Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
13
1. Instanz
SG Potsdam (BRB)
Aktenzeichen
S 9 SB 12/15
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 13 SB 202/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 16. März 2017 geändert. Der Beklagte wird unter Änderung des Bescheides vom 15. Februar 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. Dezember 2014 in der Fassung des Ausführungsbescheides vom 12. September 2017 verpflichtet, bei dem Kläger mit Wirkung ab dem 16. Oktober 2018 einen Grad der Behinderung von 50 festzustellen. Der Beklagte hat dem Kläger dessen notwendige außergerichtliche Kosten des gesamten gerichtlichen Verfahrens zu 1/3 zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Höhe des bei dem Kläger festzustellenden Grades der Behinderung (GdB).
Der 1960 geborene Kläger erlitt 2011 eine Fersenbeinfraktur. Auf seinen Antrag vom 10. April 2012, den er am 2. November 2012 wiederholte, stellte der Beklagte bei ihm mit Bescheid vom 15. Februar 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. Dezember 2014 einen GdB von 20 fest. Hierbei berücksichtigte er folgende Funktionsbeeinträchtigungen:
1. Funktionsstörung der Wirbelsäule (Wirbelsäulensyndrom) (Einzel-GdB von 20), 2. Funktionsstörung des linken Sprunggelenks (Einzel-GdB von 20).
Mit der Klage bei dem Sozialgericht Potsdam hat der Kläger die Neubescheidung seines Antrags begehrt. Das Sozialgericht hat neben Befundberichten der den Kläger behandelnden Ärzte, u.a. des Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie G vom 10. Juni 2015, das Gutachten des Facharztes für Orthopädie Dr. Z vom 29. Februar 2016 eingeholt. Der Sachverständige hat nach Untersuchung des Klägers am 2. Februar 2016 folgende Behinderungen festgestellt:
1. Wirbelsäulenschäden mit mittelgradigen funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Einzel-GdB von 20), 2. Funktionsstörung des linken Sprunggelenks mit Bewegungseinschränkung stärkeren Grades (Einzel-GdB von 20).
Er hat wegen des gegenseitigen negativen Einflusses der Behinderungen einen Gesamt-GdB von 30 vorgeschlagen. Mit Schriftsatz vom 19. Mai 2016 hat der Beklagte erklärt, bei dem Kläger mit Wirkung ab 2. Februar 2016 einen GdB von 30 festzustellen. Der Kläger hat das Teilanerkenntnis nicht angenommen.
Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 16. März 2017 den Beklagten verpflichtet, bei dem Kläger einen GdB von 30 festzustellen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Aus dem schlüssigen Gutachten ergebe sich, dass ein Gesamt-GdB von 30 als angemessen anzusehen sei. Der Beklagte sei entsprechend seinem Anerkenntnis zu verurteilen. Darüber hinaus sei die Klage abzuweisen. Mit Ausführungsbescheid vom 12. September 2017 hat der Beklagte bei dem Kläger mit Wirkung ab dem 2. Februar 2016 einen GdB von 30 festgestellt.
Mit der Berufung gegen die Entscheidung des Sozialgerichts hat der Kläger zunächst einen GdB von mindestens 50 begehrt.
Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung des Gutachtens der Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie T vom 29. Oktober 2018. Nach Untersuchung des Klägers am 16. Oktober 2018 hat die Sachverständige als seelische Leiden eine mittelgradig ausgeprägte depressive Störung und eine Persönlichkeitsstörung festgestellt, die sie mit einem Einzel-GdB von 40 bewertet hat. Der Gesamt-GdB betrage 50.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 16. März 2017 aufzuheben sowie den Beklagten unter Änderung des Bescheides vom 15. Februar 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. Dezember 2014 in der Fassung des Ausführungsbescheides vom 12. September 2017 zu verpflichten, bei ihm mit Wirkung ab dem 16. Oktober 2018 einen Grad der Behinderung von 50 festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält an seiner Entscheidung fest.
Dem Senat haben die Verwaltungsvorgänge des Beklagten vorgelegen. Diese waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die Schriftsätze, das Protokoll und die Verwaltungsvorgänge des Beklagten.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung des Klägers ist, soweit er sie aufrechterhalten hat, begründet.
Der Kläger hat Anspruch auf Feststellung eines GdB von 50 mit Wirkung ab dem 16. Oktober 2018.
Nach § 152 Abs. 1 Sozialgesetzbuch, Neuntes Buch in der am 1. Januar 2018 in Kraft getretenen Fassung sind die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft nach Zehnergraden abgestuft zu bewerten. Hierbei sind die in der Anlage zur Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV) vom 10. Dezember 2008 (BGBl. I S. 2412) festgelegten "Versorgungsmedizinischen Grundsätze" (VMG) heranzuziehen.
Die Funktionsbeeinträchtigungen des Klägers im Bereich der unteren Extremitäten sind mit einem Einzel-GdB von 20 anzusetzen. Der Sachverständige Dr. Z hat bei dem Kläger Bewegungseinschränkungen stärkeren Grades im linken Sprunggelenk festgestellt, für welche nach B 18.14 VMG ein GdB in dieser Höhe vorgesehen ist.
Das Wirbelsäulenleiden des Klägers bedingt nach B 18.9 VMG einen Einzel-GdB von 20, da es sich nach den gutachterlichen Feststellungen um Wirbelsäulenschäden mit mittelgradigen funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt mit häufig wiederkehrenden und über Tage andauernde Wirbelsäulensyndromen handelt.
Die psychische Erkrankung des Klägers ist mit einem Einzel-GdB von 40 in Ansatz zu bringen. Aus den medizinischen Feststellungen der Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie T im Gutachten vom 29. Oktober 2018 ergibt sich, dass bei dem Kläger eine stärker behindernde Störungen mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit vorliegt. Er leidet an Antriebsstörungen, Abgeschlagenheit, schneller Ermüdbarkeit, Lustlosigkeit, ständiger niedergeschlagener Stimmung, erhöhter Reizbarkeit, Affektlabilität, Denkstörungen, Einengung und Verlangsamung des Denkens, Konzentrationsstörungen, Grübelzwängen, Versagungsgedanken, Insuffizienzgefühlen, Zukunfts- und Erwartungsangst. Der Senat hält im Hinblick auf die deutlichen, sich in allen Lebensbereichen auswirkenden Funktionsstörungen eine Bewertung am oberen Rand des nach B 3.7 VMG eröffneten Rahmens von 30 bis 40 für angemessen.
Liegen – wie hier – mehrere Beeinträchtigungen am Leben in der Gesellschaft vor, ist der GdB gemäß § 152 Abs. 3 SGB IX n.F. nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festzustellen. Nach A 3c VMG ist bei der Beurteilung des Gesamt-GdB von der Funktionsstörung auszugehen, die den höchsten Einzel-GdB bedingt, und dann im Hinblick auf alle weiteren Funktionsbeeinträchtigungen zu prüfen, ob und inwieweit hierdurch das Ausmaß der Behinderung größer wird.
Unter Berücksichtigung dieser Vorgaben ist bei dem Kläger ein Gesamt-GdB von 50 zu bilden. Der für die psychischen Störungen anzusetzende Einzel-GdB von 40 ist im Hinblick auf die mit einem Einzel-GdB von jeweils 20 zu bewertenden weiteren Behinderungen des Klägers im orthopädischen Bereich um einen Zehnergrad auf 50 zu erhöhen, da nach den Feststellungen der Sachverständigen T zwischen den seelischen und körperlichen Funktionsbeeinträchtigungen negative Wechselwirkungen bestehen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Sie berücksichtigt den Ausgang des Verfahrens.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) sind nicht erfüllt.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Höhe des bei dem Kläger festzustellenden Grades der Behinderung (GdB).
Der 1960 geborene Kläger erlitt 2011 eine Fersenbeinfraktur. Auf seinen Antrag vom 10. April 2012, den er am 2. November 2012 wiederholte, stellte der Beklagte bei ihm mit Bescheid vom 15. Februar 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. Dezember 2014 einen GdB von 20 fest. Hierbei berücksichtigte er folgende Funktionsbeeinträchtigungen:
1. Funktionsstörung der Wirbelsäule (Wirbelsäulensyndrom) (Einzel-GdB von 20), 2. Funktionsstörung des linken Sprunggelenks (Einzel-GdB von 20).
Mit der Klage bei dem Sozialgericht Potsdam hat der Kläger die Neubescheidung seines Antrags begehrt. Das Sozialgericht hat neben Befundberichten der den Kläger behandelnden Ärzte, u.a. des Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie G vom 10. Juni 2015, das Gutachten des Facharztes für Orthopädie Dr. Z vom 29. Februar 2016 eingeholt. Der Sachverständige hat nach Untersuchung des Klägers am 2. Februar 2016 folgende Behinderungen festgestellt:
1. Wirbelsäulenschäden mit mittelgradigen funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Einzel-GdB von 20), 2. Funktionsstörung des linken Sprunggelenks mit Bewegungseinschränkung stärkeren Grades (Einzel-GdB von 20).
Er hat wegen des gegenseitigen negativen Einflusses der Behinderungen einen Gesamt-GdB von 30 vorgeschlagen. Mit Schriftsatz vom 19. Mai 2016 hat der Beklagte erklärt, bei dem Kläger mit Wirkung ab 2. Februar 2016 einen GdB von 30 festzustellen. Der Kläger hat das Teilanerkenntnis nicht angenommen.
Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 16. März 2017 den Beklagten verpflichtet, bei dem Kläger einen GdB von 30 festzustellen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Aus dem schlüssigen Gutachten ergebe sich, dass ein Gesamt-GdB von 30 als angemessen anzusehen sei. Der Beklagte sei entsprechend seinem Anerkenntnis zu verurteilen. Darüber hinaus sei die Klage abzuweisen. Mit Ausführungsbescheid vom 12. September 2017 hat der Beklagte bei dem Kläger mit Wirkung ab dem 2. Februar 2016 einen GdB von 30 festgestellt.
Mit der Berufung gegen die Entscheidung des Sozialgerichts hat der Kläger zunächst einen GdB von mindestens 50 begehrt.
Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung des Gutachtens der Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie T vom 29. Oktober 2018. Nach Untersuchung des Klägers am 16. Oktober 2018 hat die Sachverständige als seelische Leiden eine mittelgradig ausgeprägte depressive Störung und eine Persönlichkeitsstörung festgestellt, die sie mit einem Einzel-GdB von 40 bewertet hat. Der Gesamt-GdB betrage 50.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 16. März 2017 aufzuheben sowie den Beklagten unter Änderung des Bescheides vom 15. Februar 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. Dezember 2014 in der Fassung des Ausführungsbescheides vom 12. September 2017 zu verpflichten, bei ihm mit Wirkung ab dem 16. Oktober 2018 einen Grad der Behinderung von 50 festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält an seiner Entscheidung fest.
Dem Senat haben die Verwaltungsvorgänge des Beklagten vorgelegen. Diese waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die Schriftsätze, das Protokoll und die Verwaltungsvorgänge des Beklagten.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung des Klägers ist, soweit er sie aufrechterhalten hat, begründet.
Der Kläger hat Anspruch auf Feststellung eines GdB von 50 mit Wirkung ab dem 16. Oktober 2018.
Nach § 152 Abs. 1 Sozialgesetzbuch, Neuntes Buch in der am 1. Januar 2018 in Kraft getretenen Fassung sind die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft nach Zehnergraden abgestuft zu bewerten. Hierbei sind die in der Anlage zur Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV) vom 10. Dezember 2008 (BGBl. I S. 2412) festgelegten "Versorgungsmedizinischen Grundsätze" (VMG) heranzuziehen.
Die Funktionsbeeinträchtigungen des Klägers im Bereich der unteren Extremitäten sind mit einem Einzel-GdB von 20 anzusetzen. Der Sachverständige Dr. Z hat bei dem Kläger Bewegungseinschränkungen stärkeren Grades im linken Sprunggelenk festgestellt, für welche nach B 18.14 VMG ein GdB in dieser Höhe vorgesehen ist.
Das Wirbelsäulenleiden des Klägers bedingt nach B 18.9 VMG einen Einzel-GdB von 20, da es sich nach den gutachterlichen Feststellungen um Wirbelsäulenschäden mit mittelgradigen funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt mit häufig wiederkehrenden und über Tage andauernde Wirbelsäulensyndromen handelt.
Die psychische Erkrankung des Klägers ist mit einem Einzel-GdB von 40 in Ansatz zu bringen. Aus den medizinischen Feststellungen der Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie T im Gutachten vom 29. Oktober 2018 ergibt sich, dass bei dem Kläger eine stärker behindernde Störungen mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit vorliegt. Er leidet an Antriebsstörungen, Abgeschlagenheit, schneller Ermüdbarkeit, Lustlosigkeit, ständiger niedergeschlagener Stimmung, erhöhter Reizbarkeit, Affektlabilität, Denkstörungen, Einengung und Verlangsamung des Denkens, Konzentrationsstörungen, Grübelzwängen, Versagungsgedanken, Insuffizienzgefühlen, Zukunfts- und Erwartungsangst. Der Senat hält im Hinblick auf die deutlichen, sich in allen Lebensbereichen auswirkenden Funktionsstörungen eine Bewertung am oberen Rand des nach B 3.7 VMG eröffneten Rahmens von 30 bis 40 für angemessen.
Liegen – wie hier – mehrere Beeinträchtigungen am Leben in der Gesellschaft vor, ist der GdB gemäß § 152 Abs. 3 SGB IX n.F. nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festzustellen. Nach A 3c VMG ist bei der Beurteilung des Gesamt-GdB von der Funktionsstörung auszugehen, die den höchsten Einzel-GdB bedingt, und dann im Hinblick auf alle weiteren Funktionsbeeinträchtigungen zu prüfen, ob und inwieweit hierdurch das Ausmaß der Behinderung größer wird.
Unter Berücksichtigung dieser Vorgaben ist bei dem Kläger ein Gesamt-GdB von 50 zu bilden. Der für die psychischen Störungen anzusetzende Einzel-GdB von 40 ist im Hinblick auf die mit einem Einzel-GdB von jeweils 20 zu bewertenden weiteren Behinderungen des Klägers im orthopädischen Bereich um einen Zehnergrad auf 50 zu erhöhen, da nach den Feststellungen der Sachverständigen T zwischen den seelischen und körperlichen Funktionsbeeinträchtigungen negative Wechselwirkungen bestehen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Sie berücksichtigt den Ausgang des Verfahrens.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) sind nicht erfüllt.
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