellungen über die Dauer des Aufenthalts des Klägers zu 2) in der Bundesrepublik getroffen. Hinsichtlich der Dauer des Aufenthalts der Klägerin zu 1) in der Bundesrepublik nach ihrer Meldung am 18.01.2012 (§ 7 Abs. 1 S. 5 SGB II) fehlen Feststellungen, an welchen Orten sich die Klägerin zu 1) in den Zeiträumen, die nicht durch Meldebescheinigungen belegt sind (02.10.2012 bis 08.01.2013 und vom 21.08.2013 bis 25.02.2014), aufgehalten hat. Ob sich die Klägerin zu 1) im Inland oder im Ausland aufgehalten hat, hat das Sozialgericht ausdrücklich offengelassen. Nach dem Willen des Gesetzgebers sind unwesentliche Unterbrechungen des Aufenthalts in Deutschland - zum Beispiel ein kurzer Heimatbesuch - unschädlich. Bei wesentlichen Unterbrechungen beginnt die 5-Jahres-Frist neu zu laufen (BT-Drs. 18/10211 S. 14). Auch aus den im Klageverfahren beigezogenen Verwaltungsakten (beginnend mit Bl. 186 ff. Band II) lässt sich nicht entnehmen, an welchen Orten sich die Kläger vor Oktober 2015 aufgehalten haben.
Ausgehend von dem materiell-rechtlichen Standpunkt des Sozialgerichts, dass die Leistungsvoraussetzungen des § 7 Abs. 1 S. 1 SGB II gegeben sind, wobei jedwede Feststellungen zur Hilfebedürftigkeit der Kläger im Zeitraum vom 01.07.2017 bis zum 07.06.2018 fehlen, und der Leistungsauschluss des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II nicht eingreift, sind weitere Ermittlungen erforderlich, ob und ggf. in welchem Zeitraum zu Ungunsten der Kläger der Leistungsauschluss des § 7 Abs. 4a SGB II eingreift (vgl. hierzu Urteil des Senats vom 08.08.2016 - L 19 AS 1251/14). Ausgehend von der vorlegten Heiratsurkunde haben sich die Klägerin zu 1) und der Kläger zu 2) zumindest am 27.07.2017 in Bulgarien aufgehalten.
Die angefochtene Entscheidung kann auch auf den Verfahrensmangel beruhen, da nicht auszuschließen ist, dass das Sozialgericht bei ordnungsgemäßer Aufklärung zu einem anderen Ergebnis gelangt wäre. Aufgrund der unvollständigen Sachverhaltsaufklärung ist eine umfassende und aufwändige Beweisaufnahme erforderlich.
Im Rahmen seines nach § 159 Abs. 1 SGG auszuübenden Ermessens hat der Senat das Interesse der Kläger an einer möglichst zeitnahen Entscheidung gegenüber den Nachteilen durch den Verlust einer Tatsacheninstanz abzuwägen und insbesondere zu berücksichtigen, dass die Zurückverweisung die Ausnahme sein soll (Keller, a.a.O., § 159 Rn. 5a). Bei der Entscheidung für eine Zurückverweisung hat der Senat berücksichtigt, dass der Rechtsstreit angesichts des bisherigen Ermittlungsausfalls noch weit von einer Entscheidungsreife entfernt ist und weitere Ermittlungen zur Aufklärung des Sachverhalts erforderlich sind. Der Grundsatz der Prozessökonomie führt nicht dazu, dass die Klage nunmehr abschließend in der Berufungsinstanz zu behandeln ist. Den Beteiligten würde eine Instanz verloren gehen. Durch die Zurückverweisung verbleibt den Beteiligten die Möglichkeit, ihre Rechte in zwei Tatsacheninstanzen zu wahren. Dementsprechend stellt die Zurückverweisung die dem gesetzlichen Modell entsprechenden zwei Tatsacheninstanzen wieder her.
Das Sozialgericht hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde gelegt ist, seiner Entscheidung zugrunde zu legen (§ 159 Abs. 2 SGG).
Die Kostenentscheidung betreffend den Kläger zu 2) beruht auf § 193 SGG.
Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens betreffend die Klägerin zu 1) und die Kläger zu 3) bis zu 6) bleibt dem Sozialgericht vorbehalten.
Anlass, die Revision zuzulassen, besteht nicht (§ 160 Abs. 2 SGG).
Tatbestand:
Der Beklagte wendet sich gegen die Verurteilung zur Gewährung von Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II an die Klägerin zu 1) und die Kläger zu 3) bis zu 6) für die Zeit vom 01.07.2017 bis zum 05.06.2018 sowie an den Kläger zu 2) für die Zeit vom 27.07.2017 bis zum 09.04.2018.
Die am 00.00.1997 geborene Klägerin zu 1) und der am 00.00.1992 geborene Kläger zu 2) haben am 27.07.2017 in Bulgarien geheiratet. Sie haben vier gemeinsame Kinder, die am 00.00.2010 geborene Klägerin zu 3), die am 00.00.2012 geborene Klägerin zu 4), den am 00.00.2014 geborenen Kläger zu 5) und den am 00.00.2016 geborenen Kläger zu 6). Die Kläger besitzen die rumänische Staatsangehörigkeit.
Am 11.05.2017 beantragte die Klägerin zu 1) die Weiterbewilligung von Grundsicherungsleistungen ab dem 01.07.2017 an sie, den Kläger zu 2) und die vier gemeinsamen Kindern. Sie gab an, dass sie Kindergeld i.H.v. von 797,00 Euro monatlich beziehe. Sie sei bei der Firma T UG, X Straße 00, E beschäftigt. Diesen Antrag lehnte der Beklagte unter Berufung auf § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II mit Bescheid vom 14.08.2017 ab. Die Klägerin zu 1) könne als einzige Erwerbstätigkeit innerhalb ihrer Bedarfsgemeinschaft nur die Beschäftigung bei der Firma "T UG" vorweisen. Es handele sich um ein Scheinarbeitsverhältnis. Es könne davon ausgegangen werden, dass die Tätigkeit weder tatsächlich ausgeübt noch entlohnt werde. Diese Annahme werde durch die Angaben des "Arbeitgebers T UG" gestützt. In dem Kündigungsschreiben vom 24.01.2017 gebe dieser an, den Betrieb abgemeldet zu haben und den Kläger zu 2) daher betriebsbedingt zum 31.01.2017 kündigen zu müssen. Mit weiterem Schreiben vom 01.02.2017 gebe die Firma "T UG" an, die Klägerin zu 1) ab dem 01.02.2017 zu beschäftigen. Zudem hätten die Ermittlungen der Arbeitsagentur ergeben, dass das Arbeitsverhältnis durch den Kläger zu 2) gekündigt worden sei und auch hier eine Falschaussage der Firma "T UG" vorliege.
Hiergegen legten die Kläger Widerspruch ein. Sie machten geltend, dass der Kläger zu 2) derzeit arbeitssuchend sei und bis zum 31.01.2017 gearbeitet habe. Daher habe er einen nachwirkenden Arbeitnehmerschutz. Die Klägerin zu 1) arbeite seit Februar 2017 auf Minijobbasis bei der Firma T UG in einem Sonnenstudio. Sie führe dort drei Stunden täglich (ca. 13 Stunden/wöchentlich) Reinigungs- und Aufräumarbeiten aus. Sie erhalte pro Monat 450,00 Euro in bar und sei zur Sozialversicherung gemeldet. Mit Widerspruchsbescheid vom 08.09.2017 wies der Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Die Kläger hielten sich noch keine fünf Jahre in Deutschland auf. Seit Juni 2015 ständen sie im Leistungsbezug des Beklagten. Gegenüber dem Beklagten seien folgende Beschäftigungsverhältnisse angegeben worden:
Kläger zu 2)
01.11.2014 bis 16.04.2015: Firma C
01.07.2016 bis 31.01.2017: Firma T UG 450,00 Euro monatlich
Klägerin zu 1)
05.10.2015 bis 31.12.2015: W
01.05.2016 bis 30.06.2016: Firma T UG
ab 01.02.2017: Firma T UG 450,00 Euro monatlich.
Mit Schreiben vom 24.01.2017 habe die Firma T UG dem Kläger zu 2) zum 31.01.2017 gekündigt, da der Betrieb abgemeldet worden sei und keine weitere Beschäftigung angeboten werden könne. Zeitgleich sei die Klägerin zu 1) mit Aushilfsvertrag vom 01.02.2017 ab dem 01.02.2017 angestellt worden. Die Angaben seien widersprüchlich. Zudem hätten die Eheleute unterschiedliche Angaben zu der Tätigkeit (Spielhalle/Wettbüro und Sonnenstudio) gemacht. Der Lohn werde laut Lohnabrechnung bar ausgezahlt, ein aussagekräftiger Nachweis über einen tatsächlichen Geldzufluss könne somit nicht geführt werden. Es sei von einem fingierten Beschäftigungsverhältnis auszugehen.
Am 13.10.2017 haben die Kläger Klage vor dem Sozialgericht Duisburg erhoben.
Sie haben vorgetragen, dass die Klägerin zu 1) bis zum 31.10.2017 [30.09.2017] als Putzkraft bei der Firma T UG in E gearbeitet habe. Es handele sich bei dieser Beschäftigung um kein Scheinarbeitsverhältnis. Die Klägerin zu 3) besuche seit dem 01.08.2017 die Schule. Daher ständen der Klägerin zu 1) und dem Kläger zu 2) ein Aufenthaltsrecht aus Art. 10 VO (EU) 492/2011 zu. Der Leistungsausschluss des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2c) SGB II sei europarechtswidrig.
Die Klägerin zu 1) hat eine erweiterte Meldebescheinigung nach § 18 Abs. 1 Bundesmeldegesetz vorgelegt, wonach sie ab dem 18.01.2012 in E gemeldet war. Die Meldebescheinigung weist Lücken in dem Zeitraum vom 22.10.2012 bis 08.01.2013 und vom 21.08.2013 bis zum 25.02.2014 auf. Die Abmeldung ist jeweils von Amts wegen nach unbekannt erfolgt.
Ergänzend haben die Kläger vorgetragen, dass sich die Klägerin zu 1) mit den Kindern in der Zeit vom 22.10.2012 bis 08.03.2013 und vom 21.08.2013 bis zum 25.02.2014 bei ihrem Schwager, Herrn H, in C aufgehalten habe. Sie seien dort nicht gemeldet gewesen, da es sich nur um einen vorübergehenden Aufenthalt gehandelt habe. Der Kläger zu 2) sei in den beiden Zeiträumen in der JVA E inhaftiert gewesen.
Am 10.04.2018 haben sich die Klägerin zu 1) und der Kläger zu 2) getrennt. Der Kläger zu 2) hält sich nicht mehr in Deutschland auf. Seine Adresse im Ausland ist unbekannt.
Die Bevollmächtigte der Kläger hat beantragt,
den Bescheid vom 04.08.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.09.2017 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, den Klägern ab 01.07.2017 Leistungen nach dem SGB II in gesetzlicher Höhe zu gewähren.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das Sozialgericht hat die Zeugin H vernommen. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 01.03.2018 Bezug genommen.
Durch Urteil vom 18.06.2018 in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 17.07.2018 hat das Sozialgericht Duisburg den Bescheid vom 14.08.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.09.2017 "dergestalt" aufgehoben, dass die Klägerin zu 1) und ihre Kinder vom 01.07.2017 bis zum 18.06.2018 Leistungen nach dem SGB II in gesetzlicher Höhe sowie der Kläger zu 2) in der Zeit vom 27.07.2017 bis zum 09.04.2018 Leistungen nach dem SGB II in gesetzlicher Höhe erhalte. Im Übrigen hat es die Klage des Klägers zu 2) abgewiesen. Die Klägerin zu 1) und ihre Kinder als Familienangehörige besäßen aufgrund des Daueraufenthaltsrechts der Klägerin zu 1) vom 01.07.2017 bis zum 18.06.2018 einen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II. Der Kläger zu 2) besitze als Familienangehöriger seit der Heirat mit der Klägerin zu 1) am 27.07.2017 bis zum 08.04.2018 einen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II. Nach § 19 Abs. 1 S. 1 SGB II erhielten erwerbsfähige Hilfebedürftige Arbeitslosengeld II. Grundlegende Voraussetzung hierfür sei neben dem Lebensalter (Nr. 1), der Erwerbsfähigkeit (Nr. 2), der Hilfebedürftigkeit (Nr. 3) - all das stehe hier nicht in Streit - und der gewöhnliche Aufenthalt im Inland (Nr. 4). Zwischen den Beteiligten sei allein die Dauer des gewöhnlichen Aufenthalts der Klägerin zu 1) streitig. Diese besitze ab dem 19.01.2017 ein Daueraufenthaltsrecht, so dass sie und ihre Kinder gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 7 FreizügG/EU zu dem Aufenthalt in der Bundesrepublik berechtigt seien. Ein Daueraufenthaltsrecht nach § 4a FreizügG/EU in der Fassung vom 24.07.2015 bestehe bei Unionsbürgern dann, wenn sie sich seit fünf Jahren ständig rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hätten, abhängig von dem Erfüllen weiterer Voraussetzungen des § 2 Abs. 2 FreizügG/EU. Etwaige Abwesenheiten der Klägerin zu 1) bzw. die Lücken in der Meldebescheinigung führten nicht dazu, dass die Klägerin zu 1) noch nicht über ein Daueraufenthaltsrecht verfüge. Die Lücke vom 22.10.2012 bis zum 08.01.2013 sei nicht zu berücksichtigen, da sie unter sechs Monaten sei und den gewöhnlichen Aufenthalt der Klägerin zu 1) in der Bundesrepublik nicht beendet habe (§ 4a Abs. 2 Nr. 1 FreizügG/EU). Etwaige Fehlzeiten vom 21.08.2013 bis zum 25.02.2014 änderten daran nichts. Gemäß § 4a Abs. 2 Nr. 3 FreizügG/EU sei insbesondere die Abwesenheit von bis zu zwölf Monaten bei Schwangerschaft und Geburt unschädlich. Das dritte Kind der Klägerin zu 1) sei am 28.02.2014 geboren worden, so dass diese Lücke in der Meldebescheinigung von über sechs Monaten nicht dazu führe, dass kein Daueraufenthaltsrecht der Klägerin zu 1) bestehe. Die Klägerin zu 1) erfülle die allgemeinen Leistungsvoraussetzungen des § 7 Abs. 1 S. 1 SGB II in der Fassung vom 29.12.2016. Bei den Klägern zu 3) bis 6) handele es sich um Familienangehörige im Sinne von § 3 Abs. 2 FreizügG/EU.
Gegen das ihm am 25.07.2018 zugestellte Urteil hat der Beklagte am 16.08.2018 Berufung eingelegt. Er vertritt die Auffassung, dass ein Leistungsanspruch nach dem SGB II aufgrund eines verfestigten Aufenthaltes von mindestens fünf Jahren nicht in Betracht komme. Jedenfalls mit der Unterbrechung in dem Zeitraum vom 21.08.2013 bis zum 25.02.2014 sei eine den Aufenthalt beendende Unterbrechung des Aufenthaltes gegeben.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 18.06.2018 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Bevollmächtigte der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie berufen sich auf das erstinstanzliche Urteil. Ergänzend führen sie aus, dass der Kläger zu 2) in der Zeit vom 01.07.2016 bis zum 31.01.2017 bei der Firma T UG in E beschäftigt gewesen sei. Die Klägerin zu 1) habe in der Zeit vom 01.02.2017 bis zum 30.09.2017 bei derselben Firma gearbeitet.
Mit Bescheid vom 18.10.2018 hat der Beklagte der Klägerin zu 1) sowie den Klägern zu 3) bis zu 6) Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 06.06.2018 bis zum 30.11.2018 bewilligt.
Die Klägerin zu 1) und die Kläger zu 3) bis zu 6) haben die in der mündlichen Verhandlung vom 14.02.2018 die Klage für den Zeitraum ab dem 06.06.2018 zurückgenommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakten des Beklagten Bezug genommen, deren wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Streitgegenstand des Berufungsverfahrens ist der Bescheid vom 04.08.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.09.2017, soweit der Beklagte die Gewährung von Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II an die Klägerin zu 1) und ihre Kinder in der Zeit vom 01.07.2017 bis zum 05.06.2018 und an den Kläger zu 2) in der Zeit vom 27.07.2017 bis zum 09.04.2018 abgelehnt hat. Die Klägerin zu 1) sowie die Kläger zu 3) bis zu 6) haben die Klage betreffend den Zeitraum ab dem 06.06.2018 im Berufungsverfahren zurückgenommen. Der angefochtene Bescheid betreffend die Ablehnung der Gewährung von Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II an den Kläger zu 2) für die Zeit vom 01.07.2017 bis zum 26.07.2017 und ab dem 10.04.2018 ist in Bestandskraft erwachsen, da der Kläger zu 2) gegen das klageabweisende Urteil keine Berufung eingelegt hat.
Die zulässige Berufung des Beklagten ist betreffend die Verurteilung zur Leistungsgewährung an den Kläger zu 2) begründet (1). Hinsichtlich der Verurteilung zur Leistungsgewährung an die Klägerin zu 1) sowie an die Kläger zu 3) bis zu 6) ist die Berufung des Beklagten im Sinne einer Zurückverweisung begründet (2).
1) Das Sozialgericht hat zu Unrecht den Beklagten verurteilt, dem Kläger zu 2) Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 27.07.2017 bis zum 09.04.2018 zu gewähren.
Die vom Kläger zu 2) erhobene kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage nach § 54 Abs. 2, 4 SGG ist unzulässig.
Zu den zwingenden Bestandteilen einer wirksamen Klage gehört nach § 92 Abs. 1 S. 1 SGG die Benennung einer ladungsfähigen Anschrift des Klägers. Erforderlich ist Angabe der Anschrift, unter der ein Kläger tatsächlich zu erreichen ist. Es handelt sich um eine wesentliche ungeschriebene Sachurteilsvoraussetzung (BSG, Beschluss vom 18.11.2003 - B 1 KR 1/02 S; siehe auch BVerwG, Urteil vom 13.04.1999 - 1 C 24/97 m.w.N.). Die Angabe der ladungsfähigen Anschrift dient zur Klärung der örtlichen Zuständigkeit (§ 57 SGG), zum Bewirken rechtswirksamer Zustellungen gerichtlicher Anordnungen und Entscheidungen, der einwandfreien Identifizierung eines Klägers sowie Realisierung des Kostenrisikos (§ 192 SGG in gerichtskostenfreien Verfahren). Schließlich erfordert das sozialgerichtliche Verfahren trotz des für das Verfahren geltenden Amtsermittlungsgrundsatzes regelmäßig ein Mindestmaß an aktiver Mitwirkung eines Klägers (§§ 103, 106 Abs. 21, 111 Abs. 1 SGG); dies ist ohne sichere, auch für den Prozessgegner transparente Kommunikationsmöglichkeiten mit dem Kläger nicht gewährleistet. Deshalb sind handbare und sichere Kommunikationswege mit einer zustellungsfähigen Adresse des Klägers unverzichtbar (BSG, Beschluss vom 18.11.2003 - B 1 KR 1/02 S).
Die Anschrift muss vom Kläger nicht angegeben oder wiederholt werden, wenn sie sich bereits von der Behörde vorzulegenden Akten ergibt, sonstwie bekannt ist oder sich auf andere Weise ohne Schwierigkeiten ermitteln lässt. Es bedarf daher in der Regel eines Hinweises des Gerichts, um den Kläger zu verpflichten, seine Anschrift nachzureichen. Die Angabe der Anschrift, da sie nicht nur Zwecken der Ladung dient, ist auch dann erforderlich, wenn der Kläger anwaltlich vertreten ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 13.04.1999 - 1 C 24/97; BGH, Urteil vom 09.12.1987 - IVb ZR 4/87; BFH, Urteil vom 28.01.1997- VII R 33/96).
Vorliegend hat der Kläger zwar zum Zeitpunkt der Klagerhebung seine ladungsfähige Anschrift angegeben. Jedoch ist zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung am 18.06.2018 dem Sozialgericht die ladungsfähige Anschrift des Klägers zu 2) nicht mehr bekannt gewesen, da dieser in das Ausland ohne Angabe einer Adresse verzogen ist. Die Adresse lässt sich auch nicht ermitteln, da weder der Prozessbevollmächtigten noch seiner Ehefrau, der Klägerin zu 1), die neue Adresse des Klägers zu 2) bekannt ist. Damit ist die Klage wegen Fehlens einer Sachurteilsvoraussetzung unzulässig geworden. Denn die Pflicht zur Angabe einer ladungsfähigen Anschrift besteht nicht nur im Zeitpunkt der Klageerhebung, sondern erstreckt sich auf das gesamte Verfahren (vgl. BVerwG, Urteil vom 13.04.1999 - 1 C 24/97; BFH, Beschluss vom 30.06.2015 - X B 28/15 m.w.N.). Deshalb obliegt es einem Kläger im Rahmen seiner Mitwirkungspflichten nach § 103 SGG, dem Gericht eine Adressenänderung während des Verfahrens mitzuteilen. Er hat dafür Sorge zu tragen, dass er durch die Angabe seines tatsächlichen Wohnortes und Lebensmittelpunktes während des gesamten Verfahrens für das Gericht erreichbar bleibt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 06.11.2009 - 2 BvL 4/07). Auch im Berufungsverfahren ist das Nichtvorliegen einer Sachurteilsvoraussetzung - Fehlen einer ladungsfähigen Adresse - nicht geheilt worden. Vielmehr hat die Prozessbevollmächtigte wie auch die Klägerin zu 1) in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat bestätigt, dass ihnen die Adresse des Klägers zu 2) unbekannt ist.
Die Pflicht zur Angabe der Anschrift entfällt, wenn ihre Erfüllung ausnahmsweise unmöglich oder unzumutbar ist. Ein solcher Ausnahmefall ist etwa gegeben, wenn der Angabe der Anschrift unüberwindliche oder nur schwer zu beseitigende Schwierigkeiten oder schutzwürdige Geheimhaltungsinteressen entgegenstehen Ebenso ist das Fehlen der ladungsfähigen Anschrift dann unschädlich, wenn der Kläger glaubhaft über eine solche Anschrift nicht verfügt. In diesen Ausnahmefällen müssen dem Gericht aber die insoweit maßgebenden Gründe unterbreitet werden, damit es prüfen kann, ob ausnahmsweise auf die Mitteilung der ladungsfähigen Anschrift des Klägers verzichtet werden kann. Wird die Angabe dagegen ohne zureichenden Grund verweigert, liegt keine ordnungsgemäße Klage vor (vgl. BVerwG, Urteil vom 13.04.1999 - 1 C 24/97). Vorliegend ergeben sich weder aus Akte noch aus dem Vortrag der Prozessbevollmächtigten des Klägers zu 2) Anhaltspunkte, dass der Kläger zu 2) einen zureichenden Grund für die Nichtangabe der Adresse hat.
2) Die zulässige Berufung des Beklagten betreffend die Verurteilung zur Leistungsgewährung an die Klägerin zu 1) sowie an die Kläger zu 3) bis zu 6) für die Zeit vom 01.07.2017 bis zum 05.06.2018 ist im Sinne einer Zurückverweisung begründet. Das Urteil leidet an einem wesentlichen Verfahrensmangel, so dass der Senat von der nach § 159 Abs. 1 Nr. 2 SGG eingeräumten Möglichkeit der Zurückverweisung Gebrauch gemacht hat.
Nach § 159 Abs. 1 Nr. 2 SGG kann das Landessozialgericht durch Urteil die angefochtene Entscheidung des Sozialgerichts aufheben und die Sache an das Gericht zurückverweisen, wenn das Verfahren an einem wesentlichen Mangel leidet und aufgrund dieses Mangels eine umfangreiche und aufwändige Beweisaufnahme notwendig ist. Verfahrensmangel ist ein Verstoß gegen eine das Gerichtsverfahren regelnde Vorschrift. Wesentlich ist der Mangel, wenn die Entscheidung des Sozialgerichts auf ihm beruhen kann (vgl. Keller in Meyer-Ladewig, SGG, 12. Aufl. 2017, § 159 Rn. 3a).
Das Sozialgericht hat gegen seine Pflicht zur umfassenden Aufklärung des entscheidungserheblichen Sachverhalts aus § 103 SGG verstoßen. Die Amtsermittlungspflicht aus § 103 SGG ist verletzt, wenn der dem Sozialgericht bekannte Sachverhalt von seinem materiell-rechtlichen Standpunkt aus nicht für das gefällte Urteil ausreicht, sondern sich das Gericht zu weiteren Ermittlungen hätte gedrängt fühlen müssen (vgl. BSG, Urteile vom 24.11.1987 - 9/9a RV 42/87 - und vom 24.06.1993 - 11 RAr 75/92 - m.w.N.). Hierbei ist von sämtlichen Ermittlungsmöglichkeiten Gebrauch zu machen, die vernünftigerweise zur Verfügung stehen.
Ausweislich seiner Urteilsbegründung ist das Sozialgericht der Auffassung, dass Unionsbürger ein Daueraufenthaltsrecht nach § 4a FreizügG/EU in der Fassung vom 24.07.2015 haben und damit dem Leistungsausschluss des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II nicht unterfallen, wenn sie sich seit fünf Jahren ständig rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten haben, abhängig von dem Erfüllen weiterer Voraussetzungen des § 2 Abs. 2 FreizügG/EU. Ausgehend von diesen materiell-rechtlichen Standpunkt ist für das Sozialgericht erforderlich gewesen, Feststelllungen hinsichtlich des Bestehens von Aufenthaltsrechten der Kläger i.S.v. § 2 Abs. 2 FreizügG/EU während ihres Aufenthaltes in der Bundesrepublik zu treffen. Denn das Entstehen eines Daueraufenthaltsrechts nach § 4a FreizügG/EU setzt voraus, dass ein Unionsbürger während einer Aufenthaltszeit von mindestens fünf Jahren ununterbrochen die Freizügigkeitsvoraussetzungen des Art. 7 Abs. 1 RL 2004/38/EG erfüllt hat (EuGH, Urteil vom 21.12.2011 - C-424/10 u.a.; BVerwG, Urteile vom 16.07.2015 - 1 C 22/14 und vom 31.05.2012 - 10 C 8.12; VGH Bayern, Beschluss vom 14. 12. 2018 - 10 ZB 18.603). Allein ein fünfjähriger Aufenthalt in der Bundesrepublik reicht - wie das Sozialgericht im Obersatz zutreffend ausgeführt hat - zur Entstehung eines Daueraufenthaltsrechts nach § 4a FreizügG/EU nicht aus. Feststellungen, dass die Klägerin zu 1) nach ihrer Einreise in die Bundesrepublik mindestens fünf Jahre ununterbrochen ein materielles Aufenthaltsrecht aus Art. 7 Abs. 1 RL 2004/38/EG bzw. nach § 2 Abs. 2 FreizügG/EU hatte, hat das Sozialgericht nicht getroffen. Ob die Klägerin zu 1) sich auf ein materielles Aufenthaltsrecht berufen kann, welches nicht dem Leistungsausschluss des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II unterfällt, kann wegen der fehlenden Feststellungen im erstinstanzlichen Urteil nicht beurteilt werden. Es fehlen insbesondere jedwede Feststellungen, ob die Klägerin zu 1) oder der Kläger zu 2) sich entgegen der Auffassung des Beklagten auf einen Arbeitnehmerstatus i.S.v. § 2 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3 FreizügG/EU (vgl. hierzu EuGH, Urteil vom 19.07.2017 - C-143/16, m.w.N.; BSG, Urteil vom 12.09.2018 - B 14 AS 18/17 R m.w.N.), insbesondere hinsichtlich der von ihnen angegebenen Beschäftigungen bei der Firma T UG, berufen können. Insoweit ist schon auffällig, das nach Aktenlage die in dem Zeitraum vom 01.05.2016 bis zum 31.01.2017 bestehenden drei Beschäftigungsverhältnisse der Klägerin zu 1) und des Klägers zu 2) mit der Firma T UG von der Arbeitgeberin in den Kündigungsschreiben jeweils mit der Begründung "Abmeldung des Betriebs" gekündigt worden sind und jeweils zeitlich unmittelbar anschließend mit dem anderen Ehepartner ein Beschäftigungsverhältnis vereinbart wurde. Insoweit bietet es sich an, die nach § 17 MiLoG von einem gewerblichen Arbeitgeber zu führenden Stundenzettel zur Abklärung der von der Klägerin zu 1) und dem Kläger zu 2) tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden beizuziehen. Ausgehend von den Einlassungen der Klägerin zu 1) in der mündlichen Verhandlung, dass sie zum 22.05.2018 fristlos entlassen worden sei, ist auch zu klären, ob die Klägerin zu 1) durch die Aufnahme einer weiteren Beschäftigung im streitigen Zeitraum ein Aufenthaltsrecht als Arbeitnehmerin i.S.v. § 2 Abs. 2 Nr. 1 FreizügG/EU erworben hat.
Ebenso sind die Feststellungen des Sozialgerichts nicht ausreichend, um beurteilen zu können, ob zu Gunsten der Kläger die Rückausnahme des § 7 Abs. 1 S. 4 SGB II eingreift. Danach erhalten Ausländer und Ausländerinnen und ihre Familienangehörige abweichend von § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II Leistungen nach diesem Buch, wenn sie seit mindestens fünf Jahren ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland haben. Ob eine durchgehende melderechtliche Erfassung bei einem Aufenthalt des Ausländers im Inland Voraussetzung für das Eingreifen der Ausnahmeregelung des § 7 Abs. 1 S. 4 SGB II ist, ist umstritten (verneinend LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 23.04.2018 - L 7 AS 2162/17 B ER; zweifelnd LSG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 04.05.2018 - L 6 AS 59/18 B ER). Das Sozialgericht hat keine Feststellungen über die Dauer des Aufenthalts des Klägers zu 2) in der Bundesrepublik getroffen. Hinsichtlich der Dauer des Aufenthalts der Klägerin zu 1) in der Bundesrepublik nach ihrer Meldung am 18.01.2012 (§ 7 Abs. 1 S. 5 SGB II) fehlen Feststellungen, an welchen Orten sich die Klägerin zu 1) in den Zeiträumen, die nicht durch Meldebescheinigungen belegt sind (02.10.2012 bis 08.01.2013 und vom 21.08.2013 bis 25.02.2014), aufgehalten hat. Ob sich die Klägerin zu 1) im Inland oder im Ausland aufgehalten hat, hat das Sozialgericht ausdrücklich offengelassen. Nach dem Willen des Gesetzgebers sind unwesentliche Unterbrechungen des Aufenthalts in Deutschland - zum Beispiel ein kurzer Heimatbesuch - unschädlich. Bei wesentlichen Unterbrechungen beginnt die 5-Jahres-Frist neu zu laufen (BT-Drs. 18/10211 S. 14). Auch aus den im Klageverfahren beigezogenen Verwaltungsakten (beginnend mit Bl. 186 ff. Band II) lässt sich nicht entnehmen, an welchen Orten sich die Kläger vor Oktober 2015 aufgehalten haben.
Ausgehend von dem materiell-rechtlichen Standpunkt des Sozialgerichts, dass die Leistungsvoraussetzungen des § 7 Abs. 1 S. 1 SGB II gegeben sind, wobei jedwede Feststellungen zur Hilfebedürftigkeit der Kläger im Zeitraum vom 01.07.2017 bis zum 07.06.2018 fehlen, und der Leistungsauschluss des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II nicht eingreift, sind weitere Ermittlungen erforderlich, ob und ggf. in welchem Zeitraum zu Ungunsten der Kläger der Leistungsauschluss des § 7 Abs. 4a SGB II eingreift (vgl. hierzu Urteil des Senats vom 08.08.2016 - L 19 AS 1251/14). Ausgehend von der vorlegten Heiratsurkunde haben sich die Klägerin zu 1) und der Kläger zu 2) zumindest am 27.07.2017 in Bulgarien aufgehalten.
Die angefochtene Entscheidung kann auch auf den Verfahrensmangel beruhen, da nicht auszuschließen ist, dass das Sozialgericht bei ordnungsgemäßer Aufklärung zu einem anderen Ergebnis gelangt wäre. Aufgrund der unvollständigen Sachverhaltsaufklärung ist eine umfassende und aufwändige Beweisaufnahme erforderlich.
Im Rahmen seines nach § 159 Abs. 1 SGG auszuübenden Ermessens hat der Senat das Interesse der Kläger an einer möglichst zeitnahen Entscheidung gegenüber den Nachteilen durch den Verlust einer Tatsacheninstanz abzuwägen und insbesondere zu berücksichtigen, dass die Zurückverweisung die Ausnahme sein soll (Keller, a.a.O., § 159 Rn. 5a). Bei der Entscheidung für eine Zurückverweisung hat der Senat berücksichtigt, dass der Rechtsstreit angesichts des bisherigen Ermittlungsausfalls noch weit von einer Entscheidungsreife entfernt ist und weitere Ermittlungen zur Aufklärung des Sachverhalts erforderlich sind. Der Grundsatz der Prozessökonomie führt nicht dazu, dass die Klage nunmehr abschließend in der Berufungsinstanz zu behandeln ist. Den Beteiligten würde eine Instanz verloren gehen. Durch die Zurückverweisung verbleibt den Beteiligten die Möglichkeit, ihre Rechte in zwei Tatsacheninstanzen zu wahren. Dementsprechend stellt die Zurückverweisung die dem gesetzlichen Modell entsprechenden zwei Tatsacheninstanzen wieder her.
Das Sozialgericht hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde gelegt ist, seiner Entscheidung zugrunde zu legen (§ 159 Abs. 2 SGG).
Die Kostenentscheidung betreffend den Kläger zu 2) beruht auf § 193 SGG.
Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens betreffend die Klägerin zu 1) und die Kläger zu 3) bis zu 6) bleibt dem Sozialgericht vorbehalten.
Anlass, die Revision zuzulassen, besteht nicht (§ 160 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
Login
NRW
Saved