L 12 AL 2675/17

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
12
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 15 AL 153/15
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 12 AL 2675/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 15.03.2017 wird zurückgewiesen.

Außergerichtlichen Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt von der Beklagten Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben für eine Ausbildung als Erzieher in Form der Sicherung des Lebensunterhaltes während der schulischen Ausbildung.

Der 1993 geborene Kläger leidet an einer Spina bifida-Erkrankung und ist auf den Rollstuhl angewiesen. Nach Abschluss der Realschule mit der Mittleren Reife absolvierte der Kläger in der Zeit vom 29.08.2012 bis 28.08.2013 einen Bundesfreiwilligendienst im Deutschen Krebsforschungszentrum.

Zum 01.09.2013 begann der Kläger eine Ausbildung zum Bürokaufmann im Berufsbildungswerk N ... Das Arbeitsverhältnis wurde am 11.11.2013 zum 25.11.2013 innerhalb der Probezeit beendet. In der Arbeitslosmeldung gab der Kläger an, dass er bestimmte Beschäftigungen aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr ausüben könne bzw. zeitlich einschränken müsse. Mit Bescheid vom 23.12.2013 bewilligte die Beklagte dem Kläger Arbeitslosengeld für die Zeit vom 03.12.2013 bis 01.06.2014 (unter Berücksichtigung einer Urlaubsabgeltung in der Zeit vom 26.11.2013 bis 02.12.2013) in Höhe von 22,88 EUR täglich.

Am 07.08.2013 beantragte der Kläger Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben. Diese wurden mit Bescheid vom 23.08.2013 in Form eines Zuschusses für die Beförderung zwischen der Wohnung und dem Arbeitsort bzw. der Berufsschule für die Zeit vom 01.09.2013 bis 31.08.2014 bewilligt. Aufgrund der Beendigung der Ausbildung hob die Beklagte die Bewilligung mit Bescheid vom 07.04.2014 für die Zeit ab 13.11.2013 auf.

Am 21.03.2014 fand ein Beratungsgespräch statt, in dem der Kläger angab, eine Ausbildung zum Erzieher absolvieren zu wollen. Die Ausbildung solle in Teilzeit und deshalb beim Bildungsträger USS (Unterrichtsstudio S.) stattfinden. Er sehe für sich keine Finanzierungsmöglichkeit dieser Ausbildung und beantrage deshalb, die Finanzierung dieser Ausbildung durch die Arbeitsagentur.

Die Beklagte gab daraufhin ein Gutachten in Auftrag. Dr. G. kam am 24.04.2014 zu dem Ergebnis, der Kläger könne vollschichtig leichte Tätigkeiten im Sitzen ausführen. Auszuschließen seien besonderer Zeitdruck sowie ununterbrochenes Sitzen über sechs Stunden. Die Möglichkeit, die Körperhaltung zu wechseln, solle gegeben sein. Beim Kläger bestehe eine körperliche Minderbelastbarkeit durch eine angeborene Fehlbildung der Wirbelsäule. Er sei an einen Rollstuhl gebunden. Die körperliche Belastbarkeit sei auf Dauer wesentlich herabgesetzt. Es werde ein Gespräch und eine Beratung beim berufspsychologischen Service empfohlen.

Mit Schreiben vom 04.07.2014 teilte die Beklagte dem Kläger mit, die Eignung für den Beruf des Erziehers sei nicht gegeben, da wesentliche Aufgaben des Berufes, zum Beispiel die Erfüllung der Aufsichtspflicht, nicht ausgeübt werden könnten. Selbst wenn Eignung vorläge, könne die seitens des Klägers gewünschte Maßnahme nicht gefördert werden, da sie für Personen der Wiedereingliederung gedacht sei, dies bedeute für Kunden, die bereits eine Ausbildung absolviert hätten oder mehrjährige Berufstätigkeit mitbrächten und eine Umschulung benötigten. Der Kläger könne sich jedoch an einer staatlichen Schule bewerben, wie ihm bereits in der Beratung aufgezeigt worden sei. Seinem Wunsch nach einem Beraterwechsel könne jedoch entsprochen werden.

Am 13.08.2014 wurde der Kläger von der Diplom-Psychologin W. untersucht. Diese teilte mit, dass der Kläger der mehrstündigen Testung konzentrativ sehr gewachsen sei. Er erreiche verglichen mit männlichen Realschulabsolventen Testergebnisse, die auf ein gut durchschnittliches allgemeines intellektuelles Leistungsniveau schließen ließen. Dabei fielen vor allem seine guten sprachlichen Voraussetzungen auf. Diese ordneten sich an der oberen Durchschnittsgrenze ein bzw. für die Rechtschreibsicherheit sogar auf überdurchschnittlichem Niveau. Im logischen Denken lägen durchschnittliche Voraussetzungen vor, auch im räumlichen Vorstellen und für den Bereich des rechnerischen Denkens, obwohl der Kläger im schulischen Kontext in Mathematik mit mangelhaft bewertet worden sei. Es bestehe Konkurrenzfähigkeit verglichen mit der Normgruppe der Realschüler. Höhere Kammerberufe bzw. die Ebene der Fachschulberufe könne der Kläger gut bewältigen. Die sozialkommunikativen Voraussetzungen seien besonders positiv. Der Kläger habe jedoch eingeräumt, dass er, wenn er sich Unrecht behandelt fühle, entsprechend reagiere. Sein wunder Punkt scheine das Beschränktwerden auf seine Behinderung bzw. auf die körperlichen Einschränkungen zu sein. So wolle er nicht Erzieher für behinderte Kinder werden, sondern in einem regulären Kindergarten arbeiten. In der Zusammenfassung sprächen die Testergebnisse dafür, dass Konkurrenzfähigkeit mit Realschülern erkennbar sei. Vorausgesetzt der Kläger würde sich hierfür adäquat engagieren, seien auch höhere Kammerberufe denkbar. Eignung liege aus psychologischer Sicht vor – für soziale Berufe und zum Beispiel auch für den Verwaltungsbereich. Bezüglich der beruflichen Interessenlage scheine die Situation recht verfahren zu sein. Bezüglich des Unterstützungsbedarfes habe der Kläger sehr deutlich gemacht, dass er auf eine behinderungsgerechte Förderung im überbetrieblichen Rahmen keinen Wert lege.

Mit Schreiben vom 09.10.2014 teilte der Kläger auf die Frage, ob er sich beim Deutschen Krebsforschungszentrum beworben habe, mit, dass er sich zurzeit damit befasse, die Möglichkeit zu schaffen, Erzieher zu werden. Der Beruf eines Bürokaufmannes komme für ihn nicht in Frage.

Mit Bescheid vom 23.10.2014 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Die seitens des Klägers gewünschte Ausbildung zum Erzieher könne nicht gefördert werden. Eine Ausbildung zum Erzieher sei aus behinderungsbedingten Gründen nicht möglich. Dies werde im ärztlichen und psychologischen Gutachten bestätigt. Gleichzeitig sei ihm die Förderung einer Ausbildung im Bereich der kaufmännischen bzw. verwaltenden Berufe zugesagt worden.

Am 06.11.2014 erhob der Kläger Widerspruch. Entgegen der Auffassung der Beklagten begründe das Gutachten vom 24.04.2014 sowie das psychologische Gutachten nicht, dass ihm aus behinderungsbedingten Gründen eine Ausbildung zum Erzieher unmöglich sei. Dr. G. komme vielmehr zu dem Ergebnis, dass er für leichte Arbeiten vollschichtig leitungsfähig sei. Dabei sollten die Möglichkeiten gegeben sein, die Körperhaltung zu wechseln sowie besonderen Zeitdruck zu vermeiden. Diese Voraussetzungen seien bei einem Erzieher erfüllt. Auch das Gutachten der Psychologin bestätige, dass er mit anderen Realschülern konkurrenzfähig sei. Dass er als Erzieher geeignet sei, werde auch dadurch bewiesen, dass er bereits jetzt im Rahmen eines Praktikums im Kinder- und Jugendzentrum E. in H. in der Kinderbetreuung arbeite. Zudem habe er bereits in der Vergangenheit mehrere Praktika in Kindergärten erfolgreich absolviert. Soweit eine Eignung nur deshalb nicht anerkannt werde, weil er an einen Rollstuhl gebunden sei, handle es sich hier um eine Frage der Barrierefreiheit des Arbeitsplatzes, nicht jedoch um eine Frage der Eignung. Er verfüge bereits jetzt über einen Ausbildungsplatz beim katholischen Kindergarten S. P. in H ... Außerdem sei ihm ein Ausbildungsplatz und eine spätere Übernahme in ein Anstellungsverhältnis in einer Münchner Kinderbetreuung angeboten worden.

Mit Widerspruchsbescheid vom 29.12.2014 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Nach amtsärztlicher Feststellung könne der Kläger eine ständig sitzende, nicht jedoch über sechs Stunden andauernde Tätigkeit ausüben. Eine solche Ausgestaltung des Arbeitsplatzes dürfte in einem Kindergarten nicht gegeben sein, wo ein Erzieher sehr viel in kniender und auch gebückter Haltung, oftmals auch auf kleinen Kinderstühlen sitzend tätig sein müsse. Hinzu komme, dass es dem Kläger an der erforderlichen Beweglichkeit/Schnelligkeit für eine solche Tätigkeit fehle und er somit gehindert sei, einer insofern zweifellos abverlangten Aufsichtsverpflichtung in ausreichendem Umfang nachzukommen. Ferner wäre auch eine absolute Barrierefreiheit erforderlich, was jedoch nur in ganz speziellen Ausnahmefällen gewährleistet sein dürfte. Für den Kläger bestünden genügend Möglichkeiten, in anderen Berufsfeldern tätig zu werden.

Mit Schreiben vom 14.01.2015 hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Mannheim (SG) erhoben. Der behandelnde Hausarzt Dr. H. habe am 01.10.2015 bestätigt, dass er trotz seiner Behinderung in der Lage sei, den Beruf des Erziehers auszuüben. Er sei mobil genug, um sich allen Anforderungen des Alltags zu stellen. Das von Dr. G. angegebene Leistungsvermögen für leichte vollschichtige Arbeiten in wechselnder Körperhaltung stimme mit demjenigen im Beruf des Erziehers überein. Im Übrigen habe er durch ein Praktikum bereits nachgewiesen, dass sein Rollstuhl kein Hindernis darstelle. Ein Anspruch auf Bundesausbildungsbeihilfe bzw. nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) komme vermutlich wegen des Einkommens der Eltern nicht in Betracht.

Das SG hat in einem Erörterungstermin sowohl den zuständigen Reha-Berater der Beklagten als auch Frau S. gehört, die in einem Kindergarten arbeitet, in dem Kinder zwischen drei und sechs Jahren untergebracht sind und in dem der Kläger im Rahmen eines zweimonatigen Praktikums tätig war. Frau S. hat dargelegt, dass der Rollstuhl des Klägers kein Hindernis für die Ausübung des Erzieherberufes darstelle und dass sie eine reguläre Ausbildung für den Kläger für möglich halte. Der Kindergarten, in dem sie beschäftigt sei, sei grundsätzlich bereit, dem Kläger eine Ausbildung zu ermöglichen, und sofern zu gegebener Zeit eine Stelle frei sei, diese dem Kläger auch anzubieten. Darüber hinaus ist der Kläger vom sozialmedizinischen Dienst der Beklagten untersucht worden. Dr. W. kam in seinem Gutachten vom 29.07.2016 zu dem Ergebnis, dass der Kläger in der Lage sei, vollschichtig leichte Tätigkeiten ständig im Sitzen auszuüben. Erforderlich seien sanitäre Anlagen in erreichbarer Nähe, die bei Bedarf jederzeit erreichbar sein sollten. Auszuschließen seien Heben und Tragen von Lasten über sieben Kilogramm ohne mechanische Hilfsmittel sowie Belastungen durch Nässe, Kälte, Zugluft oder Temperaturschwankungen. Eine Tätigkeit als Erzieher sei prinzipiell möglich, sofern eine weitere beruflich qualifizierte Person zur Erfüllung der Aufsichtspflichten ständig anwesend sei. Es müsse insbesondere gewährleitet sein, dass bei einer eventuellen Gefährdung der Kinder und Jugendlichen unmittelbar und zielgerichtet qualifizierte Hilfe geleistet werden könne, etwa im Straßenverkehr, auf Spielplätzen, bei möglichen Unfällen an der Arbeitsstätte sowie auf Ausflügen. Er halte den Kläger für dazu in der Lage, bei Beachtung der Einschränkungen die Ausbildung zum Erzieher zu absolvieren und dauerhaft in diesem Berufsbild zu arbeiten. Auf Grund der ausgeprägten Einschränkungen sei längerfristig voraussichtlich mit vermehrten Zeiten der Arbeitsunfähigkeit und vermehrten Behandlungsbedarf zu rechnen.

Mit Urteil vom 15.03.2017 hat das SG die Klage abgewiesen. Gemäß § 112 Abs. 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) könnten für behinderte Menschen Leistungen zur Förderung der Teilhabe am Arbeitsleben erbracht werden, um ihre Erwerbsfähigkeit zu erhalten, zu verbessern, herzustellen oder wiederherzustellen und ihre Teilhabe am Arbeitsleben zu sichern, soweit Art oder Schwere der Behinderung dies erforderten. Die Tätigkeit als Erzieher sei jedoch für den Kläger bereits ungeeignet. Der Beruf des Erziehers bringe körperliche Anforderungen mit sich (zum Beispiel Belastbarkeit der Wirbelsäule, Beine, Arme und Hände), denen der Kläger auf Grund seiner Erkrankung nicht uneingeschränkt gewachsen sei. Dies hätten bereits die im Verwaltungsverfahren eingeholten ärztlichen Gutachten, die im Wege des Urkundsbeweises verwertet worden seien, ergeben. Auf Grund der bestehenden Einschränkungen fehle es dem Kläger auch an der erforderlichen Beweglichkeit bzw. Schnelligkeit für eine solche Tätigkeit, sodass bereits zweifelhaft sei, ob der Kläger den Anforderungen des Erzieherberufs und der in diesem Berufszweig notwendigen Aufsichtsverpflichtung in dem erforderlichen Umfang nachkommen könne. Auch stehe zu befürchten, dass sich die Tätigkeit als Erzieher negativ auf den Gesundheitszustand des Klägers auswirke. Somit könne von einer dauerhaften Teilhabe am Arbeitsleben – die gerade Ziel der Leistungen zur Teilhabe sei – nicht hinreichend ausgegangen werden. Für die von der Beklagten angebotenen Bereiche (kaufmännischer Sektor oder Laborbereich) sei von einer deutlich besseren Prognose für eine dauerhafte Integration und Teilhabe am Arbeitsleben auszugehen. Nichts Anderes ergebe sich auch aus dem während des Klageverfahrens erstellten Gutachten des Dr. W ... Sollte der Kläger jedoch einen Ausbildungsvertrag mit einem Kindergarten für eine integrierte Ausbildung vorlegen, könne diese gefördert werden.

Gegen dieses Urteil wendet sich der Kläger mit seiner am 10.07.2017 eingelegten Berufung. Bei der Beklagten liege ein Ermessensausfall vor, da sie den Kläger fälschlicherweise als ungeeignet für den Beruf des Erziehers angesehen habe. Da er über kein Abitur verfüge, müsse er, um zur Ausbildung zugelassen zu werden, zwingend ein Jahr Berufskolleg absolvieren. Für dieses erhalte er keine Vergütung. Zwar könne er BAföG beantragen, jedoch sei davon auszugehen, dass dieses – wie bei seiner Schwester auch – abgelehnt werde. Deshalb sei auch das Angebot der Beklagten, den Kindergarten zu fördern, nicht zielführend.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 15.03.2017 sowie den Bescheid der Beklagten vom 23.10.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.12.2014 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben, insbesondere Kostenübernahme der Ausbildung zum Erzieher in Teilzeit, zu gewähren,

hilfsweise,

das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 15.03.2017 sowie den Bescheid der Beklagten vom 23.10.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.12.2014 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, seinen Antrag auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben, insbesondere auf Kostenübernahme der Ausbildung zum Erzieher in Teilzeit unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu verbescheiden.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte ist der Ansicht, dass sich die fehlende Eignung des Klägers aus dem ärztlichen Gutachten von Dr. W. vom 29.07.2016 ergebe. Dieser habe als Leistungsbild vollschichtig – leichte Arbeit – sitzend festgestellt, dies sei mit den Anforderung, die an den Beruf des Erziehers zu stellen seien, nicht vereinbar. Ein Erzieher müsse u. a. über eine Belastbarkeit der Wirbelsäule und eine robuste Gesundheit verfügen, denn er müsse Kinder heben, stützen oder tragen können. Anhaltende Zwangshaltungen der Wirbelsäule sowie Heben und Tragen von Lasten über fünf bis sechs Kilogramm seien auszuschließen. Zudem sei ein Erzieher für die Kinder verantwortlich und müsse diese beaufsichtigen. Dr. W. zufolge bedürfe es bei der Tätigkeitsausübung der Anwesenheit einer weiteren berufsqualifizierten Person. Diese Teileignung reiche nicht aus, um einen Anspruch auf Förderung zu begründen. Ein Ermessensfehlgebrauch liege nicht vor. Mit einer Arbeitserprobung könne lediglich festgestellt werden, ob der Kläger derzeit in der Lage sei, den Anforderungen Stand zu halten. Die Feststellung, ob er dauerhaft in den Echtbetrieb eines Kindergartens eingegliedert werden könne, könne mit einer Arbeitserprobung hingegen nicht gelingen. Sobald der Kläger einen Anstellungsvertrag vorlege, sei die Beklagte bereit, sich durch einen Ausbildungszuschuss an den Kindergartenträger in Höhe von maximal 50 % der Ausbildungsvergütung zu beteiligen.

Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen sowie die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg.

Die Berufung ist statthaft, da Berufungsausschließungsgründe nicht eingreifen (vgl. §§ 143, 144 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz [SGG]) und auch im Übrigen zulässig; insbesondere wurden die maßgeblichen Form- und Fristvorschriften (§ 151 Abs. 1 SGG) beachtet. Die Berufung ist aber nicht begründet, das SG hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen.

Gegenstand der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage ist die Frage, ob dem Kläger Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben in Form einer Lebensunterhaltssicherung zustehen. Dass der Kläger nur um die Sicherung des Lebensunterhaltes während der Ausbildung begehrt, hat er insbesondere im Schriftsatz vom 01.08.2018 nochmals ausführlich erläutert, als er das Angebot, der Beklagten, den ausbildenden Kindergarten zu fördern, mit der Begründung abgelehnt hat, dass er seinen Lebensunterhalt während der schulischen Ausbildung nicht finanzieren könne. Weitere Leistungen hat der Kläger weder beantragt noch in irgendeiner Form im Verfahren angesprochen. Diese Argumentation hat er im weiteren Schriftsatz vom 01.10.2018 nochmals vertieft.

Nach § 112 Abs. 1 SGB III können für behinderte Menschen Leistungen zur Förderung der Teilhabe am Arbeitsleben erbracht werden, um ihre Erwerbsfähigkeit zu erhalten, zu verbessern, herzustellen oder wiederherzustellen und ihre Teilhabe am Arbeitsleben zu sichern, soweit Art oder Schwere der Behinderung dies erfordern. Nach Abs. 2 der genannten Vorschrift sind bei der Auswahl der Leistungen Eignung, Neigung, bisherige Tätigkeit sowie Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes angemessen zu berücksichtigen. Soweit erforderlich, ist auch die berufliche Eignung abzuklären oder eine Arbeitserprobung durchzuführen.

Der Kläger ist nach § 19 SGB III behindert im Sinne des SGB III, da seine Aussichten, am Arbeitsleben teilzuhaben oder weiter teilzuhaben, wegen Art oder Schwere ihrer Behinderung im Sinne von § 2 Abs. 1 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IX) nicht nur vorübergehend wesentlich gemindert sind und er deshalb grundsätzlich Hilfen zur Teilhabe am Arbeitsleben benötigt.

Ungeachtet der Frage der Geeignetheit des Klägers für den Erzieherberuf begehrt der Kläger jedoch keine Maßnahmen, die zum Ausgleich von Art und Schwere seiner Behinderung erforderlich sind. Der Kläger begehrt, da die Schule kostenfrei ist, finanzielle Überstützung, um seinen Lebensunterhalt finanzieren zu können, zunächst für die Zeit des einjährigen Berufskollegs, das er, da er nur über einen Realschulabschluss verfügt, vor dem Beginn der eigentlichen Ausbildung nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a Erzieherverordnung Baden-Württemberg (ErzieherVO) absolvieren muss. Die Tatsache, dass der Kläger ein Jahr Berufskolleg absolvieren muss, ist jedoch nicht in seiner Behinderung, sondern allein in der Tatsache begründet, dass er über einen Realschulabschluss verfügt und nicht über die Fachhochschulreife oder die allgemeine Hochschulreife, bei deren Vorliegen auf den erfolgreichen Abschluss des Berufskollegs verzichtet werden kann (§ 6 Abs. 2 ErzieherVO).

Für diesen schulischen Teil, der den Zugang zu einer Erzieherausbildung erst ermöglicht, besteht, unabhängig von einer Behinderung, die Möglichkeit, Ausbildungsförderung zu erhalten nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 BAföG i.V.m. Nr. 2.1.8 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföGVwV 1991) vom 15.10.1991 (GMBl. S. 770), zuletzt geändert durch die BAföGÄndVwV 2013 vom 13.11. 2013. Dass der Kläger eine solche Förderung nicht erhält, steht nicht im Zusammenhang mit seiner Behinderung, sondern vielmehr damit, dass die weiteren Voraussetzungen wie ggfs. Bedürftigkeit nicht erfüllt sind. Dass der Kläger nur die Sicherung des Lebensunterhaltes während der Ausbildung begehrt, hat er insbesondere im Schriftsatz vom 01.08.2018 nochmals ausgeführt, als er das Angebot, der Beklagten, den ausbildenden Kindergarten entsprechend zu fördern, mit der Begründung abgelehnt hat, dass er seinen Lebensunterhalt während des einen Jahres Berufskolleg nicht finanzieren könne. Weitere Leistungen hat der Kläger weder beantragt noch in irgendeiner Form im Verfahren angesprochen. Die Argumentation hat er im weiteren Schriftsatz vom 01.10.2018 nochmals vertieft.

Ansprüche auf Berufsausbildungsbeihilfe (BAB) kommen zumindest für die Zeit des Berufskollegs nicht in Betracht. §§ 56 i.V.m. 57 SGB III (sowie in deren Erweiterung §§ 116, 117 SGB III) sehen einen Anspruch auf BAB vor, für Ausbildungen in einem nach dem Berufsbildungsgesetz, der Handwerksordnung oder dem Seearbeitsgesetz staatlich anerkannten Ausbildungsberuf betrieblich oder außerbetrieblich oder nach dem Altenpflegegesetz betrieblich durchgeführt wird. Um eine solche handelt es sich bei der Erzieherausbildung, die grundsätzlich ausschließlich schulisch durchgeführt wird, nicht (LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 09.05.2017 – L 18 AL 119/15).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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